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Asthma-Therapie in Zeiten von COVID-19: Mit fixer Dreierkombination zu einer besseren Therapiekontrolle Interview mit Herrn Dr. Justus de Zeeuw, Köln
Asthma-Therapie in Zeiten von COVID-19: Mit fixer Dreierkombination zu einer besseren Therapiekontrolle
Interview mit Herrn Dr. Justus de Zeeuw, Arzt für Innere Medizin, Pneumologie und Schlafmedizin, Medizinisches Versorgungszentrum im Rolshover Hof, Köln
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SARS-CoV-2 sorgt derzeit bei vielen Menschen für Verunsicherung. Besonders beunruhigt sind Asthmatiker, da das Coronavirus vor allem die Lunge schädigt und sie befürchten, aufgrund ihrer Vorerkrankung ein höheres Risiko zu haben, schwer an COVID-19 zu erkranken. Viele treibt zudem die Sorge um, dass die verordneten inhalativen Kortikosteroide das Immunsystem herunterregulieren, und setzen die Medikamente deshalb eigenmächtig ab – und riskieren damit eine Verschlechterung des Asthmas. Wie gefährlich die Situation für Menschen mit Asthma derzeit wirklich ist, war Thema auf dem Welt-Asthma-Tag am 5. Mai 2021. In einem Gespräch erläuterte Dr. Justus de Zeeuw, Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde in Köln, die besonderen Herausforderungen, die durch die COVID19-Pandemie bei der Behandlung von Patienten mit Asthma entstanden sind. Außerdem warf er einen Blick auf die Ursachen für den hohen Anteil an unzureichend kontrollierten Asthma-Patienten in Deutschland sowie die Möglichkeiten, die Behandlung durch innovative Fixkombinationen und digitale Unterstützung zu optimieren.
Herr Dr. de Zeeuw, inzwischen begleitet uns die COVID-19-Pandemie seit über einem Jahr. Welchen Einfluss hat Corona auf Ihren Alltag in der pneumologischen Praxis? Dr. de Zeeuw: Beim unmittelbaren Patientenaufkommen spüren wir keine allzu großen Veränderungen. Es gibt allerdings Patienten, die aufgrund der Sorge vor einer Ansteckung seltener oder gar nicht mehr in die Praxis kommen. Dadurch gewinnen zwar digitale Angebote wie die Videosprechstunde durchaus an Bedeutung, diese hat jedoch in der Pneumologie gewisse Limitationen. Wir müssen die Patienten abhören oder auch eine Lungenfunktionsprüfung durchführen können, um eine adäquate Diagnostik und Behandlung zu gewährleisten – dafür ist ein persönlicher Besuch in der Praxis unabdingbar. Hinzu kommen naturgemäß viele Rückfragen von Patienten, die wir rund um die COVID-19-Pandemie im Hinblick auf Risikofaktoren, die jeweilige medikamentöse Therapie und eine potenzielle Impfung täglich beantworten müssen. Leider kommt es im Zuge der intensiven Berichterstattung der Medien mitunter vor, dass beispielsweise auch Daten aus sehr kleinen und begrenzt aussagekräftigen Studien in einen missverständlichen Kontext gesetzt werden und dadurch unter Umständen zu einer gewissen Verunsicherung der Patienten beitragen.
Wie beurteilen Sie die wissenschaftlichen Erkenntnisse, was das Risiko für Asthma-Patienten durch eine COVID-19-Erkrankung betrifft? Dr. de Zeeuw: Die Datenlage ist mit zahlreichen Studien und MetaAnalysen inzwischen sehr eindeutig und lässt den Schluss zu, dass bei Menschen mit Asthma ein geringeres Risiko für eine Infektion mit dem Corona-Virus besteht [1] und die Erkrankung keinen unabhängigen Risikofaktor für einen schweren COVID-19-Verlauf darstellt [2]. Die vermutliche Erklärung ist eine verminderte Expression des für die Aufnahme von
SARS-CoV-2 verantwortlichen ACE-2-Rezeptors in den Atemwegen. Möglicherweise spielt auch die Therapie mit inhalativen Kortikosteroiden (ICS) eine protektive Rolle, denn auch diese führen zu einer verminderten Expression von ACE-2-Rezeptoren [2]. Dieser Umstand mag daher ein wenig im Widerspruch zur Priorisierung der Asthma-Patienten im Zuge der Impfverordnung stehen, dennoch empfehlen wir in der Praxis jedem Betroffenen, sich so schnell wie möglich gegen COVID-19 impfen zu lassen. Unabhängig von einer potenziellen Impfung sollten gut eingestellte Asthma-Patienten zudem ihre inhalative Therapie unbedingt weiterhin beibehalten, um die Krankheitskontrolle nicht zu gefährden. Das gilt auch für Patienten mit schwerem Asthma, die ein Biologikum erhalten – es gibt derzeit keine wissenschaftlichen Anhaltspunkte dafür, dass diese mit dem Wirkmechanismus der verfügbaren Impfstoffe in irgendeiner Weise interagieren [3].
