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Epilepsie: Neue Erkenntnisse zum Einsatz von Perampanel

Zur Behandlung verschiedener Formen der Epilepsie stehen heute mehr als 20 anfallssupprimierende Medikamente zur Verfügung, sodass sich häufig die Frage stellt, welche Substanz wo im Therapie-Algorithmus zu verorten ist. Lange Zeit war es gängige Praxis, später zugelassene Wirkstoffe auch später im Therapieverlauf einzusetzen. Dies wird jedoch dem Potenzial moderner anfallssupprimierender Medikamente nicht gerecht. Dies trifft auch auf den Wirkstoff Perampanel (Fycompa®) zu, für den es mittlerweile eine breite Datenlage und ausreichend Evidenz dafür gibt, dass ein früher Einsatz dieser Substanz zu einem besseren Ansprechen und höheren Retentionsraten führt [1, 2, 3].

Frühzeitige Gabe bringt signifikante Vorteile

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Literatur

1 MedLine Plus. Hidradenitis suppurativa. https://medlineplus.gov/hidradenitissuppurativa.html

2 Kirsten N et al. Arch Dermatol Res 2021;313:95-99

3 Kokolakis G et al. Dermatol 2020;236: 421-430

4 Cramer P et al. Hautarzt 2021;72;692-699

5 Kimball AB et al. Lancet 2023; doi: 10.1016/S0140-6736(23)00022-3

6 ClinicalTrials.gov. This is a study of efficacy and safety of two secukinumab dose regimens in subjects with moderate to severe hidradenitis suppurativa (HS) (SUNSHINE). NCT03713619. https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT03713619

7 ClinicalTrials.gov. Study of efficacy and safety of two secukinumab dose regimens in subjects with moderate to severe hidradenitis suppurativa (HS) (SUNRISE). NCT03713632. https://clinicaltrials.gov/ ct2/show/NCT03713632

8 Fachinformation Cosentyx®; Stand: Januar 2023

Dass die Patienten von einem frühzeitigen Einsatz von Perampanel deutlich profitieren können, zeigen unter anderem die Ergebnisse der 12-monatigen, prospektiven Beobachtungsstudie PERADON, in die 113 Patienten mit fokalen Anfällen mit oder ohne sekundäre Generalisierung eingeschlossen wurden [1]. Die Studienteilnehmer erhielten Perampanel entweder als erste oder als zweite Zusatztherapie. Der frühere Einsatz führte zu höheren Ansprech- (76,2 % vs. 63,4 %) und Anfallsfreiheitsraten (38,1 % vs. 19,7 %) (Abb. 1).

Auch in der retrospektiven Beobachtungsstudie COM-PER bei Patienten mit fokalen Anfällen zeigte sich der Vorteil der frühen Perampanel-Gabe [2]. Während von den 21 Patienten, die den Wirkstoff als erste Zusatztherapie erhielten, 71,4 % anfallsfrei wurden, erreichten dies in der späten Zusatztherapie (Vortherapie mit im Mittel 5 verschiedenen Wirkstoffen) nur 13,3 % von 60 Patienten. Gleichzeitig belegte die Studie, dass selbst Patienten mit frustraner

Abbildung 1: In der PERADON-Studie führte Perampanel, wenn es als erste Zusatztherapie gegeben wurde, zu einer höheren Ansprech- und Anfallsfreiheitsrate als bei der späteren Gabe [1].

Therapieanamnese nach Einsatz einer Vielzahl von anfallssupprimierenden Medikamenten noch von Perampanel profitieren können. Damit ist der Wirkstoff nicht nur eine gute Option in der frühen Zusatztherapie, sondern hat auch einen hohen Stellenwert in schwierigen Konstellationen.

Inwiefern sich diese Erkenntnisse bereits in der Behandlungspraxis widerspiegeln, wird aktuell – unter verschiedenen anderen Aspekten – in der prospektiven, nicht interventionellen Studie PERPRISE (NCT04202159) in Deutschland untersucht [4]. Eingeschlossen wurden Patienten mit einer aktiven Epilepsie mit Grand-mal-Anfällen, die Perampanel als einzige Zusatztherapie erhalten. Ziel ist es, zu erfahren, welchen Stellenwert Perampanel für die behandelnden Ärzte hat, wie und mit welchen Kombinationspartnern es im Therapieverlauf eingesetzt wird – und mit welchem Erfolg.

