Reise-Journal
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NUMMER 38
DIENSTAG, 16. FEBRUAR 2016
Reise kompakt Dubai: Feinschmeckertage im Emirat
Die Hügel Pieros
17 Tage Schlemmen kann man ab 25. Februar beim Dubai Food Festival. Unter dem Motto „Celebrate Taste“ präsentiert das Festival Food-Events, Star-Köche und die Dubai Restaurant Week, bei der 30 Restaurants Drei-Gänge-Menüs für rund 47 Euro anbieten und dabei auch Einblicke in die multikulturelle Gastro-Szene des Emirats geben. (li) »info www.dubaifoodfestival.com
Italien Alles eine Frage der Perspektive. Eine Reise auf den Spuren des Malers Piero de la Francesca führt zu beeindruckenden Bildern und in unbekannte Ecken Italiens Von Doris Wegner
Tourismus: Immer mehr Buchungen online Noch vor ein paar Jahren haben sich die Menschen online informiert, dann aber lieber offline gebucht: im Reisebüro. Inzwischen sind Online-Buchungen auf Rekordhöhe, und ein Ende des Booms ist nicht abzusehen. Weltweit wurden 2015 laut dem Marktforschungsinstitut eMarketer 490 Milliarden Euro umgesetzt, 13 Prozent mehr als im Vorjahr. Für 2019 werden 700 Milliarden Euro prognostiziert. Der größte Anteil entfällt auf Nordamerika, das traditionell online-affin ist, auch Europa hat sich als stabil erwiesen. Das stärkste Wachstum gibt es in Lateinamerika, aber auch die schnell wachsenden ReiseMärkte in China, Indien und Indonesien machen sich online bemerkbar. Dagegen schwächelt Russland – auch wegen der unberechenbaren wirtschaftlichen und politischen Situation. (li)
Cote d’Azur: Marc Chagall im Steinbruch Die Steinbrüche bei Les Baux-de Provence, dank Jean Cocteaus Film „Le Testament d’Orphée“ auch einem größeren Publikum bekannt, werden vom 4. März an zum Schauplatz einer MultimediaReise durch das Werk von Marc Chagall. Auf 4000 Quadratmetern sind Projektionen seiner berühmten Meisterwerke zu sehen. 100 Videoprojektoren verwandeln Wände, Säulen und Boden in Riesengemälde und geben dem Besucher das Gefühl, mittendrin zu sein. Die Begleitmusik kommt aus 27 Lautsprechern. (li) »info www.carrieres-lumieres.com
Reise-Recht Vom Charakter einer Kreuzfahrt Eine nachträgliche Änderung der Reiseroute durch ein Kreuzfahrtunternehmen kann zu einem Minderungsanspruch führen, wenn sich dadurch der Gesamtcharakter der Reise ändere, urteilte das Amtsgericht München und sprach dem Kläger eine Minderung von 30 Prozent auf den Reisepreis zu. Der Kläger hatte für sich und seine Frau über ein Online-Reisebüro eine SchwarzmeerKreuzfahrt gebucht, u. a. sollten die Häfen Jalta und Odessa in der Ukraine und Constanza in Rumänien angefahren werden. Das Reisebüro verständigte ihn später davon, dass sich die Kreuzfahrtroute ins Schwarze Meer aufgrund der politischen Situation geändert habe und dass eine kostenlose Stornierung oder Umbuchung nicht möglich sei. Infolge der Änderung der Häfen verkürzte sich die Seereiseroute um mindestens 1000 Seemeilen. Eine Stunde vor der geplanten Abreise in Istanbul wurde die Fahrt ins Schwarze Meer und damit auch die Durchfahrt durch die Dardanellen wetterbedingt vollständig gestrichen. Nach der Rückkehr forderte der Kläger eine Reisepreisminderung von 30 Prozent des Reisepreises. Die zuständige Richterin gab ihm Recht. Die durchgeführte Kreuzfahrt habe nicht der vom Kläger ursprünglich gebuchten Schwarzmeer-Kreuzfahrt mit der Durchfahrt durch die Dardanellen entsprochen und sei deshalb mangelhaft gewesen. Daher sei der Minderungsanspruch auf den gesamten Reisepreis vorzunehmen. (AG München, Urt.v. 28.8.2015 - 275 C 27977/14) (li)
