5/2010: Bologna in Wien

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über.morgen

Jahr 2, Ausgabe 5 | Mi 17.3.2010 | Kostenlos

die kritisch-unabhängige Studierenden-Zeitung

Foto: Martin Juen

bologna IN WIEN Demonstration und Blockaden bei der Bologna-Jubiläumskonferenz S. 4-5 Foto: Arbeiterkammer

Martha Eckl (AK) KOMMENTIERT Hochschuldialog S.9

Foto: Anna Renner

Bologna Burn Out: Wenn Stress Krank macht S. 8

Foto: Sabine Wareyka

Öffentlichkeit à La BMWF: Polizei beim Public Space S. 9


über.inhalt

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über.inhalt

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Was kostet die Welt?

über.ich

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Auch wenn‘s keinen interessiert

über.thema

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Block Bologna. Capture the flag im Altstadtlabyrinth

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„Gemeinsames Netzwerk, gemeinsamer Kampf“ Der Bologna Burns Alternativgipfel.

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Budapest-Wien-Deklaration der Minister_innenkonferenz

über.kurioses

Impressum In Kürze

Der fliehende Beamer über.zitat, über.foto

über.bildung

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Internationale Vernetzung. Nächster Alternativgipfel in Madrid Neues Institutsgebäude temporär besetzt

Was kostet die Welt? Das ist eine Frage, die selbst wir nicht be­ antworten können. Aber dafür können wir eine andere beantworten und zwar, wie viel eine Zeitung kostet: Sie kostet Geduld, viele Stunden intensives Diskutieren, Schreiben, Flyern, Austeilen. Sie kostet Telefonieren, Anheuern, Raum suchen, Laptops ständig ein- und auspacken und den Kaffee mit den Freund_innen absagen. Und sie kostet Geld, damit sie gedruckt wer­ den und auch über.mor­gen noch rauskom­ men kann: Und zwar in einer Auflage, die garantiert, dass auch ihr eines unserer be­ gehrten Exemplare in die Hände bekommt. Eure Spende sichert nicht nur das regelmä­ ßige Erscheinen der über.morgen sondern – wir sind ja nicht so – auch ein paar Tipps, die wir euch nicht vorenthalten wollen. Einen dieser Tipps, stellen wir euch nun, kosten­ los, gra­tis aber hoffentlich nicht umsonst vor: Nachdem ihr die druckfrische über.morgen gelesen habt, könnt ihr sie auch als Sonnen­ schutz verwenden. Ist es euch nicht mög­ lich in der angenehm schattigen Bibliothek lernen zu dürfen? Sitzt ihr im Park und ver­ brennt euch die Frühlingssonne die Stirn? Dann breitet einfach die über.morgen über euch aus und ihr werdet von den Strahlen nicht belästigt werden.

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Bologna Burn Out. Wenn das Feuer in den Studierenden krank macht Das schwere, fettige Stress-Monster

über.politik

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Öffentlichkeit à la BMWF. Polizeikontrollen beim „public space“ Stimmen des Hochschuldialogs: Martha Eckl, AK

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Kontroverse im Depot. Hitzige Diskussion zwischen Studierenden und Ministerin Karl Bologna Reloaded: Heisse Luft aus dem Ministerium ÖVP im Hochschuldialog: „Schönfärberei“ statt Aufinanzierung

über.denken

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Studie zur Demonstration. Breite Befürwortung, aber geringes Engagement Stimmen des Hochschuldialogs kommentiert: Der Einfluss der Wirtschaft (WKÖ)

über.kitsch&kultur

über.graus

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Rund um den Gipfel Auch die Diagonale brennt. Ein Abend, ein Kino, vier Filme

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Gustav Mahler zurück in Wien

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Die Sendung mit dem Graus: Beruf Wissenschaftsministerin

Geschichten aus dem Audimax: Bombtracks

Hertha Müller schaukelt im Burgtheater über hartem Grund

über.reste

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Hund der Woche, Sudereck

Nun im Sinne des Bolognaprozesses: Lernt brav und fleißig, scheißt auf Freizeit und lest die über.morgen! Für eure Spende danken wir euch! Hier und jetzt, anonym aber herzlich.

[red]

spenden.morgen@gmail.com Konto: 00074753235 | BLZ: 60000 (PSK) Zweck: über.morgen Alle Einlagen gehen ausschießlich zuguns­ ten des Vereins (Druckkosten).

Impressum Medieninhaber & Herausgeber: Verein zur Förderung studentischer Eigeninitiativen. 1070 Wien. Hermanngasse 2a/332. Tel.: +43664 558 77 84, Homepage: http://unsereuni.at/morgen; Redaktion: Verein zur Förderung studentischer Eigeninitiativen. 1070 Wien. Hermanngasse 2a/332; Redaktionelle Leitung: Anna Renner, Clara Gallistl; Herstellerin: Druckerei Fiona, www.fiona.or.at; Herstellungs- und Erscheinungsort: Wien; Layout: jaae, axt; Alle Rechte, auch die Übernahme von Beiträgen nach §44 Abs. 1 Urheberrechtsgesetz: © Verein zur Förderung studentischer Eigeninitiativen. Dem Ehrenkodex der österreichischen Presse verpflichtet.


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über.ich

Auch wenn‘s keinen interessiert: Als über.ich habe ich neben meinem Bo­ logna-Studium, meinem Nebenjob und di­ versen unbezahlten Praktika natürlich auch noch die Aufgabe, allerlei Arten von mora­ lischen Fragen zu beantworten. In meinem tiefen Depressionsloch ist mir mein allum­ fassender Blick über den Tellerrand aller­ dings abhandengekommen. Ich weiß nicht weiter, ich kann euch nicht mehr helfen, aber eigentlich ist es mir auch egal.

Keiner mag mich und ich mag auch keinen. Die Unipsychologin sagt, dass ich damit gar nicht so allein bin. Ganz Vielen macht das Studieren keinen Spaß mehr, weil sie näm­

Ich hab eigentlich gar keine Lust mehr auf das alles. Ich hab nicht mal mehr Lust, mich dagegen zu wehren. Also schwimm‘ ich wie ein toter Fisch einfach mit der Masse mit – nicht mal auf der großen Bolognagipfel-De­ mo am Donnerstag war ich. Die Leute aus der Redaktion haben gesagt, es waren sehr viele Menschen da. Und gebracht haben soll‘s auch was.

Im Fernsehen kann man sowieso besser le­ ben als in Echt – alles ist so schön bunt und einfach. Den Arbeitslosen hilft Peter Zwegert, den überforderten Müttern die Super-Nanny und um die Dicken kümmert sich Sasha Wal­ leczek. Um mich kümmert sich keiner, dabei bin ich auch überfordert und dick.

Aber was geht’s mich an? Naja, egal. Ich bleib einfach mal hier sitzen auf meiner Couch mit meiner Pizza. Vielleicht les‘ ich diese Ausga­ be, damit ich doch ein bissl weiß, worum‘s die letzte Zeit so gegangen ist. Am Campus soll ja ein Gegengipfel zur Minister_innenKonferenz gewesen sein...

Doch ich sitze in meinem dunklen Zimmer alleine auf der alten Couch und kaue an ei­ nem Stück Salami-Pizza, die aufgewärmt und wieder kalt geworden ist.

Italienische Botschaft blockiert

Buchpräsentation Uni Brennt

Am 13. März blockierten italienische Stu­ dierende zusammen mit Student_innen an­ derer Länder die Botschaft ihres Landes. Grund dafür war der Beginn eines Prozes­ ses, bei dem 21 Student_innen angeklagt sind. Sie hatten 2009 an landesweiten De­ monstrationen rund um den G8 der Univer­ sitäten in Turin teilgenommen.

Das Buch zur Bewegung „Uni brennt. Grundsätzliches – Kritisches – Atmosphä­ risches.“ ist da! Präsentiert wird es am 18. März, 19.00 Uhr, im Depot (Breite Gasse 3). Im Anschluss wird eine Podiumsdiskussi­ on zum Thema: „Sind (unsere) Unis noch zeitgemäß? Alternativen, Visionen, Utopi­ en.“ stattfinden.

KÜRZE

Abschlusspodium des Alternativgipfels Über 500 Teilnehmer_innen nahmen am ofi­ ziellen Abschlusspodium des Bologna-Al­ ternativgipfels teil. Dabei wurde resümiert, Perspektiven für die Zukunft der Protestbe­ wegungen diskutiert und die Notwendigkeit einer transnationalen Vernetzung betont.

Lichtertanz gegen Rosenkranz

Die Rechtshilfe berichtet von fünf bestätig­ ten Verhaftungen bei den Blockaden nach der Demonstration. Die Polizei setzte au­ ßerdem bei mindestens zwei Gelegenheiten Pfefferspray gegen die Aktivist_innen ein.

