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Kongresse
Epilepsie – Expertenempfehlungen zur frühen Zusatztherapie mit Perampanel
Anlässlich der 60. Jahrestagung der deutschen Gesellschaft für Epileptologie (DGfE) wurden nicht nur die Implikationen der aktuellen Studie SANAD II für die erste Monotherapie von Epilepsien beleuchtet, ein Fokus lag auch auf der Zusatztherapie nach neuestem Erkenntnisstand. So plädierte Professor Bernhard Steinhoff, KehlKork, für eine frühe Zusatztherapie mit modernen Antiepileptika wie z.B. Perampanel (Fycompa®) und stellte Patienten vor, die davon profitieren können.
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Ergebnisse von SANAD II für die Monotherapie
Der Standard nach der Erstdiagnose Epilepsie ist die Behandlung mit einem Antiepileptikum in Monotherapie. In der von Professor Martin Holtkamp, Berlin, vorgestellten Head-to-Head-Studie SANAD II wurden die Wirksamkeit und Verträglichkeit unterschiedlicher Antiepileptika verglichen. Bei generalisierter und nicht klassifizierter Epilepsie (n = 520) zeigte Valproat versus Levetiracetam Vorteile hinsichtlich der Wirksamkeit, bei ähnlicher Verträglichkeit (Rate unerwünschter Ereignisse 37 % vs. 42 %). Bei fokaler Epilepsie (n = 990) war Lamotrigin aufgrund einer besseren Verträglichkeit Levetiracetam und Zonisamid signifikant überlegen. Die Rate unerwünschter Ereignisse lag bei 33 % unter Lamotrigin versus 44 % bzw. 45 % unter Levetiracetam und Zonisamid.
Frühe Zusatztherapie erwägen
Die Studie verdeutlicht aber auch, dass viele Patienten mit einer Monotherapie nicht optimal versorgt sind. Steinhoff empfahl daher, wie bereits in der aktuell gültigen Leitlinie geschehen, sich vom alten Dogma der konsekutiven Monotherapien zu lösen und eine Zusatztherapie bereits dann in Erwägung zu ziehen, wenn die erste Monotherapie nur zu einem Teilerfolg führt. Aufgrund der interaktionsarmen Wirkstoffe der neuen Generation habe ein Umdenken stattgefunden, sodass eine Zusatztherapie häufiger und früher herangezogen werden könne, so Steinhoff.
Algorithmus zur Vorgehensweise bei fokaler Epilepsie (nach DGfE) Diagnose Epilepsie
Anfallsfreiheit mit Nebenwirkungen Monotherapie 1
Keine Wirkung Partielle Wirkung
Monotherapie 2 Monotherapie 2 Kombinationstherapie 1
Anfallsfreiheit ohne Nebenwirkungen Keine Wirkung
Neue ILAE-Definition pharmakoresistente Epilepsie: nach zwei erfolglosen Antiepileptika-Therapieversuchen in adäquater Dosierung (in Monound/oder Kombinationstherapie) Epilepsiechirurgische Evaluation / Operation
Weitere Kombinationstherapie(n) / VNS / DBS
Nach: S1 Leitlinie „Erster epileptischer Anfall und Epilepsien im Erwachsenenalter“ unter www.dgn.org
Abbildung 1: Algorithmus zur Vorgehensweise bei fokaler Epilepsie.
Chance bei partieller Wirkung oder bedingter Verträglichkeit höherer Dosen
Beispielsweise empfiehlt die aktuell gültige Leitlinie bei einer partiellen Wirkung der initialen Monotherapie bereits eine frühe Kombinationstherapie (Abb. 1). Aber auch wenn unter der Monotherapie bei Dosissteigerungen unerwünschte Ereignisse auftreten, können Patienten ggf. von einer Zusatzmedikation profitieren. So kann die Dosis des ersten Wirkstoffs unter die Nebenwirkungsschwelle gesenkt und eine Anfallskontrolle durch die Gabe eines zweiten Wirkstoffs erreicht werden. Dabei empfiehlt sich eine Substanz mit einem anderen Wirkmechanismus wie z.B. Perampanel (Fycompa®). Perampanel wirkt als einziges Antiepileptikum rein postsynaptisch und lässt sich mit allen gängigen Wirkstoffen kombinieren.