Registerdaten zeigen, dass in Deutschland ein Großteil der Patienten unter einer Kombination aus ICS und langwirksamen Beta2-Agonisten (LABA) weiterhin unzureichend kontrolliert ist [4]. Welche Ursachen sind dafür aus Ihrer Sicht ausschlaggebend? Dr. de Zeeuw: Grundsätzlich stehen uns heute von der inhalativen Bedarfs- und Erhaltungstherapie mit fixen Zweier- und Dreierkombinationen bis hin zum Biologikum viele Behandlungsoptionen zur Verfügung, um Menschen mit Asthma ein nahezu beschwerdefreies Leben zu ermöglichen. In der Realität besteht jedoch eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem, was dank Präzisionsmedizin möglich ist, und dem, was Betroffene im Alltag akzeptieren. So gibt es in der Praxis immer wieder Patienten, die subjektiv über eine gute Krankheitskontrolle berichten, nach objektiven Kriterien aber lediglich teilweise oder unzureichend kontrolliert sind. Wichtigster Faktor im Hinblick auf eine gute Krankheitskontrolle ist dabei die Therapietreue: Mittels optimierter Inhalatoren und Fixkombinationen bestehen dabei inzwischen Möglichkeiten, eine Verbesserung der Adhärenz mit einer adäquaten Pharmakotherapie bestmöglich zu kombinieren.
Welche therapeutischen Möglichkeiten bestehen, wenn Patienten unter LABA/ICS unkontrolliert sind und wonach richtet sich die Entscheidung, die Behandlung entsprechend umzustellen? Dr. de Zeeuw: Wenn die bisherige LABA/ICS-Therapie nicht zu einer ausreichenden Asthma-Kontrolle führt, lohnt sich zunächst ein Blick auf das Device bzw. die Inhalationstechnik. Wenn ein Patient beispielsweise mit seinem bisherigen Inhalator nicht zurechtkommt, kann sich das negativ auf die Krankheitskontrolle auswirken und daher einen Wechsel des Devices notwendig machen. Auch eine mehrfach tägliche Anwendung ist im Behandlungsalltag häufig eine Herausforderung und kann zu einer verminderten Adhärenz führen, sodass Patienten in diesem Fall von einer einmal täglichen Fixkombination profitieren. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, die medikamentöse Behandlung durch eine Umstellung auf eine Dreierkombination aus LABA, ICS und einem langwirksamen Muskarinrezeptor-Antagonisten (LAMA) zu optimieren [5]. Voraussetzung dafür ist eine unzureichende Krankheitskontrolle unter vorheriger Erhaltungstherapie mit LABA und hochdosiertem ICS sowie mindestens eine Exazerbation im Vorjahr [6].
Mit Indacaterol/Glycopyrronium/ Mometasonfuroat (IND/GLY/MF, Enerzair® Breezhaler®) ist seit letztem Jahr erstmals eine einmal täglich anzuwendende fixe Dreierkombination für erwachsene Asthma-Patienten verfügbar, die mit einer Kombination aus einem LABA und einer hohen Dosis eines ICS als Erhaltungstherapie nicht ausreichend kontrolliert sind und bei denen im Vorjahr eine oder mehrere Exazerbationen aufgetreten sind [6]. Wie beurteilen Sie den Stellenwert dieser Therapieoption in der Praxis? Dr. de Zeeuw: Die fixe Dreierkombination hat den Vorteil, dass sich durch die einmal tägliche Gabe und die Charakteristika des Inhalators nicht nur die Adhärenz und Inhalationstechnik verbessern lassen, sondern eben auch eine Optimierung der Pharmakotherapie für unter LABA/ICS unzureichend kontrollierte Patienten möglich ist. Zuvor stand für die potenzielle Umstellung auf eine LABA/LAMA/ICS-Therapie lediglich eine freie Kombination zur Verfügung, die die parallele Anwendung mehrerer Inhalatoren notwendig machte. Daher stellt die fixe Dreierkombination IND/GLY/ MF eine wichtige Erweiterung des Therapiespektrums dar. Zudem kommt der Breezhaler® mit anderen Wirkstoffkombinationen auch auf weiteren Behandlungsstufen zum Einsatz, sodass sich Patienten bei einer Umstellung der Therapie nicht an einen neuen Inhalator gewöhnen müssen.
