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Zwei Stolpersteinverlegungen in Hameln 2013 und 2018

Zwei Stolpersteinverlegungen sollen besonders gewürdigt werden. Zu beiden waren Angehörige aus dem Ausland gekommen.

Die erste Verlegung in Hameln für Familie Jonas am 26. November 2013

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Die erste Verlegung von Stolpersteinen in Hameln fand am 26. November 2013 vor dem Haus Baustr. 16 in Hameln statt. Dort hatten der Viehhändler Albert Jonas, seine Frau Bertha und seine drei Kinder Else, Arthur und Anneliese gewohnt. Nur Arthur war 1939 die Flucht nach England gelungen. Zur Verlegung waren die beiden Kinder von Arthur, Frank Jones und Ruth Torode gekommen, die heute in England bzw. Irland leben. Außerdem war Ute Siegeler aus Borken in Westfalen anwesend, die wie Bertha Jonas aus der Familie Rothenberg stammt.

Von dieser Stolpersteinverlegung werden nachfolgend Ruth Torodes im Jahre 2021 verfasster Rückblick sowie die beiden Reden von Oberbürgermeisterin Susanne Lippmann und Bernhard Gelderblom dokumentiert.

Die Geschwister Frank Jones und Ruth Torode (in der Mitte), Ute Siegeler (rechts) mit ihrem Sohn und Gunter Demnig (links) Foto Joachim Schween 2013

Ruth Torode in der Rückschau auf den 26. November 2013 (geschrieben im Januar 2021):

„Im November 2013, dem 75. Jahrestag der ‚Kristallnacht‘, wurden mein Bruder

Frank und ich eingeladen, an der Installation von Stolpersteinen für unsere Familie teilzunehmen. Fünf Steine wurden vor dem ehemaligen Haus unseres Vaters Arthur Jonas gelegt: Für seine Eltern Bertha und Albert, für seine Schwestern Else und

Anneliese und für ihn selbst. Zwei Steine wurden außerdem in Tündern vor dem

Haus seiner Tante Emilie und ihrer Nichte Alice installiert. Aus der großen Familie

Jonas war nur unserem Vater Arthur die Flucht aus Deutschland gelungen. Von unserer Kindheit an erzählten uns unsere Eltern Geschichten über die Familie Jonas und über die Tante unserer Mutter und ihren Onkel, den Arzt Dr. Siegmund Kratzenstein, die sie in die Jonas-Familie eingeführt hatten. Wir hörten von ihren Verwandten und Freunden, ihrer Arbeit, ihren Tieren und der Schönheit der umliegenden Landschaft Hamelns. Wir hörten aber auch von der Nazizeit, dem

Schock der ‚Kristallnacht‘ und dem, was folgte: Die Verschleppung unseres Großvaters und Vaters in das KZ Buchenwald 1938, die Flucht unseres Vaters nach England 1939, die Kriegsjahre und die vergebliche Qual, die Schicksale geliebter Menschen aufzuspüren. Es war für uns sehr bewegend zu sehen, dass gute Leute so viel Mühen investiert hatten, um das Projekt Stolpersteine in Hameln durchzusetzen. Die Zeremonie selbst war eindrucksvoll: die körperliche Arbeit beim Installieren der Steine in den Bürgersteig, die knappen Worte, die auf jedem Stein eingraviert waren, Schülerinnen und Schüler, die kurze Biographien zu jeder Person lasen, das Platzieren weißer Rosen auf den Steinen am Schluss. Die Zeremonie in Tündern war noch eindrucksvoller, weil sie in der Dunkelheit stattfand und von Scheinwerfern beleuchtet wurde. In beiden Fällen erwärmte uns die Tatsache, dass trotz der herrschenden