IN

Blockade-Bilanz I: Polizei

lich von Termin zu Termin hetzen und so viel zu tun haben, dass sie gar nicht mehr wis­ sen, wo ihnen der Kopf steht und was sie eigentlich studieren wollten. Genau wie ich. Burn-out-Syndrom nennt sie das.

Donnerstag, 25. März, findet um 19.00 Uhr der Lichtertanz gegen Rosenkranz am Ball­ hausplatz statt, „weil es keinen Platz für ras­ sistische Politik geben darf“. Informationen auf www.lichtertanz.at.

Augartenspitz geräumt

Road map: Brüssel und Madrid

über.morgen sucht DICH!

Am 8. März wurde der Augartenspitz nach drei Jahren Besetzung von der Polizei ge­ räumt und mit Bauarbeiten begonnen. Auf dem Gelände soll ein Konzerthaus für die Wiener Sängerknaben gebaut werden.

Die nächsten Termine der Protestbewegung sind der Alternativgipfel in Brüssel am 25. März (www.spring2010.eu) und der Gegen­ gipfel in Madrid von 8. bis 14. April (www. bolognaburnsmadrid.org).

Die über.morgen sucht immer neue Mitar­ beiter_innen. Ob Autor_innen, Grafiker_in­ nen oder Layouter_innen, wir brauchen euch alle. Interessierte melden sich bitte unter ueber.morgen.zeitung@gmail.com.


über.thema

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Block Bologna! Capture the Flag im Altstadtlabyrinth „Ich weiß, dass es hier draußen kalt ist – aber in euren Herzen ist es heiß!“, heizt Hubsi Kramer vom Bühnentruck aus der Menge ein. „Eure Bildungszukunft ist die von Systemtrotteln – wenn ihr euch nicht wehrt! Es ist eure Zukunft, euer Leben – oder euer Tod!“, legt er mit sich überschlagender Stimme noch ein Schäufelchen Pathos nach – begeisterte Jubelrufe und frenetischer Applaus sind die Antwort.

Die Menge wird immer größer, an die 10.000 Leute sind sicher nicht zu hoch geschätzt. Gegen halb sieben ein historischer Moment: Die Parlamentsrampe wird erstürmt. Flat­ ternde Uni-Brennt-Fahnen neben der Pal­ las Athene. „Wessen Parlament? – Unser Parlament!“, stimmt die Menge ein. Die Po­ lizei wird nervös: An die 40 weiß-behelmte Exekutivbeamt_innen joggen, begleitet von Buhrufen, die Rampe hinauf, um das Parla­ mentstor zu sichern. Lautstark bahnt sich der Zug schließlich seinen Weg bis zum Burgtor, wo die Bolo­ gna-Burns-Organisation die Demonstrati­ on offiziell für beendet erklärt. Es folgt die Ankündigung der Blockade-Aktionen: „Wir handeln deeskalativ. Von uns wird keine Ag­ gression gegen die Polizei ausgehen.“

Minister_innen blockieren Der Plan sieht vor, die 47 Bologna-Bildungs­ minister_innen am Einreisen zu hindern. Die Devise: Block Bologna! Dann geht al­ les ganz schnell: Sechs Blockadegruppen, sechs Fahnenfarben, sechs Ziele. Ich bin in Gruppe 1 in Richtung Innenstadt. Wir spie­ len mit der Polizei in Follow-the-Flag-Manier Fangen im Altstadtlabyrinth: Gehen, laufen, hastig errichteten Polizeiblockaden auswei­

Foto: Martin Juen

Rund 3.500 Studierende haben sich gegen 15 Uhr am Westbahnhof eingefunden. Stu­ dierende aus Deutschland, Frankreich, Spa­ nien, der Türkei und anderen Teilen Europas sind dabei. Um halb fünf setzt sich der Zug in Bewegung. Das Ziel: Die Hofburg.

chen, stehen bleiben und per Funk Strate­ gien besprechen. Spielregeln: Einkesselung durch Polizei verhindern und Zielpunkt er­ reichen, sonst: Game over. Neun Uhr, Schwedenbrücke: Franz-JosefsKai besetzt: Ziel erreicht. Weiter hinten in der Autoschlange: „Die sollen doch studieren!“ – „Normalerweise solltest denen allen mitei­ nander in die Goschn haun!“ – „Des interes­ siert ka Schwein do!“, schreit ein anderer mit hochrotem Kopf in sein Handy – „I bin scho ganz haß oida „ – Polizeisirenen. Dann ein Motivationstief: Die italienische De­ legation aus Bologna – welch Ironie – also fast die gesamte orange Gruppe, beschließt nach Hause zu gehen. Die Blockade löst sich auf. Allein schlendere ich zur Uni – hier wird noch blockiert! Rund 200 Demonstrant_in­ nen mit grünen Fähnchen. Vor der Uni wird ein Clown von der Polizei festgenommen. Es geht zum Burgtheater. Es gilt die Zufahrt zur Burg zu blockieren. „Kette halten!“, wird hektisch gebrüllt, als gegen 23 Uhr an die 20 Polizeibusse einfahren. Die sichtlich aggres­ siven WEGA-Leute stellen ihre Reihen auf. Ein Polizist schreitet die „Schlachtreihe“ ab und gibt letzte Instruktionen. Die Beamten ziehen die Helmvisiere runter.

Foto: Daniel Weber

Wir sind entschlossen, die Kette zu halten. Plötzlich die Megaphon-Ansage eines De­ legierten: Das Blockadeziel sei erreicht, das Bologna-Parkett wurde verzögert.

Das Spiel ist aus. Keine zwei Minuten spä­ ter sind nur noch eine handvoll Demonst­ rant_innen übrig geblieben. „Baba! Servas!“, scherzen uns die sichtlich erleichterten Poli­ zisten hohnvoll-lächelnd nach. Darauf dreht sich ein Typ neben mir um, hebt beide Hän­ de zum Abschiedswinken und setzt mit brei­ tem Grinsen gelassen nach: „Gute Nacht und bis zum nächsten Mal!“ [mahu]

Eindrücke Das rosa Werbebunny vor Tally Weill findet die Demo „Eh ur geil! Die meisten, die da mitgehen haben ja Recht!“ Zwei Verkäuferinnen vor ihrem Tchibo-La­ den: „Es ist zwar laut, aber ihr habts sicher Recht. Angst um unser Geschäft haben wir nicht. Und die Musik gefällt uns auch!“ Da stürmen zwei junge Konsumentinnen aus dem Geschäft an uns vorbei: „Scheiße fin­ den wir das! Das müssen Sie sagen!“ - „Gut, dass Sie die nicht gefragt haben, was sie von der Demo halten.“, lächelt mir die Verkäufe­ rin ruhig ins erstaunte Gesicht. Im McDonald‘s antwortet der Verkäufer auf meine Bestellung: „Weißt, immer, wenn De­ mo is, muss ich arbeiten!“ - „Würdest du mitgehn?“ - „Ja natürlich!“ Und während der Hip-Hop Wagen draußen auf der Straße vorbeifährt ruft seine Kollegin, zwei Cheese­ burger in der einen Hand, die andere erho­ ben: „Lauter die Musik!“


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über.thema

„Gemeinsames Netzwerk, GemeinsAmer Kampf“

Der Bologna Burns Alternativgipfel den müssen. Genau darauf lag dann auch der Fokus beim Podium am Samstag Abend, bei dem der Aktionismus im Vordergrund stand. Nach zwei intensiven Tagen im Internati­ onalen Austauschforum war der Wunsch nach einem gemeinsamen Statement groß. So wurde von einigen Alternativgipfelteil­ nehmer_innen in vier wesentlichen Punkten formuliert, wie es mit der Bewegung Bolog­ na Burns nach dem Alternativgipfel in Wien weiter gehen soll.

Die theoretische Auseinandersetzung mit dem Bologna-Prozess fand vor allem in der Podiumsdiskussion am Freitag Abend Platz, etwas facettenreicher wurde in den Work­ shops diskutiert.

Die Kritik an dem Bologna-Prozess wurde verschriftlicht, gemeinsame europaweite For­ derungen formuliert und die Bewegung als eine transnationale, antirassistische und an­ tisexistische Bewegung definiert.

