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Instandsetzung des Riddes-Viadukts

Sofortmaßnahmen für 40-t-Lkws Instandsetzung des Riddes-Viadukts

von Jean-Marc Waeber, Stéphane Cuennet

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1 Lage und Geometrie © ASTRA

Das 1,25 km lange »Viadukt von Riddes« ermöglicht es einer Kantonsstraße, nacheinander eine Eisenbahnlinie (SBB-SBB), eine Nationalstraße (N 09) und einen Fluss (Rhône) zu überqueren. Auf der Höhe der Autobahnüberquerung befindet sich ein Anschluss, der aus vier Rampen besteht. Dieses imposante Bauwerk, das zu 65 % dem ASTRA und zu 35 % dem Kanton Wallis gehört, wurde 1976 in Betrieb genommen. Wie jedes Inventarobjekt unseres Netzes war es Gegenstand der alle fünf Jahre durchgeführten Hauptinspektionen. Trotzdem musste kürzlich von den Bauherren eine Sofortmaßnahme beträchtlichen Umfangs ausgelöst werden. Thema dieses Artikels ist es, anhand jenes Falles die Bedeutung und die Folgen nicht umfassender Inspektionen aufzuzeigen und die Sofortmaßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und zur Instandsetzung zu erläutern.

1 Einleitung

Anfang 2019 gab das Schweizerische Bundesamt für Straßen (ASTRA) eine Studie in Auftrag, um dieses Bauwerk, das in der Erdbebenzone (Z3b) mit der stärksten Erdbebengefährdung in der Schweiz liegt, zu sanieren und erdbebensicher zu machen. Trotz der schwierigen und beschwerlichen Zugänglichkeit wurden erstmals Besichtigungen im Inneren der gesamten Hohlkästen des Überbaus vorgenommen. Diese zeigten erhebliche von außen nicht sichtbare Schäden, darunter Betonschäden aufgrund der AlkaliAggregat-Reaktion (AAR) sowie beträchtliche Querschnittsverluste durch Korrosion der passiven und aktiven Bewehrung, die durch das Eindringen von Chloriden verursacht worden sind. Diese visuelle Zustandserfassung wurde im Sommer und Herbst 2019 durch eine umfangreiche Untersuchungskampagne ergänzt, um eine zuverlässige Bestandsaufnahme des gesamten Bauwerks zu erhalten. Die festgestellten schwerwiegenden Mängel erforderten als Vorsichtsmaßnahme eine sofortige Verkehrsbeschränkung, indem die Zufahrt auf das Viadukt nur noch für Fahrzeuge mit einem Maximalgewicht ≤ 3,50 t zugelassen wurde. Um eine Wiedereröffnung für den 40-t-Verkehr zu ermöglichen und eine irreparable Verschlechterung aufgrund der Entwicklung der AAR zu vermeiden, wurden ein Maßnahmenprojekt sowie Arbeiten als Sofortmaßnahme geplant.

2 Gesamtbauwerk im Kontext © ASTRA

Das gewählte Konzept lenkte den gesamten Verkehrsfluss im Gegenverkehr auf das linke Viadukt und setzte das am stärksten beschädigte rechte Viadukt außer Betrieb. Der Bereich über der Nationalstraße mit den Anschlussrampen musste beibehalten werden, während beide Viadukte in Betrieb waren. Diese Änderung ermöglichte es, das Ausmaß der Eingriffe auf die für den Betrieb unbedingt notwendigen Erfordernisse zu beschränken. Die Arbeiten bestanden darin, das Brückendeck mit einer Schicht aus bewehrtem Ultra-Hochleistungs-Faserbeton (UHFB) zu überziehen, um die Fahrbahnplatte und die Auflagerbereiche zu verstärken. Das Auflagersystem wurde unter Berücksichtigung der seismischen Einwirkungen überarbeitet. Das defekte Entwässerungssystem wurde ausgebaut und durch ein neues ersetzt, das unter den Konsolen befestigt wurde. Im Inneren der Hohlkästen wurden lokale Reparaturen und Verstärkungen durchgeführt.

2 Geschichte des Bauwerks

»Es stand von Anfang an unter keinem guten Stern!« Nach weniger als fünfzehn Jahren in Betrieb wies das Bauwerk aufgrund von Konstruktionsfehlern bereits erhebliche Schäden auf, die seine Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit beeinträchtigten. Die Konstruktionsfehler, deren Auswirkungen bereits Ende der 1980er Jahre deutlich sichtbar waren, betrafen vor allem die Details der Abdichtung und des Belags sowie jene in den Verbindungen der Brückenplatte.

