INTERVIEW
François Pignat vor dem neuen Sicherheitsstollen.
«Der Tunnel ist wichtig für den Tourismus» Seit mehr als einem halben Jahrhundert stellt der Grosse-St.-Bernhard-Tunnel Sommer wie Winter die Verbindung nach Italien sicher. Demnächst wird ein Sicherheitsstollen eröffnet und es stehen Sanierungsarbeiten an. Ein Gespräch mit dem Direktor François Pignat. 2017 wurde der Tunnel aufgrund eines Defekts am Trägerbalken des Lüftungssystems für drei Monate geschlossen. Welche Massnahmen wurden seither ergriffen? Der betroffene Teil wurde vollständig gesichert und die Träger wurden provisorisch verstärkt. Derzeit ist die Sicherheit auf dem erforderlichen Niveau, allerdings ist die Erneuerung des Lüftungssystems im gesamten Tunnel geplant. Ein über 50 Jahre altes alpines Bauwerk benötigt stetige Pflege. Wir führen in diesem Jahr mehrere Sanierungsarbeiten durch, die jedoch zu keinen grösseren Verkehrsbeeinträchtigungen führen werden. Die Sicherheitsvorschriften für Tunnel wurden seit den Tragödien im Mont-Blanc- und Gotthardtunnel verschärft. Was hat sich am Grossen St. Bernhard verändert? In diesem Frühjahr nehmen wir parallel zum Tunnel einen Sicherheitsstollen in Betrieb. Alle 500 Meter gibt es Querverbindungen, um die Evakuierung im Falle eines Brandes zu erleichtern. Die Kosten belaufen sich auf über 80 Millionen Franken. Der Stollen wird auch die täglichen Unterhaltsarbeiten im Tunnel vereinfachen. Derzeit wird das gesamte Lüftungs- und Signalisationssystem verbessert. Um den neuen Normen zu entsprechen, haben wir ausserdem das Feuerwehrteam verdoppelt. Zudem wurde 2010 die gemeinsame italienisch-schweizerische Betriebsgesellschaft gestärkt, um eine einheitliche Verwaltung beider Tunnelteile zu gewährleisten.
Wie gehen Sie mit Staus und Wartezeiten um? Verkehrsüberlastungen treten jedes Jahr zu den gleichen Zeiten auf: während der Osterferien und am Auffahrts- und Pfingstwochenende. Aus Sicherheitsgründen können im Tunnel pro Richtung nicht mehr als 60 Fahrzeuge fahren. Ausserdem wird der Verkehr teilweise auch durch den Zoll verlangsamt. Wir können also nichts tun, um die Wartezeiten zu verkürzen, versuchen aber, sie mit dem Verteilen von Snacks und Getränken erträglicher zu machen. Zudem veröffentlichen wir die voraussichtlichen Wartezeiten auf letunnel.com. Befürchten Sie eine starke Verkehrsverlagerung, wenn der Gotthard oder andere alpenquerende Achsen gesperrt werden? Nein. Ausserdem haben wir noch Kapazitäten, um allenfalls zusätzlichen Verkehr aufzunehmen. Als der Mont-Blanc-Tunnel zwischen 1999 und 2001 geschlossen war, verzeichneten wir einen deutlichen Nutzeranstieg. Sollte der Gotthard vorübergehend geschlossen werden, würde sich der Verkehr auf alle anderen Alpenübergänge verteilen. 50 Franken für eine Hin- und Rückfahrt ist nicht gerade günstig. Wie wurde dieser Tarif festgelegt? Er wurde bei der Konzessionsvergabe im Jahr 1958 festgesetzt und ist an die Lebenshaltungskosten gekoppelt. Die Anpassung erfolgt unter Aufsicht der schweizerischen und italienischen Behörden. Für regelmässige Benutzer ist die
Durchfahrt deutlich günstiger. So kosten 20 Hin- und Rückfahrten in einem Zeitraum von zwei Jahren nur etwa ein Drittel des normalen Preises. Diese Abonnements sind zudem übertragbar. Bei bestimmten Veranstaltungen ist die Rückfahrt kostenlos. Nach welchen Kriterien werden diese ausgewählt? Der Tunnel ist enorm wichtig für den Tourismus. Diese Promotionen betreffen kulturelle und sportliche Aktivitäten in beiden Regionen. Es profitieren vor allem die Skifahrer. Grossen Anklang findet zudem die kostenlose Rückfahrt vom Jahrmarkt Fiera di Sant’Orso in Aosta und vom Genfer Autosalon. Bei einigen Hotels im Aostatal ist die Tunneldurchfahrt für die Schweizer Gäste inklusive, was sehr geschätzt wird.
95%
des Verkehrs ist tourismusbedingt
81
öffentliche Körperschaften sind Aktionäre, darunter der Staat Wallis, der Kanton Waadt, die Stadt Lausanne, die Mehrheit der Waadtländer Gemeinden und die Walliser und Waadtländer Sektion des TCS
35
Mitarbeitende für den Schweizer Teil 3