Die große internationale Beteiligung ermög­ lichte einen Austausch von Informationen und Erfahrungen und zeigte klar, dass sich die Probleme in den Ländern des europäi­ schen Hochschulraums sehr stark ähneln, und gemeinsame Lösungen erarbeitet wer­

Außerdem wurde auf die nächsten Treffen in Bochum und Madrid hingearbeitet und die Idee eines International Day of Action

Foto: Jakob Arnim-Ellissen

„Nach diesem Wochenende denke ich nicht zuerst an Ökonomisierung oder Verschulung der Hochschulen, wenn ich das Wort ‚Bolo­ gna‘ höre, jetzt denke ich an ein gemeinsa­ mes Netzwerk und den gemeinsamen Kampf gegen Bologna.“ So geht es wohl nicht nur den Organisator_innen des Alternativgipfels, sondern auch vielen der über 2000 Alterna­ tivgipfel- und Workshopteilnehmer_innen.

laut. Eine gemeinsame Webplattform soll in Zukunft dem (Informations-)Austausch und dem Planen von Aktionen dienen. Alles in Allem ein interessantes und wichti­ ges Wochenende das jedoch lediglich der Anfang war. [roro]

Budapest-Wien-Deklaration der Minister_innenkonferenz

Die Vereinheitlichung des Hochschulraums habe dazu geführt, dass das europäische Hochschulwesen und die Bologna-Strate­ gie, wie 1999 angestrebt („worldwide degree of attractiveness“), internationales Aufsehen und Interesse hervorgerufen hätten. Die Minister_innen entnehmen den Stellung­ nahmen der acht beratenden Mitglieder auch, dass „institutions of higher education, staff and students increasingly identify with the goals of the Bologna Process“.

Daneben finden aber auch die Studieren­ denproteste und Probleme der Umsetzung Erwähnung. Die Unterzeichner_innen be­ kennnen sich: „We will acknowledge and

Foto: Jakob Arnim-Ellissen

Der Europäische Hochschulraum sei nun wie angestrebt verwirklicht. Mit diesem Statement der nunmehrigen 47 Minister_innen (Kasach­ stan ist nun offiziell Mitglied des BolognaProzesses) beginnt die Budapest-Vienna Declaration. In den folgenden Abschnitten wird das Bekenntnis zu den grundlegenden Zielen des Bologna-Prozesses und jenen, die im Kommunikee von Löwen 2009 fest­ gelegt sind, erneuert.

denvertretung wurden im Kommunikee rela­ tiv stark berücksichtigt. So wird die zentrale Rolle der akademischen Gemeinschaft an­ erkannt, und deren verstärkte Einbindung bei der Umsetzung der Bologna-Ziele be­ tont. Außerdem heben die Minister_innen die Wichtigkeit des „student-centered lear­ ning“ hervor und bekennen sich zu einem verstärkten Engagement bei der Umsetzung der sozialen Dimension. Weiters wird festgehalten, dass Hochschul­ bildung und damit ihre Finanzierung auch in Zeiten schwieriger Wirtschaftslagen in öf­ fentlicher Verantwortung lägen.

will listen to the critical voices raised among staff and students“. Die im Vorfeld formulierte Forderungen der „European Students Union“ als Studieren­

Längerfristig solle es verstärkte Kooperati­ on und Informationsaustausch zwischen den Mitgliedsstaaten geben. Diesbezügliche Me­ thoden zu erarbeiten, wird der BFUG (Bolo­ gna Follow Up Group) anvertraut. [kh]


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über.kurioses

Der fliehende Beamer oder die psychologische Sicht der Dinge Der besagte Beamer ist anscheinend in der Nacht vom 10. auf den 11. März aus dem Hörsaal 2 im NIG entflohen. Wir vermuten stark, dass er aufgrund von Überlastung an einem BURN-OUT-Syndrom zu leiden hatte und deshalb das Weite gesucht hat. Die andere Hypothese, dass Protestierende den Beamer einfach mitgenommen haben könnten, ist zum einen wegen ihrer Banalität, zum anderen wegen unseres Verdrängungs­ zwanges, jemand könnte tatsächlich auf so eine depperte Idee gekommen sein, verworfen worden. Daher: Lieber Beamer, ohne dich ist die Vorlesung so fad, komm bitte wieder zurück in den Hörsaal – am Besten noch vor über.morgen, sonst werden wir bös‘. Die über.morgen verurteilt den Diebstahl des Beamers und möchte sich ausdrücklich von solchen sinnlosen wie eigennützigen Aktionen distanzieren. [arr]

“All evil is due to the intervention of the Devil, including paedophilia.” „Alles Böse ist verursacht durch den Teufel, einschließlich der Pädophilie.“ Noch schweigt der Papst zu den Vorwürfen. Jene Vorwürfe näm­ lich, welche katholische Priester des Kindesmissbrauchs bezich­ tigen. Der vatikanische Hauptexorzist Gabriele Amorth hingegen weiß ganz genau, wer schuld ist an allem. Der Teufel nämlich – das

Böse in Person. Dem ist es nämlich gelungen, in die Gänge des Vatikan vorzudringen, und der Kirche zu schaden. Das behauptet zumindest Pater Amorth in der britischen Times. [sud]

Pfefferspray

über.Foto: Verhaftung

11. März, etwa gegen 21.00 Uhr. Die Blockadegruppe 5 trifft eine weitere Ab­ sperrung durch sechs Polizist_innen in der Renngasse. Die Situation, die zunächst gleich wirkt, wie viele andere Begegnungen mit der Polizei in dieser Nacht, kippt allerdings sehr schnell: Eine Person des Demons­ trationszuges zerrt an dem Tretgitter vor den Polizist_innen. Die Demonstrieren­ den weichen zurück, als ein Polizist die Pfeffersprayflasche zückt und ohne jeg­ liche Ankündigung gezielt einsetzt.

Foto: Daniel Weber

Er trifft vier Aktivist_innen, die selbst nicht provoziert hatten. Ihre Augen schwollen stark an, sehen konnten sie für eine hal­ be Stunde nichts mehr. Die Polizei kann ihnen auch nicht hel­ fen. Ein Sanitäter, der bei einem Ein­ satz zur Stelle sein müsste, befand sich nicht Vorort. [phib]


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über.bildung

Internationale Vernetzung Nächster ALTERNATIVGipfel in Madrid Der Protest ist international. So reiste, unter anderen, eine Gruppe spanischer Student_innen an, um an den Demonstrationen, Workshops und Veranstaltungen rund um den Alternativgipfel teilzunehmen. Sie seien anlässlich der Minister_innenkon­ ferenz 2009 bereits in Löwen gewesen, so Segundo Gonzales, einer der Angereisten. Allerdings sei die Atmosphäre dort ganz an­ ders gewesen. “There was no organization, no big student movement”, erklärt er und fügt schmunzelnd hinzu: “Here it is nicer”.

Die Organisator_innen, laut Segundo um die 200 Student_innen, hofften ähnlich viele Leu­ te mobilisieren zu können wie ihm Jahr da­ vor, als es aufgrund eines von der Regierung verabschiedeten Reformplans (“Plan Bolo­ nia”) zu umfangreichen Demonstrationen und Besetzungen gekommen war. Damals sei es gelungen, um die 10 000 Menschen zu mobi­ lisieren. “It was a very, very big movement”, wie er betont. Zu Beginn dieses Jahres sei die Gruppe der Protestierenden aber merk­ lich geschrumpft. Dennoch ist Segundo op­ timistisch: “If we work hard we can achieve again the movement of the last year.”

Sie sind hier, um durch ihr Engagement ih­ ren Unmut über den Bologna-Prozess aus­ zudrücken. Daneben sei er, Segundo, aber auch gekommen, weil er erfahren habe, dass es hier eine starke Protestbewegung gibt. Außerdem wollen sie aber auch Kontakte knüpfen, bereits bestehende Netzwerke stär­ ken und Leute aus anderen Ländern für ihre Sache mobilisieren. Denn in der Hauptstadt Spaniens (“We have a movement which is very similar to this one”) ist für April ein Ge­ gengipfel parallel zu jenem der europäischen Bildungsminister_innen geplant.

[kh]

Foto: axt

Informationen zum Gegengipfel (8.-14. Ap­ ril) gibt es unter www.bolognaburnsmadrid. blogspot.com oder auf Anfrage per Mail: bolognaburnsmadrid@gmail.com.

Neues Institutsgebäude temporär besetzt Zeitgleich mit der Hörer_innenvollversammlung der Politikwissenschaft wurden am Mittwoch den 11. März gegen 20.00 Uhr im NIG (neues Institutsgebäude) der Hörsaal I im Erdgeschoß und Seminarräume des Instituts Politikwissenschaft besetzt. Zeitgleich mit der Hörer_innenvollversamm­ lung der Politikwissenschaft wurden am Mitt­ woch den 11. März gegen 20.00 Uhr im NIG (neues Institutsgebäude) der Hörsaal I im Erdgeschoß und Seminarräume des Insti­ tuts Politikwissenschaft besetzt. Innerhalb kürzester Zeit wurde über Fa­ cebook und Twitter mobilisiert sowie ein Live-Stream aus dem besetzten Hörsaal or­ ganisiert. Während im Hörsaal I ein großes Plenum der Besetzer_innen stattfand, wur­ den die kleineren Seminarräume mit Musik und Videos bespielt.