3 Ergebnisse von Zustandserhebung und Untersuchungen

In einem ersten Schritt wurde eine kritische Analyse des Bauwerks erstellt, die die anfänglichen konzeptionellen Defizite aufzeigte. Dazu gehörten eine hohe Schlankheit des Feldes über der Autobahn, niedrige Kastenhöhen, inhomogene Spannglieder und Bewehrungsdetails im Bauwerk, relativ geringe Betondicken sowie Probleme mit den Ausrüstungen. In einem zweiten Schritt wurden visuelle Inspektionen des Inneren der Hohlkästen durchgeführt. Dabei wurden zahlreiche Schäden festgestellt, darunter: Wasserinfiltrationen, Schäden am Entwässerungssystem, Schäden an den Spannkabeln, Risse in den Hohlkästen, Betonschäden an der Fahrbahn- und der Bodenplatte.

1972 Baubeginn des Viadukts

1976 Inbetriebnahme des Bauwerks

1988 teilweise Inspektion des Inneren der Hohlkästen, Sanierung der stark gerissenen Beläge

1990 Bericht »Dringlichkeit der auszuführenden Arbeiten«

1992 Sanierungsprojekt

1994 Arbeiten der ersten Dringlichkeit: Auflager, Fahrbahnfugen, Anheben von Widerlagern, Verbreiterung von Pfeilerköpfen

1995–1998 Arbeiten der zweiten Dringlichkeit: Ausbesserung, vollständiger Austausch des Abdichtungssystems mit Abdichtung der Druckentlastungsöffnungen und des Belags, Kanalisationen, vor Ort gegossene Brückenränder, Austausch der Rückhaltesysteme, lokale Betonreparaturen

2012–2014 Konzept und Maßnahmenprojekt auf Basis der Inspektion von 2009, Umfang: lediglich einige lokale Instandsetzungsarbeiten an den Pfeilern in der Nähe der Autobahn sowie Verbreiterung der Auflagerbänke

2017 Erdbebensicherheitsstudie

2019 Mandatsvertrag zur Erstellung eines aktualisierten Maßnahmenprojekts, das auf dem Projekt von 2014 sowie dem Konzept zur Erdbebenertüchtigung von 2017 basiert. Ende März 2019 wurde eine vollständige Inspektion des Inneren der Senkkästen durchgeführt. Die Hohlkästen waren 1988 nur teilweise inspiziert worden.

07.2019 Verbot für den Verkehr > 3,5 t (Bild 4) inklusive Einrichtung einer Umleitungsstrecke für Lkws

Initiierung einer großen Untersuchungskampagne als Sofortmaßnahme

01.2021 grundsätzliche Bestätigung des Maßnahmenprojekts durch den Lenkungsausschuss und Bestätigung der Notwendigkeit, die Arbeiten so schnell wie möglich durchzuführen, um die Erhaltung der Bausubstanz garantieren zu können

02.2021 Vorbereitungsarbeiten (Baustelleneinrichtung)

03.2021 Beginn der Arbeiten

12.2021 Verkehrsfreigabe des Bauwerks

2022 Ende der Bauarbeiten

3 Chronologie der Instandsetzungsmaßnahmen © ASTRA

4 Ausfahrt 24 mit Verbot für Fahrzeuge ≥ 3,50 t © ASTRA

5 6 7 Schäden an den Decken der Kästen © ASTRA

In einem dritten Schritt wurden verschiedene vertiefende Untersuchungen an Beton, Bewehrung und Vorspannung verordnet und begutachtet. Daraus ergaben sich zahlreiche kritische Punkte: – Die Vorspannkabel sind durch Korrosion angegriffen und einige sind durchtrennt und entspannt; die Hüllrohre weisen Wassereinbrüche auf und der

Füllmörtel ist mit Chloriden kontaminiert. – Die Hohlkästen sind in einigen Feldern trotz vollständiger Vorspannung ungewöhnlich stark gerissen. – Lokale Bereiche der Fahrbahnplatte und der unteren Platte weisen zerbröckelnden Beton mit stark korrodierten

Bewehrungen auf. – Betonabplatzungen, die korrodierte

Bewehrungen freilegen, sind an der

Innenseite der Fahrbahnplatte, der

Stege und der unteren Platte vorhanden. – Eine signifikante Entwicklung der

AAR bis zum Kern der Querschnitte mit einer Beeinträchtigung der mechanischen Eigenschaften ist im gesamten Bauwerk einschließlich der