Kälte eine große Zahl von Menschen der Zeremonie beiwohnte. Die Bedeutung des Tages für uns war gemischt. Einerseits erinnerte er uns schmerzlich daran, wie viele Verwandte wir in Hameln und anderswo verloren hatten – uns bekannte Namen, aber auch Menschen, die wir nie getroffen hatten und nur von Fotos kannten. Aus Briefen, die sich glücklicherweise erhalten hatten, wussten wir, dass die Eltern unseres Vaters und seine Schwestern, bevor sie deportiert wurden, zumindest von der Ehe unserer Eltern und von Franks Geburt im Jahr 1941 erfahren hatten. Andererseits bedeutete der Tag aber auch etwas ganz wichtiges. Die Nazis hatten den Juden die deutsche Staatsbürgerschaft genommen. Durch die Zeremonie der Stolpersteine erhielten die Deportierten und Vertriebenen die Anerkennung zurück, deutsche Bürger zu sein. Wir alle kennen die Plaketten an Gebäuden, die darauf hinweisen, dass dort einmal prominente Menschen gelebt hatten. Die Stolpersteine dokumentieren das Leben von prominenten, vor allem aber auch von ganz gewöhnlichen Menschen, die einst stolz darauf waren, deutsche Bürger zu

sein. Unsere Eltern wären froh darüber gewesen, dass sie eines Tages in Deutschland wieder so anerkannt werden würden.

Nachtrag: Meine Tochter hat ihr jüdisches Erbe zurückerlangt und lebt jetzt in Israel. Mein Sohn hat die deutsche Staatsbürgerschaft zurückerlangt und lebt jetzt in Deutschland. Für meinen Bruder Frank und für mich repräsentieren unsere Kinder und Enkel das Überleben und die Zukunft unserer beiden elterlichen Familien, die fast ausgelöscht wurden.“

Ansprache von Oberbürgermeisterin Susanne Lippmann:

„Wir stehen hier vor einem ‚ganz normalen‘ Haus in der Baustraße. Nichts deutete bislang darauf hin, was hier geschehen ist. Dass die Familie Jonas, die hier bis Anfang der 1940er Jahre wohnte, deportiert wurde und zu Tode gekommen ist – das konnte niemand ahnen, der hier entlangging. Denn nun werden wir regelrecht auf das Schicksal der Familie Jonas gestoßen.

Wir werden darauf aufmerksam gemacht, dass hier eine komplette Familie ausgelöscht wurde: Albert Jonas, seine Frau Bertha und die drei Kinder Else, Arthur und Anneliese. Fünf Stolpersteine werden heute an dieser Stelle verlegt, fünf Steine zum Gedenken an das schreckliche Schicksal einer Familie, die gewaltsam aus dem Leben gerissen wurde. Die Steine helfen, die Opfer aus der Anonymität herauszuholen.

Ihre Lebensgeschichte wird greifbar, sie erhalten ein Gesicht. Unübersehbar, fest im Pflaster verankert – fünf Steine, die uns zum Innehalten auffordern, zum Stehenbleiben und zum Nachdenken: Wie konnte all das vor unserer Haustür geschehen? Warum haben so viele Menschen weggeschaut? Und wie lässt sich so etwas in Zukunft verhindern? Die Steine sind weit mehr als nur Symbolik. Sie helfen uns, die Erinnerung an Menschen wachzuhalten, die unvorstellbare

Grausamkeiten erleiden mussten – wie die Familie Jonas, aber auch die Familie Culp/Friedheim, vor deren Haus in der Neuen

Marktstraße heute ebenfalls Stolpersteine verlegt werden. Und auch in Tündern werden wir ja anschließend noch zwei Stolpersteine setzen. Das Gedenken wird damit ‚in Stein gemeißelt‘. Niemand kann mehr unbedacht darüber hinweggehen, niemand kann mehr leugnen, vergessen und verdrängen. Das ist unsere Botschaft. Es ist auch ein Zeichen dafür, dass Hameln ein sehr düsteres Kapitel seiner Geschichte angenommen hat. Und es ist auch ein wichtiges Signal an zukünftige Generationen: Niemals dürfen wir vergessen, was geschehen ist! Wir müssen gleichzeitig den Bogen in die Zukunft spannen.

