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SCHÖNE SACHEN
„Live At The Royal Albert Hall, 1974“ Bryan Ferry
Als smarter Bandleader von Roxy Music war Brian Ferry in den Siebzigern einer der spannendsten und modernsten Popstars seiner Zeit. Kurz nach Brian Enos Ausstieg bei der Band nahm Ferry 1973 seine Solokarriere auf. Die beschränkte sich zwar erst „nur“ auf seine Performance- und SangesQualitäten, mit denen er CoverSongs anging – aber dieser nun veröffentlichte, perfekt klingende Mitschnitt beweist eindrücklich, dass man eben auch nicht zwingend neue Lieder braucht, wenn man sich mit diesem Verve die Classics vornimmt. Los geht es mit „Sympathy For The Devil“ von den Stones, dass bei Ferry weniger schwitzig klingt, und einen an das Grinsen von Robert De Niro in „Im Auftrag des Teufels“ denken lässt. Selbst Dylan kriegt das FerryUpdate und man wundert sich fast, dass „A Hard Rain‘s A-Gonna Fall“ auch im schnieken Anzug funktioniert. Highlight, weil eben genau die bei der Show im Publikum saß, ist „The In Crowd“ - im Original von Dobie Gray.
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„High Road“ Kesha
Es liegen dramatische Jahre hinter Kesha. Ihr juristischer Kampf gegen ihren ehemaligen, psychisch und vermutlich auch physisch übergriffigen Produzenten Dr. Luke und die Reaktionen einer immer noch zutiefst chauvinistischen Musikbranche darauf haben Spuren hinterlassen, die sie im letzten Album „Rainbow“ künstlerisch verarbeitete – in einem Sound, der eher dem Country nahestand. Nun ist Kesha wieder auf der „High Road“, setzt auf dängelnden, pumpenden Empowerment-Pop, der am Autoscooter ebenso funktioniert wie auf den großen Sommerfestivals. Das macht vor allem dann höllisch Spaß, wenn sie mit Big Freedia in „Raising Hell“ die Sünde feiert, oder aber im Titelstück ins Rappen gerät und kurz Faith No Mores „Be Aggressive“ zunickt, bevor sie ihr neues Motto auf den Punkt bringt: „I‘m taking the high road / I‘m high as fuck and these assholes won‘t shut up.“ Nicht alle der 16 Songs zünden dermaßen gut, „BFF“ feat. Wrabel zum Beispiel klingt ein wenig zu generisch nach Balladenbaukasten, aber es tut gut, Kesha wieder so unbeschwert zu hören.
RCA (Sony Music)
Kalthauser „Kalthauser“
Ende März erscheint das Debütalbum dieser neuen Chemnitzer-Band. Ein weiterer Beweis nach Kraftklub und Blond, dass in der Stadt eben doch viel mehr geht, als rechtsdrehende Krawallkacke. Kalthauser setzen dabei jedoch weniger auf Zackigkeit oder Ironie, sondern auf den eher klassischen, leicht melancholischen Erbauungs-Indie-Pop. „Diese Angst kriegt uns nicht klein, euer Hass soll unsere Liebe sein“, heißt es gleich im Opener „Alles Gute“. Mal mit zwei schillernd produzierten Britpop-Gitarren („Chor“), mal mit schiebenden Bassmelodien („Funken Leuchten“), mal eher auf Synthiepop setzend („Gefühl West“) weiß man bei Kalthauser zwar nicht ganz, wie man sie stilistisch festnageln will, aber die Stimme und die klaren Lyrics sorgen für ein Debüt-Album, das schon groß hinaus will. Am besten sind Kalthauser dabei, wenn sie wie in „Alles Brennt“ den Harmoniewillen mal ein wenig runterdimmen – man kann also gespannt sein, in welche Richtung sie es in Zukunft drehen werden.