Fundamente vorhanden. – Die Chloridgehalte im Beton der Fahrbahnplatte sind lokal sehr hoch. – Die Karbonatisierungsfront erreicht in weiten Bereichen das Niveau der

Bewehrung. – Die Abdichtung der Fahrbahnplatte und das Entwässerungssystem sind defekt. In den letzten Inspektionsberichten aus dem Jahr 2015 wurde das Viadukt als in akzeptablem Zustand (Zustandsklasse 2) eingestuft. Angesichts der Schäden und Mängel, die bei der umfassenden Inaugenscheinnahme des Hohlkasteninneren aufgelistet wurden, wurde es jedoch auf einen schlechten Zustand (Zustandsklasse 4) herabgestuft. Darüber hinaus mussten drei Bereiche des Viadukts aufgrund der kumulierten Schäden und der fortgeschrittenen Degradierung in einen alarmierenden Zustand (Zustandsklasse 5) eingestuft werden. Angesichts der aufgelisteten Mängel und des pathologischen Entwicklungszustands der AAR auf dem gesamten Viadukt war eine Wiederinbetriebnahme des Bauwerks für den schweren Straßenverkehr ohne Verstärkungsmaßnahmen nicht denkbar. Es ist zu betonen, dass der von der AAR verursachte Verfallsprozess anisotrop und schwer kontrollierbar ist.

8 Sehr aggressive Korrosion am Spannstahl © ASTRA

9 Bindemittelfüllungslücke und Risse © ASTRA

Aufgrund der Untersuchungen konnte davon ausgegangen werden, dass das gesamte Viadukt bis zum Kern signifikant von AAR betroffen ist. Selbst in visuell »gesunden« Bereichen ist das Auftreten von AAR oft signifikant. Mikroskopische Analysen von Dünnschliffen zeigten eine systematische Ausrichtung der Risse parallel zu den Oberflächen der unteren Platten und der Deckschichten. Diese mikrostrukturelle Anisotropie induziert eine Anisotropie der mechanischen Eigenschaften, die teilweise nachgewiesen werden konnte. Dies deutet darauf hin, dass die gemessenen Verluste an mechanischen Eigenschaften derzeit wahrscheinlich unterschätzt werden. Die Orientierung der AAR-Rissbildung in der Ebene war auch die Ursache dafür, dass es nicht möglich war, signifikante Anzeichen von AAR durch visuelle Inspektion in den Hohlkästen zu erkennen. Ohne Intervention wird sich das Schadensphänomen weiterentwickeln und beschleunigen, bis es allgemein das »pathologische« Stadium erreicht, indem es den Verlust der mechanischen Eigenschaften des Betons vorantreibt: – durch die Entwicklung neuer Risse und die Verdichtung der Rissbildung, insbesondere jener, welche eine Blätterbildung des Betons in den Platten erzeugt, – durch die Entwicklung von Ablösungen zwischen der Zementmasse und den Aggregaten. Eine Verstärkung der Struktur war daher unerlässlich. Es ist anzumerken, dass 2012 durchgeführte Untersuchungen die AAR-Problematik erwähnten, ohne deren Entwicklung in den Betonen der Fahrbahn und der Pfeiler aufzuzeigen. Die Untersuchungen 2019–2020 zeigen nun, dass der Beton des Viadukts signifikant von AAR betroffen ist, was auf einen besonders schnellen Verfall hindeutet.

10 Besonderheiten der Alkali-Aggregat-Reaktion © ASTRA

Die vorrangige Methode zur Wiederherstellung eines gesunden strukturellen Zustands und zur deutlichen Verlangsamung der Schädigungsprozesse bestand darin, das durch die Fahrbahnplatte eindringende Wasser zu beseitigen und die Fahrbahnplatte zu verstärken. Die Dringlichkeit der Erhaltungsmaßnahme ergab sich aus der Tatsache, dass das Bauwerk in einem solchen Zustand nicht mehr für den Schwerlastverkehr genutzt werden konnte. Tatsächlich waren die beobachteten Schäden schwerwiegend und laut Experten in der Schweiz bisher nur selten gemeldet worden. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die Korrosion der Vorspannkabel und die Entwicklung der AAR zu einem erheblichen Verlust der mechanischen Eigenschaften geführt haben. Darüber hinaus beschleunigen ungewöhnlich hohe Chloridwerte im Beton die Korrosionsprozesse.

