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Vorweg – Ein Blick zurück

KLAUS HOHEISEL

Als wir, Andreas Kohrs und Klaus Hoheisel, im Herbst 1979 unser erstes Konzert planten, konnten wir nicht ahnen, was daraus einmal werden würde. Die Initiative Kunst & Kultur Northeim gab es damals noch nicht. Nach den ersten, noch in privater Eigeninitiative durchgeführten Veranstaltungen kam es in den folgenden Jahren zur Vereinsgründung und zur Anerkennung der Gemeinnützigkeit und der Eintragung im Vereinsregister. Nun, im Sommer 2021, blicken wir auf nahezu 600 Veranstaltungen in über 55 Spielstätten zurück. Alles wurde ehrenamtlich bewältigt. Das zeugt von einem beharrlichen und beständigen Engagement für die Kultur in der Region.

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Vereinszweck der ‚Initiative Kunst & Kultur Northeim e.V.‘ ist die Förderung der Kunst und Kultur, insbesondere durch die Organisation und Durchführung von Konzerten, Ausstellungen und sonstigen Veranstaltungen.

In den sechziger und siebziger Jahren passierte eine Menge im kulturellen Bereich. Es war eine extrem anregende und aktive Phase mit viel Kreativität und Innovation. Nur nicht in unserer Region, so empfanden wir das. Wir fuhren daher dorthin, wo das über die Bühne ging, was uns interessierte: Gitarrenmusik, Rock, Blues, Folk und Jazz. Angeboten wurden derartige Konzerte bei den Berliner Jazztagen und dem Total Music Meeting in Berlin, beim Moers-Festival, beim Jazz auf der Burg Altena und in der Balver Höhle, auf Festivals und in einschlägigen Clubs in meist größeren Städten, wie z.B. der Röhre in Moers, dem Bunker Ulmenwall in Bielefeld, der Unterfahrt in München sowie der Fabrik und Onkel Pö in Hamburg und dem Jazzclub in Hannover-Linden.

Naheliegend war für uns das kulturelle Geschehen in Göttingen. Dort gab es einige Live-Clubs wie das Blue Note, den Theaterkeller, das Podium, die Musa, die Alraune und vereinzelt Konzerte im Deutschen Garten. Es gab von 1970 bis 1985 den innovativen Kunstmarkt an der Stadthalle mit Kulturprogramm im angrenzenden Cheltenham-Park, kulturelle Angebote des Studentenwerks in der Zentralmensa und die „Umsonst & Draußen“ Festivals im Kaiser-Wilhelm-Park. 1978 entstand das Jazzfestival Göttingen.

Aber Northeim? Weitgehend Fehlanzeige. Bei einer nächtlichen Rückfahrt von einem Jazz-Festival im Sauerland entstand die Idee: Wir planen selbst. Da wir damals auch die Gitarrenmusik entdeckten und kurz zuvor Peter Finger und Martin Kolbe & Ralf Illenberger beim Klangbüchsen-Festival in Hannover-Langenhagen gehört hatten, legten wir mit Peter Finger los. Sein Konzert am 9. Dezember 1979 im Muthaussaal Hardegsen war sozusagen die musikalische Geburtsstunde für uns als Veranstalter. Nach diesem erfolgreichen Start wurde noch am selben Abend das nächste Konzert mit dem damals sehr angesagten Duo „Kolbe & Illenberger“ geplant.

Der Anfang war also gelungen – und es machte Spaß! So sollte es weitergehen und daher ein Verein gegründet werden, um unsere weiteren Vorhaben auf eine rechtlich ordentliche Grundlage zu stellen. Mit der Vereinsgründung ver-

