Data-driven Marketing topsoft Fachmagazin 21-3
Vom Patienten zum Health User Mit Datenanalysen einen Mehrwert für Health-Kunden schaffen Was in anderen Branchen gang und gäbe ist, ist im Gesundheitswesen noch nicht Standard. Viele Prozesse laufen immer noch über Papier, dabei liessen sich über die digitale Erfassung und smarte Nutzung von Kundendaten spannende personalisierte Ansprachen und Angebote entwickeln. Diese generieren einen Mehrwert, sowohl kunden- als auch unternehmensseitig. Eine Übersicht dazu, wie die Erwartungen eines Health-Kunden sind und mit welchen Services gewinnbringend darauf eingegangen werden kann, um Kundenbindung und -zufriedenheit zu erhöhen. >> Sunjoy Mathieu | Farner Consulting AG / Verein «Women in Digital Health»
Digitale Plattformen und Services, Kundenfokus und Personalisierung, datengetriebenes Marketing – dies geht im Schweizer Gesundheitswesen zu einem grossen Teil nur schleppend und fragmentiert voran. Man mag mit der Komplexität und dem Schutz von Gesundheitsdaten argumentieren, doch dies greift zu kurz. Zum einen sind einige Unternehmen bereits sehr gut darin, Kundendaten zu erfassen, smart zu analysieren und darauf basierend digitale Customer Journeys zu entwerfen, die für beide Seiten gewinnbringend sind. Zu beachten gilt es jedoch, dass die Wege des Kunden nicht immer linear und vorhersehbar verlaufen – vielmehr muss nun zwischen den drei Phasen «Anreiz & Kontakt», «messy middle», d. h. Erforschung und Bewertung, sowie Erfahrung und Kauf unterschieden werden. Zum anderen beginnt die Kontroverse aber bereits beim Wort «Kunden». Oder ist, wer eine Gesundheitsdienstleistung beansprucht, ein Patient, ein potenzieller Patient, oder, wie es oft im digitalen Kontext heisst, ein Health User? Denn gerade auf Seiten der Leistungserbringer, also bei Ärzten und Spitälern, gibt es laute Gegenstimmen dazu, dass Patienten als Kunden bezeichnet werden. Die Kundenbeziehung sei flüchtig und oberflächlich, ein Zeichen der steigenden Ökonomisierungstendenzen, die auch vor dem Gesundheitswesen mit Kostendruck und Fallpauschalen nicht Halt machen. Zudem sähen sie sich nicht als Dienstleister, sondern der Fürsorge des Patienten verpflichtet. Doch muss hier eines das andere zwangsläufig ausschliessen? Denn erstens sind nicht alle, die eine Gesundheitsdienstleitung in Anspruch nehmen krank, zweitens möchten auch gerade chronisch Kranke nicht als Patienten bezeichnet werden. Denn das «Kunde-Sein» hat auch 14
sein Gutes: man erwartet Qualität und Professionalität in der Dienstleistung und in der Kommunikation zwischen den beiden Parteien, man fühlt sich in diesem hierarchischen Verhältnis weniger ausgeliefert. Sei dies nun zwischen dem Hausarzt und einem kranken Menschen, zwischen der Kundenberatung eines Krankenversicherer und einem Versicherten, aber auch zwischen einem pharmazeutischen Unternehmen und medizinischen Fachpersonen. Schon diese geschilderte Kontroverse macht sichtbar, wie sich das Arzt-Patienten-Verhältnis und die beiden Rollenbilder verändert haben, einhergehend mit sich immer noch wandelnden Erwartungen.
Vom Arzt zum Patienten Noch vor einigen Jahrzehnten war das ArztPatienten-Verhältnis geprägt von einem ausprägten hierarchischen Verhältnis und einer Asymmetrie des Wissens, die sich in einer starken Abhängigkeit des Patienten vom Urteil des Arztes manifestierte. Der Zugang zum medizinischen Wissen war exklusiv den medizinisch ausgebildeten Berufen vorbehalten. Entsprechend war auch die Stellung des Arztes eine andere – der Arzt hatte seine Klientel auf sicher, Empfehlungen über Word-of-Mouth (Mundpropaganda) funktionierten informell und ungeordnet. Die heutigen Patienten oder Health User sind kritischer, selbstbewusster, können sich selbst zu medizinischen Sachverhalten informieren und erwarten eine modernisierte Arzt-Patienten-Beziehung. Sei dies nun ein Gespräch auf Augenhöhe, da die subjektiv wahrgenommene frühere Wissensasymmetrie gefühlt kleiner geworden ist, oder sei dies bei den Services rund um einen Spital- oder Arztbesuch.
Den Erwartungen gerecht werden Doch wie kann man die gestiegenen Erwartungen des Kunden an das Gesundheitswesen erfüllen? Wie kann man mit ihr oder ihm gezielt kommunizieren und welche digitalen Services unterstützen den personalisierten Kundenkontakt? Die Lösung dazu ist ein datengesteuerter Ansatz, der es Kunden und Patienten ermöglicht, auf einfache und Art und Weise ihre Gesundheit zu managen. Idealerweise auf digitalen Plattformen und Services und über eine gute Beziehung zum Gesundheitsdienstleister, der seine Bedürfnisse kennt und personalisiert anspricht. Dinge, die in den Bereich E-Commerce, E-Banking oder Fahrtenbuchung selbstverständlich sind. Denn aufgrund der steigenden Nutzung von Smartphones und den deshalb leicht zugänglichen digitalen Services hat sich das Verhalten der Kunden und Patienten geändert. Gerade im urbanen Raum, wo ein dichtes Angebot an Gesundheitsdienstleistern vorhanden herrscht, ist eine professionelle digitale Präsenz wichtig.
Die Autorin Sunjoy Mathieu ist Kommunikationsberaterin mit Schwerpunkt Healthcare bei Farner Consulting AG. In ihren Pro-bono Tätigkeiten fördert sie einerseits als Präsidentin des Vereins «Women in Digital Health» Vernetzung und Visibilität von Frauen in der Branche, andererseits setzt sie sich bei HIMSS in der Global Health Equity Network Advisory Task Force für Diversität, Inklusion und Zugang zum Gesundheitswesen für alle ein. www.womendigitalhealth.net