Den Anforderungen junger Patienten gerecht werden

Kinder und Jugendliche stellen besondere Anforderungen an die Therapie. So sollten die Einnahmeschemata einfach sein (möglichst mit Einmalgabe), um bei den jungen Patienten eine gute Compliance zu erzielen. Außerdem muss bei dieser Altersgruppe auf Verhaltensänderungen und eine Beeinträchtigung der Kognition geachtet werden, die unter der anfallssupprimierenden Medikation auftreten können.

Die Langzeit-Wirksamkeit und -Verträglichkeit von Perampanel in dieser Altersgruppe wurden z.B. in der retrospektiven Langzeit-PhaseIV-Studie PROVE mit einer Subgruppe von 151 Kindern unter 12

Patienten (%)

Perampanel

Perampanel (Fycompa®) ist ein hoch selektiver, nicht kompetitiver AMPA-Rezeptor-Antagonist (α-Amino-3-hydroxy-5-methyl-4isoxazolpropionsäure), der seine Wirksamkeit in der Reduktion von epileptischen Anfällen in Studien der Phasen II und III demonstriert hat. AMPA-Rezeptoren, die weithin in fast allen exzitatorischen Neuronen vorhanden sind, übertragen Signale, die vom Neurotransmitter Glutamat im Gehirn vermittelt werden. Es wird davon ausgegangen, dass sie eine Rolle bei Erkrankungen des zentralen Nervensystems spielen, die sich durch übermäßige exzitatorische Signalübertragung auszeichnen, wie z.B. Epilepsie.

Perampanel ist in Deutschland als Zusatztherapie für Patienten ab 4 Jahren mit fokalen Anfällen mit oder ohne sekundäre Generalisierung zugelassen. Außerdem ist es indiziert bei Patienten ab 7 Jahren zur Zusatzbehandlung primär generalisierter tonisch-klonischer Anfälle bei idiopathisch generalisierter Epilepsie [13].

Jahren und 183 Jugendlichen im Alter von 12 – 17 Jahren untersucht [5]. Nach etwa 4 Jahren verblieb noch etwa jeder zweite Studienteilnehmer auf Perampanel. 18,5 % bzw. 20,8 % brachen die Therapie aufgrund unerwünschter Ereignis se, 16,6 % bzw. 13,7 % aufgrund mangelnder Anfallskontrolle ab (Abb. 2). Insgesamt zeigte Perampanel also auch im Langzeitverlauf eine sehr gute Retentionsrate und Anfallsreduktion bei Kindern und Jugendlichen.

Die Verträglichkeit von Perampanel hinsichtlich Verhalten und Kognition untersuchte eine retrospektive Beobachtungsstudie bei 37 jugendlichen Patienten mit fokalen Anfällen mit oder ohne sekundäre Generalisierung anhand zweier Scores: dem EpiTrack® Junior und dem CBCL (Child Behavior Checklist) [6]. Dabei zeigten sich keine signifikanten Veränderungen zur Baseline-Untersuchung.

Dass es durch die Zusatztherapie mit Perampanel auch zu keiner Be-

* Responderrate** Anfallshäufigkeit unverändert Anfallshäufigkeit erhöht einträchtigung der Lebensqualität kommt, belegen die Ergebnisse der Post-hoc-Analyse einer unverblindeten Phase-III-Studie mit 115 pädiatrischen Patienten im Alter von 4 – 11 Jahren, die unter fokalen Anfällen mit oder ohne sekundäre Generalisierung bzw. primär generalisierten Anfällen litten [7]. Die Lebensqualität blieb unter Perampanel insbesondere dann konstant, wenn eine gute Anfallskontrolle erreicht werden konnte.

Abbildung 3: Subgruppenanalyse aus PERMIT und PROVE: Responder- und Anfallsfreiheitsraten bei Älteren (≥ 65 Jahre). * Keine Anfälle seit der letzten Kontrolle, ** 50 % verringerte Anfallshäufigkeit gegenüber Baseline [12].

