Tom Bierl Mai 2014
Immer mit der Ruhe Siziliens Sßdosten mit dem Rad 
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Warum diese Eile? !
Erfahrungen nach der Ankunft
Es ist schon erstaunlich. Schon hundert Mal in Italien gewesen und immer noch nichts verstanden. Warum nur diese deutsche Hektik? Bereits bei der verspäteten Ankunft am Flughafen zeigte der Taxifahrer keinen Hang zur Eile, als er uns mit den Rädern abholte. Eine halbe Stunde früher oder später, wen interessiert das schon. Dann in der Bar. Ich stehe mit dem Geldbeutel am Tresen und will die Kaffeetassen mit nach draußen nehmen. "Porta Io", Immer mit der Ruhe - gibt mir der Barista zu verstehen. Auch beim Aperobierchen am Kirchplatz von Lentini mahnt mich die junge Kellnerin zur Ruhe. Die Tüte Chips könne ich stehen lassen, sie bringe ohnehin gleich welche nach draußen. Zum Glück lernen wir schnell. In Sizilien müssen wir zwei Gänge runter schalten. Das verspricht wahre Urlaubsfreuden. Die kulinarische Einstimmung könnte schon mal nicht besser sein. Die von Slowfood empfohlene Trattoria A Maidda ist der Hit. Wir genießen als einzige Gäste beste Antipasto mit einem sensationellen Ziegenricotta, dann eine Pasta mit einer Sauce aus Thunfisch, Orangen und Olivenöl - eine eigene Kreation des Chefs sowie Salsice und ein Kotelett vom schwarzen Schwein aus dem Bergland von Sizilien. Da hat beim besten Willen keine Nachspeise mehr Platz. Der Ort selbst ist tiefstes Italien. Touristen verirren sich eher selten nach Lentini. Alles ist bescheiden und viele Häuser haben ihre besten Jahre schon lange hinter sich. Aber genau das hat auch seinen besonderen Charme. Unser Sant Alphio Palace Hotel überrascht ebenfalls positiv. Nach den Bildern im Internet hatten wir uns nicht zu viel erwartet. Ein Reisetagebuch, Seite 3
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Über die Berge zu den Höhlenstädten
1. Etappe: Lentini - Pantalica; 58 km - 1250 Höhenmeter
Wir drehen im Ort noch eine kleine Versorgungsrunde und lassen uns herrliche Panini für unterwegs zubereiten. Sicher ist sicher, denn die Straßen sehen auf der Karte einsam aus. Sie sind es auch. Wir verlassen den Ort auf einer kleinen asphaltieren Feldstraße. Hinter uns ragt der schneebedeckte Vesuv gigantisch in den Himmel. Dazwischen liegt die fruchtbare Ebene von Catania. Uns umgibt üppigstes Grün und reiche Felder. Dazwischen Orangenhaine, die immer noch saftige Früchte tragen. Hier scheint die Welt noch in Ordnung. Die ersten Steigungen der Monte Iblei wollen bezwungen sein. Wir schalten kurz in die kleinsten Gänge. Doch ein entspannender Cappuccinostop ist Ein Reisetagebuch, Seite 5
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nah. Im Dörfchen Pedagagi sind wir die Attraktion. Wir stellen uns die Stühle aus der Bar in die herrliche Sonne. Es ist Kaiserwetter. Danach geht es konsequent bergauf. Meter für Meter schrauben wir uns an rot gesprenkelten Mohnwiesen und Getreidefeldern vorbei. Alte Olivenbäume wechseln sich mit Mandelbäumen ab. Die Sicht gleicht der aus einem Flugzeug. Das Tal und seine Felder werden klein und kleiner. Dafür rücken die Windgeneratoren am Kamm immer näher und näher. Hier hat sich die Stromlobby ausgetobt und die karstige Hügellandschaft flächendeckend mit Windrädern bepflastert. Nicht schön, aber wenn#s der Umwelt nutzt ok. Die riesigen Flügel können der Natur hier oben trotzdem ihre wilde Ursprünglichkeit nicht nehmen. Wir rasten am höchsten Punkt, genießen unsere Panini und beobachten eine Horde auffällig gelbschwarzer Vögel, die sich lautstark in einer uralten Eiche streiten. So haben wir uns Urlaub vorgestellt, denn es gibt zudem so gut wie keinen Verkehr. Vom Pass sind es nur noch wenige Bergab-Kilometer in das Örtchen Ferla. Wir
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steuern zielsicher die Pasticceria neben der Kirche an. Die Erdbeertörtchen mit Vanillecreme schmecken göttlich zum Cappuccino. Jetzt sind es nur noch ein paar herrliche Kilometer zu unserem Übernachtungsquartier. Im Agritourismo Pantalica werden wir von der Hausherrin und dem Hausherrn mehr als herzlich empfangen. Alles ist so wie es sein muss. Wir laden unsere Packtaschen ab und steuern noch die eigentliche Attraktion der Gegend an. Die Höhlengräber von Pantalica. 1200 vor Christus haben die Sikuler hier ihre Städte gebaut. Die Schlucht und die Landschaft sind gigantisch. Zudem herrscht noch bestes Fotolicht. Abends wird bodenständig gekocht - was will man mehr?