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ieser Mann mit den braunen Locken, den hohen Wangenknochen und dem flehenden Blick soll also jener Künstler sein, dem wir schon so viele Kilometer hinterhergereist sind. Kann man sich hier in Sansepolcro endlich ein Bild von Piero de la Francesca machen? Diesem Malergenie, das zwischen 1415 und 1418 geboren wurde, das erstmals Mathematik und Perspektive in die Malerei brachte und – aber dazu später – der italienischen Renaissance ein neues, selbstbewusstes Frauenbild schenkte. Unsere Tour führt durch Umbrien, die Toskana, die Marken und die Emilia Romagna – immer auf den Spuren Piero de la Francescas. Eine Reise von Bild zu Bild, die selbst Italien-Kenner in noch unbekannte Ecken führt. Doch zuerst nach Perugia, eine Stadt mit einer unterhaltsamen Einbahnstraßenregelung, die an Orte führt, wo man nie hinwollte, beeindruckenden Stadtpalästen und unterirdischen Ruinen. Eine Rolltreppe führt in die Tiefe des ehemaligen Forts. Piero de la Francesca soll hier Fresken für ein Palais gemalt haben. Erhalten sind sie nicht mehr, doch in der National Galerie hängt das Polyptichon des heiligen Antonius mit einer Maria, die ein selbstbewusstes Jesuskind auf dem Arm hält. Darüber die Verkündigung Marias, eine Szene, die den Blick in die Weite lenkt. Ein Säulengang statt goldenem Hintergrund, wie er zu jener Zeit noch üblich war. Für Piero de la Francesca war die Perspektive entscheidend. Er malte Landschaften und Wohnräume, war damit Vorreiter seiner Zeit – und steht doch im Schatten von Leonardo da Vinci, Michelangelo oder Raffael. Wo nur zuerst hinschauen? Die Bacci-Kapelle in Arezzo ist ein Farbrausch. Piero de la Francesca zeichnete in der Kirche San Francesco im Auftrag der Familie Bacci die Legende des wahren Kreuzes nach. Die Fresken zeigen etwa den Zweig des Baumes der Erkenntnis, der dem sterbenden Adam in den Mund gepflanzt wird, den heranwachsenden Baum, der für das Kreuz Jesu verwendet wird. Schließlich wird Helena, die Mutter Kaiser Konstantins, das wahre Kreuz in Jerusalem wiederfinden... Wie sorgfältig der Sohn eines Tuchhändlers die Muster von Roben und Uniformen gemalt hat. Oder den
Baldachin unter dem Kaiser Konstantin von seinem Sieg träumt. Wir treffen Dottoressa Deborah Mattessini und erfahren, wie wichtig der Einfluss flämischer Malerei für Piero de la Francesca war. Etwa 37 Jahre alt soll er gewesen sein, als er diesen Zyklus malte – und im Dom die Magdalena mit dem Salbungsgefäß – nur ein paar Gehminuten entfernt. Der Künstler aus reichem Hause habe lieber in Kleinstädten gearbeitet als in Rom oder Florenz, erklärt die Historikerin. Er konnte sich seine Aufträge aussuchen. Viele Werke Piero de la Francescas sind verloren gegangen, seine Fresken im Vatikan etwa wurden von Raffael übermalt. Einige Bilder hängen in Museen in Boston, London oder Paris. De la Francescas Geburtsstadt Sansepolcro hat eine beachtliche Sammlung von vier Ge-