In der fixen Dreierkombination ist mit Mometason ein ICS enthalten,
das bislang eine vergleichsweise untergeordnete Rolle im Bereich der Asthma-Therapie spielte. Wie würden Sie dessen Potenzial einordnen, gerade auch in Kombination mit Indacaterol und Glycopyrronium? Dr. de Zeeuw: Mometasonfuroat ist ein interessantes Kortikosteroid mit einem guten therapeutischen Quotienten: Es ist durch seine hohe Affinität zum Glukokortikoid-Rezeptor gekennzeichnet und weist gleichzeitig eine niedrige orale Bioverfügbarkeit auf, sodass die systemische Verfügbarkeit und das Nebenwirkungsrisiko gering sind [7, 8]. Indacaterol wiederum bewirkt eine über 24 Stunden lang anhaltende Bronchodilatation und effektive Symptomkontrolle bei guter Sicherheit sowie Verträglichkeit [9]. In Kombination mit Glycopyrronium und Mometasonfuroat sind ein schneller Wirkungseintritt sowie ein anhaltender Effekt über das gesamte Dosierungsintervall charakteristisch [6].
IND/GLY/MF ist mit einem optionalen Sensor (vom Unternehmen Propeller Health) und dazugehöriger App erhältlich [10]. Welche Patienten kommen aus Ihrer Sicht für den Einsatz infrage? Dr. de Zeeuw: Sensor und App eignen sich besonders für Patienten, die aktiv am Behandlungsmanagement mitwirken wollen. Ihnen wird durch Funktionen wie dem automatisierten Inhalationstagebuch die Möglichkeit geboten, sich einen Einblick in den Therapieverlauf zu verschaffen, die eigene Adhärenz zu kontrollieren und die erhobenen Daten mit dem behandelnden Arzt zu teilen. Darüber hinaus gibt es Situationen, in denen der Sensor und die dazugehörige App besonders für die Angehörigen aus dem familiären Umfeld eine Hilfestellung bei der Frage sein kann, ob der Betroffene seine Medikamente wirklich zuverlässig einnimmt. Insgesamt bietet der Sensor jedoch besonders für die Patienten selbst ein hilfreiches Instrument zur Selbstkontrolle, mit dem das persönliche Therapiemanagement erleichtert werden kann. Im letzten Jahr habe ich beispielsweise eine 72-jährige Patientin in unserer Praxis auf IND/GLY/MF eingestellt, die daraufhin von einer Verbesserung ihrer Erkrankung berichtete. Im zweiten Schritt haben wir die medikamentöse Therapie um den optionalen Sensor ergänzt. Obwohl die Patientin zuvor bereits durchaus adhärent gewesen ist, hilft ihr die Erinnerung durch den Sensor, die regelmäßige Einnahme im Alltag nicht zu vergessen und die Krankheitskontrolle dadurch noch einmal spürbar zu optimieren.
Wie gehen Sie vor, wenn Patienten auch unter inhalativer Maximaltherapie keine ausreichende Krankheitskontrolle erreichen? Dr. de Zeeuw: Bereits während der potenziellen Umstellung der inhalativen Therapie von LABA/ ICS auf eine Dreierkombination prüfen wir, ob perspektivisch auch ein Biologikum infrage kommen könnte. Wenn beim IgE-Spiegel oder der Anzahl der Bluteosinophilen entsprechende Auffälligkeiten bestehen, haben wir für den Fall, dass auch die inhalative Maximaltherapie keine ausreichende Krankheitskontrolle bewirkt, bereits eine potenzielle Eignung für die verfügbaren Biologika abgeklärt und verlieren bei der späteren Umstellung keine Zeit. Für das schwere allergische Asthma ist mit dem Anti-IgE-Antikörper Omalizumab (Xolair®) beispielsweise ein Biologikum verfügbar, mit dem wir in der Praxis als Zusatztherapie bei vielen Patienten über Jahre hinweg eine erhebliche Verbesserung der Erkrankung erzielen konnten. Seit dem vergangenen Jahr können wir auch Betroffenen mit schwerer chronischer Rhinosinusitis mit Nasenpolypen diese Option als Zusatztherapie anbieten, wenn unter intranasalen Kortikosteroiden keine ausreichende Krankheitskontrolle besteht [11].
Herr Dr. de Zeeuw, wir danken Ihnen für das informative Gespräch.
E. W.
Literatur
1 Sunjaya AP et al. J Asthma 2021;1:1-14 2 Lommatzsch M et al. Pneumologie 2021; 75:19-30 3 Idzko M et al. Deutsche Gesellschaft für
Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V.
Im Internet: https://pneumologie.de/fileadmin/user_upload/COVID-19/ 20210125_DGP_AsthmaBiologika_Covid-19.pdf 4 Kondla A et al. Respir Med 2016;118: 58-64 5 Nationale VersorgungsLeitlinie Asthma, 4. Auflage 2020. Im Internet: https:// www.leitlinien.de/nvl/asthma 6 Fachinformation Enerzair® Breezhaler® 7 Daley-Yates PT. Br J Clin Pharmacol 2015;80:372-380 8 Ye Q et al. Pulm Ther 2017;3:1-18 9 Beeh KM et al. Eur Respir J 2007;29: 871-878 10 Propeller Health®. QR Rationale for EU
Classification-2017-B. 2019-07-24 Update 11 Fachinformation Xolair®