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2. Etappe: Pantalica - Syracus; 54 km - 400 Höhenmeter
Wir schauen etwas betröpfelt in die dichten Wolken aus denen eiskalter Regen fällt. Es nützt nichts, wir müssen los und machen in Ferla erstmal einen Cappuccinostop. Durch ein üppiges Tal geht es rasant hinunter in die Pantalica Schlucht. Leider dürfen Radfahrer die alte Bahntrasse nicht befahren. Wir diskutieren kurz mit dem Custode und geben auf. Wir hätten uns zwei Tage vorher bei der Forstverwaltung eine Genehmigung holen müssen. Doch wie das genau funktioniert, weis wohl niemand. Schade, die Trasse wäre sicherlich auch für Radler ein touristisches Highlight. So strampeln wir wieder auf den anderen Talseite hoch und werden auch hier mit tollen Blicken belohnt. Die nächsten 25 km sind dann Genuss pur. Mit Ein Reisetagebuch, Seite 8
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Rückenwind rauschen wir leicht bergab auf bestem Asphalt in Richtung Küste. Noch ein kurzer Anstieg hoch nach Belvedere und die antike Großstadt Syracus liegt unter uns. Das Castel Epipoli bildete den westlichsten Zipfel der weitläufigen Stadtbefestigung der Griechen. Angeblich haben hier im Altertum über eine Million Menschen gewohnt. Wir leisten uns die 4 Euro Eintritt, der Custode passt dafür auch auf unsere Räder auf. Der starke Wind hat den Himmel blank geputzt. Die Aussicht ist gigantisch. Wenige Minuten später sind wir in der Innenstadt und überqueren die Brücke in die antike Stadt Ortiga. Gleich rechts liegt die Superyacht eines russischen Oligarchen. Ein Stück weiter hat ein riesiger Kreuzfahrer fest gemacht. Wir beziehen unser Appartement vom No Art Hotel direkt in der Altstadt. Unter der Treppe finden die Räder Platz. Wir sind mittendrin. Das empfohlene Fischrestaurant ist nach unserem Geschmack. Die Stadt selbst ohnehin schon eine Reise wert. Gut dass wir morgen ausreichend Zeit für Besichtigungen haben.
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Die Kunst der Griechen ...
! 3. Tag Syrakus - Kulturtag
Wir frühstücken gemütlich am Piazza und absolvieren das übliche Besuchsprogramm. 10 Euro Eintritt für das Griechische Theater und das Ohr des Dionysos sind happig. Schade insbesondere, dass das Areal in weiten Teilen nicht zugänglich ist. Am Geld für den Erhalt kann es bei den Besucherströmen aber nicht liegen ... . Zeugnis des Verfalls ist auch die Villa Reimann mit ihrem botanischen Garten. Alles liegt halb verfallen und hat vielleicht gerade deshalb seinen Reiz. Schade ist es trotzdem. Italien erstickt einfach am seinen Kulturgütern. Ein Reisetagebuch, Seite 11
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Durch die Gassen von Ortega pfeift am Nachmittag ein kalter Wind. Es ist eher ungem端tlich f端r Mai.
