17 minute read

Ersatzneubau der Schwelmetalbrücke im Zuge der A 1

Bauzeitliche Doppelnutzung der neuen Stahltragkonstruktion Ersatzneubau der Schwelmetalbrücke im Zuge der A 1

von Ines Nordhaus

Advertisement

Die Schwelmetalbrücke befindet sich im verkehrsreichen NordrheinWestfalen und überspannt ein städtisches Gewerbegebiet mit zahlreichen zu berücksichtigenden Randbedingungen. Das originäre Bauwerk stammt aus den 1960er Jahren und wurde 2006 um zwei neue, außenliegende Teilbauwerke für die Auf- und Abfahrten der Anschlussstelle Wuppertal-Langerfeld zuzüglich Standstreifen ergänzt. Das hier vorgestellte Projekt beinhaltet den Ersatzneubau der beiden inneren Teilbauwerke aus den 1960er Jahren unter vollständiger Aufrechterhaltung der bestehenden sechs Fahrstreifen der A 1 mit einer Verkehrsbelastung von ca. 100.000 Kfz/d sowie des öffentlichen Straßen- und Bahnverkehrs unterhalb der Brücke. Die Baumaßnahme gleicht aufgrund ihrer Komplexität einem chirurgischen Eingriff. Diesem projektbestimmenden Umstand wurde bei der Entwicklung des Rückbaukonzeptes unter Nutzung der Stahlkonstruktionen der neuen Teilbauwerke als Bauhilfskonstruktionen Rechnung getragen.

1 Veranlassung

2014 wurde der DEGES die Planung und Baudurchführung für die Erneuerung der Schwelmetalbrücke im Zuge der A 1 übertragen. Das Projekt umfasst den Ersatzneubau der im Jahre 1960 errichteten inneren Teilbauwerke (TBW) 2 und 3. In einer im Dezember 2013 durchgeführten Sonderprüfung erhielten die Bestandsbauwerke die Zustandsnoten 3,4 (TBW 2) und 3,5 (TBW 3). Es folgte eine kurzfristige statische und konstruktive Überprüfung entsprechend der Nachrechnungsrichtlinie. Hierbei ergaben sich erhebliche Defizite, welche durch ausgeprägte Rissbilder in bestimmten Bereichen der Hohlkästen sichtbar wurden. Die Brücke ist im Grenzzustand der Tragfähigkeit gemäß der Nachrechnungsrichtlinie bzw. DIN 4227 bereits unter Eigenlast nicht mehr nachweisbar. Als sofortige Maßnahme erfolgte die Sperrung der TBW 2 und 3 für Schwerlastverkehr sowie ein wöchentliches Rissmonitoring; die 1960er-Jahre-Bauwerke standen somit unter Dauerbeobachtung. Die Fahrstreifen für den Schwerlastverkehr werden seitdem ausschließlich über die neuen, äußeren Teilbauwerke von 2006 geführt. Während des Abbruchs und Neubaus von TBW 2 wird der Pkw-Verkehr über das TBW 3 geleitet, welches bereits eine Notverstärkung in Form einer externen Vorspannung in Längsrichtung sowie Schubverstärkungen in vertikaler Richtung erhalten hat.

2 Lage im Straßennetz,

Verkehrsbedeutung, örtliche Randbedingungen

Die A 1 liegt am bestehenden Brückenstandort in ca. 18 m hoher Dammlage. Die Straßenachse ist in diesem Bereich in einer Geraden trassiert. Der Kreuzungswinkel der Teilbauwerke 1–4 beträgt ca. 87,11 gon. Die Gradiente des Bestandes wird für den Ersatzneubau übernommen und durch eine Wannenausrundung auf dem Bauwerk mit H = 2.5217 m bestimmt. Es ergeben sich Längsneigungen von 1,062–1,882 % auf dem Überbau. Beide Richtungsfahrbahnen der Ersatzneubauten erhalten analog zu den Bestands-TBW 1 und 4 jeweils ein zum äußeren Rand geneigtes Quergefälle von 2,50 %. Durch die zu erhaltenden außenliegenden TBW wird der neu zu erstellende Brückenquerschnitt baulich begrenzt und kann nur wie im derzeitigen Bestand mit einer Gesamtbreite von 31,09 m neu errichtet werden. Die Fahrbahnbreite auf den innenliegenden Teilbauwerken wird somit sechsstreifig ohne Standstreifen ausgebildet. Durch die Lage im Anschlussstellenbereich Wuppertal-Langerfeld ergibt sich eine zentrale Bedeutung der Brücke sowohl für den Individual- als auch für den Lieferverkehr. Die werktägliche Nutzung der Auf- und Abfahrten der Anschlussstelle ist insbesondere für die ca. 200 ansässigen Unternehmen von großer Bedeutung.

