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ParshadEsmaeili über
»Ichbinfrei, ichbinMensch, ichbinda. Obihrwollt odernicht«
Auf YouTube und Instagram bespaßt Parshad Esmaeili Hunderttausende. Mit turi2 spricht die Komikerin im ältesten Nachtclub Frankfurts über die Gen Z, Cringe im TV und Toiletten als TikTok-Bühne
Von Elisabeth Neuhaus (Text) und Holger Talinski (Fotos)
ParshadEsmaeili
Geb. 1997 in Darmstadt 2013 Stipendium bei der Start-Stiftung 2017 Studium Politik und
Publizistik in Mainz 2018 Erster Comedy-Auftritt 2019 Burnout mit Krankenhausaufenthalt 2020 Studium Online-
Journalismus in Dieburg 2020 Vertragsunterzeichnung bei Enissa Amani 2020 Deutscher Radiopreis für Date-Ratgeber bei
Planet Radio 2021 Auftritt in Böhmermanns „ZDF Magazin Royale“ 2021 Start der Zusammenarbeit mit Funk von
ARD und ZDF 2022 Auftritt in der „Carolin
Kebekus Show“
ParshadEsmaeili
im Videofragebogen turi2.de/koepfe
Parshad, das Frankfurter Bahnhofsviertel kann einem Angst einjagen: illegale Drogen, Prostitution, Obdachlosigkeit, immer wieder Schießereien und Gewalt. Was gefällt dir hier?
Dass es echt ist. Frankfurt hat eine große Fresse. Das liebe ich. Im Bahnhofsviertel gibt es Menschen, die alles verloren haben. Bei einigen ist ganz viel schief gelaufen. Jeder hat seinen Koffer zu tragen. Trotzdem schaffen es Leute auf der Straße, ihre Stimme nicht zu verlieren und zu lächeln. Das sind für mich Kämpfer:innen.
Davon bekommen wir gerade nicht viel mit. Die schweren Samtvorhänge im Pik Dame lassen kein Licht durch. Wie passt das verruchte Nachtleben in die raue Welt da draußen?
Für mich bedeutet Nachtleben Freiheit. Wenn du feierst, denkst du nicht an deine Probleme. Jeder, der einen Club betritt, lässt seinen Koffer am Eingang stehen. Dann hast du für ein paar Stunden keinen Ballast auf dir liegen. Für mich sind Orte wie dieser ein Safe Space. Wo ich nicht verurteilt werde für das, was ich bin.
Wie groß ist deine Fresse?
Sehr groß! Das muss sie bei mir als junger Frau mit Migrationshintergrund in der männerdominierten Comedybranche auch sein. Zu viel Nettigkeit, zu viel Achtsamkeit, zu viel Nachdenken, weil du Angst hast, wie Leute dich bewerten könnten – damit schießt du dich direkt ins Aus. Und ich hasse es, unterschätzt zu werden.
Jung und laut – macht dich das zu einer typischen Vertreterin der Generation Z?
Ich identifiziere mich mit der Generation Z, ja. Wir sind mit dem Internet aufgewachsen, mit Algorithmen und Filterblasen. Jetzt wollen wir aufräumen, alte Muster brechen.
Wo willst du aufräumen?
In der Comedybranche. Da sehe ich mich als Teil einer kleinen revolutionären Bewegung. Ich hatte immer das Gefühl, dass ich eine riesige Verantwortung in mir trage, Mädchen und jungen Frauen, die sich nicht repräsentiert fühlen, zu zeigen, dass sie es auf die Bühne schaffen können. Zum Glück hat sich da schon etwas getan. Ich beobachte junge Comedians auf Social Media, mit denen sich die 14-jährige Parshad hätte identifizieren können. Das finde ich super. Jetzt habe ich große Lust, in den nächsten Jahren auch im Fernsehen aufzuholen.
Was hast du vor?
Ich finde es schade, dass die Gattung Fernsehshow ausstirbt. Die Generation Z kennt Netflix. Aber Fernsehen ist für die meisten von uns etwas komplett Komisches. Etwas Cringes. Ich schaue selbst höchstens Sendungen auf YouTube nach. Mein Traum ist es, eine Show fürs Fernsehen zu machen, bei der samstagabends sowohl Generation Z als auch Ältere einschalten.
Also eine Neuauflage von „Wetten dass..?“?
