Milan Kunc Kunstforum 03/1983

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• Bd. 59, 3/83, März

1 Y 6676 E Kunsuorum VorgeblrgssH. 35 5000 KOln 1

INTERNATIONAL

Freie Figuration Neue Bilder aus Frankreich Marie Luise Syring KINDERTRAUM UND KATASTROPHE - BEMERKUNGEN ZUR IDEO· LOGIE DER FREIEN FIGURATIVEN Jean-Pierre Pastlche ZWEI JAHRE FREIER FIGU· RATION · Xavler Girard NEUE FIGURATION IN FRANKREICH · Marie Luise Syring SUB· VERSIVE HETEROGENITÄT- MALEREI IM POSTSTRUKTURALISMUS · Manfred Schnecken· burger ERICH REUSCH IN MÜNCHEN - VARIATIONEN ÜBER EINEN WEG UND ZWEIFEL· DER · ULTIMO/REAL · Stephan von Wiese VERSTÖRENDE IDYLLEN - MUTATIONEN UND KONSTANTEN IM WERK VON MILAN KUNC · DIE GLASKUGEL, IN DER ES SCHNEIT · Texte..von Ull ~udewlg, Harald Hartung, Walter Seitter und Walter Grasskamp · Christian Rathke SUCHER UBER DIE 50ER JAHRE · MAGAZIN


Verstörende Idyllen Mutationen und Konstanten im Werk von Milan Kunc von Stephan von Wiese

Bereits 1973 dachte Milan Kunc über die Malerei der Zukunft nach, nämlich in seinem so betitelten Temperabild. Diese Malerei stieß allerdings, wie das Bild zeigte, auf manche Wider tände: Der Pin el war zugleich zart und besc hwert. die Hand de Maler zugleich frisch und im Grunde doch schon kelettiert, die fri sc he Palette zwar farbig, die Farbkleck se darauf aber eher be. cheiden. Der „ Hunger" nach paghetti, Hähnchen und Erbsen nahm auf die er Palette noch se hr viel mehr Raum und Gewicht ein, als derjenige nach Farbe. Und das Bild im Bild, das herauskam, verfiigte zwar über den Goldrahmen von Meisterwerken, war 7Ugleich aber verklammert mit allerhand . chmuckelementen von Oblaten au s dem Poesiealbum, also auch ein Stück bildhafter Trivialpoe ie. Diese. „Mei terwerk", was da entstand, wirkte all dem turbulenten Ge chehen an seinem Rand gegenüber fern und entrückt: ls men chenleere Mi.ihlenlandschaft erschien es im , tile der „alten Meister" und zugleich in der Art der Kaufhaus-Kunst. Hier ging alles durcheinander Das Bild war durch und durch urrealistisch, von der Verkettung der Motive bis 1ur malerischen Technik, und war doch zugleich ussage über den Stand der Malerei der Zeit : Malerei war ein „harter Job " (vgl. das Interview mit Milan Kunc in diesem Heft). Charakteristi eh für die Motivverknüpfung war, daß hier zusammengebracht wurde, was eigentlich gar nicht zu ammenpaßte: Hand und Skelett, Farben und Hähnchen , Poesiealbum und Meisterwerk, ein Bild über die Malerei der Zeil und eine altertümliche Mi.ihlcnlandschaft. Das Er taunliche an dieser Kombination aber war, daß sie nicht in ihren ähten krachte und ächzte. Alles noß wie selbstvertändlich ineinander, wirkte vertraut und doch irritierend . Die Resonanz: Man reagierte auf die en „ onderling" verwundert, vielleicht auch verstört. Man fragte ich : 1 t das Ernst oder Spaß, Ironie oder Pathos, Kunst oder Kit sch? Und die Antworten waren i111mer ver chieden. 108