4 Tragwerksanalyse und Überprüfungen 4.1 Ist-Zustand

Bei der Prüfung der Struktur wurden verfeinerte Nachweise des bestehenden Bauwerks durchgeführt, die auf einer Aktualisierung der Materialwiderstände und der Einwirkungen basierten. Diese wurden unter Berücksichtigung von zwei Szenarien durchgeführt: »ohne« und »mit« Schäden, um eine geringere Betonqualität und Korrosion der Bewehrung bzw. der Spannglieder zu berücksichtigen. Aufgrund der vollständigen Vorspannung in Längsrichtung wies das bestehende Viadukt ein hohes Widerstandsniveau auf. Tatsächlich zeigte die Analyse der Brücke »ohne« Schäden, dass die verschiedenen Abschnitte, einschließlich der Rampen, sowohl in Längs- als auch in Querrichtung eine konforme Biege- und Querkraftfestigkeit aufwiesen. Nur ein Bereich wies eine unzureichende Querkraftfestigkeit auf. Die Analyse der Brücke »mit« Schäden ergab hingegen mehrere Bereiche mit unzureichenden Erfüllungsgraden, die verstärkt werden mussten. Die durchgeführten statischen Überprüfungen zeigten folgende kritische Punkte auf: – eine unzureichende seismische Kapazität, insbesondere in Bezug auf den

Querkraftwiderstand der Pfeiler und

Fundamente, – einen lokal unzureichenden Schubwiderstand der Brückendecke, – in Längsrichtung lokale Unzulänglichkeiten der Biege- und Querkraftwiderstände aufgrund des Verlusts von

Vorspannkabeln durch Korrosion, – in Querrichtung lokale Unzulänglichkeiten des Querkraftwiderstands der

Fahrbahnplatte aufgrund der Entwicklung von AAR und dem Verlust von

Bewehrungsquerschnitten, – einen unzureichenden Widerstand der

Pfeiler in der Nähe von Eisenbahngleisen gegenüber dem Anprall.

4.2 Verstärkter Zustand

4.2.1 Statische Untersuchungen Im Rahmen des Maßnahmenprojekts wurden statische Analysen durchgeführt, um die Verstärkung aus bewehrtem UHFB zu bemessen. Angesichts der Verstärkung der Fahrbahnplatte erfolgte der Ansatz für Verkehrslasten bei 40-t-Straßenverkehr einschließlich mobiler Kräne bis 96 t.

4.2.2 Queranalyse Elastische Analyse: Die Kräfte in der Fahrbahnplatte wurden durch eine lineare elastische Analyse mit Hilfe eines Schalenmodells ermittelt. Parallel dazu wurde die Festigkeit durch Querschnittsberechnungen bewertet, die die mit der bewehrten UHFB-Schicht verstärkte Fahrbahnplatte umfassten. Die Nachweise zeigten, dass die Festigkeit höher ist als die Beanspruchung, selbst unter Berücksichtigung von Betonschäden und Korrosion der Bewehrung. Darüber hinaus verfügt die Platte über Umlagerungsfähigkeiten für Biegebeanspruchungen. Der Querkraftwiderstand der durch AAREffekte beschädigten Platte kann sich schnell verschlechtern und einen lokalen Sicherheitsmangel darstellen. Die bewehrte UHFB-Schicht, die fest mit der Platte verbunden ist, leistet selbst bei einer geringen Dicke (50 mm) einen wichtigen Beitrag zum Querkraftwiderstand und kompensiert die Festigkeitsverluste des beschädigten Betons.

4.2.3 Längsanalyse Elastische Analyse: Die statischen Nachweise in Längsrichtung wurden mit Finite-Elemente-Modellen vom Typ Balken modelliert. Querschnittsänderungen und Vorspannungen wurden ebenfalls in den Modellen berücksichtigt. Kritische Querschnitte wurden unter Einbeziehung von UHFB-Verstärkungen und Schäden überprüft. Einige Querschnitte im Feld »mit« Beschädigung erreichten keinen einheitlichen Erfüllungsgrad. Die Widerstandsreserve auf der Stütze ermöglicht es jedoch, die Fehlstellen im Feld zu decken, wenn man von mäßigen Umlagerungsfähigkeiten der Kräfte ausgeht. Analyse nach der kinematischen Methode: Statische Längsanalysen für ein laufendes Feld des Hauptviadukts und ein laufendes Feld der Zubringer wurden mit der kinematischen Methode durchgeführt, um einen Wert für die Grenzlast zu ermitteln. Für diese Felder wurde der wahrscheinlichste Versagensmechanismus (Bild 11) durch drei plastische Gelenke definiert. Die Gleichheit der Arbeitsgleichung ergibt dann den Koeffizienten, der die externe Arbeit und damit die Lasten erhöht.