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Ein Regentag
3. Etappe: Syracus - Villa Giulia ( Pachino); 73 km - 600 HĂśhenmeter
Sechs Kilometer nach der Stadtgrenze biegen wir links in Richtung Meer ab und entkommen damit endlich dem Moloch Verkehr. Als Radfahrer freundlich kann man Syrakus wirklich nicht bezeichnen. Auch im weiteren Verlauf hat die Strecke bis in die Barockstadt Noto wenig mit der gemeinsam, die wir in der einsamen Bergwelt absolvierten. Die Autos lassen sich nicht leugnen. Drei Kilometer hinter Noto herrscht jedoch wieder Einsamkeit pur. Wir rollen an den Besitzungen der ehemaligen GroĂ&#x;grundbesitzer vorbei, passieren einen Ort mit einer verfallenen Schnapsbrennerei und erreichen auf kleinsten StraĂ&#x;en unser Tagesziel. Die Villa Giulia ist wie
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aus dem Prospekt und fest in deutscher Hand. Zum Gl端ck funktioniert die Heizung im Zimmer. Wir waren fast den ganzen Tag im Regen unterwegs.
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Sonne, Meer und einsame Straßen
! 4. Etappe: Villa Giulia - Agritourismo La Chiuse de Guadagna (Marina di Modica); 77km - 710 Höhenmeter
Wir verlassen unser feudal-rustikales Quartier mit einem guten Frühstück im Bauch. Alle Wolken haben sich verzogen, ein strahlender Tag. Wir rollen auf kleinen Nebenstraßen direkt am Strand entlang. Die italienischen Ferienbauten sind zwar nicht gerade ein architektonisches Highlight, aber Sonne und blaues Meer übertünchen alles. Überrascht sind wir vom netten alten Piazza des Fischerörtchens
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Marzamemi. Doch noch ist keine Cappuccinozeit. Wenig sp채ter erreichen wir den s체dlichsten Zipfel Siziliens. Portopalo pr채sentiert sich
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f체r uns wie aus dem Bilderbuch. Jetzt ist der Cappu f채llig mit Blick auf die vorgelagerte Insel Cape Passero. Hier legten 1943 die Alliierten
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Truppen zur Befreiung Siziliens an. Heute präsentiert sich das Fleckchen Erde nur romantisch. Zum Glück ist Mai und keiner macht uns den Tisch in der Sonne in der ersten Reihe streitig. Wir haben sogar freie Auswahl. Doch angesichts der Appartementmengen wollen wir uns gar nicht vorstellen, wie es hier zu italienischen Ferienzeiten aussehen mag. Das dürfte wohl für den ganzen Küstenabschnitt gelten. Im Mai gehören jedoch die Küste und auch die kleinen Nebenstraßen uns. Da wir zwischen den riesigen Gewächshäusern immer wieder in Landesinnere abschwenken müssen, kommen doch schnell ein paar Höhenmeter zusammen. Am Punta Castellazzo bedauern wir, das wir uns keine Panini einpacken haben lassen. Schöner kann ein Picknickplatz nicht sein. So greifen wir auf unsere Notreserven zurück, denn weit und breit ist keine Bar zu finden. Dafür aber unserer Meinung nach der schönste Strand Siziliens. Im Mai zudem noch völlig menschenleer. Die Dünen wollen kaum enden. Kurz Ein Reisetagebuch, Seite 18
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vor Pozzallo dann die Erlösung. Auf dem Parkplatz vor dem Restaurant A Lampara zwängen sich die Autos in Zweierreihen. 30 Kilometer war der Hund begraben und jetzt dieses tolle Restaurant. Wir essen nur die gemischte Fischvorspeise oder ein Nudelgericht. Vorzüglich und für Radler völlig ausreichend. Haben wir in Sizilien jemals schlecht gegessen? So gestärkt wagen wir uns ins Hinterland. Unser Tagesziel, das Agritourismo de Guadagna, liegt etwas abseits vom Touristenrummel. So kommen am Schluss doch gut 700 Höhenmeter zusammen. Doch jeder Kilometer davon hat sich gelohnt. Bis kurz vor Schluss bleibt die Strecke traumhaft, verkehrsfrei und voller landschaftlicher Highlights. Ein super Tag. Abends werden wir sicher wieder lecker bekocht. Haben wir jemals in Sizilien schlecht gegessen?