In der Kunstakademie stellte Milan Kunc damal ein „peinlich-realistisches" Bild von Vliterchen Stalin aus: mit wolkenverhangenem Haupt und schwebendem Telefonhörer als direktem Draht vom Himmel zum chlacht feld - und das im Goldrahmen . talin: Go11va1er, Heiliger, Feldherr. Held oder churke? Die Ant· worl blieb offen - irritierend zu einer Zeil, wo Stalin bei einigen K-Gruppen wieder zitatwürdig wurde. Zugleich entstand jenes Bild der frühen Zeit, da am meisten Erstaunen weckte, der ru ische oldat, der durch die Mauer springt. War da nun Sozialisti eher Realismus, Photorealismus oder Happening? elb 1 der Rahmen war bemalt. Es handelte sich gleichsam um ein Bild in Cinemascope. Wieder war da Gegensätzliche vereint: die Poe ie der Heckenro en mit dem ~chußbereiten Krieger, die Margueriten-ldylle mit der Gewalt der niederpra selnden Ziegel. Und der Soldat existierte mitsamt Gewehr noch einmal in egativform in der Mauer und als chatten auf der Mauer. Der Sprung durch die Mauer wirkte zugleich wie ein prung durchs Bild , auf den Betrachter 1u. Milan Kunc balancierte wieder mit ver chieden ten Bedeutung - und Realität ebenen, und doch wirkte da Bild als gesch lossenes Ganzes, das freilich wiederum viele Fragen teilte, ohne ie zu beantworten. 1 erstes Bild von Milan Kunc sah ich Ludwig van Beethoven, 1977 zum Beethoven-Jahr gemalt. Dieses Bild war cheinbar eindeutiger: Alle Kli chees des deut schen Romantikkult waren hier zusammengenossen - vom deut schen Wald über den röhrenden Hir· chen bis zum wehenden Haar der wie ein Gemälde er· sc heinenden Beethoven-Büste auf dem ockel. Aber es waren nicht nur Klischee-Zitate in die em Bild: Die Kli chees wurden renektiert, sie waren bei näherem Hinsehen auch marode, verrottet: Der Hir eh ange· sc hossen, die atur mit Kon erven verschandelt, der deut ehe Wald ziem lich gerodet, der Denkmal- ockd gesprungen. Und am chön-Wetter- Himmel zog eint Gewitterfront auf. Wa galt nun: Trauene hier jemand


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den verfallenen „Werten" nach, ein nostalgisches Bild al o? Wurden die Klischees durch den Kakao gezogen, ironisien - ein ideologiekriti eh-soziologisches Bild? Oder wurde die Zerstörung der Kli chees ganz im Gegenteil zum Vehikel für eine Kritik der Gegenwart selbst - ein „alternatives" Bild mit ökologi ehern Bewußtsein quasi? Milan Kunc machte darüber keine eindeutigen Aussagen. Seine interessant klingenden Interpretationen schienen zu wechseln. Milan Kunc sprach damals von „subversiven Bildern", wobei die subversive Sprengkraft häufig mehr oder weniger verborgen war, nichl gleich in Gesicht sprang. Ein Kollege von mir riet ihm damal , er solle doch in der Zeitung annoncieren al Hundemaler Er haue wohl das Bild Der neue Typ nur zur Hälfte ver landen. Das zeigte einen Schäferhundkopf auf Men chenkörper im Goldrahmen, und das in altmeisterlicher Öltechnik. Milan Kunc blieb nicht bei der Ölmalerei. Es kam die Zeit des Punks. New Wave. Er war dabei - Punk wurde nun ein weiteres Element in seiner Kunst, freilich nur ein Element neben vielen anderen. Die Goldrahmen wurden mit Ketten behängt. Die Thematik erweiterte sich: „Das Häßliche i l wieder chön", war die Parole die er Tage. Es entstand etwa ein PunkSchrank mit Knochen, Stacheldraht, rauchendem Herzen, singenden Vögeln und aufgeklebten Verpackungstreifen: F ( = feuergefährlich). Das „A" der Anarchie brannte lichterloh. Es entstanden Reifen-Bilder und Demonstrationsobjekte aus Karton: An die Stelle der Ölmalerei trat die „Prolet Pop-art", die auch wieder zu einem Symbol über Kun t und Malerei führte: Aus einem Ei drang eine geballte Faust mit dem Pin el in der Hand. Die Geburt der Malerei wurde diese emblematische Bild betitelt. Mit einer Stange verbunden wurde es neben Coca-Cola, McDonalds, Hammer und 110

