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Klein, aber mit ganz viel aha

Sie sind gerade einmal zehn Tage alt und fünf Zentimeter groß, aber haben es in sich. Ulrich Kager ist aufstrebender Produzent von Microgreens, den Minipflänzchen mit Megageschmack.

Voilà, reizendes Radieschen, anmutiger Amarant, bezaubernder Brokkoli, feinfühliger Fenchel, sinnlicher Senf und edle Erbse. Klingt das nicht verlockend? Angebaut werden die Minipflänzchen – genannt Microgreens – am Leitnhof in St. Pauls | Eppan von Ulrich Kager, einem 22-jährigen Jungbauern.

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Microgreen steht für Mini-Kräuter, aber was steckt genau dahinter? Microgreens-Produzent Ulrich Kager: Nun, das Wort Sprossen kennen die Leute. Diese Keimlinge haben ihr Leben lang kein Licht gesehen, das ist bei den Microgreens anders. Die Samen keimen im Dunkeln und gedeihen dann noch einige Tage unter Licht, um Photosynthese zu betreiben und bestimmte Stoffe auszubilden, die sie besonders gesund und nährstoffreich machen. Es geht um die ganze Energie, die der Samen in sich hat – und letztlich um den Geschmack der fertigen Pflanze in konzentrierter Form.

Wozu werden Microgreens eingesetzt und wer sind Ihre Abnehmer? Microgreens dienen vor allem zur Dekoration der Speisen, aber wer innovativ kocht, hat die Kressen auch bereits als Zutat für Salate oder Risotti entdeckt, da sie einen extrem intensiven Eigengeschmack haben. Derzeit ist vor allem die mittlere und gehobene Gastronomie im Überetsch und Unterland daran interessiert. Speziell in Eppan kommen sie in den Restaurants Zur Rose und Per Du, im Golfclub, im Hotel Christof und der Bar Brigitte zum Einsatz. Aber auch passionierte Hobbyköche und Feinschmecker haben die Microgreens aus Südtirol für sich entdeckt. Über die Zusammenarbeit mit Südtiroler Gastronomiehändlern sind die Microgreens regional erhältlich. Natürlich gibt es sie auch am Leitnhof und im Onlineshop.

Wie schmecken Ihre Microgreens? Die Sorten Radieschen, Erbse und Fenchel sind geschmacklich wie die fertige Frucht. Nur eben noch intensiver. Brokkoli schmeckt ähnlich der klassischen Kresse, die Senf-Microgreens wie der Senf aus der Tube und Amarant hat den erdigen Geschmack wie rote Beete. Letzterer glänzt vor allem durch seine rote Farbe. Microgreens sorgen durch Form, Farbe und Geschmack für ein Aha-Erlebnis. Und sie enthalten 40 mal mehr Vitamine und Nährstoffe als das reife Gemüse und die reifen Kräuter.

Ihre Familie betreibt Urlaub auf dem Bauernhof und ist im Obst- und Weinbau beheimatet: Wie kommen Sie als BWL-Student dazu, am Leitnhof in St. Pauls | Eppan auch noch Microgreens zu kultivieren? Per Zufall. Ich bin auf das Vertical Farming gestoßen, eine Anbauweise auf kleinstem Raum in übereinanderliegenden Ebenen, die ein US-amerikanischer Professor 1999 lanciert hat. Ich habe mir das System in London angeschaut und dann hier nachgebaut. Salat und Tomaten so zu kultivieren, rentiert sich für mich nicht. Im Zuge meiner Recherche hat mich wieder der Zufall zu den Kressen gebracht. Sie sind ideal für diese Anbauweise. Ich brauche nur Wasser, Biosamen und Biohanf.

Die Produktion findet in geschlossenen Räumen statt, in denen die Minipflanzen gedeihen... Ja. Dort ist das ganze Jahr Frühjahr und die Pflanzen finden die idealen Bedingungen vor. Es wird sozusagen nachgespielt, was draußen passiert. Dazu muss die Einstellung perfekt sein. Die ideale Luftfeuchtigkeit wird über ein Klimagerät gesteuert, die Temperatur über Sensoren und die Frischluftzufuhr – in Form von starkem konstantem Wind – erzeugt ein Industrieventilator. ICH BRAUCHE NUR WASSER, BIOSAMEN UND BIOHANF.

Bio-Pflanzen wachsen in der Vorstellung vieler an der frischen Luft in viel Erde mit Sonne und Regen ... Wie passt Vertical Farming da dazu? Microgreens gedeihen im geschützten Raum. Damit entfallen Probleme wie schlechte Witterung, Insekten oder Krankheiten. Es braucht keinen Dünger und keine Pestizide und ich kann dennoch an 365 Tagen im Jahr lokal produzieren. Es geht um nachhaltige Landwirtschaft und darum, die Natur so wenig zu beeinträchtigen, wie nötig. Vertical Farming will die Menschen durch den Anbau auf kleinem Raum mit effizientem Ressourceneinsatz gesund ernähren ... auch in Anbetracht dessen, dass in naher Zukunft zehn Milliarden Menschen auf der Erde leben werden.

Alles Bio und nachhaltig also: Aber was heißt das konkret? Wir achten auf Rohstoffe mit geringem CO2-Abdruck und verwenden nur geprüftes Saatgut für den Bioanbau. Es kommt überwiegend aus Deutschland. Zudem gedeihen die Samen auf Hanfsubstrat, das organisch abbaubar ist. Es war eine große Heraus-

forderung, diese Mengen in Bioqualität zu finden. Dazu kommt das natürliche Wasser aus der Trinkwasserleitung. Es gibt also nur wenig Input, doch der muss qualitativ umso hochwertiger sein. Auch die gesamte Verpackung in Karton ist komplett abbaubar.

Wie lange gedeihen Microgreens von der Aussaat bis zur Ernte – und wie lange sind Sie haltbar? Je nach Sorte benötigen die Microgreens wie Radieschen fünf bis sechs Tage, die Erbsen zehn Tage. Dann werden sie mitsamt der Hanfmatte in kleine Kartonboxen gepackt und in Kisten zu je vier bis acht Stück geliefert. Im Kühlschrank bzw. der Kühlzelle halten sie sich ein bis zwei Wochen.

In den USA werden Microgreens als neues Superfood angepriesen: Zeichnet sich auch hierzulande ein Megatrend ab? Es handelt sich ganz klar um ein Nischenprodukt. In den USA sind immer mehr Bauern auf den Zug aufgesprungen. Früher oder später wird der Trend wohl auch nach Europa überschwappen. Bislang hat die hiesige Gastronomie die Microgreens aus Holland bezogen, auch durch die Coronakrise sind die lokalen Kreisläufe wichtiger geworden.

Wo soll die Reise noch hingehen ... die der Microgreens von Profarms und die von Ulrich Kager? Ich bin von der nachhaltigen Landwirtschaft überzeugt. Ideen für Profarms gibt es bereits. Sie steuern in Richtung lokaler Gemüsesorten, Brotklee, Löwenzahn und Bärlauch in Form von Microgreens. Auch wird es am Leitnhof ein Genussatelier geben, in dem auf die Microgreens abgestimmte Events stattfinden sollen.

Microgreens sind auch in der privaten Küche angekommen. Zu jeder Box gibt es ein cooles Video mit Rezept zum Nachkochen.

ICH LIEBE DEN INTENSIVEN GESCHMACK DER MICROGREENS. JEDE SORTE BIRGT EINE ÜBERRASCHUNG.

Ulrich Kager, Microgreens-Produzent

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