Foto: Martin Juen

Gegen 8.00 Uhr morgens verließen die Ak­ tivist_innen das Gebäude freiwillig, um sich auf dem Campus auf die Demonstration, die Blockaden und den Alternativgipfel vorzu­ bereiten. Einige Besetzer_innen verschliefen

allerdings den Abzug. Sie wurden von Secu­ rities geweckt und zum Gehen aufgefordert. In der Nacht der Besetzung kam es zu klei­ neren Sachschäden. Außerdem wurde ein Beamer aus dem Institut Politikwissenschaft gestohlen. Durch den frühen Auszug konn­ ten alle Lehrveranstaltungen stattfinden. Auf den Vereinbarungen mit der Universi­ tät Wien über den Alternativgipfel hatte die Aktion keinen Einfluss. Alle Räumlichkei­ ten am Campus konnten wie geplant ge­ nutzt werden. Wegen des großen Andrangs aus dem Ausland wurden sogar zusätzliche Räume von der Universität angefordert und auch genehmigt.

[jaae]


über.bildung

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Bologna burn out: Wenn das Feuer in den Studierenden Krank macht Ein neues Sommersemester ist angebrochen und bringt auch gleich erste wärmende Sonnenstrahlen mit sich. Wie gut, dass die Prüfungszeit vorbei ist, die neuen Lehrveranstaltungen noch nicht voll im Gange sind. So könnten Herr und Frau Student_in zum Ausklang des Winterschlafes in aller Ruhe diese Frühlingsvorboten und das Studentenleben genießen. KOMMENTAR Könnte man zumindest meinen. Die ewigen Klischees von den „faulen Student_innen“, die nur so vor sich hin in den Tag hinein­ leben, entsprechen längst nicht mehr der Realität und haben ihr womöglich auch nie entsprochen. Nicht nur, dass sich die Student_innen von heute gegenüber ihrem Umfeld und auch der österreichischen Politik gegen dieses Klischee zu Wehr setzen müssen, sondern sie haben noch mit ganz anderen Dingen zu kämpfen. Neben Anmelde- und Einreichfristen, Prü­ fungs- und Abgabeterminen, ist auch noch monatlich die Miete fällig. Neben Seminarar­ beiten schreibt man auch Bewerbungen für

großteils unbezahlte Praktika. Diese machen sich zwar gut im Lebenslauf, bringen Erfah­ rung, jedoch keinen vollen Kühlschrank. Ein Studium ist zum Luxusgut avanciert, das sich nicht einmal genießen lässt. Verschulte Sys­ teme, lächerlich kurze Einreichfristen, intole­ rante Professoren und Arbeitgeber können einem den Spaß am Studieren und das Inte­ resse am Fach gründlich zunichte machen. Zeitmangel erlaubt es nicht, sich mit The­ mengebieten genauer auseinanderzusetz­ ten; Geldmangel erlaubt es nicht, sich die Zeit dafür zu nehmen. Und Freizeit kennen manche Student_innen gar nicht mehr. Die wird nämlich genutzt um sich das Studium zu finanzieren, Arbeiten zu schreiben und zu lernen. Uni-Alltag ist für viele nur mehr Stress

Burnout: Das Krankheitsbild 1 Der Zwang, sich zu beweisen

7 Verstärkte Verdrängung von Problemen

2 Verstärkter Arbeitseinsatz; 150 % geben

8 Sozialer Rückzug

3

Vernachlässigung der eigenen Bedürf­ nisse

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Verdrängung von Konflikten und Bedürf­ nissen

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Umdeutung von Werten: Nach welchen Prinzipien lebst und arbeitest du?

Es wird mehr Energie in Arbeit gesteckt, als an Anerkennung etc. wieder heraus­ 6 kommt. Dadurch erlebt man Arbeit als ermüdend, frustrierend

Emotionale Verhärtung. Du arbeitest nur 9 mehr das Notwendigste und beginnst deine Arbeit zu hassen 10

Verlust des Gefühls für die eigene Per­ sönlichkeit

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Vertrauen in die eigene Leistungsfähig­ keit sinkt

12 Widerwillen gegen alles. 13

Völlige Erschöpfung – Krankheit (Blut­ hochdruck, Herz)

Lass dir Zeit! Wege aus der Depression • Nimm deine depressive Blockade ernst. • Gönn’ dir Entlastung. Schalt‘ mal einen Gang zurück. • Analysiere differenzierter: Was kann ich machen und was nicht? • Step by Step. Erledige eins nach dem anderen. • Ein regelmäßiger Lebensrhytmus schafft freie Räume. Aufstehen, Frühstücken, Mittagessen, Abendessen, Schlafen. • Verbring Zeit mit deinen Freund_innen in vertrautem Umfeld. • HUMOR :) • Lass‘ Tränen zu, wenn du noch weinen kannst. Erhaltene Gefühle sind Lebenszeichen im depressiven Vakuum. • Zwing dich nicht zu Neuem. Altbewährtes funktioniert auch.

• Unterbrich aufkommende Zweifel durch verbliebene Interessen: Fernsehen, Lesen, Kochen, Sport, Musik,... • Profitiere von den Erfahrungen anderer Leute. Rede drüber! • Nutze (Tagebuch-) Notizen als Hilfe zur Selbstbesinnung. • Tu‘ jeden Tag etwas (irgendetwas) für deinen Körper. Dann spürst du dich wieder. • Iss und trink! Gönn‘ dir mal dein Lieblingsessen und den teureren Pagosaft. • Was teilt mir diese körperliche Botschaft mit? • Was muss sich in meinem Leben ändern, damit ich wieder Spaß an der Arbeit habe?

[nach Daniel Hell: Welchen Sinn macht Depression?, rororo 2006]

pur. Sie hetzen zwischen Arbeit, Lehrver­ anstaltungen und Bibliotheken hin und her um allem und jedem gerecht zu werden. Sie selbst bleiben dabei oftmals auf der Strecke. Kein Wunder, dass heute mehr Studierende als je zuvor unter Versagensängsten leiden und nahe am Burn-Out sind. Hinzu kommt noch die Sorge um die Zukunft. Eine Absa­ ge nach der anderen ist selbst für die hoff­ nungsvollsten Optimist_innen nicht leicht zu verkraften und führt schnell zu Selbstzwei­ fel und zum Zweifel an der Studienwahl. Auf der BeSt wird einem sowieso geraten, wenn nicht im Hauptfach, dann doch zumindest nebenbei noch Wirtschaft zu studieren. Ein Unterfangen, dass die Probleme wohl auch nicht lösen wird. [hell]

Das Stress-Monster KOMMENTAR Wer viel zu erledigen hat, muss nicht gleich­ zeitig unter Stress leiden. Zeit haben wir al­ le. Nur müssen wir entscheiden, wofür wir uns die Zeit nehmen. Stress per se ist nichts Schlechtes. Es gibt den „guten“ Stress, das Adrenalin, das uns zu Höchstleistungen an­ spornt. Daneben jedoch lauert ganz leise und gemein der Stress, der uns lähmt und fertig macht. Wer im Uni-Alltag nicht immer wieder zu sich selbst zurückkehrt, erliegt leicht dem schweren, fettigen Stress-Monster. Stress ist Ungleichgewicht zwischen den Anforderungen und der persönlichen Leis­ tungsfähigkeit, heißt es in der Burn-OutProphylaxe. Studierende haben ein großes Problem: Stu­ dieren wird weitflächig nicht als Arbeit akzep­ tiert. „Geht’s was hackeln!“ ist ein häufiger Vorwurf an Mitglieder der unibrennt-Bewe­ gung. Diese Einstellung führt direkt in den Stress. Wer kennt nicht das Gefühl, ständig zu wenig und nichts richtig zu machen? Das Rad dreht sich immer schneller. Studium, Praktikum, Job. Dann soll da noch irgend­ wo Zeit für Freunde und Entspannung sein? Ja, weil es muss. Wenn ich mir meine Frei­ räume nicht nehme, habe ich keine. Stress kommt von selbst, man muss ihn nicht noch künstlich verstärken. Da lieber mal denken: [cgal] Fuck it all. Ich fahr‘ jetzt weg.


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über.politik

Öffentlichkeit à la BMWF

POLIZEIkontrollen BEIM „Public Space“

Um 13.30 Uhr, fünf Stunden vor dem offiziellen Ende, verließen die Aktivist_innen der Protestbewegung den „public space“ der Bologna-Jubiläumskonferenz in der Wiener Hofburg. Zuvor hatten sie entdeckt, dass Polizei und Securities Menschen ohne offizieller Akkreditierung den Zutritt verweigert hatten.

nem Treppenaufgang mit einer geschlos­ senen Tür. Dahinter wurde man erst einmal von zwei Polizisten begrüßt. Der Andrang der „interessierten Öffentlich­ keit“ war dementsprechend enden wollend. Wissenschaftsministerin Beatrix Karl disku­ tierte bei ihrem Auftritt fast ausnahmslos mit den geladenen Expert_innen und Vertreter_ innen der ÖVP-nahen Aktionsgemeinschaft.