Mit einem ungelösten Kriminalfall im Museum hat keiner gerechnet mälden. Zu sehen ist derzeit nur „Die Madonna der Barmherzigkeit“, worauf er sich auch selbst verewigt hat. „Ja, das ist mit hoher Sicherheit ein Selbstporträt“, sagt Dottoressa Mattesini, braune lange Haare, Brille, weißer Hut. Das Bild habe Piero im Auftrag der Barmherzigen Laienbrüder gemalt. Stolz seien diese gewesen, den berühmten Sohn des Ortes zu beschäftigen. Allerdings ahnten die Laienbrüder damals nicht, welchen Ärger sie sich dadurch einhandelten. Statt der vereinbarten drei benötigte der Maler ganze 17 Jahre für die Fertigstellung. Nur sporadisch malte er daran. „Gerade noch 150 Gulden hat er dafür erhalten“, erzählt Deborah Mattessini und lächelt. Die menschliche Seite eines Genies. Das verwinkelte Geburtshaus Piero de la Francescas, ein kleines Stadtpalais, gibt heute nur wenig Auskunft über seinen einstigen Bewohner. Dafür müsste man sich intensiv in die Schriftstücke in den Vitrinen einlesen. Im Souterrain des Hauses, das nicht zum Museum gehört, befand sich die TuchhändlerWerkstatt. Heute haben hier die Armbrustschützen von Sansepolcro ihren Sitz. „Piero de la Francesca besaß eine Armbrust, das wissen wir“, sagt Presidente Dario Casini.
Die Bilder weisen den Weg auf den Spuren Piero de la Francescas durch Italien: die Verkündigung in Perugia, der Traum Konstantins in Arezzo, Die Schutzmantelmadonna in Sansepolcro, die schwangere Madonna in Monterchi, die Geißelung in Urbino und in Rimini das Fresko von Sigismondo Malatesta. Fotos: mai (2)/agt
Der große Mann mit dem grauen Stoppelbart erzählt von den Auftritten der Schützen bei den großen Festen mit 80 aktiven Mitgliedern. Dem berühmten Sohn der Stadt seien sie sehr verbunden, meint der Presidente. Die Kostüme für ihre Auftritte hätten sie den Soldaten der Schlachtszene aus der „Legende des wahren Kreuzes“ in Arezzo, nachempfunden. „Wir treten als lebendes Bild auf“, sagt Casini stolz. Auf der Kuppe eines Hügels liegt Monterchi, das 2000-EinwohnerÖrtchen, das einen großen Namen hat und einen Schatz hütet. Berg des
Herkules heißt es übersetzt. Lange Zeit warMonterchi strategisch von Bedeutung und oftmals heiß umkämpft. So macht der Name Sinn. Nie im Leben hätte uns der Weg hierhergeführt, wäre dies nicht der Geburtsort von Piero de la Francescas Mutter. Romana di Perino war eine selbstbewusste Frau, die wohl großen Einfluss auf ihren Sohn hatte. Sie soll Vorbild für viele seiner Frauenporträts gewesen sein. In Monterchi ist die Madonna del Prato von Piero de la Francesca zu sehen. Die schwangere Madonna, die schützend die Hand vor ihren Bauch
nuskarte realisieren, mit der Vergünstigungen bei Museumseintritten möglich sind. Auch eine Routenempfehlung gibt es. Mögliche Stationen: der Dom in Rimini, der Palazzo Ducale in Urbino, das Museo Civico und das Geburtshaus in Sansepolcro, die KirchSan Francesco und der Dom in Arezzo und die Nationalgalerie in Perugia. Die Infobroschüre gibt es auch in deutscher Sprache.