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„Love And Let Die“ Bonsai Kitten
„New Empire Vol. 1“ Hollywood Undead
Es gibt Musikrichtungen, die sind einfach nicht totzukriegen, obwohl man sie schon mehrfach für tot erklärt hat. Crossover ist so eine. Ein Genre, das eigentlich nur in den 90ern als cool galt, wo es mit dem Sampler „Judgement Night“ und dem Debüt von Rage Against The Machine auf die Bühnen sprang. Trotzdem: Beliebt sind viele Crossover-Bands noch immer. RATM spielen sich diesen Sommer wieder die Rente rein, Papa Roach sind wieder auf Tour – und mit dabei sind Hollywood Undead, die diese Ironie gleich im Bandnamen tragen. Die Kalifornier sind auf Album Nummer sechs immer noch in Topform, rappen, singen und brüllen auf „New Empire Vol. I“, dass es eine wahre Freude ist, ballern handgesägte Riffs in die Massen und beweisen mit „Time Bomb“, das kurz in Richtung der Punk-Ikonen Rancid nickt, dass sie sich auch in dieser Ecke auskennen. Wen stört es da noch, dass sie das Genre nicht neu erfinden, sondern immerhin ordentlich abklopfen und ansteckend untot auf Jagd schicken.
BMG
Damit die harten Klänge auf diesen Seiten nicht wie sonst oft zu kurz kommen, legen wir euch noch diese Band ans Herz oder aufs Ohr. Bonsai Kitten um die Berliner Sängerin Tiger Lilly Marleen sind seit mittlerweile fünf Alben eine feste Instanz in der Metal-Welt. Auf „Love And Let Die“ hat man sich nun personell ein wenig neu aufgestellt, was ihrem Sound einen spannenden Drall gibt. Sie selbst nennen das nicht unpassend „Woodstock trifft Wacken“ – verkörpert durch den Neuzugang Marc Reign an den Drums, der sonst bei den Death-Metallern Morgoth spielt und Gitarrist, Produzent und Sänger Wally, der weiß, wie man frühen Punk und Rock’n’Roll auch heute noch frisch klingen lässt und sich das ein oder andere eindrucksvolle Solo rausgniedelt. Wie schon live, ist es aber am Ende eben Tiger Lilly Marleen, die einen kriegt, wenn sie mal herrlich rotzig nach der leider verblichenen Band Dover klingt („Dead Man Walking“), mal pathetisch die Stimme hebt und die große MetalGeste rauspackt („I Have Freedom“) und mal die abgeklärte Croonerin gibt, wie im Titelstück, dem man sehr deutlich anhört, dass er von einem alten JamesBond-Song ähnlichen Namens inspiriert ist.
Sunny Bastards Records/ Soul Food
„The Slow Rush“ Tame Impala
Heiß erwartet, immer wieder verschoben – aber nun hat Kevin Parker alias Tame Impala endlich fertig. Der Multiinstrumentalist, Produzent und Sänger, der so gut wie jeden Ton auf diesem Album gespielt oder gesungen hat, musste dabei nicht nur den riesigen Hype um das letzte, dritte Album „Currents“ abschütteln, sondern auch damit fertig werden, dass er in den letzten Jahren dank Props von Tyler, The Creator und Arbeiten mit ASAP Rocky zum Indie-Darling des Raps geworden ist. Rap-Features gibt es deshalb aber trotzdem nicht. Eher im Gegenteil: Parker vergräbt sich in seine Klangwelten, sinniert über das Leben, die Zeit, den Tod. Es ist seine große Kunst, dabei musikalisch beschwingt zu bleiben – „Lost In Yesterday“ zum Beispiel schüttelt tanzend die sinnlose Verklärung der Nostalgie ab, „It Might Be Time“ ist Selbstzweifel im Stadionpop-Rausch, „Posthumous Forgiveness“ eine schmerzhafte Auseinandersetzung mit dem Verhältnis zu seinem Vater, die trotzdem erbauend schillert. Wer sich also sorgte, dass es Tame Impala bei all dem Druck nicht mehr bringen, kann erleichtert aufatmen. Parker wird eher immer noch besser. Caroline / Universal
Unsere glücklichen Tage Julia Holbe
Unsere Entdeckung für verregnete Nachmittage auf dem Sofa ist das Debüt „Unsere glücklichen Tage“ von Julia Holbe. Die Luxemburgerin erzählt darin von vier Freundinnen, einem nicht enden wollenden Sommer an der französischen Atlantikküste, dem Leben, das wie ein Versprechen vor diesen Vieren liegt und dem Wiedersehen der Frauen viele Jahre später. Schnell wird klar: wir erinnern Vergangenheit immer nur so, wie wir sie haben wollen. Das macht sie vermutlich so schön und so melancholisch. Eine schöne Story für alle, die im Frühling ihr 30-Jähriges Abitur-Treffen vor sich haben und noch nicht so genau wissen, ob sie hingehen sollen oder nicht.