Nicht unbedingt. Aber ich will ein Zusammenkommen erreichen. Wenn
»EinFreund vonmirsagt: ›Ey,meinChef fucktmichso ab,ichwerde nächsteWoche safemitihm reden.‹Daist diesesFeuer. Dasistgeil«
Mama und ich zusammen fernsehen, dann streiten wir uns erstmal. Sie hat Lust auf „Das perfekte Dinner“, ich auf „ZDF Magazin Royale“. Am Ende gucken wir gar nichts zusammen. Stattdessen sind wir beide am Handy und zeigen uns gegenseitig Bits aus TikTok und Insta.
In der TV-Primetime läuft immer noch Mario Barth. Leiden die Deutschen unter ComedyGeschmacksverirrung?
Das kann ich dir nicht sagen. Aber diese Art von Humor spricht viele Menschen nicht mehr an. Humor ist immer noch Geschmackssache. Mein persönlicher Geschmack ist es nicht mehr. Solche Witze habe ich als kleines Mädchen gefeiert. Aber ich glaube, der Zeitgeist ist gerade dabei, sich zu verändern.
Was macht die Gen Z eigentlich aus? Für viele ist sie eine Black Box.
Ich empfinde sie als laut, manchmal vorlaut, wissensdurstig, mutig, revolutionär, immer ready für Gerechtigkeit und Veränderung.
Müssen sich Arbeitgeber warm anziehen, jetzt, wo die Gen Z ins Berufsleben einsteigt?
Klar. Ein Freund von mir, 22 Jahre, sagt: „Ey, mein Chef fuckt mich so ab, ich werde nächste Woche safe mit ihm reden.“ Da ist dieses Feuer, das ist geil. Die Gen Z haut halt auch mal auf den Tisch. Und fragt ganz selbstverständlich nach der nächsten Gehaltserhöhung.
„Fuck the System“ trällerst du passenderweise in einem YouTube-Song über deine Generation. Welche Strukturen sollte die Gesellschaft unbedingt aufbrechen?
Vorurteile und Klischees finde ich schlimm. Schubladen sind dumm. Das sind so Fragen wie: „Oh, du bist Perserin? Also trinkst du jeden Abend Tee. Ihr habt bestimmt einen Perserteppich zu Hause.“ Ich bin doch mehr als mein Migrationshintergrund, mehr als meine Wurzeln! Ich sage immer: Ich bin einfach nur ein fucking Mensch. Meine Mutter ist selbstständig, eine Business-Frau. Nein, sie hat mich noch nie mit einem Pantoffel geschlagen. Sorry, dich enttäuschen zu müssen.
Was denkst du über Leute deiner Generation, die Kartoffelbrei auf Monet-Gemälde klatschen, weil sie das Klima retten wollen?
Solche Aktionen sind zu erwarten, wenn die Generation Z müde wird. Wir werden in den Medien oft als schreiendes, lautes Baby charakterisiert. Aber was macht ein schreiendes, lautes Baby? Nach Bedürfnissen rufen. Ein gutes Weltklima ist ein großes Bedürfnis. Darü-
ber machen sich manche Leute lustig? Sorry, als du ein Baby warst und Hunger hattest, hat dich vermutlich auch keiner im Stich gelassen. Warum lässt man uns im Stich?
Wie nachhaltig lebst du?
Ich habe mir zum Beispiel bewusst kein neues Auto gekauft. Klar, ich habe die finanziellen Mittel dafür. Aber warum sollte ich mir jetzt von Mercedes einen fetten Benz produzieren lassen? Das frisst so viele Rohstoffe. Mein Auto fährt super. Ich teile es mir mit meiner Mutter. Diese Welt ist doch mein Zuhause. Und ich will auch, dass es das Zuhause meiner Kinder wird. Außerdem muss ich unbedingt aufhören zu rauchen, aber das ist eine ganz andere Geschichte.
Du sprichst oft über deine „Frühlife-Crisis“. Plötzlich Verantwortung über das eigene Leben, zig Möglichkeiten, aber null Plan und keine Kohle – fasst das zusammen, was du damit meinst?
Ja, und das ist echt eine richtig beschissene Zeit. Die größte und wichtigste Aufgabe jedes Menschen auf dieser Welt ist es, eine Leidenschaft im Leben zu finden. Und diese Leidenschaft kannst du nur in jungen Jahren finden. Wenn du sie nicht gefunden hast, dann hast du Pech gehabt. Deswegen habe ich super vielen Freund:innen von mir gesagt: Wenn du Anfang 20 bist und dein Unifach nicht fühlst, dann brich ab. Brich ab und lern dich erst mal kennen.