1 Bestehende Schwelmetalbrücke in Nordrhein-Westfalen @ Hajo Dietz/Nürnberg Luftbild

Im Bauwerksbereich werden zudem zahlreiche Verkehrswege und Anlagen unterführt: – vierstreifige Bundesstraße B7/B483 inklusive Fuß- und Radweg mit ca. 22 m Verkehrsraumbreite, – Dieselstraße mit ca. 10 m Verkehrsraumbreite zur Erschließung eines

Gewerbegebietes, – Gleisanlage: zweigleisige elektrifizierte

DB-Fernbahnstrecke (160 km/h), zweigleisige elektrifizierte S-Bahnstrecke (120 km/h), eingleisige elektrifizierte

Regionalbahn (100 km/h) sowie privater, nicht elektrifizierter Gleisanschluss eines Gashandels, – Betriebsgelände des Gashandels mit 6 m breiter Zufahrt und Parkfläche unter der Brücke, – befestigter Fluss Schwelme mit ca. 10 m Breite und umfangreichen

Schacht- und Schieberanlagen, – zahlreiche Leitungen und Medien.

3 Historie

Die Schwelmetalbrücke wurde 1960 mit zwei getrennten Teilbauwerken als zweizelliger Spannbetonquerschnitt auf Pendelstützen und Brunnengründung der Achsen 10–30 hergestellt. Die Länge beträgt 207 m mit Einzelstützweiten 60-87-60, die Gesamtbreite 31 m. Die A 1 wurde im Jahr 2006 auf sechs Fahrstreifen ausgebaut. Dazu wurde die Brücke mit zwei außenliegenden Stahlverbundbrücken, TBW 1 und 4, ergänzt, welche die Ausfahrt bzw. die Auffahrt der Anschlussstelle Wuppertal-Langerfeld

2 Aufrechtzuerhaltende Verkehrswege und Anlagen im Bestand © Bung GmbH

und den jeweiligen Standstreifen aufnehmen. Auf der Westseite der Richtungsfahrbahn Köln wurde mit dem neuen Verbundüberbau eine 4,50 m hohe Lärmschutzwand als TBW 5 angeordnet.

3 Planung von 1958 © Hochtief Infrastructure GmbH

5 6 Baubericht zum Neubau der Schwelmetalbrücke von 1960 © Hochtief Infrastructure GmbH 4 Presseartikel zum Neubau von 1962 © Hochtief Infrastructure GmbH

4 Planung 4.1 Machbarkeitsstudie

2015 wurde auf Grund der hohen Komplexität und der umfangreichen Randbedingungen zunächst eine Machbarkeitsstudie erstellt. Zum Rückbau wurden mögliche Abbruchverfahren untersucht, die insbesondere durch die Anforderungen an den Rückbau der Überbauten im Bahnbereich bestimmt werden: – Sprengen: wegen zahlreicher baulicher

Anlagen ausgeschlossen, – maschineller Abbruch auf untenliegendem Traggerüst: ausgeschlossen wegen zu geringer lichter Höhe über

Oberleitung der DB AG, – Längsausschub aus dem Bahnbereich: ausgeschlossen wegen massiver Eingriffe in den Bahnbereich durch

Hilfsstützungen, – maschineller Abbruch auf Schutzpolster im Bereich DB AG: lange Sperrpausen der Gleisanlagen der DB AG sowie Privatgleisanschluss > 14 d erforderlich, – Überbau-Rückbau durch obenliegendes Vorschubgerüst mit Betonschneiden und Ausfahren von Abbruchsegmenten. Als realisierbare Lösungen wurden die vierte und fünfte Variante mit der DB AG abgestimmt. Seitens der Bahn erfolgte eine Prüfung bezüglich der Genehmigung einer längeren Sperrpause der unterführten Bahnanlage mit ICE-, Güter-, Regional- und S-Bahn-Verkehr im Rahmen der betrieblichen Bündelung 2017/ 2018. Im Ergebnis konnte einer längeren Vollsperrung nicht zugestimmt werden. Somit »verblieb« als einzige Lösung die Variante »Rückbau mit Vorschubgerüst«, die dann der weiteren Planung zu Grunde gelegt wurde. Seitens der Bahn wurden kleinteilige 6-h-Sperrpausen von einzelnen bzw. mehreren Bahngleisen nachts und am Wochenende als genehmigungsfähig in Aussicht gestellt. Für die Überbaukonstruktion wurden die Varianten Stahlverbund, einzelliger Hohlkasten bzw. zweistegiger Plattenbalken sowie ein einzelliger Spannbetonhohlkasten untersucht. Unter Berücksichtigung der zu realisierenden Stützweite im Mittelfeld von 87 m, der geringen lichten Höhe zwischen Oberkante Tragseil und Unterkante Überbau sowie den örtlichen Gegebenheiten wurde der zweistegige Plattenbalken in Stahlverbundbauweise als Vorzugsvariante festgelegt. Die vorhandenen Stützenstandorte wurden auf Grund der bestehenden baulichen Anlagen und Zwangspunkte als konfliktärmste Lösung beibehalten.