Hohe Retentionsraten unter Perampanel auch im Versorgungsalltag
Die Zulassungsstudien bestätigen die breite Wirksamkeit und Verträglichkeit von Perampanel als Zusatztherapie bei fokalen Anfällen mit oder ohne sekundäre Generalisierung bei Patienten ab 4 Jahren sowie bei primär generalisierten tonisch-klonischen Anfällen bei Patienten ab 7 Jahren mit idiopathischer generalisierter Epilepsie (IGE). Real-World-Daten der PERMIT-Studie zeigen zudem, dass Perampanel auch im Versorgungsalltag im Allgemeinen gut wirksam und verträglich ist. In der Metaanalyse wurden insgesamt 5.193 Patienten aus 44 internationalen Real-World-Studien ausgewertet. Die Retentionsraten nach 3, 6 und 12 Monaten betrugen 90,5%, 79,8% und 64,2%. Insgesamt traten bei 49,9% der Patienten unerwünschte Ereignisse wie Schwindel (15,2%), Schläfrigkeit (10,6%) und Reizbarkeit (8,4%) auf.
Wirksamkeit von Perampanel als erste vs. zweite Zusatztherapie
100 90 80
Patienten (%)
70 60 50 40 30 20 10 0
p = 0,158 Diagrammtitel 1. Zusatztherapie 12 Mon. (n = 42) 2. Zusatztherapie 12 Mon. (n = 71)
76,2 %
63,4 %
p = 0,033
Anfallsreduktion ≥ 50% 38,1 %
19,7 %
Anfallsfreiheit
Abb. 1: PERADON: Wirksamkeit von Perampanel als erste vs. zweite Zusatztherapie (modifiziert nach Jaramillo et al. Epilepsy Behav. 2020; 102: 106655) Abbildung 2: Ergebnisse der PERADON-Studie, die die Wirksamkeit von Perampanel als erste vs. zweite Zusatztherapie verglich.
Sehr gutes Ansprechen auf Perampanel als erster Zusatztherapie
In der multizentrischen prospektiven Beobachtungsstudie PERADON wurde die Effektivität von Perampanel als erste oder zweite Zusatztherapie bei Patienten mit fokaler Epilepsie untersucht. 113 Patienten im Alter zwischen 12 und 79 Jahren erhielten Perampanel in einer mittleren Tagesdosis von 6,3mg entweder als erste (37,2%) oder zweite Zusatztherapie (62,8%). Nach 12 Monaten waren 38,1% der Patienten in der ersten versus 19,7% in der zweiten Zusatztherapie anfallsfrei (Abb. 2). Bei 30,1% der Patienten wurden medikamentenbedingte unerwünschte Ereignisse verzeichnet, darunter waren Reizbarkeit (8%) und Schwindel (7,1%), jeweils leicht bis moderat die häufigsten. „Die PERADON-Studie verdeutlicht damit, dass die Chancen auf einen Therapieerfolg mit Perampanel am höchsten sind, wenn man es als erste Zusatztherapie einsetzt“, resümierte Steinhoff. Je nach Behandlungssituation ist eine Zusatztherapie daher bereits früh in Erwägung zu ziehen.
Komorbiditäten bei der Medikationswahl berücksichtigen
„Bei der patientengerechten Therapiewahl sollte der behandelnde Arzt stets die Gesamtsituation im Blick haben. Bedeutsame Aspekte sind etwa die Schlafqualität und die kognitive Leistungsfähigkeit in Schule und Beruf. Denn Kognitions- und Schlafstörungen sind bei Epilepsie häufig und teils mit der Medikation assoziiert. Unter Perampanel sind keine negativen Effekte auf die Kognition bekannt. Zudem hat es das Potenzial, die Schlafparameter bei Epilepsiepatienten positiv zu beeinflussen, ohne die Tagesschläfrigkeit zu verschlechtern“, erläuterte Steinhoff abschließend.
Elisabeth Wilhelmi, München
Fortgeschrittenes Basalzellkarzinom:
Anhaltende Wirksamkeit von Cemiplimab bestätigt
Aktuelle Daten aus der Zulassungsstudie EMPOWER-BCC 1 unterstreichen die Wirksamkeit und Sicherheit des PD (programmed-cell-death)-1-Inhibitors Cemiplimab (Libtayo®) bei Patienten mit fortgeschrittenem Basalzellkarzinom (BCC), die bereits mit einem Hedgehog-Inhibitor (HHI) vorbehandelt sind. Professorin Ulrike Leiter-Stöppke, Tübingen, bewertete dies auf einer Pressekonferenz im Rahmen des Kongresses der European Association of Dermato Oncology (EADO) als eine „klinisch bedeutsame Wirksamkeit für schwierig zu behandelnde Patienten“. Von Bedeutung sind die Ergebnisse laut Leiter-Stöppke auch vor dem Hintergrund, dass das BCC die häufigste Form von Hautkrebs ist. Zwar metastasiert das BCC selten, kann aber lokal destruierend und tief infiltrierend wachsen oder sich sehr großflächig ausbreiten. Kurative Operationen sind in diesen Fällen in der Regel nicht möglich. Bei insgesamt steigender Inzidenz erkranken vorwiegend ältere Menschen an einem BCC. Da diese oftmals Begleiterkrankungen aufweisen, sind sie therapeutisch nur eingeschränkt belastbar.