hervorragenden Niveau. Adresse: Via di Priori 39, Perugia, www.osteriaapriori.it, »Regionale Küche wird auch in der Osteria L’Angolo Divino in Urbino groß geschrieben. Adresse: Via Sant’ Andrea 14, www.angolodivino.com
hält, zählt zu seinen berühmtesten Bildern. Gemalt ist sie wie eine einfache Bäuerin. Noch immer hätten die Frauen des Ortes eine starke Verbindung zu diesem Fresko, erzählt Mattessini. Wegen des Motives. Aber auch weil es auf wundersame Weise ein Erdbeben unbeschadet überstand. Nun ist es in einem abgedunkelten Raum der ehemaligen Grundschule zu sehen. „Piero war der Feminist unter den Renaissance-Malern.“ Alle seine gemalten Frauen sind starke Persönlichkeiten. Es ist Abend, als wir in Urbino ankommen und Straßenlaternen den Palazzo Ducale in Szene setzen. Schnell hinein in diese Schatzkammer des Stadtfürsten Federico Montefeltro. Besonders ein Bild Piero de la Francescas gibt hier Rätsel auf: die Geißelung. Ist das Bild eine Anklage? Oder war der Auftrag an Piero de la Francesca das perfekte Ablenkungsmanöver? Der blonde Jüngling im Bildvordergrund soll den ermordeten Stiefbruder des Stadtfürsten Oddantonio zeigen. Ließ der machthungrige Federico seinen ungeliebten Stiefbruder aus dem Weg räumen, um selbst die Macht ergreifen zu können? Wollte er mit diesem Auftrag den Verdacht von sich ablenken? Ließ er seinen Stiefbruder deshalb unschuldig barfuß darstellen, wie Jesus im Hintergrund des Bildes? Mit einem ungelösten Kriminalfall haben wir hier im Museum nicht gerechnet... Rimini, die letzte Station der Reise auf den Spuren Piero de la Francescas. Unser Weg führt in den Dom, wo eines seiner früheren Werke zu sehen ist. Ein Fresko, das einst einen Polit-Skandal auslöste. Auf dem Bild an der Seitenwand des Domes kniet Stadtfürst Sigismondo Rudolfo Malatesta scheinbar demütig vor dem heiligen Sigismund. Tatsächlich handelt es sich aber um einen Kniefall vor dem weltlichen Kaiser Sigismund. Malatesta wollte sich von der Kirche lösen. Das Fresko diente ihm als Irreführung und Provokation in einem. Für den selbstbewussten Sigismondo bedeutete es allerdings den Niedergang, sich mit der Kirche angelegt zu haben. Er wurde exkommuniziert und verlor jeglichen Einfluss. Hätte er sich doch nur eine Madonna von Piero malen lassen, sagen wir jetzt, nachdem wir uns diesem Maler Bild für Bild angenähert haben.
Kurz informiert ● Anreise Die Reise auf den Spuren von Piero de la Francesca lässt sich am besten mit dem (Miet-)Auto realisieren, da die Route durch vier Regionen führt. Wer Strecke abkürzen will: Air Dolomiti fliegt Florenz und Bologna an. ● Auf den Spuren von Piero de la Francesca Die Tour auf den Spuren von Piero de la Francesca führt durch Umbrien, die Marken, die Toskana und die Emilia Romagna. Die Regionen wollen ab Frühjahr eine Bo-
● Essen gehen In der Osteria a Priori gibt es regionale Küche auf einem
● Buch Der Augsburger Professor Bernd Roeck hat ein Buch über das Bild „Die Geißelung“ geschrieben: Mörder, Maler und Mäzene. Eine Kunsthistorische Kriminalgeschichte. C.H. Beck Verlag, 255 S., 21,95 ¤
● Museen Die Homepage des Museums Madonna del Parto: www.madonnadelparto.it. Auf dem Weg liegt eine Besonderheit: ein Museum für Waagen. Es ist einen Abstecher wert. »Sehenswert auch die Fondazione Burri in Citta di Castello. Der moderne Künstler griff in seinen Werken Stilelemente von de la Francesca auf. Einige seiner Werke sind auch in einem alten Tabaklager außerhalb der Stadt zu sehen. www.fondazioneburri.org ● Info auch unter www.terredipiero.it