Sichel und Superman bei happeningar1igen DemonsJralionen auf die Straße getragen. Die Kunst drang vor das ganz , normale" Publikum, dem al o - leicht verändert freilich - seine verl rau testen Orientierung zeichen vorgetragen wurden. Stimmten die nun alle nicht mehr? War das ernst gemeint? Oder war es Spaß? Machte da ein Künstler Politik? Oder war hier eine Demonstration Kun t? Totale Verwirrung. Milan Kunc wäre in dieser deutschen Kunstlandschaft wohl ein Einzelgänger „gegen den Strom" geblieben, hätte sich nicht die Gruppe Normal gegründet. Eine gemeinsame Maiaktion mit Jörg fmmendorff auf Düsseldorfer Straßen haue mehr zu gegenseitiger Ver limmung geführt. Was da zunächst in dieser Zeil benachbart er chien, war im Grunde doch total verschieden. Dafür gründete sich im Sommer 1979 mi1 Peter Angermann und Jan Knap die Gruppe „Normal" Große gemein ame Plakatbilder auf Stra· ßen in Düsseldorf, Bonn und auf dem Times Square in New York entstanden: In die Städte brachte man märchenhafte, folkloristische Dorfstimmung. In Düsseldorf spielten etwa zwei Kinder am Dorfweiher und hüteten die Gän e. Im blühenden Gebüsch war freilich auch ein verschrollete Auto ver leckt. Und aus dem Schauspielhaus und dem Thy sen-Hochhau im Hintergrund wuchs da Gras. Da war Poesie wieder auch ein Vehikel der Kritik. Und dem Publikum gefiel ogar die Idylle in der tadt, die doch zugleich deren Negation war Auch die 42. Straße in New York wurde o zum „Dorf" Die e Zeil der chnellen Bilder „al fresco" verlangte eine neue Technik: Die einfache Dispersionsfarbe war nun das geeignete Mittel. Auch die Stilmillel wandelten sich: Er t „fauvi 1isch", wurden sie immer mehr „kubistisch" Der „Zeichner" setzte sich immer mehr durch. Die Darstellungen wurden linearer, klas ischer, schärfer im Detail, was wiederum den Schritt zurüd zur Ölmalerei zur Folge hatte. Ein Schritt zurück, zwei Schritte vor, war die Strategie. Milan Kunc kam immer wieder auf die alten Themen zurück. Das „PunkObjek1" der Madonna im Autoreifen wurde nun umgedreht zu einem Gemälde im Linienstil de An Deco: liegender Frauenakt auf einem Berg von Au1oreiren. Ein Nachtbild, bei dem die Körpersilhoueue von Veläzquez übernommen sein könnte. Trotz veränderter stili ti eher Mittel, erweiterter Thematik: Die Fragen blieben die gleichen. Kitsch? Kun 1? Kritik? Schwulst? Die Bilder waren an cheinend alles zugleich. Sie verzichteten auf die geniale Kün tler-Attitüde, die Geheimnistuerei der „persönlichen Handschrift" und stießen auf Widerstand: fanche lörten sich an den „kit ehigen" Zitaten, die sie peinlich an das erinnerten, was sie ebenso fürch1e1en, wie vor dem sie erbebten: die Kultur der „Ma en" fa war kein Wunder, daß die Re onanz immer da tärker wurde, wo solch ein „Kulturgefälle" weniger problematisch war: in Frankreich etwa, in den USA. In deutschen Landen bevorzugte man hingegen mehr das Geraune der „ Wilden", das war schön expressioni tisch. erinnerte an das, wodurch deutsche Kunst Glanz und


Vorhergehende Seite: Rring Rring (Stilleben mit Telefon), 1975 fテ僕 / Lw., 78 x 52). Links oben: Der neue Typ, 1975 (Tempera/ L w., 70 x 60) Foro: Anne Gold. Oben: Ein junger So/dar, 1974175 (テ僕l L w., 175 x 130) III