Hedgehog-Inhibitoren werden oft nicht vertragen
Kommen lokale Maßnahmen nicht infrage, ist die systemische Behandlung mit einem HHI Standard. „Das Problem ist jedoch, dass viele Patienten die HHI-Therapie aufgrund von Nebenwirkungen vorzeitig abbrechen“, sagte LeiterStöppke. Vor der Zulassung von Cemiplimab hatten Patienten nach HHI-Therapie außerhalb klinischer Studien nur die Option einer Chemotherapie.
Cemiplimab schließt eine therapeutische Lücke
„Cemiplimab“, so Leiter-Stöppke, „schließt eine therapeutische Lücke“. Die Monotherapie mit Cemiplimab ist zugelassen für Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem BCC, die mit einem HHI vorbehandelt und progredient sind oder diesen nicht vertrugen. Sie bietet diesen Patienten die Chance auf ein anhaltendes Ansprechen bei gleichzeitig insgesamt guter Verträglichkeit. Das Studien-Update unterstreicht dies mit weiterhin konsistenten Daten. Für die einarmige Phase-II-Studie wurden Patienten mit metastasiertem (Gruppe 1) oder mit lokal fortgeschrittenem BCC (Gruppe 2) eingeschlossen, die auf die vorangegangene HHI-Therapie refraktär waren oder diese nicht vertragen hatten. Über die Hälfte der Patienten war 65 Jahre alt und älter. Die Ergebnisse wurden durch ein unabhängiges zentrales Review (independent central review; ICR) überprüft.
Studiendaten belegen langfristiges Ansprechen
Bei den Patienten mit lokal fortgeschrittenem BCC bestätigte das ICR nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 15,9 Monaten eine objektiven Ansprechrate (ORR) von 32,1%, inkl. eines kompletten Ansprechens (CR) von 7,1% sowie einer anhaltenden Krankheitskontrollrate* von fast 60%. Im Median blieben die Patienten mit 16,5 Monaten deutlich über ein Jahr ohne Tumorprogression. Nach 24 Monaten waren noch 31,7% der Patienten mit lokal fortgeschrittenem BCC progressionsfrei, das Gesamtüberleben (OS) lag zu diesem Zeitpunkt bei 80,3%. Das mediane Gesamtüberleben ist noch nicht erreicht. Bei den metastasierten Patienten mit ungünstigerer Prognose betrug die objektive Ansprechrate 24,1% bei einer medianen progressionsfreien Überlebenszeit (PFS) von 8,3 Monaten und einem 1-JahresÜberleben (OS) von 84,4%. Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 8,4 Monate. Auch hier ist das mediane Gesamtüberleben noch nicht erreicht. Neue Sicherheitssignale traten laut LeiterStöppke nicht auf.
Fazit für den klinischen Alltag
„Wir freuen uns, für diese schwierig zu behandelnden Patienten mit fortgeschrittenem BCC eine suffiziente Systemtherapie mit guter Wirksamkeit und Verträglichkeit zu haben“, resümierte Leiter-Stöppke. Cemiplimab biete den Patienten unabhängig vom Lebensalter die Chance auf ein langfristiges Ansprechen. Das gelte auch für ältere Patienten und jene mit einem sehr ungünstigen Verlauf unter der vorangegangenen HHI-Behandlung. Elisabeth Wilhelmi, München
* Definiert als der Anteil der Patienten mit Complete Response (CR), Partial Response (PR), PD (Progressive Disease) oder NonPR/NonPD für ≥182 Tage ohne PD.
Orale Kontrazeption mit bioidentischem Estetrol – was muss der Gynäkologe wissen?
Hormonelle Kontrazeptiva zählen zu den zuverlässigsten Methoden der Empfängnisverhütung. Sie variieren hinsichtlich ihrer Zusammensetzung, Dosierung und Applikationsweise und wirken deshalb auf unterschiedliche Art und Weise. Welche Eigenschaften eine kombinierte orale Kontrazeption (KOK) wie Drovelis® mit bioidentischem Estetrol aufweist und zu welchen Frauen die neue Pille passt, erläuterten Professorin Petra Stute, Bern, und Dr. Ludwig N. Baumgartner, Freising, auf dem Wissenschaftlichen Lunch-Symposium der Gedeon Richter Pharma GmbH im Rahmen des Fortbildungskongresses für Frauenärztinnen und Frauenärzte (FOKO) am 11. März 2022 in Düsseldorf.