Wir sind aufgefordert, alles zu tun, damit Menschenverachtung,

Oberbürgermeisterin Susanne Lippmann (links) mit einer Schülerin des Albert Einstein-Gymnasiums Hameln Foto Joachim Schween 2013

Hass und Gewalt nie wieder eine Chance haben. Rechtsextremes Gedankengut darf bei uns keinen Platz haben, die Saat soll bei uns nicht aufgehen. Das ist das Vermächtnis der Menschen, derer wir heute gedenken.

Ich bin sehr froh, dass der ‚Erfinder‘ der Stolpersteine, der Künstler Gunter Demnig, heute nach Hameln gekommen ist, um bei der erstmaligen Verlegung von Stolpersteinen in unserer Stadt persönlich dabei zu sein. Wir sehen, was aus einer Idee werden kann – das Projekt ‚Stolpersteine‘ hat immer weiter Kreise gezogen, inzwischen finden wir europaweit mehr als 42.000 dieser Steine. Hätten Sie es selbst für möglich gehalten, dass Ihre Idee an so vielen Orten umgesetzt wird?

Ich bin dankbar, dass nun auch Hameln dabei ist. Der Stadtrat hatte sich einstimmig dafür ausgesprochen, auch in unserer Stadt Stolpersteine zu verlegen. Und ich bin sicher: Diese Steine werden ein wichtiger Beitrag der Erinnerungskultur in unserer Stadt sein.

Besonders freue ich mich, dass Bürgerinnen und Bürger mit ihren Spenden die Verlegung der Stolpersteine möglich gemacht haben. Sie engagieren sich damit für eine wichtige Sache – herzlichen Dank!

Ich danke sehr herzlich den Familienmitgliedern der Opfer, die teilweise eine weite Reise auf sich genommen haben und uns heute auf diesem Weg begleiten. Sie geben uns die Chance zu zeigen, dass Deutschland heute ein anderes Land ist.“

Die Geschwister Frank Jones und Ruth Torode während der Verlegung Foto Joachim Schween 2013

Ansprache von Bernhard Gelderblom:

„Frau Lippmann hat soeben für die Stadt Hameln und für uns Bürgerinnen und

Bürger gesprochen. Ich will versuchen zu sagen, welche Bedeutung die Stolpersteine für die Angehörigen haben.

Die wenigen Überlebenden der Familie Jonas haben für die Menschen, die sie verloren haben, nie einen Grabstein setzen können, zu dem sie in ihrer Trauer hätten gehen konnten. Die Orte, an denen Albert und Bertha, Else und Anneliese Jonas ermordet worden sind, tragen Namen wie Auschwitz, Treblinka und Theresienstadt. Es sind Orte der Vernichtung, Unorte.

Jetzt setzt Gunter Demnig unter unseren Augen zwar keine Grabsteine, aber Lebenszeichen. ‚Hier wohnte …‘ – so beginnt jeder Text auf einem Stolperstein. Hier in der Baustraße 16 hat die Familie Jonas gewohnt, hier war ihr Lebensmittelpunkt. Von hier aus sind Else, Arthur und Anneliese Jonas als Kinder zur Schule gegangen, haben sie ihre Ausbildung gemacht und ihre Berufe ausgeübt. Von hier aus aber hat sie auch die Stadtverwaltung ins ‚Judenhaus‘ Neue Marktstraße geschickt, bevor sie von der Gestapo ins Ghetto Warschau und ins Ghetto Theresienstadt verschleppt wurde.

Ich möchte mich bei Euch bedanken, dass Ihr zu diesem Anlass heute zu uns nach Hameln gekommen seid.