Würde gewonnen hatte. o arbei1e1e Milan Kunc wei1er „gegen den Strom", freilich heule innerhalb eine großen Umfeldes malender Kollegen . Legenden und Mythen werden hier aufgebaul, nicht zuletzt von der Kun tkritik. Mit Milan Kunc hat diese offen ichtlich eh\ ierigkei1en. Erheblich daherkommende Texte werden immer 7ahlreicher, die das wirklich ind, was die Bilder von Milan Kunc nur 7U sein . cheinen: Kit sch . ls Beleg eine kleine Kostprobe O-Ton beispiel wei e aus dem Katalog La Giovane Pillura in Germania (Bologna 1982). Im Bei1rag von Flavio Caroli erfahren wir e1was über „Die Mons1er eine deut chen Sonntag ": .,Haben ie jemals einen onn1ag in Berlin oder Köln verbracht?", fragl der u1or geheimni voll-insideri eh und töhnl über die melancholisc hen „ Riten" der FreiLei1 dort . Doch iehe da : die neuen Wilden! .,Tro1z pünk1licher traßenbahn ", trot z „sauberer Plätze" hört man auf einmal „in der Ferne das Leben dröhnen ": „ Das Leben de e , der Droge, de lkohol : einer inneren Unordnung, die keine Programmierung, kein Reieh1um jemal unterdrücken können, die nur mil Hilfe der Kun t ausgedrückt werden kann. Kunst: die cin1ige Waffe, die der moderne Mensch be it zl, um eine eigene, wenngleich prekäre ld enliläl zu uchen" 1 t da nun ourth. -Mahler oder Jargon der Eigen1lichkei1. fragl man ich hier und nicht nur hier Die deut ch-italieni ehe eo- eh e der Kun t-Krilik quiet sc ht da mal wieder ga nz gewaltig. Über Milan Kunc heißt e dann kurz und bündig, die er ei von „pica iani eh-kalifornischer aivität" Etwa komplizierter i t die Lage aber eben doch, auch wenn nalysen anscheinend nicht mehr in Mode ind . Wer hier wohl naiv ist! Unten: Der wahre A 1•a11tgardi t 1•ers11cht 1•ergeben in die Schublade~" pa sen, 1982 (Öl / Lw., 203 x 214). Oben: Triton, 1982 (Öl / Lw„ 205 x 120) Foto: Gold

Bilder an der Kante - Ein Ge präch mil Milan Kunc von Wie e: Sprechen wir zuer t 'mal über die neue tcn

Bilder Kune :. Das habe ich vor einem Monat gemalt: Ein

Avantgardist, der vergebens versucht, in die Schublade zu passen. Wenn man e nicht benennt, ist e ein rät elhaf1e Bild. Der Kämpfer oder der Krieger chaut zur onne. Das Ganze toll farbig, gelb und blau . Und hier ist eine chattenwelt. Eine Laterne. Die e traßenampel, wo eine Gruppe teht. E i t eine urreali ti ehe bene. lies chräg, e kippl um. W : Wa i t da für ein Ti eh? K: Da ist un ere eh. Und hier i l die chublade. Das ist prakti eh da alte urreali ti ehe ymbol für das Katalogi ieren , Registrieren , inordnen . Ein wahrer Künstler läßt ich doch nicht einordnen. W : Doch diese r Avant ga rdi l hier , will der nicht in die chublade? K: Vergeben eben. 112


.Wein Haus, 1982 (01 auf Lw., 220 x 240) Foto: Gold

\ : Das ist ja ein richtiger chönling. K: Ja er i t eine richtig klassische Gestalt, ein Held. überhaupt die Bilder, die ich mache, sind einfach patheti eh. \ : ind Kün tler Helden? K: ur einige, die meisten zittern ewig um die eigene Zukunft, es i t in ihren Werken auch spürbar Ich nenne es Depres ioni mu . \ : uf einigen Bildern weinen die Leute chrecklich. Das sind pein liche Geschichten„. K: Da hier ist Tristan 7.ß. Auf der Autobahn weint er über einem chinken. W: Warum weint er? K: Da\ ist halt die Lage. Die Traurigkeit, wenn der Kühlschrank voll i. t, und trotzdem steht man nahe an der Ver1weinung. W: Du wechsel t ja sehr schnell. K: Ich mache so fünf Bilder und gehe dann wieder zurück„. \ : \ ohin denn zurück? K: Dann entsinne ich mich an eine frühere Bilderreihe und habe wieder da7u etwa 7U agen. · s ist keine -

weg konzeptuelle Arbeit, weil ich eben mehrere Themen habe. Mit anderen Worten: Ich wiederhole mich nie. Wenn ich merke, daß ich mich wiederhole, werde ich deprimiert und höre lieber ganz auf. W: Da liegt ein weißer Frauenakt auf Autoreifen„. K : Es ist ein nokturnales Bild, ganz kla isch. Ich behandle hier gleichzei tig Umweltprobleme durch Ästhetik. W: Aber e i t ja auch ein schönes Bild, die Farbakkorde sind ganz bewußt. K : Du mußt Dir vor teilen: braune acht, weißer Körper blaue Autoreifen„. W : Der Körper i t ilbrig, wie Mondschein„. K: Ja, er ist richtig knallweiß. Oder hier ein knallgelber Körper Ich habe das sech Mal gemalt, in ver chiedenen Variationen. W : Du bi t ja kein „ xpre sioni t" K: Ich bin eben ein Futuri t oder goti eher urreali t. Ich sage achen von un erer Umwelt, die praktisch jeder fühlt, aber ich age da direkt. Ich erviere die Bilder nicht, wie das Expre sioni ten machen. Wer etwa versteht vom ßildermalen, weiß, das große Bilder ge113


