»Die Oper fühlt sich für mich immer an, wie sie ist – ein Extremprojekt.«
Interview mit Michael Hinrichs
Interview mit Michael Hinrichs
Michael Hinrichs Elektromechaniker; Arbeit bei den Stahlwerken in Bremen; Licht und Ton beim Schnürschuh-Theater; Weiterbildungen; Veranstaltungstechniker der HfK seit 7 Jahren Technische Leitung bei »Eine kleine Zauberflöte«, »La Betulia Liberata« und »L’Orfeo«
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Bei welchen Opernprojekten warst du dabei? Mein erstes Opernprojekt war »Die Kinderzauberf löte« mit Renato Grünig, der leider letztes Jahr verstorben ist. Das war ein Tour-Opernprojekt, das heißt, wir hatten eine Probenphase in der Galerie und dann haben wir eine Schultour gemacht, so ungefähr zwei Wochen. Wir waren zuerst in Bremerhaven und dann in Bremen an einigen Schulen. Die nächste Oper war im Dom – »La Betulia Liberata«. Das war auch die erste große Oper der Hochschule, die extern gespielt wurde. Also nicht irgendeine fertige Hütte, wo alles vorhanden ist. Kresnik f log aus dem Dom raus und wir durften spielen. Wir haben den ganzen Dom leer geräumt. Das war schon ein schönes Projekt. Ja, und dann kam natürlich das schönste Projekt überhaupt: »L’Orfeo« im BLG-Forum, wo wir wahnsinnig große Dinge gebaut und mit Wasser gespielt haben. Ja, das war die beste Oper, die ich gemacht habe. Welche Bedeutung misst du der Beleuchtung einer Oper bei? Wenn wir kein Licht haben, sehen wir keine Darsteller. Man hätte bei einigen Opern viel, viel mehr an Licht machen können, wenn man die Mittel gehabt hätte. Grundsätzlich, Licht ist der wichtigste Teil einer Oper.
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Wenn wir kein Licht haben, machen wir ein Stück für Blinde. Was waren genau deine Aufgaben beim Opernprojekt? Ich mache alles Technische und arbeite dabei eng mit den Studenten zusammen. Die kommen mit ihren Ideen und wir überlegen gemeinsam »Wie bauen wir das?« und dann wird gebaut. Ich bin für die komplette Sicherheit zuständig, verantwortlich dafür, dass nichts runterfällt. Man muss seine Augen überall haben, viele Studenten können – häufig durch Unwissenheit – in Gefahr geraten. Außerdem bin ich für die ganze Organisation im technischen Bereich zuständig. Wir leihen viel Equipment, was eine Menge Geld kostet. Da geht’s dann an die Büroseite, wie ich immer sage. Viel schreiben, viele Angebote einholen. Wichtig ist, dass alles klappt und wenn bis zur letzten Minute gearbeitet werden muss, dann wird eben bis zur letzten Minute gearbeitet. Das haben wir bisher immer gemacht. Hauptsache ist, dass es für alle ein Erfolg wird. Also du bist immer da? Bis zum Schluss? Ja, ich komme als Erster und gehe fast als Letzter. Sonst müsste ich mir ein Zelt aufschlagen. Natürlich habe ich dann auch
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Leute, die für mich arbeiten: die TechnikCrew und meist noch einen zweiten Veranstaltungstechniker oder Helfer. Die müssen natürlich auch alle koordiniert werden. Wie empfindest du die Zusammenarbeit der verschiedenen Disziplinen im Projekt? Grundsätzlich ist die Zusammenarbeit erst mal gut, könnte allerdings durchaus besser sein. »Interdisziplinärer«, sage ich nur. Man merkt schon oft, dass manchmal kaum Interessen füreinander da sind. Die Musiker muddeln für sich und die Modeleute für sich. Aber bei den beiden Projekten »Betulia« und »L’Orfeo« hatten wir einfach ein Superteam, weil alle gnadenlos mitgearbeitet haben, weil sie sich auch viel untereinander abgesprochen haben – auch mit den Musikern. Trotzdem ist die Zusammenarbeit zwischen Kunst und Musik ein bisschen dünn, finde ich. Was macht eine klassische Bühne im Gegensatz zu einer künstlerisch-installativen Bühne für dich aus? Was ist die Herausforderung? Wir haben einen leeren großen Raum, in den wir was reinbringen, und zwar eben nicht einfach nur eine Bühne, die 10 × 20 Meter ist, sondern wirklich wahnsinnig gute Ideen. Wie z.B. der riesengroße Spiegel, den wir gebaut
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haben. Dazu habe ich erst mal gesagt: »Das geht überhaupt gar nicht!«, aber es geht eben doch. Wir machen viele Sachen, an die sich sonst keiner rantraut und dabei auch noch mit unglaublich wenig Personal und Mitteln. Man macht eine Oper immer nur einmal bei uns und das ist herrlich! Man kommt in keinen Spielzeit-Trott. Ich hatte mal eine Produktion, die habe ich 300- oder 500- mal gefahren, die konnte ich dann irgendwann nicht mehr sehen. Bei den Hf K-Projekten hat man das komprimiert. Das sind nur 14 Tage, in denen man dann allerdings mit den Leuten intensiv zusammen hängt. Wann wird es kompliziert? Gab es mal eine große Panne beim Opernprojekt? Also, ich hab‘ bisher noch keine Panne beim Opernprojekt erlebt. Wir haben schon mal zwei Stunden vor der Premiere noch irgendwas zusammengekloppt, irgendwelche Treppenstufen gebaut oder sonst was. Dann muss man einfach die Zähne zusammenbeißen und sagen: »Jetzt ist eben kein Feierabend, jetzt werden noch diese Scharniere angebaut.« Und wenn’s nicht passt, muss man es eben irgendwie passend machen. Also keine Narben davongetragen? Nein. Toi, toi, toi.
