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KatrinKolossa Marketerin, und
KatrinKolossa
ist Chefin der ContentMarketing-Agentur Sapera Studios, die sie 2022 gegründet hat. Als Journalistin arbeitet sie davor für den „Spiegel“, die Deutsche Welle und CNN, wechselt dann ins Marketing. Ab 2020 führt Kolossa die Influencer-Agentur Buzzbird, 2021 wird sie Strategiechefin beim Tech-Unternehmen Sapera in Berlin
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Katrin Kolossa und Laura Gehlhaar beraten Unternehmen zu Barrierefreiheit und Diversität – und wünschen sich oft, dass auf Worte auch Taten folgen
Hattet ihr als Kind das Gefühl, dass die Welt euch offen steht?
Laura: Ich habe das lange geglaubt und wurde dann eines Besseren belehrt.
Katrin: Ich habe nicht das Gefühl, dass mir Dinge verwehrt wurden. Ich habe mir aber auch relativ realistische Ziele gesetzt, glaube ich. Ich bin dahingehend allerdings auch mit guten Voraussetzungen gestartet.
Katrin, du warst auf einer integrativen Schule. Wie hat das deine Sicht auf Menschen mit Behinderung beeinflusst?
Katrin: Auf meiner Schule waren auch Kinder und Jugendliche mit Behinderung oder mit einer Lernschwäche. Dass Unterschiede ganz normal waren, fand ich super. Man hat einfach zusammen gelernt und das Thema Lerntempo stand nicht über allem. Mich hat das in der Persönlichkeit sehr weitergebracht.
Wie war deine Schulerfahrung, Laura?
Laura: Ich war leider auf keiner inklusiven Schule. Ich war immer das einzige Kind mit Behinderung. Das war für mich ganz schrecklich. Ich glaube, dass Kinder und Jugendliche aus einem System wie an Katrins Schule unglaublich viel Selbstbewusstsein ziehen und Inklusion zur Normalität wird. Wenn ich heute jemandem begegne, der oder die schon ihr Leben lang mit Behinderungen in Berührung ist, merke ich das sofort. Das ist ein
LauraGehlhaar
ist Aktivistin, Coach und Autorin. In Seminaren und Vorträgen informiert sie zum Thema Inklusion, für die Sapera Studios berät sie Unternehmen zum Thema Barrierefreiheit. In ihrem Buch „Kann man da noch was machen?“ schreibt Gehlhaar über ihre Erfahrungen als Mensch im Rollstuhl
total natürlicher Umgang. Diese Leute glotzen mich nicht auf der Straße an. Die durchbrechen nicht meine Intimsphäre, wenn ich auf die U-Bahn warte und sie sich zu mir runter bücken, mich an der Schulter anfassen und fragen: „Ja, was haben Sie denn?“
Welche Schulnote würdest du Deutschland geben in Bezug auf Barrierefreiheit?
Laura: Sechs! Total ungenügend. Mein Gymnasium war nicht barrierefrei. Wir hatten zwar einen Aufzug, aber der war ständig kaputt. Und Barrierefreiheit geht natürlich auch noch viel weiter als nur die Infrastruktur. Meine Lehrer haben unglaublich diskriminiert, was Behinderungen angeht, aber auch in Sachen Sexismus und Rassismus.
Ihr beratet zum Thema Inklusion. Ist das etwas, das Unternehmen heute mitdenken oder etwas, auf das man sie aufmerksam machen muss?
Laura: Was ich beobachte in meiner Arbeit als Beraterin für Diversität und Inklusion ist, dass es vor allem in den letzten drei, vier Jahren einen enormen Boom gegeben hat. Bei vielen hört es aber nach einem Vortrag oder einem Workshop auf.
Katrin: Häufig ist es so, dass Projekte oder Dienstleistungen einmalig angefragt werden – und dann verpufft es wieder. Ich habe häufig das Gefühl, dass es bei vielen Unternehmen ein Thema geworden
ist, weil der gesellschaftliche Druck gewachsen ist. Aber an einigen Stellen fehlt mir die strategische Auseinandersetzung mit dem Thema und die Taten, die dann auf die Worte folgen.
Gibt es Unterschiede in Sachen Inklusionsbereitschaft, was die Branchen angeht?
Katrin: Im Bereich Handel- und Konsumgüter, Marketing oder Media sehe ich vor allem das Interesse, diese Themen zu besetzen, da sie „en vogue“ sind. Es gibt Wettbewerbe für Produktideen, die Menschen mit Behinderungen helfen sollen – aber nicht einmal ein barrierefreies Büro. Dass wirklich nach innen an der Organisation und Inklusion gearbeitet wird, sehe ich häufiger in der Industrie, in Ministerien oder Behörden.
Laura: Oh ja! Es ist genau das! Wenn Nichtbehinderte Produkte entwickeln für Menschen mit Behinderungen, dafür Preise bekommen und wir am Ende dastehen und denken: „Wem ist damit jetzt geholfen?“
Was sind die häufigsten Fragen bezüglich Inklusion, die die Unternehmen an euch herantragen?