Schöner Wohnen, 1979 (K11ns1han:.IL w„ 130 x 150)

. tisch kein Problem sind. Du nimmt einfach einen dickeren Pin. el. Ein 10 cm dicker Pinsel ergibt ein 10 m große Bild. Ich würde e o ausdrücken: 1 h bin ein Expressioni t mit einem feinen Pin. elstrich. Da i t keine Gestik drin. Ich bin Zeichner, und ich dulde einfach keinen Zufall. Ich bin gegen Dadai smu . Erst einmal mag ich keine Witze, das mag ich nicht„. W: . ind Deine Bilder keine Wit7e? K: ein, das ind todernste Sachen. Ich arbeite mit lutigen Motiven, die immer einen gefä hrlichen Aspekt haben, oder ich arbeite mit traurigen Motiven, die immer an der Grenze zum Kaputt lachen ind. Da ist einfach eine sy tematisc h Methode, um die Sache an die Kante zu brin gen. W: Was für eine Kante i t da ? K: Das ist die Kante de höheren Bewußtsein , agen wir mal eine pirituelle Ekstase. Es sind Zeugni se von un serer Zeit. Ich arbeite für diese Zeit, über die e Zeit und natürlich für die Zukunft. Die achen sind fut uristisc h ausgerichtet, denn manchmal greife ich vor Es si nd eben surreali ti ehe Storie . 114

W: Die Bilder ver toßen ja gegen den guten Ge· schmack. K: Ich weiß überhaupt nicht, wa guter Ges hmack i t ... Guck mal, die Todesbilder hier Ich habe ein Bild gemacht: Mein Haus, nenne ich e. , das i t ein bewohnter Toten. chädel. „ W: „. da ist doch ab oluter Kitsc h„. K: Ja, aber ich halte das eben nicht für Kit eh. Kit h i t etwas, wa , agen wir einmal bei Denise Rene/ Han Mayer zu sehen i t. Das ist doch Kitsch. Oder Expre ionismus ist doch mittlerweile anerkannte Salonmalerei , al ·o bald Kitsch. Der normale Spießbürger oder der Beamte, der vor einem Bild von Ba elitz steht , der muß ja in die Hose machen - so mutig und fetzig kommen ihm die e Bilder doch vor Der i t einfach begei. tert vo n dem Mut, der Brutalität und Männlichkeit des Malers. Ich bin aber davon überzeugt, daß ein Mann fein sein sollte, äußerst poetisc h und ehrlich, und das ohne Poten zprobleme. W: Wo ha t Du angefangen zu malen? In der T chechoslowakei?


Coca Cola Fahrik, 1979 (K1111 1harz/ Lw„ 130 x 150)

K: rns1haf1 gcmall habe ich er~1 hier in Deutschland. Ich habe auf der kadcmie in Prag na1ürlich viele. gclernl, ich komme von einem anderen . chubys1cm, da ha1 man prak1 isch So1ialis1i. chen Realismus gelchrl, diese gan1 klas,ischc, schon iiberleb1e usbildung. W: \ ann bis1 Du an die Düsseldorfer Akademie gekommen'! K: Ich bin gekommen, als die Fri ehe vorbei war, al o 1970. Ich habe auf der kademie nur eins gelern1: einen eigenen Weg 1u gehen. Ich kann1c da ersl einmal niemanden, nich1 mal den Beuys. Damab malle ich in einer Francis-ßacon- 1anicr, habe an Gogh-Bildcr gemall. Der Beuys ha1 mich dann auf dem Flur gefunden, hal gesehen, wie ich da Bilder aufhing und ha1 mich gcfrag1: He, wa. mach t Du hier? Ja, ich mach1e eine Ausslcllung von meinen achcn ... Ich war n1crs1 bei Sichler Der hal mich aufgenommen, al ich an die kadcmie kam. - in sehr neller Typ. Der hat von mir ein Bild gekaufl, es war crslaunlich. ber er war Bildhauer und ich wol ll e schließlich malen. Damal war an