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! Tipp: Agritourismo La Chiuse de Guadagna
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Das Agritourismo La Chiuse de Guadagna ist unser bisher nettestes Quartier. Die junge Familie hat sich hier einen Traum verwirklicht. Auf dem Grundstück des Großvaters wurden ein alter Bauernhof top restauriert und für Bed and Breakfast Zwecke umgewandelt. Die Masseria ist ideal auch für Freunde und Familien, die hier mit Mann und Maus gänzlich abschalten wollen. Es ist genug Platz zum Faulenzen, Kochen und natürlich auch Radfahren. Der Hausherr ist begeisterter Mountainbiker und hat auch einige einfache MTB's für Gäste im Schupfen stehen. Die Straßen rund um das Anwesen könnten nicht einsamer sein. Begeistert hat uns auch das Frühstück. Es wurden nur lokale Produkte aus eigener Produktion oder von Freunden serviert. Zu jeder Spezialität gab es eine Erklärung. Das Agritourismo liegt zudem strategisch ideal. Es sind nur ein paar Kilometer in die Barockstadt Scicli. Auch Marina di Ragusa, sowie die endlosen Sandstrände sind nicht weit. Hier würden wir gerne wieder her kommen. www.lachiusedeguidagna.it
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Leben wie Gott in Sizilien
! 5. Etappe: Agritourismo La Chiuse de Guadagna - Ragusa Ibla 81 km - 910 Höhenmeter
Sizilien meint es wieder gut mit uns. Keine Wolke trübt den Himmel, die Temperaturen sind perfekt, als wir aus dem Hinterland wieder zurück an die Küste rollen. Unten angekommen führt zunächst an der Hauptstraße kein Weg vorbei. Zum Glück nur kurz, dann biegen wir der Küstenlinie entlang in die Feriensiedlungen ein. In Donnafucata stoppen wir in einer genialen Eisdiele direkt am Meer. Dann tun sich
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die Vororte von Marina de Ragusa auf. Zum Glück ist Mai und wir brauchen uns um das komplizierte System der Einbahnstraßen nicht scheren. Wir bleiben immer möglichst nahe am Meer, ganz gleich ob Einbahnstraße, Uferpromenade oder Fußgängerzone. Wir wollen uns gar nicht vorstellen, wie hier im Sommer der Bär tobt. Jetzt ist aber alles recht nett und überall wird gehämmert und gepinselt, um alles auf Vordermann zu bringen. Am Punta Secco ist dann Cappuccinopause angesagt. Der mediterrane Schlendrian hat uns voll erfasst. Aber das nette Lokal direkt am aquamarinblauen Meer einfach links liegen zu lassen, bringen wir nicht übers Herz. So ändern wir kurzfristig unsere Reisepläne und biegen erst gar nicht mehr auf die Hauptstraße in Richtung Scoggliti ein, sondern schlagen uns direkt ins Landesinnere in Richtung Ragusa. Ein weiser Entschluss, wie sich bald herausstellt. Wir erreichen den geplanten Mittagsstopp - das Castel Donnafugata - erst gegen 14 Uhr und mit hängenden Zungen. Die Trattoria und der Ort selbst entschädigen jedoch für alles. Erst kurz vor halb vier rollen wir weiter. Auch unser Zeitplan wird immer sizilianischer ... Ein Reisetagebuch, Seite 22
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Gleich unterhalb des Schlosses erleben wir eine kleine Streckenüberraschung. Der geplante Track erweist sich als unbefestigter, ruppiger Karrenweg. Ein Blick ins GPS jedoch klärt auf. Nur ein kurzes Stück durch die Schlucht ist ungeteert. Wir schieben knapp 20 Minuten durch unberührte Natur. Die Anstrengung wird mehr als belohnt. Oben erwartet uns ein kleinster Asphaltweg in einsamster Landschaft. Blühende Gärten rings um uns. Wer das Schiebestück vermeiden möchte, muss einige Kilometer auf der doch recht befahrenen Hauptstraße bleiben, das wäre für uns keine Alternative. So