Was spricht dagegen, mit 40 noch zu sagen: Scheiß drauf, ich mache jetzt, worauf ich Bock habe?
Nichts, aber es macht doch kaum einer. Wenn du dein Haus abbezahlen musst und zwei Kinder hast, ist die Hürde zu groß. Es klingt hart, aber du kannst mit 40 nicht mehr so viel reißen wie mit 20. Deshalb solltest du unbedingt versuchen, immer schneller als die Realität zu sein. Sie darf dich nicht einholen, nicht als erste das Ziel erreichen. Sonst wirst du unglücklich.
Und du bist gerade mit 20 Minuten Vorsprung vor der Realität unterwegs?
Mit zwei Tagen Vorsprung! Meine Realität sähe ja ganz anders aus. Ich wäre fast in der Politik gelandet. Mein Herz hat dafür geschlagen, aus der Schicht herauszukommen, in der Mama und ich damals waren. Auch weil ich sie stolz machen wollte. Für sie war Comedy Quatsch. Ich wollte mir Dinge leisten können, die wir uns früher nicht leisten konnten. Also habe ich versucht, alles gleichzeitig zu machen: Uni, Radio, Stand-up und Instagram.
Dann kam der Burnout.
Mit voller Wucht. Ich wollte ja nicht nur meine Mutter, sondern auch die vierjährige Parshad in mir glücklich machen, denn sie hat nur geweint. Deshalb habe ich alles gleichzeitig gemacht. Beim Hausarzt bin ich dann zusammengebrochen, kam mit Krampfanfällen ins Krankenhaus. Die Neurologin hat mich regelrecht angeschrien, dass es so nicht weitergehen kann. Also habe ich die Uni geschmissen. Mit meiner Leidenschaft habe ich damals zwar noch kein Geld
»DiewichtigsteAufgabejedesMenschenistes, eineLeidenschaftimLebenzufinden. DasgehtnurinjungenJahren.Wenndusiemit40 nichtgefundenhast,hastduPechgehabt«
»LiebeUnternehmen,wennihrviral gehenwollt,solltetihrdieGenZfragen«
verdient, aber ich war der glücklichste Mensch auf Erden, wenn ich mit der alten Mercedes-A-Klasse von Mama zu McDonald’s fahren konnte, um meine Comedy-Videos hochzuladen. Das Internet war da besser als bei uns zu Hause. Im Nachhinein bin ich dankbar dafür, wie es lief. Wäre der Burnout nicht gewesen, würde ich mich heute sicher irgendwo in der Politik langweilen.
Du redest immer wieder von der vierjährigen Parshad, die du mit dem, was du heute tust, glücklich machen willst. Wann schaffst du das?
Auf der Bühne, wenn ich meiner Leidenschaft nachgehe. Und im Zug, wenn wir verreisen. Im Moment sitzt sie gerade auf dem Stuhl neben mir. Keine Sorge, ich sehe sie nicht, ich bin nicht crazy. Sie sitzt da und denkt: „Geil, wir machen ein Interview, das ist eine große Ehre für uns.“ Und sie isst dabei ein Eis.
Zurück zur 25-jährigen Parshad: Ist die FrühlifeCrisis etwas, das viele deiner Generation kennen?
Als ich angefangen habe, darüber zu sprechen, habe ich sehr viel Zuspruch bekommen – von Jüngeren und Älteren. Mentale Gesundheit ist etwas, worüber die Menschen in den Generationen vor mir nicht gerne gesprochen haben, weil es als Zeichen von Schwäche galt. Heute ist das anders. Billie Eilish hat es auf die Bühne gebracht. Ich bin froh, dass ich das jetzt auch tun und öffentlich zeigen kann, dass keiner alleine ist mit seinen Koffern.
Ist TikTok für Leute nach einem Burnout eigentlich ein guter oder schlechter Ort?
Ich habe nach dem Burnout absolute Ruhe gebraucht. Ich konnte ja auch erst nach fünf Tagen wieder laufen und essen. Und TikTok ist einfach super stressig. Alles ist wild zusammengeschnitten, überall sind Sounds und Trends. Daher mein Rat: Nach einem Burnout bloß nicht die App installieren!
Kann Social Media krank machen?