Innovative Kombination aus Estetrol und Drospirenon
Mit Drovelis® steht seit Juni 2021 eine Verhütungspille mit einer neuen bislang einzigartigen Wirkstoffkombination zur Verfügung, die bioidentisches Estetrol mit dem Gestagen Drospirenon vereint (3mg Drospirenon + 14,2 mgEstetrol). Wie Stute erläuterte, unterscheidet sich Estetrol (E4), das nur während der Schwangerschaft von der Leber des menschlichen Fötus produziert wird, von anderen in Kombinationspillen eingesetzten synthetischen und natürlichen Estrogenen durch seine chemische Struktur, einer zusätzlichen Hydroxylgruppe am C15-Atom, woraus ein spezifisches endokrines und metabolisches Profil resultiert. Vorläufige Untersuchungen deuten auf eine günstige Pharmakokinetik von Estetrol hin. So zeigte E4 Hinweise auf geringere hepatische und metabolische Effekte, wie beispielsweise eine geringere Beeinflussung von Hämostase-Parametern. Nach der oralen Einnahme unterliegt Estetrol einem umfangreichen Phase2-Metabolismus zur Bildung von Glukuronid- und Sulfatkonjugaten, ohne Umwandlung in Metaboliten mit estrogener Aktivität. Kombinationspartner von Estetrol in Drovelis® ist Drospirenon, das neben einer guten kontrazeptiven Sicherheit durch seine antiandrogenen und antimineralokortikoiden Effekte mit dem natürlich vorkommenden Hormon Progesteron vergleichbar ist.
Wie finden Frauen die passende Verhütungsmethode?
In der Kontrazeption gibt es nicht die eine Methode, die für alle passt. „Die große Herausforderung bei der Verhütungsberatung ist es deshalb, für jede Frau die richtige Verhütung zu finden, mit der sie möglichst zufrieden ist. Es liegt in der ärztlichen Verantwortung des Gynäkologen/der Gynäkologin, jede Frau in einem Gespräch aufzuklären und herauszufinden, welche Ansprüche sie an die Verhütungsmethode stellt und welche Verhütungsmethode passt“, erklärte Baumgartner sein Vorgehen im Praxisalltag. Dass Drovelis®, wie in der Zulassungsstudie bestätigt, ein sicheres und verträgliches hormonelles Kontrazeptivum für gesunde Frauen ist, bekräftigten die Klinikerin und der niedergelassene Gynäkologe gleichermaßen. Wie bei allen anderen Kombinationspillen sollten auch bei der Entscheidung, Drovelis® zu verordnen, die individuellen Risikofaktoren der einzelnen Frauen, insbesondere im Hinblick auf venöse Thromboembolien, berücksichtigt werden.
Antiandrogenen Effekt von Drospirenon nutzen
Baumgartner erläuterte, für welche Frauen Drovelis® die passende Verhütungsmethode sein kann. Seiner Empfehlung zufolge kann für Frauen, die beispielsweise mit einer Wirkstoffkombination aus Ethinylestradiol und Levonorgestrel verhüten, ein Pillenwechsel sinnvoll sein. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn Levonorgestrel als Gestagenpartner mit androgener Partialwirkung Hautprobleme wie Akne und Seborrhoe verursacht. Hier biete sich ein Präparat mit einem antiandrogenen Gestagen wie Drospirenon an. Dieses Thema spiele gerade in der Pubertät eine bedeutende Rolle, so der Experte. Stimmungsschwankungen und Libidostörungen, die auf den Einfluss von Ethinylestradiol auf die Synthese von Sexualhormon-bindendem Globulin (SHBG) zurückzuführen sind und die Lebensqualität der Anwenderinnen beeinträchtigen können, lassen eine Umstellung auf die Estetrol/DrospirenonKombination sinnvoll erscheinen, da Estetrol nicht an SHBG bindet und die hepatische SHBG-Synthese nur geringfügig induziert.
Mit Estetrol zu einem stabilen Zyklus
Anwenderinnen reiner Gestagenpräparate leiden aufgrund der fehlenden Estrogenkomponente oftmals an Blutungsstörungen, die sich als Spottings, Zwischenblu-