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»Wir machen viele Sachen, an die sich sonst keiner rantraut.« Seelische Narben? Na, es gibt manchmal schwierige Zeiten, wo man wirklich denkt: »Boah, ich hab‘ jetzt echt keine Lust mehr, ich schmeiß‘ das jetzt alles hin!« Aber das ist ja nicht das Ziel, was wir verfolgen. Du musst häufig ungelernte Studenten in kurzer Zeit anleiten und ihnen ein gewisses Vertrauen entgegenbringen. Wie steht’s im Allgemeinen um die Sicherheit? Es gibt bestimmte Sicherheitsbestimmungen, die wir einhalten. Die können wir auch gar nicht umgehen. Klar gibt es Studenten, die kommen in Flip-Flops an und wollen die Bühnen bauen, dann sagt man auch mal: »Das geht ja wirklich gar nicht« und nach ein-, zweimaligem Aufmucken verstehen es
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dann auch alle. Ich habe bisher noch keine großartigen Probleme gehabt. Viele sind auch handwerklich geschickt, die so ein Projekt angehen. Das sollte man auch sein und es ist auch eine sehr große Bereitschaft da. Wie gesagt, passiert ist noch nichts, auch noch nicht mal beinahe. Von wo schaust du dir eine Oper am liebsten an? Am liebsten stehe ich hinter der Bühne. Man muss einfach auch da sein, falls mal wirklich etwas passiert. Klar gibt es auch kleine Pannen. Hier ist mal eine Sicherung raus, da ist irgendwas nicht in Ordnung, da kommt jemand rein und tritt eine Lampe um. Man hat schon vor jeder Veranstaltung ein bisschen Lampenfieber, aber das ist ja auch gut so. Dein schönster Moment beim Opernprojekt? Der schönste Moment ist immer die Premiere. Wenn alles klappt, wenn die Premiere gut gelaufen ist, die Leute klatschen, mit den Füßen trampeln, aufstehen, wenn sie zeigen, uns hat’s gefallen! Das ist der schönste Moment! Gibt es noch einen persönlichen Moment, der unter der Oberfläche zu finden ist, der nicht jedem klar wird?
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Die schönste Oper war natürlich »L’Orfeo« mit dem großen Spiegel. Das war schon echt eine Herausforderung. Viele Leute haben Bauklötze gestaunt, als sie das gesehen haben. Ich unterhalte mich ja auch mit Kollegen von Eventfirmen, die zu mir gesagt haben: »Das geht nicht, das kriegst du nicht hin.« Wenn man das dann doch hinkriegt, sind das schon kleine Meisterstücke, die man abliefert. Magst du es lieber minimalistisch oder bombastisch? Grundsätzlich gerne bombastisch! Ich bin ja total gegen Projekte in einer Shakespeare Company, in einem Goethetheater, in einer fertigen Spielstätte. Ich finde, da ist man »Praktikant der Spielstätte«. Es ist schöner, etwas Großes, etwas Riesiges zu schaffen. Das sind die schwierigsten Produktionen, die es gibt, aber genau das ist es, was wir wollen. Man wächst mit seinen Aufgaben. Hast du selbst eine Lieblingsoper? Das ist tatsächlich »L’Orfeo«. Ich mag diese alte Musik. Ich hab‘ vorher mit Oper nie viel zu tun gehabt, war eher im Theaterbereich oder auf der Rock’n’Roll-Wiese.
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»L’Orfeo im BLGForum, wo wir wahnsinnig große Dinge gebaut und mit Wasser gespielt haben – ja, das war die beste Oper, die ich gemacht habe.« Wie könnte man die Oper für Otto-Normalverbraucher interessant machen? Das Publikum, was wir im Moment haben, ist ein Publikum, was immer wieder kommt. Ein Standardpublikum, würde ich sagen. Wie kann man Oper für Otto-Normalverbraucher wie Nachbarsgartenfreund interessant machen? Das ist schwer. Wenn ich fünf Gärten
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weiter jemanden fragen würde: »Kommst du mit in die Oper?«, der würde sagen: »Bist du bekloppt, ich geh‘ doch nicht inne Oper, so was würd’ ich doch nie machen, was is’n das überhaupt – Oper – das ist doch Scheiße!« Aber wo setzt man an? Das ist die Frage, die sich alle stellen. Grundsätzlich muss man natürlich erst mal Kinder und Jugendliche hin kriegen, aber das sagt man so leicht. Ich weiß es von früher vom Theater. Es ist schwierig, eine Schulklasse ins Theater zu bekommen. Die Lehrer haben teilweise gar keine Lust dazu: »Um Gottes willen. Da müssen wir auch noch aufpassen, dort hinlaufen und Geld einsammeln.« Wie fühlt sich Oper an? Die Oper fühlt sich für mich immer an wie... ein Extremprojekt! Wo man einfach nur Oper hat und sonst nichts anderes. Wo man immer auf 180 ist. Oper fühlt sich nie langweilig an. Nie! Oper ist eigentlich das Highlight des Jahres.