Als ich 14 war, haben mich Kylie Jenner und ihre Schönheitsideale definitiv krank gemacht. Ich habe angefangen, mein Hähnchenbrustfilet statt in Öl in Sprudelwasser anzubraten, um abzunehmen. Du musst doch nur ein paar Mal bei Instagram Diät-Bilder anklicken, schon reitet dich die Filterblase voll in diese Welt rein. Das ist gefährlich. Deshalb darfst du dich auf Social Media nicht nur leiten lassen, du musst auch selbst aktiv werden und „Mag ich nicht, gefällt mir nicht“ anklicken, damit dir etwas in Zukunft nicht mehr angezeigt wird. Das mache ich sehr oft.
Ist es eine Frage des Alters, wie wir mit Krisen im Leben umgehen?
Meine Mutter ist ein perfektes Beispiel dafür. Als ich ein Teenie war, hat sie mir geraten, anderen niemals von meinen Problemen zu berichten, nicht mal der Familie. Sie hatte Angst, dass Leute das ausnutzen und dann mit dem Finger auf mich zeigen könnten.
Gibt es etwas, das du an deiner Mutter bewunderst?
Ihre Stärke, ihren Mut. Sie hat ihr Heimatland Iran verlassen, vor über 30 Jahren, und dabei schon an meinen Bruder und mich gedacht, obwohl wir noch nicht mal unterwegs waren. Angenommen, hier in Deutschland würde alles den Bach runtergehen, AfD an die Macht, wir müssten alle raus: Ich glaube, ich hätte nicht einmal dann den Mut, in ein anderes Land zu gehen, eine neue Sprache zu lernen, einfach nur, um alles abzusichern für meine Kinder in der Zukunft. Dafür bewundere ich sie.
Hilft Humor in Krisenzeiten?
Natürlich! Es ist kein Wunder, dass sich Komödie auf Tragödie reimt. Lachen und Weinen liegen nah beieinander.
Wo ist er fehl am Platz?
Humor wird für mich schwierig, wenn er anfängt, andere Menschen zu verletzen. Auch Auslachen finde ich ganz schlimm.
Für Funk hast du auch Politiker interviewt: Christian Lindner und Lars Klingbeil. Wie hilft Humor dabei?
Ich kann locker bleiben, weil ich jedes Mal denke: Ey, du bist Comedian, du wolltest eigentlich gar nicht in der Politik sein, jetzt bist du es. Haha, richtig witzig! So kann ich offen und ehrlich sprechen. Wenn ich mich frage, ob ich etwas wirklich kann, dann klopft mir Comedy auf die Schulter und sagt: „Halt deine Fresse, natürlich kannst du
das. Ich bin da, ich habe deinen Rücken.“ Comedy ist die größte Liebe meines Lebens. For real. Egal, wie viel Kopfschmerzen die Branche mir bereitet. Ich weiß auch nicht, ob ich meinen Mann jemals so sehr lieben werde. Das habe ich auch zu meinem Ex gesagt: „Sorry, Bro, ich lieb dich und so, aber Comedy schon ein bisschen mehr.“
Über welche Art von Humor lachen die Leute bei TikTok?
Alles muss schnell sein. Die Aufmerksamkeitsspanne wird immer kürzer. Sofort das nächste Bild, rauszoomen, reinzoomen, zack, zack. Längere Sachen funktionieren nicht. Was auch gut geht, sind Live-Situationen, die einfach so im Alltag passieren. Gar nicht unbedingt Hochglanz, das Make-up muss nicht perfekt sitzen, im Gegenteil.
Du machst Videos, auf denen du heulst und auf der Toilette sitzt. Gilt der Grundsatz: Je intimer, desto besser?
Solange es mein Gegenüber nicht verletzt, solange es keine anderen Kulturen diskreditiert, go for it. Ich habe auf dem Klo oft mein Handy dabei. Das ist für mich eine kleine Bühne. Wenn ich gerade Käse in der Türkei gegessen habe und deshalb wortwörtlich abkacke, erzähle ich halt davon, auch im Internet. Das ist das reale Leben.
Was sollten Marken tun, um auf TikTok cool und nicht cringe rüberzukommen?
Liebe Unternehmen, mein Aufruf: Bitte holt euch dafür die Leute aus der Bubble an Bord. Es gibt so viele extrem gute junge Social-Media-Manager:innen. Gebt ihnen den Platz und die Bühne, mitzumachen, mitzubestimmen. Wenn ihr viral gehen wollt, solltet ihr uns fragen.
Machst du dir über Zensur auf TikTok Gedanken?