Liebe Ruth Torode aus Dublin, lieber Frank Jones aus London. Ihr seid beide Kinder von Arthur Jonas, dem als einzigem noch die Flucht nach London gelang. Liebe Ute Siegeler aus Borken in Westfalen. Sie stammen wie Bertha Jonas aus der Familie Rothenberg. Ihr habt diese Stolpersteine gewollt, habt Euch für sie eingesetzt. Für Euch mag sich damit, so möchte ich hoffen, eine schmerzliche Lücke schließen. Für uns birgt Eure Anwesenheit und die konkrete Erinnerung in Form der Steine den Keim zur Versöhnung.“

Die Verlegung für Familie Blank am 27. September 2018

Die einst bedeutende Teppichfirma Otto Kuhlmann (oka) war 23 Jahre lang von Albert Blank mit Erfolg geführt worden. Dann wurde ihm seine jüdische Herkunft zum Verhängnis. Unter dem Druck der nationalsozialistischen Verfolgung wurde Blank faktisch gezwungen zu verkaufen. Mit seiner Frau und seinen drei Töchtern ging er in die Emigration. Den größten Teil des Kaufpreises blieb der Käufer schuldig.

Auch nach dem Krieg erfuhr er keine angemessene Gerechtigkeit. Der „Ariseur“ ging unbelastet aus dem Entnazifizierungsverfahren heraus. Familie Blank hingegen schlug anstelle von Empathie Zweifel an der Berechtigung der Rückerstattungsforderung entgegen. Für die Blanks kam eine Rückkehr nach Deutschland nicht mehr infrage. Die Familie hatte – bis in die dritte Generation – die faktische Enteignung und die Flucht aus Deutschland nie verwunden.

Nach einem langen Briefwechsel mit Bernhard Gelderblom kamen die Enkel zu der Entscheidung, der Verlegung der Stolpersteine zuzustimmen und zur Zeremonie nach Hameln zu kommen. Drei Enkel mit ihren Angehörigen, insgesamt zehn Personen, kamen aus den USA, Großbritannien und Polen nach Hameln.

Das zweitägige Programm sah für den Nachmittag des 26. September 2018 den Besuch des Standorts der ehemaligen Teppichfabrik oka im Hefehof vor. Dort wurde die Gruppe vom Hausherrn Jobst-Walter Dietz empfangen und durch die weitläufige Anlage geführt. Anschließend gab es auf Einladung des Vereins für regionale Kultur- und Zeitgeschichte ein Abendessen mit den Angehörigen der Familie Blank und dem Künstler Gunter Demnig.

Am nächsten Tag fand am Vormittag die Verlegung der fünf Stolpersteine durch Gunter Demnig vor ihrem ehemaligen Wohnhaus statt.

Teilnehmerkreis der Stolpersteinverlegung (links); Schülerinnen und Schüler beim Niederlegen von Rosen (rechts) Fotos Olaf Piontek 2018

Die Angehörigen der Familie vor dem Haus Kaiserstraße 21 Foto Olaf Piontek 2018

Begleitet wurde die Verlegung durch Hamelns Bürgermeisterin Karin Echtermann, Schülergruppen der Viktoria-Luise-Schule mit ihrer Lehrerin Katharina Zabel, Vertreter der orthodoxen jüdischen Gemeinde Hamelns und des Vereins für regionale Kultur- und Zeitgeschichte. Zu jedem Stein der fünf Familienmitglieder las eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern die individuelle Biographie und legte eine Blume nieder.

Anschließend besichtigten die Angehörigen auf Einladung der Eheleute Weise, den heutigen Eigentümern, das Haus, das ihr Großvater gebaut hatte.

Danach hatte Bürgermeisterin Karin Echtermann die Angehörigen zum offiziellen Empfang im Hamelner Hochzeitshaus geladen. Dort hielt Geoffrey Harris im Namen der Angehörigen die folgende Rede: „Frau Bürgermeisterin Echtermann, Herr Gelderblom, Frau Maria Bergmann und

Familie Nega, die Sie diese bedeutsame und emotionale Veranstaltung mit uns teilen, auch unseren Familien und Freunden einen ‚guten Morgen‘ und danke dafür, dass Sie alle hier sind, und auch vorher bei der sehr besonderen Zeremonie, die beim

Elternhaus meiner Mutter stattfand. … Ich entschuldige mich dafür, dass ich jetzt nach nur zwei Worten Deutsch ins

Englische wechsele, aber wenn das Leben anders gelaufen wäre, würde ich jetzt

Deutsch fließend sprechen und in dieser wunderschönen Stadt wohnen. Für dieje-

nigen, die mich nicht kennen; mein Name ist Geoffrey Harris und ich bin der Enkel von Herrn und Frau Albert Blank, den ursprünglichen Eigentümern des Hauses in der Kaiserstraße 21.