11 Versagensmechanismus eines laufenden Feldes © ASTRA

12 Teil des Modells der Nordostspange (ohne Fahrbahnplatte) © ASTRA

– Die Bewertung der laufenden Spannweite eines Zubringers ergibt den

Koeffizienten γM = 1,59. – Die Bewertung des laufenden Felds des Hauptviadukts ergibt den

Koeffizienten γM = 1,75. – Gemäß dem in der Projektbasis festgelegten Ziel sollte dieser Gesamtwiderstandskoeffizient γM ≥ 1,20 erreichen, um die Anforderungen an die Tragsicherheit zu erfüllen. Nichtlineare Analyse: Ein laufendes Feld des Hauptviadukts sowie ein laufendes Feld der Zubringer (Bild 12) wurden mit Hilfe von 3-D-FiniteElemente-Modellen detailliert analysiert. Die Struktur wurde durch ein Netz diskretisiert, das aus Volumenelementen für den Beton, aus »Kabel«-Elementen für die Vorspannung und aus Membranelementen für die passive Bewehrung bestand. Geometrische und materielle nichtlineare Analysen wurden durchgeführt, um die Rissbildung im Beton zu berücksichtigen und so die Umlagerungsfähigkeit der Kräfte zwischen den Bereichen im Feld und jenen auf den Pfeilern auszunutzen, wo der Beitrag der bewehrten UHFBSchicht wichtig ist. Diese Analyse ermöglichte es, mit zunehmender Belastung die Entwicklung der Spannungen und die Bildung von Plastikgelenken zu verfolgen und schließlich den Einsturzmechanismus zu ermitteln. Die Analyse wurde mit den charakteristischen Werten des Materials und der Belastung durchgeführt. Die bewehrte UHFB-Schicht wurde zunächst als Last betrachtet und dann aktiviert, um einen Spannungszustand zu erhalten, der für die Belastungsgeschichte repräsentativ ist. Anschließend wurden die Verkehrslasten aufgebracht, während der Laststeigerung wurden die Einwirkungen durch ihre jeweiligen Lastfaktoren verstärkt. Die Gesamtheit der Einwirkungen wurde dann um einen Faktor erhöht, der als Gesamtwiderstandskoeffizient für das Material interpretiert werden kann. Dieser Koeffizient musste den Mindestwert von γM ≥ 1,20 erreichen, um die Anforderung an die strukturelle Sicherheit des Bauwerks zu erfüllen. Alle untersuchten nichtlinearen Berechnungsszenarien (mit und ohne verstärkende UHFB-Schicht) führten zu einem konformen Sicherheitsfaktor. Insgesamt ermöglichte die Hinzufügung einer verstärkenden UHFB-Schicht: – die Biege- und Torsionssteifigkeit der

Struktur zu erhöhen und dadurch

Verschiebungen und Drehungen zu reduzieren, – die maximale Öffnung von Rissen zu verringern, – die Spannungen in den Bügeln im

Auflagerbereich gleichmäßiger zu verteilen. Die fortgeschrittenen nichtlinearen Berechnungen waren sehr nützlich, da die Ergebnisse zu einem besseren Verständnis des Tragverhaltens führten, indem sie realistischere Werte für die Festigkeit und signifikante Reserven der Tragfähigkeit der mit bewehrtem UHFB verstärkten Struktur lieferten.

5 Sichernde Sofortmaßnahmen und Instandsetzung 5.1 Maßnahmen in Bezug auf den

Straßenverkehr

Aufgrund der verschiedenen Beobachtungen, die im Laufe der Studien gemacht wurden, mussten Sofortmaßnahmen im Bereich des Verkehrsmanagements getroffen und angeordnet werden: – Das Bauwerk wurde zunächst für Sonder- und Spezialtransporte > 44 t gesperrt, nachdem Schäden im Inneren der Hohlkästen festgestellt worden waren. – Als Sofortmaßnahme wurde eine

Untersuchungskampagne eingeleitet, um den Zustand der Vorspannkabel und des Betons zu ermitteln. – Das Bauwerk wurde daraufhin für den