Penguin Verlag
Liebe mich, töte mich Jennifer Hillier
Das Genre True Crime boomt, Serienmörder faszinieren ein großes Publikum, Podcasts, Magazine, Streamingdienste und Fernsehen gehen mit „Wahren Verbrechen“ durch die Decke. Aber auch unter den fiktionalen Veröffentlichungen gibt es immer wieder wahre Schocker zu entdecken, die glücklicherweise nur der Fantasie eines Thriller-Autoren entsprungen sind. So ein Schocker ist Jennifer Hillier gelungen. Vor vierzehn Jahren kehrte Geos beste Freundin Angela nach einer Party nicht nach Hause zurück. Als man ihre zerstückelte Leiche findet, ist schnell klar, dass sie ein Opfer des berüchtigten Serienmörders Calvin James wurde. Der ist nicht nur ein brutaler Killer, sondern auch Geos erste große Liebe. Geo wusste, was er tat. Sie war dabei. Dann werden weitere Frauen ermordet. An den Tatorten eindeutige Botschaften, die Geo gelten...
Penguin Verlag
Three Women - Drei Frauen Lisa Taddeo
An diesem Buch kommt momentan keine(r) vorbei: „Three Women - Drei Frauen“ galt schon vor dem Erscheinen der deutschsprachigen Ausgabe als die Sensation des Jahres. Die Journalistin und Autorin Lisa Taddeo befragte hunderte Amerikanerinnen zu ihrer Sexualität, ihrem Verlangen, ihren heimlichsten Wünschen und durchquerte sechsmal die USA, um schließlich drei Frauen aus der amerikanischen Provinz für „Three Women“ auszuwählen: Maggie, Lina und Sloane. Alles, was Maggie will, ist, dass sie jemand versteht. Alles, was Lina will, ist, dass sie jemand begehrt. Alles was Sloane will, ist, dass sie jemand bewundert. Kontroverser Stoff, absolutes „must-read“, für Frauen und Männer!
Piper
THE SONGS OF LEONARD COHEN Perfomed by Field Commander C.
Field Commander C. ist eine liebevolle Hommage an den großen kanadischen Singer-Songwriter Leonard Cohen. Eine zehnköpfige Band spielt dabei mit eindrucksvoller Virtuosität und unaufhörlicher Spielfreude, Intensität und Werktreue Klassiker wie „Suzanne“, „Sisters of Mercy“, „So long Marianne“ oder „Famous blue Raincoat“. „Field Commander C.“ lässt Leonard Cohen einzigartig wiederauferstehen und schickt seine Besucher auf eine besondere Zeitreise mit den Texten und Liedern eines der größten Musikpoeten des 20. Jahrhunderts – live!
JAHRHUNDERTHALLE FRANKFURT FR 08.05.20 — 20 UHR
Foto: Bernadette Fink
HEINO GOES KLASSIK Mit großem Orchester & Chor
Mit der Tournee „HEINO GOES KLASSIK“ erfüllt sich HEINO einen Herzenswunsch. Er erfindet sich für sein treues Publikum zum wiederholten Male neu und zeigt so die Vielfältigkeit seines künstlerischen Schaffens. Von den altbekannten und neuen HEINO-Hits und Gassenhauern, bis hin zu Klassikern wie Brahms, Beethoven, Schubert und Tschaikowski. Musik, welche die Menschen seit jeher berührt! Als besonderen Stargast hat sich HEINO niemand Geringeren als den 28-jährigen Violin-Virtuosen Yury Revich an seine Seite geholt und bietet seinem Publikum damit ein kulturelles Highlight der Sonderklasse.
JAHRHUNDERTHALLE FRANKFURT FR 13.11.20 — 20 UHR
Gut 45 Jahre nachdem Ol’ Blue Eyes Ikone Himself – Mr. Frank Sinatra – nach der großen und letzten Show seinen Drink an der Bar des Clubs Jahrhunderthalle nahm, wird mit dem 1. Frankfurt Burlesque Festival der Spirit der damaligen Zeit an eben diesem Ort wiederbelebt! Songs wie „Fly Me to the Moon“, „My Way“ und „I’ve got you under my skin“ bilden den Takt zu dem sich Mainhattan verführen lassen wird während die bezaubernden Performer aus der ganzen Welt das Publikum begeistern. Präsentiert wird das Ganze von Tara D‘Arson und Sheila Wolf.