![](https://static.isu.pub/fe/default-story-images/news.jpg?width=720&quality=85%2C50)
5 minute read
Neue Daten zu Siponimod sprechen für frühen Therapiebeginn bei aktiver SPMS
Nach einem anfänglich schubförmig remittierenden Verlauf geht die Multiple Sklerose bei bis zu 89% der Patienten in eine sekundär progrediente Form (SPMS) über, bei der zwar seltener Schübe auftreten, es aber zu einer kontinuierlichen Verschlechterung der neurologischen Funktionen kommt. Die betroffenen Patienten leiden typischerweise unter einer Gangunsicherheit, Koordinationsstörungen, einer eingeschränkten Kognition, Müdigkeit, Erschöpfung und depressiven Verstimmungen [1]. Die Therapieoptionen bei sekundärer Progredienz beschränkten sich bisher auf β-Interferone oder Mitoxantron, bei Patienten ohne Schübe sogar nur auf Mitoxantron [2]. Mit dem seit 2020 verfügbaren Wirkstoff Siponimod (Mayzent®) steht erstmals ein peroral bioverfügbares Medikament zur Verfügung, das für erwachsene SPMS-Patienten mit Krankheitsaktivität, nachgewiesen durch Schübe oder Bildgebung der entzündlichen Aktivität, indiziert ist [3]. Wie die Zulassungsstudie EXPAND bei SPMS-Patienten mit verschiedenem Schweregrad der Behinderung nachwies, verzögerte der Sphingosin-1-Phosphat (S1P)Rezeptormodulator Siponimod bei den Patienten mit aktiver SPMS das Risiko einer nach 3 bzw. 6 Monaten bestätigten Behinderungsprogression signifikant um 31% bzw. 37% gegenüber Placebo. Außerdem war die jährliche Schubrate im Vergleich zu Placebo um 46% reduziert, die kumulative Anzahl von Gd-verstärkenden T1-gewichteten Läsionen über 24 Monate um 85%. Das T2-Läsionsvolumen nahm um 1163m3 weniger zu als unter Placebo und der prozentuale Volumenverlust der grauen Hirnsubstanz war um 0,141% geringer als unter Placebo [4, 5]. Auf dem diesjährigen Meeting der American Academy of Neurology (AAN) wurden aktuelle Ergebnisse der Extensionsphase der EXPAND-Studie präsentiert. Sie zeigen, dass SPMS-Patienten umso mehr von der Therapie mit Siponimod profitieren, je früher sie auf den S1P-Rezeptormodulator umgestellt wurden [6, 7].
5-Jahres-Ergebnisse bestätigen größeren Benefit bei frühem Wechsel auf Siponimod
Advertisement
Als wesentliches Ergebnis der EXPAND-Studie zeichnete sich ab, dass die Behandlungsergebnisse umso besser ausfielen, je früher die Patienten Siponimod erhalten hatten [4]. Um den Nutzen einer frühen Transition zu belegen, ging die Studie in die Verlängerung: Von den 1.651 Patienten, die nach median 21 Monaten die EXPANDKernstudie beendet hatten, wechselten 1.224 in die offene 7-Jahres-Verlängerungsphase. In dieser Extensionsphase erhalten die Patienten entweder weiterhin Siponimod oder haben zu Beginn der Extensionsphase von Placebo auf Siponimod gewechselt (PlaceboSwitch-Gruppe). Die über den bislang ausgewerteten Zeitraum von 5 Jahren gewonnenen Daten zeigen, dass die Patienten, die schon seit Beginn der EXPAND-Studie kontinuierlich mit Siponimod behandelt wurden, ein deutlich besseres Outcome hatten als die, die erst später auf Siponimod umgestellt wurden [6]: Bezogen auf das gesamte Gehirn zeigten die Patienten der Siponimod-Gruppe 0,14% weniger Hirnvolumenverlust (–1,62% vs. –1,76%, p<0,05) und bezogen auf den Thalamus 0,8% (–2,68% vs. –3,48%, p<0,0001) als die Patienten der Placebo-Switch-Gruppe. Auch fielen unter fortlaufender Einnahme des S1P-Rezeptors Änderungen im T2-Läsionsvolumen geringer aus und es traten signifikant weniger neue oder sich vergrößernde T2-Läsionen auf (jeweils p<0,0001 vs. PlaceboSwitch-Gruppe). Die insgesamt geringen (–1,42% vs. –1,43%, p=n.s.) Volumenverluste der kortikalen grauen Substanz waren nach 5 Jahren in beiden Gruppen vergleichbar, wobei der unter Placebo beobachtete anfänglich rasche Volumenverlust sowie die Läsionsaktivität nach Umstellung auf Siponimod gebremst werden konnten [6]. Eine ebenfalls auf dem diesjährigen AAN-Kongress vorgestellte Post-hoc-Analyse der EXPANDStudie betrachtet die Subgruppe von Patienten mit aktiver SPMS, definiert durch das Auftreten von Schüben in den 2 Jahren vor dem Screening und/oder ≥1 Gadolini-
Siponimod
Siponimod (Mayzent®) ist ein Modulator des Sphingosin-1-Phosphat-(S1P)-Rezeptors, der selektiv an S1P1- und S1P5-Rezeptoren bindet. Durch die S1P-Modulation wird erreicht, dass pathogene Lymphozyten nicht mehr aus den Lymphknoten austreten und folglich auch nicht in das Zentralnervensystem von MS-Patienten gelangen können [8]. Dadurch wird mit Siponimod die aus der Peripherie getriebene Entzündung gehemmt [9]. Zusätzlich zum Wirkmechanismus in der Peripherie tritt Siponimod auch in das ZNS ein und bindet dort an S1P1- und S1P5-Rezeptoren auf spezifischen Zellen im ZNS, einschließlich Astrozyten, Mikroglia und Oligodendrozyten [10]. Diese Zielstrukturen sind in remyelinisierende und neuroprotektive Mechanismen involviert, welche auch entsprechend in präklinischen MS-Modellen für Siponimod gezeigt werden konnten [11]. Erste Ergebnisse mittels MTR (Magnetization Transfer Ratio)-Messungen deuten darauf hin, dass diese positiven Effekte auf die Myelinisierung und den Erhalt von Plastizitätsreserve auch aus den Tiermodellen auf SPMS-Patienten übertragen werden können [12].