Laura: „Frau Gehlhaar, wir wollen ja so gerne behinderte Menschen einstellen, aber bei uns bewirbt sich einfach niemand.“
Was antwortest du dann?
Laura: Wir leben ja immer noch in einem sehr diskriminierenden System mit Behindertenwerkstätten. Und wenn viele Menschen in diesen Werkstätten – wie ich bewusst sage – gefangen sind, dann fehlt es natürlich an sehr vielen behinderten Menschen, die ihren Weg zum ersten Arbeitsmarkt finden können.
Wie profitieren Unternehmen konkret davon, wenn sie mehr Menschen mit Behinderung einstellen?
Katrin: Ich denke, die Frage nach Profit ist der Grund dafür, dass viele Unternehmen eine verklärte Sicht auf das Thema Inklusion haben. Diversität sollte nicht gewählt werden, weil sie gewisse Vorteile mit sich bringt. Sie sollte selbstverständlich sein und dann eben klug eingesetzt werden. Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven, Stärken und Fähigkeiten werden immer ein besseres und runderes Ergebnis liefern, als eine Gruppe homogener Personen.
Habt ihr zwei, drei Maßnahmen, die im Grunde fast jedes Unternehmen umsetzen kann, um mehr Barrierefreiheit zu schaffen?
Katrin: Die einfachste Lösung Barrierefreiheit herzustellen, ist das Home Office.
Laura: Ich erinnere mich sehr gut: Wie viele Jahre haben wir darum gekämpft, von zu Hause aus arbeiten zu können. Wie oft sind wir immer wieder daran gescheitert. Und durch die Pandemie war es auf einmal so einfach. Ich habe mehr und besser gearbeitet von zu Hause aus, weil ich mehr leisten konnte. Dennoch sollte das Home-Office nicht als einzige Lösung zur Barrierefreiheit verstanden werden, sondern viel mehr als eine von vielen Möglichkeiten.
Katrin: Inklusion bedeutet auch, individuell auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter*innen einzugehen. Das können flexible Arbeitszeiten sein oder eine spezielle technische Ausstattung. Nicht nur Menschen mit einer Behinderung profitieren von Barrierefreiheit. Man kann zum Beispiel temporär eingeschränkt sein, wenn man den Arm gebrochen hat und eine Navigation nur per Tastatur möglich ist. Oder wenn man eine Migräne-Attacke hat und es einem hilft, wenn der Kontrast auch bei geringerem Licht auf dem Bildschirm gut erkennbar ist.
Laura: Was noch helfen würde, wäre, wenn Unternehmen kommunizieren, was sie zu bieten haben. Damit ich weiß, ich bin da willkommen als Behinderte. In meiner Bewerbungszeit musste ich mich immer wieder durchfragen. Immer wieder erzählen, warum ich etwas brauche. Mich vielleicht sogar rechtfertigen. Das nimmt einfach einen unglaublichen Druck, wenn ich sehe: Die setzen sich mit Barrierefreiheit auseinander. Und ich fände es unglaublich wichtig, dass es in dem Unternehmen eine*n Inklusionsbeauftragte*n gibt, der oder die aber auch auf jeden Fall selbst betroffen ist.
Reicht es, Menschen aufzuklären und auf Freiwilligkeit zu setzen oder braucht es gesetzliche Vorgaben bei der Barrierefreiheit?
Laura: Auf jeden Fall. Es braucht Gesetze, um das Recht von behinderten Menschen am ersten Arbeitsmarkt zu stärken.
Katrin: Ich stimme dir zu hundert Prozent zu. Bei der digitalen Barrierefreiheit ist schon Bewegung zu erkennen. Ab 2025 müssen alle E-CommerceUnternehmen, die einen Umsatz von über zwei Millionen Euro im Jahr machen, laut Gesetz barrierefrei sein. Vor einer Weile haben wir die 25 größten E-Commerce-Kunden auf Barrierefreiheit getestet. Ich habe viele Rückmeldungen bekommen von Unternehmen, die auf einem hinteren Platz waren. Das Thema digitale Barrierefreiheit war denen nicht bewusst. Dabei ist das ja wirklich kontraproduktiv zu dem Interesse eines E-Commerce-Anbieters: Wenn Menschen nicht zugreifen können auf die Webseite, können sie auch nichts kaufen. Das sollte doch in der Produktentwicklung schon mitgedacht werden. Es kann nicht sein, dass wir 2022 haben und Leute davon immer noch überrascht sind.
Wenn es eine Sache zur Barrierefreiheit gäbe, die ihr sofort ändern könntet: Was wäre das? Laura: Ich würde das Gesetz einführen, dass sich Unternehmen zu digitaler und analoger Barrierefreiheit verpflichten müssen.
Katrin: Ich würde über eine Quote für Menschen mit Behinderung nachdenken, aus der man sich nicht einfach rauskaufen kann.
Interview: Eva Casper