genießen wir den Rausch der Farben und Gerüche gänzlich ungestört von irgendwelchen Fahrzeugen. Nur zwei Rennradler haben sich irgendwie hierher verirrt und grüßen uns begeistert. Die letzten 15 Kilometer nach Ragusa werden für uns zur kleinen Bewährungsprobe. Sonne und Anstiege kosten Körner. Zudem empfängt uns die Stadt mit einem Höllenverkehr. Nach der Einsamkeit des Landes trifft uns die Hektik doppelt. Zudem ist die Orientierung nicht leicht. Wer in Ragusa falsch abbiegt, hat schnell 100 Höhenmeter versägt. Das wollen wir uns nach so einem anstrengen Tag nicht leisten. Ab der Fußgängerzone herrscht jedoch wieder Ruhe um uns Ein Reisetagebuch, Seite 23
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herum. Die Stadt begeistert mit monumentaler Barockarchitektur. Echte Ăœberraschung ist jedoch das alte Ragusa Ibla in dem unser Hotel liegt. Diese Altstadt muss man gesehen haben. Wir beziehen zwei nette Zimmer im Il Barocco Hotel. Das Haus ist an diesem Abend fest in der Hand von Radfahren aus drei Ländern. Wir essen eine gute Pizza in der Pizzeria Antares gleich ums Eck. 
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Wilde Schluchten und barocke Städte
! 6. Etappe: Ragusa Ibla - Pietre Nere Hotel (nahe Ragusa); 46 km - 650 Höhenmeter
Wir cruisen erstmal durch die antiken Gassen. Ragusa Ibla ist wirklich eine Reise wert. Dann folgen wir mit erträglichem Verkehr der Straße aus der Schlucht in Richtung Modica. Zunächst flott bergab, dann wieder mäßig bergauf. Die Landschaft um uns präsentiert sich in Ein Reisetagebuch, Seite 25
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neuem Look. Die Schluchten haben ihren ganz eigen Charakter. Die Wände steigen mehrere hundert Meter hoch in den Himmel. Wir stoppen oberhalb eines Bauernhofes und genießen das Panorama. Sofort spricht uns der Bauer an und will alles über uns wissen. Er jammert etwas über die aktuelle Steuerpolitik und dass sich der Hof für die Familie wohl jetzt nicht mehr lohnt. Wir wissen nicht so recht was wir davon halten sollen. Eines ist jedoch gewiss, der Mann arbeitet hart und lebt bescheiden. Kurz vor Modica folgen wir dem Wegweiser in Richtung Panoramapunkt. Die richtige Entscheidung. Die Altstadt liegt am Hügel gegenüber wie auf einem Präsentierteller. Aus der Adlerperspektive entscheiden wir uns für einen Cappuccinoplatz. Es wird eine Punktlandung. Um uns herum tobt der italienische Alltag vor historischer Kulisse - einfach schön. Noch schöner wird allerdings die Ausfahrt aus der Stadt. Wir folgen weiterhin der Schlucht bergab auf einer wunderbaren Straße. Gibt es eine Steigerung? Ja, das zehn Kilometer weiter liegende Scicli überrascht uns völlig. Die Stadt ist als fünftes Weltkulturerbe auf unserer Strecke nicht einfach abgehakt. Wir Ein Reisetagebuch, Seite 26
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wagen eine Erkundungstour mit den Rädern durch die alten Gassen. Jedes Haus in dem barocken Ensemble ist ein Kleinod für sich, jeder Platz hat seine eigene Seele. Hier könnte man es durchaus noch länger aushalten. Doch wir wollen es heute nicht zu spät werden lassen. Also kurbeln wir tapfer weiter und sind pünktlich um drei in unserem Schickimicki Hotel - dem Pietre Nere Resort an der Isbica Schlucht. Ein bisschen Luxus tut uns heute ganz gut. Wir leisten uns die Superiore Zimmer mit großer Terrasse. Hier trocknet unsere Wäsche perfekt noch am Nachmittag. Abends zaubert der Koch ein Top Menü. Wir hatten gedacht wir wären die einzigen Gäste, aber weit gefehlt, der Laden brummt sogar in der Nebensaison. Wir sind sehr zufrieden.