Schwerverkehr > 3,50 t gesperrt, da ein stark korrodiertes Spannkabel entdeckt wurde, siehe Bild 4. – Es wurde eine Sondergenehmigung für im Einsatz befindliche Rettungsfahrzeuge bis 18 t (Blaulicht eingeschaltet) erteilt. – Das Verbot für Fahrzeuge > 3,50 t wurde bis zur Durchführung der Verstärkungen aufrechterhalten, da sich die Schäden in einigen Bereichen kumuliert haben. – Für Schneeräumfahrzeuge wurde eine Sonderbewilligung mit einer

Geschwindigkeitsbegrenzung auf 60 km/h und einem Abstand von 100 m zwischen den Lastwagen erteilt. Ziel der Erhaltungsmaßnahme war es, das Viadukt für den freien Straßenverkehr wieder in Betrieb zu nehmen. Das rechte Viadukt wird nicht mehr genutzt und das linke unterstützt den Gegenverkehr. Am Autobahnanschluss wurden das linke und das rechte Viadukt in Betrieb gehalten, um die Funktion des Anschlusses zu gewährleisten.

5.2 Typologie der Hauptmaßnahmen

5.2.1 Umfang Die Sofortmaßahmen umfassten: – Einbringen einer Verstärkungs- und

Abdichtungsschicht aus armiertem

UHFB auf der gesamten Fahrbahnplatte, um das Eindringen von Wasser zu verhindern und die Platte zu verstärken, – lokale Sanierung der unteren Platte des Hohlkastens mit einer Schicht aus armiertem UHFB, – Kompensation inaktiver Spannglieder durch zusätzliche Vorspannung im

Inneren der Hohlkästen in drei Bereichen der Passage über die Nationalstraße, – Verstärkung der Festigkeit der Querschnitte der Randfelder der Rampen mit unter die Fahrbahnplatte geklebten CFRP-Lamellen, also mit pultrudierten Lamellen aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff, – Änderung des Straßenentwässerungssystems, um die Sammelleitungen im

Inneren der Hohlkästen zu entfernen, – Verbreiterung einiger Pfeilerköpfe und

Änderung des Auflagersystems, um den Anforderungen der Erdbebensicherheit zu entsprechen. Im Folgenden werden nur die ersten drei Maßnahmen näher erläutert.

5.2.2 Fahrbahnplatte Die Fahrbahnplatte wurde mit einer bewehrten UHFB-Schicht verstärkt und geschützt. Diese Schicht erfüllte die folgenden drei Funktionen: – Verstärkung der Fahrbahnplatte gegen

Biegung und Schub, – Verstärkung der Fahrbahnplatte in

Längsrichtung gegen Biegung und

Querkraft in den aufgestützten

Bereichen, – Abdichtung der Fahrbahnplatte. Die UHFB-Schicht wurde mit einer konstanten Dicke von 50 mm eingebracht, außer an den Rändern der Platte, wo die Dicke 80 mm beträgt, um die mechanische Verankerung mit den vorhandenen Bewehrungen zu erreichen. Ein UHFB der Klasse UB-C120 wurde für diese Verstärkung spezifiziert. Nach dem Abfräsen und Mikrofräsen des Belags und der Abdichtung wurde die gesamte Oberfläche der Fahrbahnplatte 20 mm dick hydroabgetragen, um den beschädigten Beton zu entfernen und eine ausreichend raue Oberfläche für die Verbindung des UHFB zu gewährleisten. In der Nähe der Brückenränder wurden 30 cm breite und 50 mm tiefe Einschnitte vorgenommen, um die UHFB-Schicht mit der vorhandenen Bewehrung zu verankern. Die Bewehrung bestand aus Stäben mit einem Durchmesser von 12 mm in beiden Richtungen. Der UHFB wurde hauptsächlich mechanisch mittels eines schienengebundenen Fertigers eingebaut. Für jeden Hohlkasten wurden zwei Queretappen mit einer Breite von 4,50 m für das Hauptviadukt und 3,60 m für die Rampen durchgeführt. Die Arbeitsfuge wurde in der Dicke der Verstärkung stufenförmig ausgebildet. Die bewehrte UHFB-Schicht wurde mit einer gleichmäßigen Dicke eingebracht, die dem bestehenden Längenprofil der Betonfahrbahnplatte folgt. Die Unterseite der Fahrbahnplatte innerhalb der Hohlkästen wurde nicht instand gesetzt. Die UHFB-Verstärkung auf der Oberseite der Fahrbahnplatte ist ausreichend, um die festgestellten Schäden zu beheben. Die Entwicklung der Schäden wird jedoch weiterverfolgt.