„Erst das Polizeiaufgebot und dann die Aus­ weiskontrollen. Die Veranstaltung war eine reine Farce,“ kritisiert Philipp von der zustän­ digen Arbeitsgruppe der Protestbewegung. Foto: Sabine Wareyka

„Der Bologna-Prozess ist sehr erfolgreich, auch wenn es Probleme bei der Umsetzung gibt“, sagte Karl in ihrem Eingangsstatement. Auf die Frage nach den nächsten zehn Jah­ ren des Europäischen Hochschulsektors hoff­ te sie, dass er dann „sehr erfolgreich“ sei.

Christina Kasess vom Ministerium für Wis­ senschaft und Forschung führt die Kontrollen auf ein „Missverständnis“ bei der Wachab­ löse zurück. Sie ist zufrieden mit der Veran­ staltung und freut sich über die „angeregte Diskussion“ beim Besuch der Ministerin.

„public space“, sagt hingegen Philipp.

Sowohl die wenigen Besucher_innen als auch Delegierte der Minister_innenkonferenz äu­ ßerten sich ihm gegenüber enttäuscht vom

Von Öffentlichkeit war im Schatzkammersaal der Hofburg tatsächlich nicht viel zu sehen. Ein spärlich beschildeter Weg führte zu ei­

„Die Veranstaltung ist in die Hose gegan­ gen“, sagt Juliane Soyka von der ÖH. Die Lage sei völlig ungeeignet und das Ganze „Augenwischerei“ und eine „Alibiaktion zur Beschwichtigung“ der Bildungsproteste. [jaae]

„Vermischte“ Eindrücke und Anliegen aus Arbeitnehmer_innensicht Das Positive zuerst: Aus Sicht der Arbeiterkammer (AK) war es höchst an der Zeit, dass die brennenden Probleme im Hoch­ schulbereich endlich unter Ein­ bindung aller Betroffenen sowie Interessengruppen diskutiert wer­ den, und gemeinsam nach Lö­ sungen gesucht wird. Diese Strategieänderung des Wissenschaftsministeriums ist eine positive Folge der Stu­ dierendenproteste. In den letz­ ten Jahren war es eher üblich, mit den hochschulischen „Sta­ keholdern“ jeweils getrennt zu kommunizieren. Bei den auße­ runiversitären Interessenvertre­ tungen wurde erfahrungsgemäß meist nur an die Arbeitgeber_in­ nenseite gedacht.

S t i m m e n

Für die AK ist der Hochschuldi­ alog nun eine gute Gelegenheit, zentrale Arbeitnehmer_innen-An­ liegen wie die Verbesserung der Studienbedingungen von berufs­ tätigen Studierenden, eine stär­ kere soziale Durchlässigkeit im Hochschulsystem (z.B. mehr Stu­ dienchancen für Personen ohne traditionelle Matura, Verbesserung des Stipendiensystems) oder die Beachtung von Berufsperspek­ tiven bei der Studienplangestal­ tung zu thematisieren. Allerdings ist diese Aufgabe nicht leicht zu bewerkstelligen: Zum ei­ nen prallen verschiedene „Wel­ ten“ aufeinander – dies betrifft nicht nur z.B. die unterschiedli­ che Problemsicht von Studieren­ den und Rektor_innen (es sind hier die Privatuniversitäten und Fachhochschulen „mitgemeint“,

d e s

bei denen es bereits Rektorinnen gibt!), sondern auch jene von Uni­ versitäten, Fachhochschulen oder Pädagogischen Hochschulen. Zum anderen wird zwar vielfach eine „faktenbasierte“ Debatte ge­ fordert, diese tatsächlich zu füh­ ren, ist aber schwierig, weil es zu wichtigen Fragen noch gar keine Erhebungen oder Zahlen gibt (z.B. Finanzströme Lehre/Forschung) und das Ministerium bei der Be­ reitstellung von Unterlagen (z.B. Studien, aktuelle Studierenden­ zahlen) sehr zögerlich agiert. Aufgrund der bisherigen „Dialog“Erfahrungen ist es fraglich, ob der Zeitplan, wonach bis Juni bereits Endberichte vorliegen sollen, tatsächlich eingehalten werden kann. Aus AK-Sicht ist der Dialog aber letztendlich nur

H o c hs c h u l d i a l o g s :

Foto: AK

GASTKOMMENTAR

dann als gelungen zu bezeichnen, wenn sich die Politik ernsthaft mit den Ergebnissen auseinan­ dersetzt, und insbesondere not­ wendige Verbesserungen für die Studierenden (z.B. Maßnahmen zur leichteren Vereinbarkeit von Studium und Beruf) - unter Be­ reitstellung der entsprechenden Ressourcen – bald umsetzt! Martha Eckl nimmt als Bildungsexpertin der Arbeiterkammer am Hochschuldialog teil.

M a r t h a

EC K L


über.politik

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Kontroverse im Depot

„Bologna Reloaded“

Wien – Am 4. März fand im Semper-Depot die „Akademische Fragestunde“ statt, in welcher sich die Wissenschaftsministerin Beatrix Karl den unzufriedenen Studierenden stellte.

KOMMENTAR

HITZIGE DISKUSSION ZWISCHEN Heisse Luft aus Studierenden und MINISTERIN KARL dem Ministerium

und dem Ministerium direkt bei der Verant­ wortlichen.

Foto: Martin Juen

Eigentlich sollte das Semper-Depot ein Ort der Zusammenkunft werden. Doch es kam anders. Durch ihr Festhalten an Zugangsbe­ schränkungen für die Hochschulen sorgte die Ministerin schon im Vorhinein für Unmut bei den Studierenden, welche sie mit Buhrufen und Pfiffen empfingen. Die Hoffnungen Karls zu einem „konstruk­ tiven Dialog“ ließen die Anwesenden rela­ tiv kalt. Sie machten ihrem Unmut Luft und deponierten ihre Kritik am Bolognaprozess

Die Forderungen der Ministerin nach Zu­ gangsregelungen und „klaren Empfehlungen für die Studienpläne“ stießen auf harsche Kritik. Nachdem Karl einigen Fragen aus­ gewichen war, wurde sie von etlichen der anwesenden Studierenden zum Rücktritt aufgefordert. Aber auch an konkreten Fragen vonseiten der Zuhörer_innen mangelte es. Bei deren Wort­ meldungen handelte es sich meist um An­ schuldigungen oder Meinungsbekundungen. Nach 90 Minuten fand das inhaltslose Spek­ takel ein Ende. Von Seiten der Studierenden wurden weitere Aktionen für eine bessere Hochschulbildung mit fairem Zugang an­ gekündigt.

[sud]

ÖVP IM HOchschuldialog „SchönfÄrberei“ statt Ausfinanzierung Die Wissenschaftssprecherin der ÖVP, Katharina CortolezisSchlager, hat im Arbeitsforum Finanzierung des Hochschuldialogs vorgeschlagen, vorhandene Ausgaben für Weiterbildung (Life-Long Learning) in das Budget für den tertiären Sektor mit einzurechnen. Dadurch sollen die angestrebten 2% des BIP erreicht werden. Die Aktivist_innen der AG Mittwoch der unib­ rennt-Bewegung lehnen das als „statistische Schönfärberei“ ab. Grundsätzlich herrsche aber unter den Teilnehmer_innen des Ar­ beitsforums der Konsens, dass der tertiäre Sektor zusätzliche Mittel „in beträchtlichem Ausmaß“ benötige. Daher sehen sie im Arbeitsforum Finanzie­ rung die Möglichkeit, die Forderungen nach zusätzlichen Mitteln „mit einem konkreten Umsetzungsplan zu verbinden“. In der letzten Sitzung haben sich die Teil­ nehmer_innen des Arbeitsforums auf eine Empfehlung geeinigt, bis 2020 die Ausga­ ben für den tertiären Sektor auf 2% des BIP zu erhöhen.