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Die Bezwingung der Monte Iblei
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7. Etappe: Pietre Nere Hotel - Palazzolo Acreide; 51km - 1000 Höhenmeter
Es herrscht geschäftiges Treiben auf unseren kleinen Nebenstraßen, als wir bei herrlichstem Sommerwetter nach bestem Frühstück starten. Es fiel uns richtig schwer, nicht ein paar von den verführerischen Süßigkeiten vom Buffet als Notration noch schnell einzupacken. Aber wir finden sicher eine Pasticceria unterwegs. Zunächst stoppen wir vor der Bar in der Isbica Schlucht. Wir verzichten auf die Besichtigung der antiken Höhlen und erfreuen uns lieber an der urigen Bar. Hier ist Italien noch so wie in den 50er Jahren. Ganz anders dagegen on the road. Traktoren, Kleinlaster, Mähdrescher, die Sizilianer haben ihren ganzen Fuhrpark mobilisiert und sausen geschäftig durcheinander. Das haben wir uns hier eigentlich ruhiger vorgestellt, aber in der üppigen Landschaft wächst zu viel, um ungepflegt zu bleiben. Wir passieren eine Reihe von alten Herrschaftsansitzen, die teils top renoviert, teils kurz vor dem Verfallen als imposante Einzelgehöfte in der weitläufigen Hügellandschaft thronen. Der Cappuccinostop in Frigintini ist unspektakulär aber preiswert. Wir zahlen für den Cappu Ein Reisetagebuch, Seite 29
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1.30, für 2 Liter Wasser 0,20 Euro. Das nennen wir günstig. Im nächsten Ort San Giacomo ist ebenfalls der Hund begraben. glücklicherweise gibt es einen gut bestückten Dorfladen und wir erstehen ein herrliches Picknick. Gerade rechtzeitig, denn über San Giacomo thront auf einem
Hügel eine weitläufige, verlassene Masseria. Wir setzen uns auf die dem Verfall preisgegeben Stufen der Hauskapelle und genießen Vesper und Ausblick. Der gesamte Südosten Siziliens liegt vor uns. Wir sehen bei herrlichem Wetter bis zum Meer. Danach folgt eine Traumabfahrt hinunter ins Tal. Unsere Räder sausen nur so durch die Landschaft. Unten angekommen kommt jedoch die Ernüchterung. Bis Palazzolo Acreide geht es 500 Höhenmeter konstant bergauf. Der Anstieg verliert jedoch mit jedem Meter seine Schrecken. Die Blick sind einfach zu schön. Wir erklimmen kurz vor der Stadt das Griechische Theater am höchsten Punkt und rauschen dann abwärts durch die barocken Gassen. Weltkulturerbe Nr. 6! Mehr Ein Reisetagebuch, Seite 30
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Aufmerksamkeit als die schönen Palazzos erntet die Auslage der Pasticceria. Wir entscheiden uns für Profiteroles mit frischen Erdbeeren und Schlagrahm zum Kaffee. Göttlich. Unser Hotel liegt ca. 1 Kilometer vor den Toren der Stadt. Im Colle Acre Bike Hotel werden wir freundlich empfangen. Auch dieses Haus gehört zu den sogenannten Sibit Hotels, die sich der Förderung des Radtourismus in Sizilien verschrieben haben ( www.medinbike.it ). Mit uns logiert noch eine ganze Gruppe von Bikern. Wir sind uns einig, es war wieder ein herrlicher Tag.