der Kun 1akademie ~m icso alles konfus. E gab nur Klopapiermalerci. Die Beuys-Klasse war sehr depressiv, ich war dor1 fas1 drei Jahre und fiihlle mi h auwohl. Peter ngcrmann - Mi1glied der ruppc ormal - habe ich dort getroffen. Der Beuys ist dann rau geflogen, da bin ich 7U Richter gegangen. Jan Knap. auch Mi1glicd der Gruppe ormal, \ ar da noch ein Jahr. Der malle so abs1rak1c Schinken in deKooning-Manier, einfach brillanl. Der Rich1er hat ie sehr bewunderl. ls ich 1uerst abs1rak1c Bilder malle, war er davon au h noch ange1an, on der Vielfall. wie ich die . 1rukturcn gewechscll habe. ber dann eine Tages sagle er, daß das Scheiße iM, al ich anfing mit car10 nar1igcn Bildern. Solange es ihn an Polke erinncrlc, halle er Versländnis, da habe ich schon ein . chubladcndenken gesehen. r war irgendwo nur für eine gewisse clcgan1e Malerei, also ohne Wit1. W: Was hciß1 \ i1z? K: Wi1z, da. heißt geistreich. W: Malerei der Zukunft, i 1 eines dieser er 1en Bilder 115


Atomfriihling, 1980 (Kunstharz/Lw., 200 x 160) Foto: Gold

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3 Grazien: Landwirl cha/1, A10111kraf1 und Chemie, 1980

(K11ns1har~/Lw. , l~O

x 140)

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Recht oben: Venus und Amor, 1980 (Kunstharz / Lw„ 160 x 200). Oben: Feuen•ogel, 1982 (Ö/ I L w„ 260 x 205) Foto · Gold 118


K: Das war 1973. Da habe ich angefangen, sorgfältige ki1schige Bilder zu malen, nich1, um mich nur abzuheben, ich habe einfach paß daran gehab1. Das Bild zeigt, daß Malerei kein leichter Job i t. Das intere sier1e damals praktisch kaum einen„. W: Wie ist das au gedrückt? K: Ja, die Hand ist schon richtig im Himmel. Sie ieht noch ganz ge und aus, wird aber am Rand zum Knochen. Und da Gewicht erschwert jeden Pinselstrich. Da ist. auch Au druck meiner Malerei. Eigenllich, glaube ich, kann ich überhaupl nicht malen. Ich glaube sogar, daß es besser is1, wenn man nicht malen kann. Wenn man es gleich glatt kann, dann ist eigentlich schon Ende. Dann kann man die Sachen eriell herstellen. Es ist einfach langweilig. W: Ein junger Soldat ent tand dann 1974/75 - da ist Deine Malerei dann schon voll da. K: Ein junger Soldat ist im Grunde nichts anderes, als ein ganz gesunder Soldat, der durch die Mauer springt. Das is1 ein Bild der Aggression. Es isl auch Ausdruck de Willens. Also ich bin ziemlich stark von der deutschen Literatur geprägt worden. W: Und Rring-Rring? K: Da ist einfach ein Stilleben mit Telefon. Geburt der Malerei ist auch Pop. Das habe ich 1978 gemalt. Die ganze Zeit, also 77, 78, 79 bis zu dem Punkt, als die Gruppe Normal entstanden ist, ist gefüllt mit Objektemacherei und Aktionen, da bin ich auf die Straße gegangen, weg vom zweidimensionalen Bild. In der Zeil ist Punk entstanden, ist eine Umbruchstimmung gekommen. Da bot sich eine Gelegenheit, wieder ak-