Ich möchte mich besonders bei Herrn Bernhard Gelderblom dafür bedanken, dass er diese Veranstaltung organisiert hat, die so wichtig für unsere Familie ist und auch für die ganze notwendige und schwierige Arbeit, die er über viele Jahre geleistet hat. Mein Dank gilt auch Frau Bürgermeisterin Echtermann, dafür dass sie der Veranstaltung die Würde ihres Amtes verlieh und auch freundlicherweise diesen Empfang in dem wundervollen Hochzeitshaus ausrichtet.

Mein Dank gilt auch Herrn Gunter Demnig, dem Künstler, für seine Kreativität im Design der dezenten und rührenden Erinnerungen. Ich muss auch Herrn und Frau Weise, die Eigentümer der Kaiserstraße 21, erwähnen: Sie sind sehr verständnisvoll, gastfreundlich und einladend, und meine Familie schätzt das sehr.

Meine Mutter, Eva Blank, war die älteste der drei Blank-Töchter. Sie verbrachte nur ihre ersten fünfzehn Lebensjahre in Hameln; anhand von Fotos, so glaube ich, war das eine glückliche Zeit, bevor die Geschichte dazwischenkam. Sie besuchte die Hermannschule und dann das Lyzeum, was, wie ich glaube, heute die ViktoriaLuise-Schule ist. Sie war ein äußerst tapferer und liebenswerter Mensch, und obwohl sie vor 16 Jahren gestorben ist, vermissen meine Schwester Barbara und ich sie noch sehr.

Bis 1934 lebten unsere lieben Großeltern Albert und Luise Blank mit meiner Mutter und ihren Schwestern glücklich hier. Albert besaß und führte eine Teppichfabrik hier in Hameln im Gebäude, das heute ‚Hefehof‘ heißt. Im Angesicht einer immer schwieriger werdenden politischen Situation und mit viel Voraussicht hatte er keine Wahl, als das Geschäft zu verkaufen, und er verließ sein wunderschönes Haus und machte sich auf die gefährliche Reise nach England. Glücklicherweise schafften sie den ganzen Weg bis nach London.

Seine Intuition ermöglichte es, dass Generationen folgen konnten und wir stehen jetzt vor Ihnen als Beweis dafür. Bei mir sind es meine Frau Deborah und unsere Söhne Dan und Ben. Für ihre Kinder, meine Enkel, hat gerade wieder die Schule in London nach dem langen Sommer angefangen und daher können sie nicht bei uns sein. Katya, die Tochter meiner Schwester Barbara, und ihre Familie sind heute bei uns. Meine Cousins Yvonne und Roland sind die Kinder der Schwester meiner Mutter, Hilde Blank, und sie werden von Yvonnes Ehemann Paul begleitet. Es gibt viele Menschen, die bei den Feierlichkeiten nicht anwesend sein können, am traurigsten ist die Abwesenheit meiner Schwester, die unpässlich ist.

Das Schicksal für viele Mitglieder unserer erweiterten Familie war tragischerweise anders. Viele fanden ihren Tod in den Lagern einschließlich Auschwitz-Birkenau; und daher sagen wir ‚Niemals wieder‘. Wir sind dankbar, dass die Familie

Blank die schwierige Entscheidung traf, das Land zu verlassen, und heute gedenken und feiern wir sie dafür.