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Das Kleinod Buscemi
! 8. Etappe: Palazzolo Acreide - Lentini, 49km - 600 Höhenmeter
Die junge Juniorchefin des ehrwürdigen Colle Acre Hotel klagt uns ihr Leid. Leider ist die Idee der Bikehotels in Sizilien nach hoffnungsvollem Start kläglich abgeschmiert. Die Gesellschaft ging pleite, ein Nachfolger ist nicht in Sicht. So ruhen alle versprochenen Marketingaktivitäten und geblieben sind nur Kosten. Dabei sei die
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Gegend doch ideal für Radfahrer. Wir können ihr nur beipflichten. Anfang Mai kann in Europa wohl nur noch Mallorca Sizilien das Wasser reichen. Herrliches Frühsommerwetter, einsame Straßen, beste Küche und jede Menge Berge als Herausforderung - was will der sportliche Radfahrer mehr. Wir jedenfalls haben bisher jede Minute genossen - und das scheint heute nicht anders zu werden. Der Tag beginnt mit einer rauschenden Abfahrt mit spektakulären Blicken über die Anapo Schlucht, die hier bei Palazzolo Acreide ihren Anfang nimmt. Dann geht es wieder stetig bergauf. Belohnt wird jeder dabei vergossene Schweißtropfen mit immer herrlicheren Blicken. Die Monte Iblei präsentieren sich in voller Pracht. Wir nehmen den Abstecher zum Bergdorf Buscemi. Der Reiseführer hatte uns darauf aufmerksam gemacht. Eine absolut lohnenswerte Entscheidung. Das Dorf entpuppt sich für uns als wahres Kleinod mit barockem Touch. Zudem ist gerade Markt und es herrscht geschäftiges Treiben. Wir sind rundum begeistert und genießen den Cappuccino am Platz vor der Kirche. Nach dem Ort wechselt die Kulisse auf grün. Die Kuppen der Berge sind mit dichten Wäldern bezogen. Pünktlich zum 12 Uhr Läuten erreichen wir den nächsten Ort Buccheri. Im Slow Food ist die Osteria Locale als Tipp vermerkt. Wir stecken die Nasen neugierig in
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das Gewölbe und es ist klar. Hier machen wir Mittag. Wir werden nicht enttäuscht. Drei Brüder managen die urige Kneipe und servieren beste heimische Produkte. Wir entscheiden uns für gemischte Bruscette, einen frisch geschöpften Ricotta sowie zweierlei Pasta. Alla Norna und scharfe Macceroni mit Pepperoncini, Knoblauch, Rucola und Olivenöl. Wir können den halben Liter Nero D'Avola nicht ablehnen, der beinahe automatisch mit auf den Tisch kommt. Als Abschluss kommt noch ein Orangensalat. Zum Glück verheißt unser Höhenprofil nur Gutes. Ab der Mittagspause geht es nur noch so gut wie bergab. So rauschen wir nach der Pause nur so unserem Ziel entgegen. Die längste Abfahrt der gesamten Tour. Bereits um 15 Uhr erreichen wir unserer Starthotel, das Sant Alphio Palace. Dort werden wir überschwänglich freundlich von allen empfangen. Morgen um 7 kommt unser Flughafentransfer. Ein herrlichen Radurlaub ist zu Ende.
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Unsere Reise-Tops: Das schönste Hotel: Pietre Nere Hotel bei Modica Die schönste Abfahrt: Von Buccheri nach Lentini, 27 km sanft bergab in den Hochsommer. Die besten Abendessen: Im Fischrestaurant in Syrakus und in der Slow Food Trattoria A Maidda in Lentini. Die besten Mittagessen: Im Fischrestaurant A Lampara bei Pozzallo und in der Slow Food Osteria Locale in Buccheri. Die nettesten Gastgeber: Die junge Familie im Agritourismo La Chiuse de Guadagna. Die anstrengendste Etappe: Die Anfahrt nach Ragusa mit der verkehrsreichen Einfahrt in die Stadt. Die schönste Etappe: Von der Villa Giulia an der Küste über Porto Palo und Pozzallo zum Agritourismo Le Chiuse de Guadagna. Der schönste Ort: Die Barockstadt Scicli. Das beste Dolce: Die Mandarinetti in Syrakus. Das beste Eis: In der Gelateria Blu Moon direkt am Stand von Donnalucata. Der schönste Cappuccinoplatz: Die Strandbar in Punta Secco. Der schönste Picknickplatz: Punta Castellazzo, direkt am Meer auf den Klippen.
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! Anke, Kerstin und Tom 1. bis 11. Mai 2014 - 8 Etappen -
489 Kilometer - 6120 HĂśhenmeter Unsere Runde durch Siziliens SĂźdosten.
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