tuelle Sachen zu machen mit Inhalt und was die Ma en an pricht. Aber es ist äußer t schwierig „. Auf der Straße kann man die Kunst am besten prüfen. W: Ihr habt auf der Straße gemalt„. K: Das war ein weiterer Schritt weg von der blutleeren Kunst, einfach häßliche Sachen, die auch schön sind, z.B. Totenköpfe und tarke Zeichen wie z.B. Hammer und Sichel und Coca-Cola. Alles Heilige wurde genommen, und in Pop-Art-Manier habe ich e zusammengeknüpft zu einer modernen Ikone. Im Grunde bin ich wirklich ein Pop-Künstler, nur die Audienz ist für den Pop noch nicht reif. W: Aber dann wurde es anschließend ruhiger? K: Ich weiß nicht, ob es ruhiger wurde. Es ging weiter Das ist eine unglaubliche Menge, was ich damals so zweidimensional gemacht habe, auch Bühnenbilder und Schallplaltencovers. Einige hundert Fotos mit mir selbst und mit Freunden und in zenierte Stilleben. Aber es war immer auch eine Rückkehr zu meinem Anfang, nur auf einem anderen Level. Das gilt auch für die kubistischen Bilder, von denen gibt es sehr viele. Sie sind mit Öl gemalt, und knüpfen direkt an die Bilder von 1980 an: Da gab es schon Andeutungen von Kubismus. Das war eine Art flächiger Fauves-Punk. Fast schon zu eleganl. W: Warum dann gerade Kubismus? K: Ich bin leidenschaftlicher Zeichner und liebe es, formal die Dinge zu verändern. E i t Teil des Spiels, wie ich die Bilder gestalte, die Farbfelder aufteile. Das ist in Deutschland ungewöhnlich, es hat mehr mit französischer Malerei zu tun oder amerikanischer, wo Li119


Rech1s nl>C'n: Tri11111ph der f eidenschaf1. 1982 fÖ/ auf I "", 110 x 135) /"f>10: Gold. 0/Jen: S!ol'C'h. 1982 {Ö/ l l 11-.. 204 x 129)

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nien und Flächen da Bild zusammenhalten ... Ich habe doch vorher ge agt, daß ich gegen den Zufall bin und daß ich es einfach für veraltet und unverantwortlich halle, wenn man heute noch, bei die er peinlichen Lage, in der wir leben, sich nicht klar ausdrückt. Da halle ich einfach für unkünstleri eh. Am Anfang mi chte ich das noch total mit Dekorativi men, al o da sind dekorative Bilder, machmal total ohne Inhalt , wo es sich wirklich nur um ein Spiel handelt. Aber es kamen immer mehr und mehr Inhalte dazu. Wir haben es einmal ausgedrückt in dem Manifest der Gruppe Normal: Un ere Bilder sind keine konzeptuellen Werke. Jedes Bild isl anders, das war unser Konzept. So etwa zu tun, war total unakademisch. llgemein galt in den 70er Jahren nur die konzeptuelle Haltung. Unsere Haltung, neue Bilder zu produzieren, die immer anders sind, selbständig und komplex einen Gedanken darstellen, das nenne ich eine radikaleriöse Haltung. Es war die größte Radikalität überhaupt, ein gegenständ liche , sorgfältiges Bild zu malen ... W: Heute ist das ja schon wieder ganz anders. K: Es gibt heute alles Mögliche. Hauptsächlich nofuture-Kitsch. Oder in Italien die Neo-Kla sizisten. Aber ich finde da nicht wichtig, in welche Richtung die Kunst sich bewegt. Ich bewundere alle diese Rich-

tungen. Jede leistet etwas. W: Zählst Du Dich dazu? K : Ich bin ein Geisterfahrer, ich bin normal, so habe ich es einmal definiert. Wenn alle in die gleiche Richtung fahren, ist das der größte Irrtum. Jeder Kün tler glaubt, daß seine Arbeit das einzig Wahre ist. Das sind wirklich wahnsinnige Leute. W : Jetzt einmal eine andere Frage: Oie Bilder haben ja in gewisser Weise eine kritische Haltung. Aber andererseit auch wieder eine Oi tanz zur Kritik. Inwieweit ·pielst Du bloß mit die em kritischen Potential? K: Ich übernehme die Veranlwonung für meine Bilder, die prakti eh mit meinen Empfindungen zu tun haben. Wer diese Sachen ieht, mit ihnen konfrontiert wird, geht mit einem Haken im Kopf nach Hause. Die Bilder puken ihm einfach im Kopf. Ob sie lustig sind oder traurig, das ist mir egal. Sie müssen eine fast gespen ti ehe Kraft haben. Oie e neuartigen Ikonen, an denen wir und ich gearbeitet haben, da sind Bilder die sprechen. Sie sind nicht nur in dem kleinen, engen kunstge chichtlichen Raum zu verstehen, andern sie sind internationale Folklore, die eben weltweit gü ltig ist. Deswegen nannte man unsere Bilder auch trivial oder primitiv. Wir haben versucht, ganz einfach zu malen, primitiv, aber gut, weil die besten Sachen die einfachsten sind. Das weiß man. 121


Malerei der Zukunfl, 1973 (Tempera auf Leinwand, 68 x 74)

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