13 Bewehrungseinbau (links) und abgeschlossene UHFB-Betonage (rechts) © ASTRA

5.2.3 Untere Platte des Hohlkastens Die stark beschädigten unteren Platten der Hohlkästen wurden mit einer Schicht aus bewehrtem UHFB mit einer konstanten Dicke von 55 mm saniert. Diese Instandsetzung war notwendig, um die Querschnitte wiederherzustellen, die für das Gleichgewicht der Biegekräfte in Längsrichtung in Verbindung mit einer Verstärkung der oberen Platte in den Auflagerbereichen erforderlich sind. Für diese Verstärkung wurde ebenfalls ein UHFB der Klasse UB-C120 spezifiziert. Die Oberseite der Platte wurde in den zu behandelnden Bereichen 30–50 mm dick hydroabgetragen, um den beschädigten Beton zu entfernen und die Bewehrung freizulegen. Die Verstärkungsbewehrung bestand ebenfalls aus Stäben mit einem Durchmesser von 12 mm in beiden Richtungen. Die Bewehrungsstäbe wurden in die Stege eingelegt, um die Verstärkung mit der Fahrbahn zu verbinden. In jedem behandelten Feld wurde vorab eine 1 m × 1 m oder 1 m × 2 m große Öffnung in der Fahrbahnplatte durch Kernbohrungen erstellt, um die Arbeiten durchzuführen (Bild 14, 15). Der UHFB wurde von Hand eingebracht, die Zwickel wurden mit der UHFB-Schicht wiederhergestellt. Diese Öffnung wurde anschließend erneut mit bewehrtem Beton geschlossen, bevor die Verstärkung der oberen Platte erfolgte.

14 15 Einbau von UHFB in den Kästen © ASTRA

5.2.4 Zusätzliche Vorspannung Bei den Untersuchungen der Vorspannung wurden 4 nicht injizierte und durchtrennte Spannkabel an mehreren Feldern des Viadukts im Bereich über der Nationalstraße und an einer Rampe festgestellt, siehe Bild 8. Die statischen Analysen zeigten, dass trotz des Verlustes von 30 % des Querschnitts der Spannglieder die Gesamtsicherheit eines gängigen Feldes der Rampen gewährleistet ist. Folglich wurde der nachgewiesene Verlust dieses Spannkabels nicht kompensiert. Die Spannfelder der Überführung über die Nationalstraße mit nachgewiesenen Kabelverlusten sind hingegen besonders, da sie die Vorläufe der Rampen verbinden und daher überlastet sind. Für diese drei besonderen Spannfelder wurde eine zusätzliche externe Vorspannung eingesetzt, um die Verluste auszugleichen. Für jedes betroffene Feld bestand die zusätzliche Vorspannung aus einem Kabel mit sieben Litzen, das im Inneren des Hohlkastens angeordnet ist. Das Kabel hat einen polygonalen Verlauf und erstreckt sich über ein bis zwei Felder. In einem Drittel des Feldes wurden Umlenkungen aus Stahlbeton errichtet, die vorhandenen Streben ermöglichten die Umlenkung auf Abstützungen. An jedem Umlenker und an jeder Strebe wurden Stahlsättel angebracht, um das Kabel richtig auszurichten. An jedem Ende wurde hinter der aufgestützten Strebe bzw. vor der Endstrebe für Randfelder ein Verankerungsmassiv erstellt.

6 Überwachung und Ersatz des

Bauwerks

Die Verstärkung sowie die Instandsetzung und der Schutz des vorgespannten Stahlbetons mit Hilfe des bewehrten UHFB ergeben eine Konstruktion, die in Bezug auf Tragfähigkeit und Dauerhaftigkeit verbessert wurde. So wird das verbesserte Viadukt eine Nutzungsdauer haben, die weit über die in der Nutzungsvereinbarung festgelegte Mindestanforderung von 15 Jahren hinausgeht – vorausgesetzt, dass die AAR infolge der Abdichtung der exponierten Betonoberflächen durch die UHFB-Schicht wirksam gebremst werden kann. Um die Entwicklung des Zustands des Bauwerks zu verfolgen, wird ein Überwachungskonzept für das sanierte Viadukt erarbeitet, das die Stabilisierung des Zustands bestätigen soll.