Nun sollen die Herkunft der Mittel und wei­ tere Themen wie Studienplatzfinanzierung besprochen werden. Die Aktivist_innen der AG Mittwoch kritisieren außerdem, dass, trotz Einladung, kein_e Ver­ treter_in des Finanzministeriums am Arbeits­ forum Finanzierung teilnimmt, und fordern Wissenschaftsministerin Beatrix Karl erneut auf, den Hochschuldialog ernst zu nehmen. “Eine notwendige Voraussetzung für einen etwaigen Erfolg ist, dass der Hochschuldia­ log auch tatsächlich ernst genommen wird, was im Moment – angesichts der Aussagen der Wissenschaftsministerin - nicht der Fall zu sein scheint.” [jaae]

Recht viel mehr als heiße Luft enthält das „10-Punkte-Programm“ bei genauerem Hinsehen nicht. Wie üblich ist von „Ar­ beitsgruppen“ und „Task-Forces“ die Re­ de, deren Ergebnisse am Ende wohl wieder ignoriert werden. Durch „vertiefende Pro­ blemanalyse“ und die „Erarbeitung von Richtlinien“ wird eine konkrete Stellung­ nahme vermieden und wichtige politische Fragen erneut an zahnlose Institutionen ausgelagert. Interessant ist, dass die heilige Kuh der universitären Autonomie hier offensicht­ lich nicht die gewünschten Erfolge ge­ bracht hat, wenn dann erst recht wieder Richtlinien und Vorgaben erarbeitet werden müssen, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Durch solche Richtlinien wird aber nicht das zugrunde liegende Problem, sondern lediglich das Symptom bekämpft. Die schlechte Implementierung des Bo­ logna-Systems ist nämlich hauptsächlich eine Folge der katastrophalen Unterfinan­ zierung der Universitäten. So wurde die Reform als Möglichkeit gesehen, Spar­ maßnahmen umzusetzen, wie es sich bei­ spielsweise in Studieneingangsphasen und Erweiterungscurricula ausdrückt Diese Auffassung ist „oben“ leider noch immer nicht angekommen. Dass im neu­ en Sparpaket der Regierung (das immer mit dem wunderschönen Euphemismus der „ausgabenseitigen Budgetsanierung“ umschrieben wird) das Budget des Wis­ senschaftsministeriums um weitere 1,3 Prozent gekürzt wird, drückt das vollkom­ mene Unverständnis der Regierung für die Notwendigkeit einer ausreichenden Hoch­ schulfinanzierung aus. Aus Mangel an konkreten Lösungsvor­ schlägen für die zahlreichen Probleme an den Universitäten hat Wissenschaftsmi­ nisterin Beatrix Karl am Freitag dem 12. März in einer Aussendung die schwam­ migen rhetorischen Ablenkungsmanöver der letzten Wochen zusammengefasst und verkauft sie unter dem Namen „Bologna reloaded“ als vermeintlich neuen Anlauf. Wir brauchen kein „Bologna reloaded“ son­ dern eine Bologna-Revolution! [nim]


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über.denken

Studie zur DEMOnstration: Breite Befürwortung, aber geringes Engagement Obwohl durch umfangreiche Mobilisierungsmaßnahmen gezielt für Demonstrationen geworben wurde, ging letzten Donnerstag, gemessen an der Gesamtzahl der Studierenden, nur ein relativ geringer Teil auf die Straße. Das schlechte Wetter allein kann hierfür keine Erklärung bieten.

Foto: Martin Juen

Im Rahmen einer Studie des Instituts für So­ ziologie (Wien) wurden anlässlich der gegen­ wärtigen Protestbewegung 767 Student_innen an Wiener Universitäten per Online-Fragebo­ gen befragt. Dabei zeigte sich, dass Befür­ wortung alleine nicht ausreicht, um aktiv an Aktionen teilzunehmen. Ein von einer Min­ derheit erbrachtes aktives Arbeiten für die Bewegung vor Ort muss abgegrenzt wer­ den von einem häufigeren passiven Engage­ ment in Form von darüber reden, oder sich darüber informieren. Es gibt auch Befürwor­ ter_innen, die keine Aktionen setzen. Die Be­

wegung lebt von Träger_innen, die aktiv sein müssen. Sich vor Ort zu engagieren heißt unleugbar räumlich festgemacht werden zu können und Verantwortung zu übernehmen.

nen und den Protesten an sich. So scheint Wissenschaftsministerin Beatrix Karl die kon­ servativen Wähler_innen auf ihrer Seite zu haben, bzw. in ihrem Interesse zu handeln.

Die Befürworter_innen der Proteste sind demnach keine homogene Gruppe. Ein Blick auf die Parteipräferenzen der Be­ fragten zeigt, dass SPÖ-Wähler_innen ei­ ne überwiegend positive Einstellung zur Bewegung haben. Großteils sympathisie­ ren sie mit den Forderungen, nicht aber mit den Besetzer_innen. Sie befürworten zwar die Ziele der Bewegung, nicht aber die Art und Weise, wie diese umgesetzt werden.

Grün- und KPÖ-Wähler_innen sind vor Ort am meisten aktiv. Es gibt unter den Studie­ renden zwar viele Befürworter_innen der Pro­ teste, aber nur eine verhältnismäßig geringe Zahl drückt ihren Unmut öffentlich aus. Die Befürwortung einer Veränderung und der sie vorantreibenden Bewegung allein reicht nicht aus, um eine große Masse zu mobilisieren.

Personen mit der Parteipräferenz ÖVP, BZÖ oder FPÖ haben die geringste Beteiligungs­ rate vor Ort und lehnen die Bewegung als Ganzes in höchstem Maße ab. Ebenso zeigen konservative Wähler_innen die größte Ableh­ nung gegenüber Forderungen, Besetzer_in­

Eine Störung der sozialen Ordnung mitzu­ produzieren hält Studierende davon ab, auf die Straße zu gehen. Diese Rechnung geht selbst zugunsten einer Verbesserung (teils unzumutbarer) Studienbedingungen nicht auf. [jb, sf, sk, cs]

KOMMENTAR Die Wirtschaft muss ein gleich­ wertiger Partner im Hochschul­ sektor sein, forderte der Leiter der Abteilung Bildungspolitik der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), Michael Landertsham­ mer, in seinem Gastkommen­ tar in der letzten Ausgabe der über.morgen. In der Broschüre „Die Hoch­ schulentwicklung dynamisch gestalten“ zeigte die WKÖ im Juni vergangenen Jahres, wie ihr konkreter Beitrag aussieht. Das System der Studienplatz­ finanzierung mit Kontingenten, also Zugangsbeschränkungen, des Fachhochschulsektors soll auch auf die Universitäten über­ tragen werden. Warum? Weil es sich wegen seiner „impliziten Pla­ nungssicherheit“ bewährt hat.

„Planungssicherheit“ ist etwas, das sich viele wünschen. Minis­ ter_innen und Universitätsleitun­ gen. Und vor allem die Wirtschaft, die die Universitäten zu Drive-Ins umbauen will. Wo man vorfährt, X Absolventen mit dem Quali­ fikationsprofil XY bestellt und dann, drei bis fünf Jahre später, am Ausgang abholt. „Planungssicherheit“ ist aber auch etwas, das in der Praxis nicht funktioniert. Bat die ehema­ lige Bildungsministerin Elisabeth Gehrer noch alle Maturant_innen, auf keinen Fall Lehramt zu stu­ dieren, so steuern wir jetzt auf einen massiven Lehrer_innen­ mangel zu. Und „Planungssicherheit“ kann schließlich, besonders in Ver­ bindung mit Einflussnahme der Wirtschaft, eine wesentliche Auf­

gabe der Universitäten blockie­ ren. Universitäten sind Orte an denen neue, unerwartete We­ ge gegangen werden sollten. Scheinbar verbindungslose Fä­ cherkombinationen können un­ erwartete Ergebnisse liefern. Das wird nicht mehr möglich sein, wenn nur mehr jene Absolvent_ innen produziert werden, die die Wirtschaft in fünf Jahren zu brau­ chen glaubt. Ist Einfluss der Wirtschaft auf Universitäten grundsätzlich ab­ zulehnen? Ich denke nicht. Die­ ser Einfluss wird auch immer da sein. Denn natürlich denken jun­ ge Menschen bei ihrer Studien­ wahl daran, wie ihre Zukunft nach dem gewählten Studium ausse­ hen wird. Und dabei werden sie auf die Wirtschaft schauen. Deshalb sollten nicht Kontingen­

Foto: WKÖ

Der einfluss der Wirtschaft

te von oben, von Politik und Wirt­ schaft, vorgegeben werden. Es reicht, wenn wir jungen Menschen alle nötigen Informationen haben, damit wir eigenständig unseren Weg wählen können. Denn, und das müsst ihr uns einfach glau­ ben, auch wir wollen nach un­ serem Abschluss nicht auf der Straße stehen [jaae] Der Gastkommentar von Michael Landertshammer wurde in Ausgabe 4/2010 veröffentlicht. Nachzulesen unter www.unsereuni.at/ uebermorgen.

S t immen d es H o chschul d i a lo gS KO M M E N T I E R T: Mich a el L a nd ert sh a mmer


über.kitsch&kultur

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Rund um den gipfel Von der Vokü und sportlichen Securities Spaghetti-Abseien burns Nostalgie der Audimax-Garderobe macht sich breit. Das Motto, welches schon in Der Sendung mit der Maus – Basisdemokratie (unibrennt.tv/questions/669) zitiert wurde, wird wieder aktuell: „Jede Revolution be­ ginnt mit einem Auflauf“ (Plakat der Audi­ max-Vokü).

