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Das Leben dreht sich wie im Tanz
from Eppan Magazin 2021
Zwei Schritte vor und einer zurück, eine Drehung, eine Wendung: Ja, so ist das Leben. Und nicht nur das. In ihren 60 Jahren hat die Volkstanzgruppe Kaltern-Eppan Höhen und Tiefen bewältigt, so auch ein Jubiläumsjahr mit Tanzverbot.
„Er wirbt um ihre Gunst. Doch sie ist anfangs abgeneigt. Dann strengt er sich mehr und mehr an ... und zum Schluss ist sie ihm gewogen.“ Das könnte aus einem Roman, einem Film, dem echten Leben stammen ... und ist: die Kurzfassung des Webertanzes – auch Tiroler Figurenwandler genannt. „Einer der schönsten Tänze überhaupt“, findet Karl Larcher. Für ihn ist Tanzen „das halbe Leben“. Und gar das ist untertrieben, ist der 64-Jährige doch seit 44 Jahren beim Volkstanz mit dabei, seit 2003 Tanzleiter und seit 2013 Obmann. Die Volkstanzgruppe Kaltern-Eppan ist mit 42 Mitgliedern (24 Tänzerinnen, 16 Tänzern und 2 Spielern) eine der größeren Gruppen Südtirols. „Wir sind eine tolle Mischung aus Jung und Alt mit Tänzern zwischen 16 und 67 Jahren – und alle haben Spaß “, schwärmt Larcher.
Kaltern und Eppan: Über Gemeindegrenzen vereint Dabei ist das alles andere als selbstverständlich. Denn die Volkstanzgruppe agiert gemeindeübergreifend. Als Nachbargemeinden ist man sich nicht in allen Belangen immer grün, doch beim Tanzen geht es einfach um die Sache. „Und auch darum, die Tradition der alten Tiroler Volkstänze weiterzuführen“, pocht Larcher auf die gut überlieferten und streng nach Lehrbuch einstudierten Tänze. Der Zusammenschluss hat freilich auch einen weitreichenderen Grund: ausreichend Neuzugänge. Im Jahr 2000 hatte die Volkstanzgruppe Eppan zu wenig Mitglieder und so schlossen sich die verbleibenden Tänzer der Gruppe von Kaltern an. „Auch sie waren froh, dass wir gekommen sind und seit 2013 trägt die Gruppe den Namen beider Gemeinden.“
Rund 100 Tänze, wie der Lüsner Deutsche, die Zigeuner- oder Stern-Polka, der Knödeldreher oder der Tiroler Figurenwandler, gehören zum Repertoire der Volkstänzer.
Frauen haben es einfacher, Männer trauen sich nicht so Wer jetzt denkt, Volkstanz sei bloß Körperbewegung, der irrt. Es gilt schon, mit dem Kopf bei der Sache, der Schrittfolge, den Figuren zu sein. „Tanzen ist Trainingssache! Je öfter du tanzt, umso besser geht es“, weiß Larcher und sagt: „Frauen haben es dabei einfacher, weil sie geführt werden. Führen ist Männersache“, über ein anscheinend heute noch unumstößliches Klischee. Doch Larcher muss es wissen, schlüpft er bei Tanzkursen schon mal in die Rolle der Frau und lässt sich von den Neuankömmlingen über das Tanzparkett führen. „Da merkst du erst, wie sehr die Manderleut anfangs verkrampft sind“, schmunzelt er. Meist sind auch weniger Tänzer als Tänzerinnen bei den Gruppen. „Das liegt wohl daran, dass sich die Männer nicht so trauen“, mutmaßt Larcher. Die Männer seien zwar weniger, bei den Proben rund 43 Mal im Jahr aber fleißiger. Doch wer tanzt eigentlich mit wem? Was ist mit Partnertausch? Dass in einer Volkstanzgruppe Eheleute oder eben Pärchen zusammentanzen „kommt eher selten vor. Ich stelle die Tanzpaare zusammen, denn auch wenn sich zwei privat gut verstehen, heißt das noch nicht, dass sie gut zusammen tanzen“, sagt der Tanzleiter. ICH STELLE DIE TANZPAARE ZUSAMMEN, DENN AUCH WENN SICH ZWEI PRIVAT GUT VERSTEHEN, HEISST DAS NOCH NICHT, DASS SIE GUT ZUSAMMEN TANZEN.
Karl Larcher, Leiter und Obmann Volkstanzgruppe Kaltern-Eppan
100 Tänze im Repertoire, 35 Auftritte pro Jahr Tatsache ist: „Tanzen ist schon richtig Sport, da kommst du auch im Winter ins Schwitzen“, weiß Larcher aus Erfahrung. Immerhin gilt es, ein Repertoire von rund 100 Tänzen einzustudieren. Tänze wie den Lüsner Deutschen, den Zillertaler und Böhmerwald Landler, die Zigeuner- oder Stern-Polka, den Knödeldreher oder besagten Webertanz. „Das Wichtigste dabei ist die Musik, ohne sie geht gar nichts“, so Larcher. Aber auch die Auftritte sind wichtig. „Für einen persönlich, weil man etwas vorzeigt, weiterträgt, aber auch, weil es den Zusammenhalt als Gruppe stärkt.“ Rund 35 Auftritte pro Jahr absolviert der Verein, bei Festen, an Feiertagen, Folkloreabenden, in Altersheimen – immer gekleidet in der Überetscher Werktagstracht.
Freud und Leid in Zeiten von Covid 19 Im Jubiläumsjahr 2020 sind die Trachten freilich wenig zum Einsatz gekommen, dabei war eigentlich der Gesamttiroler Maitanz als großes Fest mit Gästen aus dem Ausland geplant. Doch wie tanzen, wenn Körperkontakt in Covid-Zeiten nicht erlaubt ist? Alles stillgelegt. Keine Proben. Keine Auftritte. „Ja, uns hat es schon hart erwischt. Besser wird es wohl nur, wenn flächendeckend geimpft wird“, schüttelt Larcher angesichts des Tanzverbotes den Kopf. Dabei sind Tänzer tanzfreie Zeiten über die Fasten- und Adventszeit eigentlich gewohnt. Und wer, wenn nicht er, weiß, dass das Leben in irgendeiner Form immer weitergeht. Larcher ist seit 1981 Bestatter von Beruf: „Da lernt man vieles über das Leben.“ Tanzen sei ein wundervoller Ausgleich zur Arbeit. „Die Leute kennen mich so. Ich habe nie gehört, mit dem tanze ich nicht, der ist ein Bestatter“, sagt er. Freud und Leid, Höhen und Tiefen liegen eben nah beieinander. Und im Grunde sei das ganze Leben ein Tanz.
Immer dann, wenn in Eppan etwas los ist, ist auch die Volkstanzgruppe Kaltern-Eppan mit dabei: so etwa im Rahmen von Castelmusika, dem langen Mittwoch oder beim GassenGenuss in St. Pauls | Eppan.