Muthaussaal Hardegsen in den 1980er Jahren

Jürgen Slopianka 1982 im Muthaussaal

Publikum im Muthaussaal Hardegsen beim Konzert von Kolbe & Illenberger

Vollbesetzter Saal beim David Lindley Konzert in Sülbeck

Karibuni Josephine Kronfli und Pit Budde

Kari Bremnes aus Norwegen

Musiknacht Northeim 2019 suchten wir, die Zielsetzung zu erweitern und auch Ausstellungen und Lesungen ins Programm zu nehmen. Es hat sich aber bald gezeigt, dass dies nur bedingt gelingen würde. Wir verstanden uns als „Mitmachverein“, in dem es möglich sein sollte, in dem gegebenen Rahmen eigene Vorstellungen aktiv zu verwirklichen, sprich: selbst zu planen und sich darum zu kümmern. So blieb es schließlich bei einem kleinen Kreis von Menschen, die sich für Musik engagieren und Konzerte planen wollten. Gleichwohl kam es im Laufe der Jahre auch zu einigen Ausstellungen, Lesungen und besonderen regionalen Festen und Projekten.

Die Zahl der im Verein organisierten ehrenamtlich tätigen Mitglieder hat sich mit Wechseln im Laufe der Jahre kontinuierlich erhöht. Von Anfang an dabei sind noch heute die beiden Gründungsmitglieder Andreas Kohrs und Klaus Hoheisel. Derzeit zählt der Verein rund 30 Mitglieder.

Im den ersten zehn Jahren bis 1990 wurden rund 40 Veranstaltungen durchgeführt. Im folgenden Jahrzehnt 1991 bis 2000 waren es bereits rund 100. Seit 2001 bis heute sind jährlich jeweils 20 Veranstaltungen angeboten worden. 400 der insgesamt 600 Veranstaltungen fanden somit seit 2001 statt. Detaillierte Übersichten dazu finden sich am Ende des Buches.

Musikalisch war das Spektrum sehr breit: von Gitarrenmusik verschiedener Richtung, modernem Jazz, Rock, Blues, Reggae, Folk und Weltmusik bis hin zu experimentellen Klängen und manchmal auch Klassik hat uns vieles interessiert. Aus all diesen Bereichen kamen die Musikerinnen, Musiker und Bands nicht nur aus Deutschland, sondern aus vielen anderen Ländern, wie z.B. USA, Großbritannien, Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland, den Niederlanden, Belgien, der Schweiz, Österreich, Frankreich, Portugal, Italien, Polen, Russland, Ukraine, Japan, Afrika, Jamaica, Brasilien, Australien und Südkorea. Oft standen die Künstlerinnen und Künstler am Beginn ihrer Karriere, manchmal gastierten aber auch solche mit schon „großen“ Namen. Immer wieder sind zudem Projekte mit Bands aus der Region realisiert worden.

Im vorliegenden Buch werden wir unser Programm im Rückblick aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln betrachten. Generell lässt sich wohl festhalten, dass sich die Initiative Kunst & Kultur Northeim im Bereich sogenannter „Alternativer Kultur“ und der „Soziokultur“ bewegt, dass sie also vorrangig eher unterrepräsentierten Spielarten und Künstlerinnen und Künstlern einen Raum bieten wollte und will.

In den 40 Jahren als Konzertveranstalter haben wir viele wunderbare Musikerinnen und Musiker kennenlernen dürfen. Mit manchen haben sich dauerhafte Kontakte und Freundschaften entwickelt. Das hat unser Leben bereichert und dafür sind wir dankbar. Bei allen Begegnungen und unserem Handeln sind uns Werte unverzichtbar: Weltoffenheit, Vielfalt, Gleichberechtigung, Menschlichkeit und ein respektvoller Umgang miteinander.

Aus der Summe aller Beiträge unseres Buches wird eines deutlich: Das kulturelle Leben im Landkreis Northeim ist bunt und vielfältig. Ohne das Engagement der vielen Ehrenamtlichen und der Initiativen von privaten Kulturschaffenden wäre dies so nicht möglich. Das sollten wir erkennen, und es sollte für alle Verantwortlichen Antrieb sein, sich die Bedeutung von Kultur für die Gemeinschaft und das gesellschaftliche Zusammenleben immer wieder bewusst zu machen. Dazu bedarf es dauerhafter, verlässlicher Strukturen im öffentlichen Bereich und der Unterstützung ehrenamtlicher Arbeit.

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