Bekannte Gesichter, gute Stimmung, viel Ge­ schnippsel, dampfendes Wasser, ein süßli­ cher Duft nach veganem Sugo: die absolute Lieblings-AG der Protestbewegung ist wie­ der reaktiviert. Positive Energie fließt bei musikalischer Untermalung – und alle zu­ sätzlichen Herausforderungen des Aufbaus sind vergessen. Es ist Freitagabend und der Bologna burns!Auftakt ist geschafft. Viele hungrige Gipfel­ teilnehmer_innen sind kulinarisch versorgt und zufrieden. Essen ist fast fertig, nur noch Nudel abseihen. Vorsichtig schleppen zwei Leute den heißen Nudeltopf zum Kanal – wo sonst könnte ein solch großes Gefäß entleert werden?! Zu dritt gelingt es mit vereinten Kräften. Dampf und heiße Töpfe verbren­ nen gelegentlich Hände und Gesicht. Aber: Vollbracht! Da erklingt Musik im Vokü-Zelt und ein Freundentanz ist angebracht > Gu­ ten Appetit.

Zündendes Missverständnis

Foto: AXT

Nach der Essensausgabe gesellen sich eini­ ge Kulinar-Kreativ-Köch_innen vor den Hör­ saal A um in Ruhe eine Zigarette zu rauchen. In der Zwischenzeit hält Klaus Werner Lobo – Autor, Globalisierungskritiker und Clown (Eigenbezeichnung) – schlussendlich seinen doppelt räumlich verschobenen Vortrag. Das konstruktive Chaos hat doch noch funktio­ niert – inklusive der Performance. Am thea­

tralischen Part der Show – die Feuereinlage – kommt es zu einem kommunikativen Miss­ verständnis. Dramatische Musikuntermalung: Eine Flamme … und dann beginnt der Vor­ tragende vermeintliches Benzin im Raum zu verschütten. Alarmstufe ROT! In der nasskalten Nacht stehen die Leute draußen noch beisammen und plaudern. Plötzlich kommen vier Securities über die Wiese gerannt. Hek­ tisch stürmen sie zu den Kolleg_innen, die Verstärkung angefordert hatten. Eine kurze Besprechung der Sachlage – jemand steht auch schon mit dem Feuerlöscher bereit – und da ist die ganze Aufregung schon von allein geklärt. Die Show ist aus, das Benzin nur Wasser und Klaus Werner Lobo hat auch diesmal mit der Feuereinlage Menschen be­ wegt. Verlegenes Gelächter macht sich breit und amüsiert zunehmend. In all der Raum-Chaotik der Mehrfach-Kul­ turbelegung (C2) haben es die Studierenden verabsäumt bezüglich des burn-Effekts Be­ scheid zu geben. Irren ist menschlich und manche Fehler sind sogar erheiternd. Außer Atem und sichtlich nicht begeistert nehmen es die sportlichen Securities auf. Aufmunternde Worte wie: „Ja, aber g‘schwind warts!“ hel­ fen auch nichts. Tja, und wieder einmal hat sich bestätigt, dass Kommunikation das Um & Auf sein kann... eine Erfahrung innerhalb des Prozesses der Unibrennt-Bewegung in der Herausforderungen stetige Wegbeglei­ [nk] tung bleiben.

AUCH DIE Diagonale Brennt Ein Abend, EIN KINO, vier Filme Ein Abend der Diagonale in Graz wird ganz im Zeichen der Bildungsproteste in Öster­ reich stehen. Am Freitag den 19. März wer­ den ab 22.30 Uhr vier sehr unterschiedliche Filme im KIZ Royal gezeigt. Wie fühlt sich eigentlich Widerstand an? Am 20.Oktober 2009 wird eine Universität in Wien besetzt. Die Macher_innen von „re*claim your future“ nehmen als Filmemacher_innen hinter der Kamera, sowie als Protestierende vor der Kamera teil. Es ist ein Versuch, frag­ mentarische Einblicke in die Strukturen und Ideale der Proteste zu gewähren. „Audimax R.I.P. - Resistance In Progress“ der Arbeitsgruppe Doku des besetzten Au­

dimax zeigt eine Auswahl aus 400 Stunden Filmmaterial. Es ist „work in progress“ zu dem 90 minütigen Dokumentarfilm, der mit Hilfe der Filmemacher_innen der coop99 entsteht. Sie wollen einer breiten Masse die Bildungsproteste verständlich machen. Am Ende des Films soll man das Gefühl haben, überall ein bisschen dabei gewesen zu sein. „Das Burgtheater brennt“ war dabei, als ei­ ne der berühmtesten Bühnen der Welt Schau­ platz der studentischen Anliegen wurde. Die Nervosität davor, der Applaus und die Buh­ rufe. Ist man mitten drin, fliegt all das vor­ bei, als wäre man im Delirium. Zum Abschluss macht Martina Novak in ih­

rer Performance „Kunst ist schön“ eines ganz klar: „Kunst ist schön, aber viel Arbeit!“ Alle vier Filme laufen außer Konkurrenz und sind gratis anzusehen - monetäre Zugangs­ beschränkungen werden hier einfach abge­ schafft. Im Anschluss wird es die Möglichkeit geben, über die Bildungsproteste und ihre filmische Aufbereitung zu diskutieren - mit­ einander und mit den Filmemacher_innen. Von Wien sollen zwei Busse nach Graz organisiert werden. Bei Interesse unter diagonale.unibrennt@gmail.com melden. Also: Auf ins Kino! [red]


über.kitsch&kultur

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„Leider bleib‘ ich ein eingefleischter Wiener“

GUstav Mahler zurück in Wien frühlingshaftes

Abonnement

Gustav Mahler, geboren am 7. Ju­ li 1860, war nicht nur Komponist, sondern der berühmteste Dirigent seiner Zeit und von 1897 bis 1907 an der Wiener Hofoper. Zu seinem 150. Geburtstag kehrt er nun wieder zurück nach Wien. Der frisch reno­ vierte erste Stock des Theatermu­ seums widmet sich in der am 11. März eröffneten Ausstellung diesem Genie des Fin de Siècle.

zwischen ernst und satire?

Die klassischen Museums-Exponate wie Bühnenbildentwürfe, Original­ kostüme oder Notenblätter geben einen Einblick in sein Leben und die Gesellschaft seiner Zeit. Das Spannendste an einem Komponisten sind natürlich seine Werke, aber wie die Musik ausstellen? Hier bieten besonders die drei Vi­ deopanoramen von Künstlerin Claudia Rohrmoser ein Fest für Ohr und auch Aug‘. Inspiriert von der Musik Mahlers schickt sie den Besucher auf eine musikalisch-visuelle Reise, z. B. in „Das klagen­ de Lied“, das „Adagietto der Fünften“ oder die „9. Symphonie“. Grabungen in

Gesellschaft, Kultur und Politik

der bagger

Mach dir selbst ein Bild und lass dich bezaubern von der meister­ haften Musik Gustav Mahlers, bis zum 3. Oktober ist noch Zeit. [mak]

www.derbagger.org

Bombtracks im Audimax MXF erzählt heute vom Auftritt seiner Band Sympathy for Strawberry im Audimax, Bombendrohung inklusive. Die ersten Tage der Proteste ... am Mittwoch­ abend läutet mein Telefon. Das Telefon läutet oft in diesen Tagen, manche Anrufer_innen wollen wissen, wann ich ins Audimax kom­ me, manche wollen sichergehen, dass ich nicht dort bin. Auch im Freundeskreis sind die Meinungen zum Protest gespalten. Zu­ rück zum läutenden Telefon ... diesmal ist Ey­ up dran. Er gehört zu ersterer Gruppe und schlägt vor, dass seine (Satory) und mei­ ne Band (Sympathy for Strawberry) doch gemeinsam einen Gig im Audimax spielen könnten. Zehn Minuten und zwei Telefona­ te später rufe ich zurück. Wir sind dabei. Als wir am nächsten Abend um ca. 21.00 Uhr bei der Uni ankommen, ist noch das Plenum im Gange. Wir nutzen die Zeit, um uns erst mal bei der Volxküche zu stärken. Meine Bandkolleg_innen, die mittlerweile al­ lesamt berufstätig sind und daher die Beset­ zung vor Ort noch nicht erlebt haben, sind beeindruckt von der Organisation und dem Ausmaß dessen, was hier stattfindet. Als sich das Plenum dem Ende neigt, beginnen wir

die Backline aufzubauen. Als alles erledigt und soundgecheckt ist, wir schon startklar für den Gig sind, herrscht plötzlich Aufruhr.