Ich beobachte, dass politische Hashtags gesperrt, gelöscht und vom Algorithmus ignoriert werden. Das habe ich immer im Hinterkopf: Ich bewege mich in dieser App, von der ich irgendwie auch abhängig bin, füttere sie ständig und gebe ihr damit die Macht, mich und andere zu zensieren.
Wie wichtig ist TikTok für deine Karriere?
Extrem wichtig. Wenn ich ein Video auf Insta hochlade und auf TikTok, sehe ich diesen krassen Unterschied in der Reichweite. Ein Video, das auf TikTok fünf Millionen Mal geklickt wurde, hat auf Insta vielleicht 150.000 Aufrufe. Ich mache nach wie vor das, was ich will und liebe. Aber als Creator:in musst du dir auch Gedanken machen über Klicks und Aufrufe.
Worüber hast du als Kind am meisten gelacht?
Über meinen Onkel und meinen Vater. Es waren immer Männer. Mein Auge war eine Zeit lang viel zu sehr gewöhnt an männliche Comedy. Ich kannte es nicht anders aus der Show- und TV-Welt. Late Night gab es für mich von Jimmy Fallon oder Jimmy Kimmel. Ellen DeGeneres habe ich als Kind mehr als Mann empfunden. Da hatte ich noch dieses veraltete Denken: Anzüge gehören zu Männern. Erst mit Enissa Amani habe ich mich repräsentiert gefühlt. Als ich sie zum ersten Mal auf der Bühne gesehen habe, wusste ich: Das will ich auch.
Du hast mit zwölf den Kontakt zu deinem Vater abgebrochen, obwohl du dich noch heute als Papakind bezeichnest. Wie hast du es geschafft, neben dieser Lücke deinen Humor zu behalten?
Mit einer Therapie, die sehr wichtig für mich war. Das war die härteste Trennung meines Lebens. Ich trage sie bis heute mit mir herum. Aber ich lebe mit dem Gedanken, dass er und ich in diesem Leben als Vater und Tochter nicht zusammengepasst haben, dass wir uns im nächsten Leben hoffentlich als Regenwurm und Regenwurm begegnen. Ich weiß: Das ist nicht das Ende. Da kommt noch mehr. Deshalb habe ich meinen Humor nie verloren.
Du hast 2021 mit einem borstigen Haar am Kinn verglichen. Wie war 2022?
Die private Parshad würde sagen: zwei borstige Haare am Kinn. Der beruflichen Parshad geht es immer super, weil das kleine Kind in mir die Chefin ist. 2022 ist für mich wie eine Mandarine, die gut riecht, bei der du aber schon beim Schälen weißt, dass sie eben nicht fruchtig süß, sondern trocken schmecken wird. Dieser unangenehme Geschmack ist mein Privat-, der süße Geruch mein Berufsleben.
Worüber werden wir 2023 lachen?
Ich glaube, ich werde das allererste Mal ausfallend lachen, wenn ich die brutalen Regime-Anführer aus dem Iran in Handschellen vor dem internationalen Gerichtshof sehen werde. Es wird ein befreiendes Lachen sein, das ich hoffentlich schon sehr bald lachen kann. Ich bete dafür. Mit meiner Mutter werde ich über Freiheit lachen, es wird ein weiches, glückliches Lachen. Es wird von Herzen kommen. Die Revolution im Iran kämpft dafür, frei zu sein, laut singen und tanzen zu dürfen. Dieses Privileg haben wir hier. Wir sollten es öfter wertschätzen. Das Schönste überhaupt 2023 wird also das Lächeln meiner Mutter sein, wenn ich sie auf den Straßen Teherans tanzen sehe.
Wovon träumst du?
Ich würde gerne einen eigenen Nachtclub in Frankfurt leiten. Ich will eines Tages wieder nach Iran reisen und dort alles über meine Urahnen erfahren. Aber mein größter Traum ist, dass ich dieses bestimmte Gefühl an Freiheit, das ich manchmal habe, für immer atmen darf. Das sind Millisekunden an Glück, in denen ich das Gefühl habe, angekommen zu sein. Ich habe das oft, wenn ich mit Freund:innen bei einer Shisha zusammensitze. Das will ich als Dauerzustand, beruflich und privat. Das ist wie eine kurze Explosion in mir, das geilste Gefühl aller Zeiten. Da kann draußen was weiß ich was passieren, ich fühle mich groß. Dann denke ich: Ich bin frei, ich bin Mensch, ich bin da. Ob ihr wollt oder nicht.