Bei älteren Patienten steht die Verträglichkeit im Fokus

Bei den Senioren, einer durch den demografischen Wandel stetig wachsenden Gruppe, gilt es eine Reihe von Besonderheiten [8] zu beachten, die spezielle Anforderungen an die Therapie stellen. So zeigen sich bei Pharmakokinetik und Pharmakodynamik altersabhängige Effekte: Ältere Menschen weisen stoffwechselbedingt eine erhöhte Arznei-Sensitivität hinsichtlich der Wirkung, aber auch Unverträglichkeiten auf. Außerdem sind sie durch Anfälle stärker gefährdet, haben eine erhöhte Verletzungsgefahr infolge von Stür- zen, insbesondere unter einer Antikoagulation.

Wie eine Studie belegt, hat die anfallssupprimierende Medikation einen Einfluss auf die Lebenserwartung bei Älteren [9]. Dabei könnten in diesem Kollektiv häufige Begleiterkrankungen und eine Polytherapie eine verträgliche Anfallskontrolle zusätzlich verkomplizieren, was in klinischen Studien möglicherweise nicht ausreichend berücksichtig wird. Daher sind Daten zur Wirksamkeit und Verträglichkeit von Antiepileptika für diese Patientengruppe besonders wichtig.

In einer aktuellen Beobachtungsstudie aus Italien zu Perampanel mit 92 älteren Epilepsie-Patienten haben sich unter einer niedrigen Dosierung von 6 mg (Median) eine mit anderen Altersgruppen vergleichbare Wirksamkeit und Verträglichkeit gezeigt [10]. Aus der großen internationalen RealWorld-Studie PERMIT [3] und der amerikanischen Phase-IV Studie PROVE [11] gingen Daten von 394 Patienten ab 65 Jahren (Median 72,5 Jahre) in eine altersspezifische Analyse der Therapie mit Perampanel ein [12]. Die Patienten erhielten im Mittel 5,1 mg Perampanel, am häufigsten kom biniert mit Levetiracetam oder Lamotrigin. Die Retentionsrate, der kombinierte Endpunkt für Wirksamkeit und Verträglichkeit, lag nach 12 Monaten bei 60,9 %. Die häufigsten Gründe für einen Therapieabbruch waren unerwünschte Ereignisse (22,4 %) und mangelnde Wirksamkeit (6,1 %). Die Ansprechraten lagen bei 69,1 % (fokale Anfälle) bzw. 70,6 % (generalisierte Anfälle) (Abb. 3). Aus diesen Daten lässt sich schließen, dass Perampanel bei älteren Patienten unter Praxisbedingungen insbesondere in niedrigen Dosierungen eine gute Wirksamkeit und Verträglichkeit zeigt.

Fabian Sandner, Nürnberg

Literatur

1 Jaramillo JA et al. Epilepsy Behav 2020; 102:106655

2 Canas N et al. Seizure 2021;86:109-115

3 Villanueva V et al. J Neurol 2022; 269:1957-1977

4 https://www.clinicaltrials.gov/ct2/show/ NCT04202159?term=NCT04202159&dr aw=2&rank=1

4 Segal E et al. J Child Neurol 2022; 8830738211047665

6 Operto FF at al. Epilepsy Behav 2020; 103:106879

7 Trigg A et al. Epilepsy Behav 2021;118: 107938

8 Trinka E et al. Acta Neurol Scand 2003: 108 (Suppl. 180):33-36

9 Werhan KJ et al. Epilepsia 2015;56:450459

10 Leppik IE et al. Epilepsy Res 2015; 110:216-220

11 Wechsler RT et al. Epilepsia Open 2022; 7:293-305

12 Inaji et al. AES 2022, Nashville, TN, USA. 2–6 December 2022

13 Fachinformation Fycompa®; Stand: August 2022

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) hat die neue S2k-Leitlinie „Diagnostik und Therapie myasthener Syndrome“ publiziert (www.dgn. org/leitlinien). Basierend auf den pathophysiologischen Erkenntnissen der letzten Jahre und den damit verbundenen Arzneimittelzulassungen wurden neue Therapieziele sowie -konzepte für die generalisierte Myasthenia gravis (gMG) erarbeitet. Die gMG ist eine seltene, chronische, neuromuskuläre Autoimmunerkrankung, die durch eine belastungsabhängige im Tagesverlauf zunehmende Muskelschwäche gekennzeichnet ist. Bei ca. 80 % der gMG-Patienten lassen sich Autoantikörper gegen den Acetylcholin-Rezeptor (AChR) nachweisen, die zu einer Störung der Erregungsübertragung an der postsynaptischen Membran der neuromuskulären Endplatte führen.

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