16 Zusätzliche Vorspannung für ein Feld über die N 09 © ASTRA

Der beschädigte und außer Betrieb genommene Teil des Bauwerks wird ebenfalls Teil des Überwachungskonzepts sein und durch die Ausarbeitung eines Rückbaukonzepts ergänzt werden. Studien über den langfristigen Betrieb des Anschlusses werden durchgeführt, um den zukünftigen Rückbau dieses Bauwerks, das mit einer Gesamtfläche von 33.000 m2 zu den größten der Schweiz gehört, zu antizipieren. Die Studien werden wahrscheinlich zu einem in Bezug auf die Größe optimierten Bauwerk führen. Es ist anzumerken, dass die aktuelle Maßnahme es ermöglichen sollte, den Ersatz auf einen fernen Horizont von mindestens einem Vierteljahrhundert oder sogar darüber hinaus zu verschieben.

Länge der Brücke:

Inbetriebnahme: 2 × 1.250 m + 4 × 200 m (Zubringer) = 3.300 m

1976

Gesamtfläche des Bauwerks: 33.000 m2

UHFB-Fläche: ~ 22.000 m2

Bauzeit:

Kosten:

Kostenverteilung: Februar 2021 bis Frühjahr 2022

23,5 Mio. CHF ohne MwSt.

65 % Schweizerische Eidgenossenschaft, 35 % Kanton Wallis

17 Kennzahlen © ASTRA

7 Schlussfolgerungen

Die dringende Instandsetzung und Verstärkung dieses imposanten Viadukts wurde durch eine unvollständige und nicht sorgfältige Inspektion des Bauwerks über mehrere Jahrzehnte hinweg ausgelöst. Aufgrund des schwierigen Zugangs zum Inneren der Hohlkästen war in der Vergangenheit keine vollständige und sorgfältige Inspektion derselben durchgeführt worden. Ihr Zustand wurde als gesund angenommen, da von außen keine sichtbaren Schäden zu erkennen waren. Kürzlich ergab eine umfassende Inspektion jedoch, dass die Schäden im Inneren dieser Elemente fortgeschritten waren. Darüber hinaus haben Untersuchungen ergeben, dass das gesamte Viadukt bis zum Kern signifikant von AAR betroffen ist. Selbst optisch »gesunde« Bereiche weisen oftmals gravierende Vorkommen von AAR auf. Um diesen vielfältigen Schadensursachen entgegenzuwirken, bestand die Hauptmaßnahme in der Erneuerung der Abdichtung der Fahrbahnplatte und der dauerhaften Verstärkung der gesamten Fahrbahnplatte durch eine Schicht aus bewehrtem UHFB, die auf der Oberseite des Decks verlegt wurde. Trotz des Umfangs der Aufgabe konnten die Planung und die Ausführung des Vorhabens dank der intensiven und reaktionsschnellen Zusammenarbeit aller Projektbeteiligten unter Zeitdruck erfolgreich abgeschlossen werden. »Nehmen Sie nichts als gegeben an, wenn Sie es überprüfen können.« Rudyard Kipling (englischer Autor, 1865–1936)

Autoren: Jean-Marc Waeber Bereichsleiter Stéphane Cuennet Fachspezialist Kunstbauten Bundesamt für Strassen (ASTRA) Bern, Schweiz

Bauherr Bundesamt für Strassen ASTRA und Kanton Wallis, Schweiz

Entwurf, Tragwerksplanung und örtliche Bauleitung INGPHI SA Concepteurs d’ouvrages d’art, Lausanne, Schweiz

Bauherrenunterstützung und Oberbauleitung Emch + Berger AG, Bern, Schweiz

Experten TFB Romandie SA, Dr. J. G. Hammerschlag, Puidoux, Schweiz (AAR) Ganz Consulting, Hans-Rudolf Ganz, Bösingen, Schweiz (Vorspannung) Prof. Dr. Eugen Brühwiler, Eidgenössische Technische Hochschule Lausanne, Schweiz (UHFB)

Prüfingenieur Prof. Dr. Eugen Brühwiler, Eidgenössische Technische Hochschule Lausanne, Schweiz (UHFB)

Ausführung Consortium VEMA 111, Weibel-Walo-Dénériaz-Evéquoz, Schweiz

Straßen Brücken Tunnel

Schorgasttalbrücke 1. Platz Realisierungswettbewerb

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