Journal Jahrgang 2021, Ausgabe 04

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ach einem anfänglich schubförmig remittierenden Verlauf geht die Multiple Sklerose bei bis zu 89 % der Patienten in eine sekundär progrediente Form (SPMS) über, bei der zwar seltener Schübe auftreten, es aber zu einer kontinuierlichen Verschlechterung der neurologischen Funktionen kommt. Die betroffenen Patienten leiden typischerweise unter einer Gangunsicherheit, Koordinationsstörungen, einer eingeschränkten Kognition, Müdigkeit, Erschöpfung und depressiven Verstimmungen [1]. Die Therapieoptionen bei sekundärer Progredienz beschränkten sich bisher auf β-Interferone oder Mitoxantron, bei Patienten ohne Schübe sogar nur auf Mitoxantron [2]. Mit dem seit 2020 verfügbaren Wirkstoff Siponimod (Mayzent®) steht erstmals ein peroral bioverfügbares Medikament zur Verfügung, das für erwachsene SPMS-Patienten mit Krankheitsaktivität, nachgewiesen durch Schübe oder Bildgebung der entzündlichen Aktivität, indiziert ist [3]. Wie die Zulassungsstudie EXPAND bei SPMS-Patienten mit verschiedenem Schweregrad der Behinderung nachwies, verzögerte der Sphingosin-1-Phosphat (S1P)Rezeptormodulator Siponimod bei den Patienten mit aktiver SPMS das Risiko einer nach 3 bzw. 6 Monaten bestätigten Behinderungsprogression signifikant um 31 % bzw. 37 % gegenüber Placebo. Außerdem war die jährliche Schubrate im Vergleich zu Placebo um 46 % reduziert, die kumulative Anzahl von Gd-verstärkenden T1-gewichteten Läsionen über 24 Monate um 85 %. Das T2-Läsionsvolumen nahm um 1163 m3 weniger zu als unter Placebo und der prozentuale Volumenverlust der grauen Hirnsubstanz war um 0,141 % geringer als unter Placebo [4, 5].

NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

Neue Daten zu Siponimod sprechen für frühen Therapiebeginn bei aktiver SPMS Auf dem diesjährigen Meeting der American Academy of Neurology (AAN) wurden aktuelle Ergebnisse der Extensionsphase der EXPAND-Studie präsentiert. Sie zeigen, dass SPMS-Patienten umso mehr von der Therapie mit Siponimod profitieren, je früher sie auf den S1P-Rezeptormodulator umgestellt wurden [6, 7]. 5-Jahres-Ergebnisse bestätigen größeren Benefit bei frühem Wechsel auf Siponimod

Als wesentliches Ergebnis der EXPAND-Studie zeichnete sich ab, dass die Behandlungsergebnisse umso besser ausfielen, je früher die Patienten Siponimod erhalten hatten [4]. Um den Nutzen einer frühen Transition zu belegen, ging die Studie in die Verlängerung: Von den 1.651 Patienten, die nach median 21 Monaten die EXPANDKernstudie beendet hatten, wechselten 1.224 in die offene 7-Jahres-Verlängerungsphase. In dieser Extensionsphase erhalten die Patienten entweder weiterhin Siponimod oder haben zu Beginn der Extensionsphase von Placebo auf Siponimod gewechselt (PlaceboSwitch-Gruppe). Die über den bislang ausgewerteten Zeitraum von 5 Jahren gewonnenen Daten zeigen, dass die Patienten, die schon seit Beginn der

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EXPAND-Studie kontinuierlich mit Siponimod behandelt wurden, ein deutlich besseres Outcome hatten als die, die erst später auf Siponimod umgestellt wurden [6]: Bezogen auf das gesamte Gehirn zeigten die Patienten der Siponimod-Gruppe 0,14 % weniger Hirnvolumenverlust (–1,62 % vs. –1,76 %, p < 0,05) und bezogen auf den Thalamus 0,8 % (–2,68 % vs. –3,48 %, p < 0,0001) als die Patienten der Placebo-Switch-Gruppe. Auch fielen unter fortlaufender Einnahme des S1P-Rezeptors Änderungen im T2-Läsionsvolumen geringer aus und es traten signifikant weniger neue oder sich vergrößernde T2-Läsionen auf (jeweils p < 0,0001 vs. PlaceboSwitch-Gruppe). Die insgesamt geringen (–1,42 % vs. –1,43 %, p = n.s.) Volumenverluste der kortikalen grauen Substanz waren nach 5 Jahren in beiden Gruppen vergleichbar, wobei der unter Placebo beobachtete anfänglich rasche Volumenverlust sowie die Läsionsaktivität nach Umstellung auf Siponimod gebremst werden konnten [6]. Eine ebenfalls auf dem diesjährigen AAN-Kongress vorgestellte Post-hoc-Analyse der EXPANDStudie betrachtet die Subgruppe von Patienten mit aktiver SPMS, definiert durch das Auftreten von Schüben in den 2 Jahren vor dem Screening und/oder ≥1 Gadolini© VERLAG PERFUSION GMBH


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