Es ist allzu traurig, dass in Europa und besonders in dem Vereinigten Königreich die schwarzen Wolken von Intoleranz und Vorurteil nie richtig verschwunden sind, und sie scheinen jeden Tag dunkler zu werden. Aus diesem Grund ist es besonders wichtig, dass die nächste Generation, die heute durch die wunderbaren Kinder der Viktoria-Luise-Schule vertreten war, hier sind, um über diese Geschehnisse zu lernen.

Ich bedanke mich bei Ihnen allen nochmals.“

Im Anschluss hatte die Viktoria-Luise-Schule zu einem Mittagessen und einer Führung durch die Schule und die Hermannschule (damals Volksschule, heute zur Viktoria-Luise Schule gehörig) eingeladen. Beide Schulen hatten die Töchter von Albert und Luise Blank besucht und waren dort wegen ihrer jüdischen Herkunft völlig isoliert gewesen.

Den Abschluss des Besuchs der Angehörigen der Familie Blank bildete ein Besuch am Mahnmal für die zerstörte Synagoge und in der Synagoge der liberalen jüdischen Gemeinde Hamelns in der Bürenstraße.

Einige Wochen nach der Verlegung hat die Geoffrey Harris aus der Rückschau auf den Besuch in Hameln in einer Mail an Bernhard Gelderblom vom 23. Oktober 2018 formuliert: „… it seemed appropriate to bring some closure to what felt like an open wound” („Mir schien es angebracht, die Gelegenheit zu nutzen, um etwas, was sich wie eine offene Wunde anfühlte, zu verschließen.“).

Geoffrey Harris bei seiner Ansprache im Hamelner Hochzeitshaus Foto Olaf Piontek 2018

HAMELN

Am 26. Juni 2013 beschloss der Rat der Stadt Hameln einstimmig, sich an dem Erinnerungsprojekt „Stolpersteine“ zu beteiligen. Vorausgegangen war eine längere, teilweise kontroverse Diskussion. Anders als die orthodoxe jüdische Gemeinde Hamelns lehnte die liberale jüdische Gemeinde das Projekt mit dem Argument ab, mit der Verlegung der Steine im Straßenraum würden die Opfer noch einmal mit Füßen getreten.

Vor diesem Hintergrund war es wichtig, dass der Rat geschlossen für das Projekt stimmte. Er legte als Bedingung fest, dass kein Angehöriger sich gegen eine Verlegung aussprechen dürfe.

Laut Ratsbeschluss führt der Verein für regionale Kultur- und Zeitgeschichte Hameln die erforderlichen historischen Recherchen zu dem Schicksal des Menschen durch und spricht den Text des Stolpersteins mit dem Künstler Gunter Demnig ab. Die Recherchearbeit hat Bernhard Gelderblom für den Verein übernommen.

Aufgabe des Stadtarchivs ist die Vorbereitung der erforderlichen verwaltungsrechtlichen Maßnahmen der Verlegung und die Information der Eigentümer, Nutzer und Bewohner der Häuser, vor denen Stolpersteine verlegt werden.

Nach der Verlegung gehen die Stolpersteine in das Eigentum der Stadt Hameln über.

Die Herstellungs- und Verlegungskosten von 120 Euro für einen Stein werden komplett durch Spenden von Privatleuten und Initiativen aufgebracht.

Die Verlegungen, zu denen mehrfach auch Angehörige von Opfern eingeladen werden konnten, wurden regelmäßig von Schülerinnen und Schülern der Hamelner Schulen begleitet.

Das regelmäßig erforderliche Reinigen der Steine hat ebenfalls der Verein für regionale Kultur- und Zeitgeschichte Hameln übernommen. Kooperationspartner sind die Evangelische Jugend, Schulen und politische Parteien Hamelns.

In Hameln wurden seit 2013 Stolpersteine verlegt. Fünfmal – am 26. November 2013, am 28. März 2014, am 29. Januar 2015, am 19. April 2016 und am 27. September 2018 – hat Gunter Demnig Hameln besucht und insgesamt 78 Stolpersteine im Hamelner Stadtgebiet verlegt (Stand September 2018).

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