Geschichten aus dem Audimax Polizist_innen in Zivilkleidung kommen auf die Bühne und informieren uns, dass es ei­ ne Bombendrohung gegeben hat. Nach kur­ zem Schock ist schnell klar, dass es zu 99% eine Jux-Drohung war, selbst die Polizist_in­ nen sind dieser Ansicht. Trotzdem muss alles abgesucht werden. Mittlerweile ist es nach Mitternacht. Wir sitzen neben dem Drumkit und warten. Die Menschen im Audimax ko­ operieren ohne gröbere Widersprüche mit der Polizei, die Stimmung bleibt gelassen. Als das Sonderkommando mit den Spür­ hunden dann endlich eintrifft, ist die Sache auch sehr schnell erledigt. Einigen Leuten war der Trubel natürlich zu viel, und so hat

sich die Zuhörer_innenschaft wahrscheinlich halbiert, als wir gegen 1.30 Uhr mit unserem Set beginnen. Spaß macht es trotzdem, der Auftritt läuft bestens. Unser Drummer Martin bekommt einen Ex­ tra-Applaus für die Tatsache, dass er schon 1989 bei einer Audimax-Besetzung mit sei­ ner damaligen Band hier einen Gig gespielt hat. Wir sind aber nicht alle so alt, ähem ... Wie immer, wenn es schön ist, vergeht die Zeit schnell. Wir spielen nur eine Zugabe, schließlich sind nach uns noch Satory dran. Auch sie sind super-motiviert und ihr PostMetal ist genau das Richtige für die fortge­ schrittene Stunde. Am Ende ihres Sets bittet mich Eyup noch auf die Bühne und wir zocken gemeinsam „Killing in the name of ...“, was noch einmal ALLE aufweckt und zum kollektiven Auszu­ cken im positiven Sinne bringt! Was für ein Abend. Gegen 4 Uhr 30 haben wir das Equip­ ment wieder verladen und fahren Richtung Proberaum. Eine Stunde später fall ich tod­ müde, aber mit einem fetten Grinsen im Ge­ sicht ins Bett. Danke Audimax. [MXF + sympathy for strawberry]


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über.graus

Die Sendung mit dem Graus

BERUF Wissenschaftsministerin

Herta Müller

schaukelt im Burgtheater über hartem Grund

Foto: sup, tas

Sie ist eine Befreite. Unter ständiger geheimdienstlicher Beobach­ tung hat die Schriftstellerin die Militärdiktatur in Rumänien durch­ lebt. Mit engen Freund_innen, so erzählt sie vor der eigentlichen Lesung, habe sie sich trotz Gruppenbildungsverbot regelmäßig ge­ troffen, um über Literatur und Politik zu reden. Nun sitzt Herta Müller hier auf der schwarzen Bühne des ruhigen warm-lauschenden Burgtheaters. Den Vornamen trägt sie zur Er­ innerung an die Freundin der Mutter, die in einem der sowjetischen Gulags verhungert ist. Herta Müller nimmt fasziniert den langen Vorweg-Applaus entgegen. Selbstbewusst und echt, offenen Au­ ges steht die Mädchenfrisur da, verbeugt sich und erzählt in eine andere Welt hinein. Die andere Welt ist das verhärtete, kalte Ru­ mänien. Ein kleiner Junge in einem Arbeitslager mitten im Winter.

Wissenschaftsministerin zu sein ist ein Beruf wie jeder andere auch. Und wie bei allen Berufen muss man bestimmte Dinge können, um seine Arbeit gut zu machen. Zum Beispiel die Frau Karl, die ist Wissenschaftsministerin – Was kann die eigentlich? Sie kann reden. Sie redet, wenn sie von Jour­ nalist_innen befragt wird, sie redet beim Hochschuldialog und sie redet im Fernsehen – eine Vielrednerin also. Auch bei den Feierlichkeiten zu 10 Jahren Bologna-Prozess in der Hofburg hat die Frau Karl viel geredet. Und weil sie dabei unge­ stört bleiben wollte, hat sie einfach die Türen zur Hofburg versperrt.

Bei all der Schönheit fällt aber auf: Die Wahrheit sagt sie nicht. Und weil wir der Frau Karl nicht unterstellen wollen, dass sie lügt, müssen wir annehmen: Sie kann zwar reden, nicht aber Sinn er­ fassend zuhören! Denn würde sie das können, hätte sie erkannt, dass die Ergebnis­ se von 10 Jahre Bologna so toll nicht sind. Und daher kann man leicht glauben, dass die Frau Karl ihren Beruf verfehlt hat – stimmt aber nicht. Denn auch die anderen Minister und Ministerinnen, die von Frau Karl eingeladen wurden, konnten zwar reden, offensichtlich aber nicht zuhören. Die Frau Schavan, deutsche Kollegin von Frau Karl, erzählt, dass der europaweite Hochschulreformprozess „enorm viel bewegt“ hat. Und ihr ungarischer Berufskollege plaudert ebenso fröhlich: „Der Bologna-Prozess hat bedeutend mehr Vorteile gebracht als Prob­ leme verursacht.“ Der Vergleich zeigt: Eine Wissenschaftsministerin muss nur reden können – klingt einfach, ist es auch. Und daher kann man in Zeiten der Wirtschaftskrise getrost fordern, diesen Arbeitsplatz mit einer Rede-Maschine zu besetzen. Per Knopfdruck erzeugt die dann Reden, die, einmal abgespeichert, beliebig oft wiederholt werden können – klingt praktisch, wäre es [masc] auch. Und noch dazu billiger.

Foto: Carl Hanser Verlag

Und dann hat die Frau Karl lustig erzählt, von den guten Seiten des Bologna-Prozesses. Vom gemeinsamen Hochschulraum, der „ein Eckpfeiler der Zukunft Europas“ sei. Und von den Chancen für jun­ ge Menschen, die im Mittelpunkt der Bologna-Idee stünden – schö­ ne Worte, verkündet in der schönen Wiener Hofburg.

„Je größer die Angst wird, umso mehr personifizieren sich die Um­ stände.“, sagt Herta Müller und erklärt damit vielleicht einen Teil ihrer Art die Dinge zu benennen. Wenn sie erzählt, finden sich For­ menwandler zusammen. Durch Kippbilder versucht die Nobel­ preisträgerin das Fremde im Eigenen und das Eigene im Fremden darzustellen. So nennt sich der ständige Begleiter des Jungen im sowjet-ukrainischen Lager „Hungerengel“. Herta Müller trägt in einer fiktiven Einzelgeschichte die Wahrheit über die stalinistische Verfolgung Rumänien-Deutscher vor. Die befrei­ te Sprache kann ohne Selbstmitleid, ohne Schuldzuweisung, ohne Schrei nach Gerechtigkeit; sie kann einfach so: sagen, wie es war. Wie es noch immer ist. „Mehr als Aufzählen kann ich nicht.“, sagt die schwarz gekleidete Frau auf Keilabsätzen. Und: „Wenn man sein Schicksal aus der Hand gibt, ist man verloren.“ Wie die Geschichte um den 17-Jährigen im Gulag ausgeht weiß ich nicht. Wie die Geschichte um Herta Müller ausgegangen ist: Freiheit. „Atemschaukel“ ist 2009 im Carl Hanser Verlag, München erschienen. €19,90. [cgal]


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über.reste ! tire

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der Woche

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Foto: Lukas Beck

Die singenden Jünglinge schaffen dieses Mal gleich zwei Erektionen. Zum Einen eignen sich sich auf penetrierende Weise öffentlichen Raum an. Zum Anderen scheint privater Raum in den Schlafsälen der Wunderkinder durch die Bank eng zu sein.

SUDERECK

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Ob­ jekt des Anstoßes ist diesmal das Wetter. „Das Wetter“, könntet ihr sa­ gen, „jeder sudert übers Wetter, wenns grad sonst nichts zum Sudern gibt!“ - Aber weit gefehlt. Da wir von der über. morgen nämlich schon fortge­ schrittene Suderer sind, sudern wir nicht übers alltägliche Wetter, oh nein, das würden wir höchstens heim­ lich tun. Hier geht es ums Wetter bei De­ mos. Wenn man sich das nämlich mal genau anschaut, siehts jedes Mal wieder so aus: Die Demo wird angekündigt – strahlender Sonnen­ schein – Tag der Demo: Wolkenbruch. Man sollte meinen, bei Spontandemos könnte man dem entrin­ nen, aber nein. Von einer Minute auf die andere: Sturm! Wolkenbruch! Die absolut wettertechnisch verhängnis­ vollste Idee aber ist, einen Sitzstreik zu planen (man beach­ te das vergangene Wochenende): Minusgrade! Schneesturm! Verderben! Ich bin nun zu dem Schluss gekommen: Da steckt System dahinter. Es ist als hätten die Wissenschaftsminister_innen nicht nur die Bildung, sondern auch das Wetter in der Hand. Traurige Verhältnisse im verregneten Österreich. [arr]


Du hast kummer und sorgen?

端ber.trixi hilft!


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