um-anreichernden T1-Läsion [7]. 516 dieser Patienten erhielten Siponimod 2mg/d und 263 Patienten bekamen Placebo. Untersucht wurde die Wirksamkeit von Siponimod anhand der nach 3 und 6 Monaten bestätigten Behinderungsprogression (gemessen am EDSS-Wert) in Abhängigkeit von der MS-Erkrankungsdauer. 427 (55%) der insgesamt 779 erfassten Patienten waren seit weniger als 16 Jahren an MS erkrankt. Bei ihnen verringerte die Siponimod-Therapie signifikant das Risiko für eine bestätigte Behinderungsprogression im Vergleich zu Placebo um 32% nach 3 Monaten (p=0,0378) und um 43% nach 6 Monaten (p=0,0093). Bei einer MS-Erkrankungsdauer von 16 Jahren oder länger zeigten Patienten unter Siponimod-Therapie tendenziell seltener eine bestätigte Behinderungsprogression als Patienten unter Placebo; dies galt sowohl für den 3-Monats-Zeitraum (Siponimod 26%; Placebo 36%; p=0,0540) als auch für die Beurteilung nach 6 Monaten (Siponimod 22%; Placebo 28%; p=0,1544). Das Verträglichkeitsprofil von Siponimod war – mit einer nur leicht erhöhten Rate an unerwünschten Wirkungen bei den langjährig erkrankten Patienten – mit dem der Gruppe mit kürzerer Erkrankungsdauer vergleichbar.
Brigitte Söllner, Erlangen
Literatur
1 Multiple Sclerosis International Federation. Atlas of MS 2013. http://www.msif. org/wp-content/uploads/2014/09/Atlasof-MS.pdf 2 National Multiple Sclerosis Society. Secondary Progressive MS (SPMS). https:// www.nationalmssociety.org/What-is-MS/
Types-of-MS/Secondary-progressive-MS 3 European Commission, Public Health –
Union Register of medicinal products. https://ec.europa.eu/health/documents/ community-register/html/h1414.htm 4 Kappos L, Cree B, Fox R et al. Siponimod versus placebo in secondary progressive multiple sclerosis (EXPAND): a double-blind, randomized, phase 3 study.
Lancet 2018;391:1263-1273 5 Gold R, Kappos L, Bar-Or A et al. Efficacy of siponimod in secondary progressive multiple sclerosis patients with active disease: the EXPAND study subgroup analysis. 35th Congress of the European Committee for Treatment and Research in
Multiple Sclerosis, September 2019:
P750 6 Arnold DL et al. Long-term effect of siponimod on MRI Outcomes in SPMS: analyses from the EXPAND study up to 5 years. Virtueller AAN-Kongress, April 2021; ePoster P15.083 7 Cohan SL et al. Analyses of the effect of disease duration on the efficacy and safety of siponimod in patients with active
SPMS from the phase 3 EXPAND study.
Virtueller AAN-Kongress, April 2021; ePoster P15.101 8 Brinkmann V. FTY720 (fingolimod) in multiple sclerosis: therapeutic effects in the immune and in the central nervous system. Br J Pharmacol 2009;158:11731182 9 Gergely P, Nuesslein-Hildesheim B,
Guerini D et al. The selective sphingosine 1-phosphate receptor modulator BAF312 redirects lymphocyte distribution and has species-specific effects on heart rate. Brit
J Pharmacol 2012;167:1035-1047 10 Tavares A, Barret O, Alagille D et al.
Brain distribution of MS565, an imaging analogue of siponimod (BAF312), in non-human primates. Eur J Neurol 2014; 21 (Suppl 1):504-PP2067 11 Dietrich M, Hecker C, Ramseier P et al.
Neuroprotective potential for siponimod (BAF312) revealed by visual system readouts in a model of experimental autoimmune encephalomyelitis-optic neuritis (EAEON). 35th Congress of the European
Committee for Treatment and Research in
Multiple Sclerosis, September 201: P844 12 Arnold et al. Impact of siponimod on myelination as assessed by MTR across
SPMS subgroups: Post hoc analysis from the EXPAND MRI substudy. Posterpräsentation Nr. P0587 beim 8. ACTRIMS-
ECTRIMS-Meeting, MSVirtual2020