4.2 Entwurf des Neubaus

Die Entwurfsplanung und Erstellung der Vergabeunterlagen erfolgte 2016–2017 durch Inros Lackner SE im Rahmen eines Pilotprojektes des Landes NordrheinWestfalen mit der BIM-Methodik. Die beiden getrennten Überbauten bestehen jeweils aus einem zweistegigen Plattenbalken als Stahlverbundkonstruktion mit zwei Stahlhohlkästen und einer Stahlbetonfahrbahn mit Einzelbreiten von 15,50 m bzw. 15,59 m pro Überbau. Der vorhandene Kreuzungswinkel von 87,11 gon entspricht dem Bestand. Der Brückenquerschnitt ist unterteilt in eine Fahrbahnbreite von 12,50 m und Kappenbreiten von 1,60 m jeweils zu den außenliegenden Stahlverbundbauwerken bzw. 1,35 m im Mittelkappenbereich. Der Untergurtverlauf der Stahlhohlkästen wird in der Längenausdehnung parallel zum Obergurt ausgeführt. Die Stege der ca. 2 m breiten Hohlkästen werden vertikal ausgerichtet. Die Bauhöhe beträgt 3,50 m und entspricht dem Bestand. Die Schlankheit, mit einem Verhältnis der Stützweite von 87,00 m zur Bauhöhe von 3,50 m, ist 24,85. Die beiden Hauptträger sind durch stählerne Querträger in allen vier Auflagerachsen miteinander verbunden. Die Stahlbauteile der Überbauten werden in der Stahlsorte S355 und begehbar ausgeführt. Zur Gewährleistung der Beulsicherheit werden Querrahmenkonstruktionen mit längslaufenden Trapezhohlsteifen vorgesehen. Das Quertragsystem wird durch eine mit Betonstahl B500B schlaff bewehrte Fahrbahnplatte mit einer maximalen Dicke von 45 cm aus Ortbeton C35/45 gebildet. Die Unterbauten und Gründungen werden weitgehend weiterverwendet. Dieser Entscheidung gingen umfassende Erkundungen und Nachrechnungen voraus. Folgende Bestandsgründungen sind vorhanden: – Widerlager Köln: Brunnengründungen auf quaderförmigen Brunnen (13 m × 5 m × 10 m bzw. 11 m), – Widerlager Kamen: Flachgründung als durchgehende Platte (32 m × 11 m × 3 m), – Stützenreihen: Brunnengründungen aus zylinderförmigen Brunnen D = 4,25 m (verschiedene Gründungstiefen zwischen 5,50 m und 9,80 m) mit Verbindungsbalken. Im Zuge der geophysikalischen Untersuchungen in den Gründungsachsen wurde Massenkalk mit einheitlicher Struktur, kompakt bis stark zerklüftet, und teilweisen Hohlräumen im Felsgestein festgestellt. Die bestehenden Gründungen wurden daraufhin durch weitere Boden- und Materialerkundungen untersucht und nachgerechnet. Die Absetzordinaten der Brunnengründungen, die mindestens 2 m in den kompakten Fels einbinden, konnten entsprechend der Bestandsunterlagen nachgewiesen werden. Beim Widerlager Kamen steht der Fels bereits 2 m unter dem Gelände an, so dass hier eine Flachgründung als durchgehende Platte zur Überbrückung eventueller Hohlräume angeordnet wurde. Der Neubau beschränkt sich damit auf die Errichtung neuer, eingespannter Stützen mit Vollquerschnitt aus Stahlbeton einschließlich Fundamentbalken. Die Form der bis 14,70 m hohen Pfeiler orientiert sich am Bestand mit ovalem, kontinuierlichem Querschnitt über die gesamte Pfeilerhöhe mit Abmessungen von 2,20 m in Längs- bzw. 3,30 m in Querrichtung. Bei den Widerlagern werden lediglich die Auflagerbänke und Kammerwände erneuert. Die neu zu schaffenden Auflagerbänke werden mit Injektionsdübeln mit den bestehenden Widerlagerscheiben verbunden. Zusätzlich werden die Auflagerbänke mit Mikropfählen rückverankert. Im Ergebnis der vorab erstellten detaillierten statischen Berechnungen wurden Maßnahmen zur Ertüchtigung der Widerlager und Gründungen festgelegt: – Widerlager Kamen (Festlagerseite):

Zur Ableitung der Horizontalkräfte aus

Lagerreibung und Bremsen werden zug- und drucksteife Mikropfähle eingebaut. – Pfeilerachsen 20 und 30: Bodenverbesserungen durch Baugrundinjektionen mit Zementsuspension mittels Rammverpresslanzen zur Stabilisierung der

Brunnengründungen. Zusammenfassend waren folgende Argumente für eine Weiternutzung der Gründungen ausschlaggebend: – Es sind keine nutzungsbedingten

Schäden vorhanden. – Die Überbrückung gegebenenfalls vorhandener Hohlräume im Fels wird als nach wie vor funktionsfähig bewertet. – Die rechnerischen Nachweise zur Ableitung der aktuellen Vertikal- und Horizontallasten in die vorhandenen Gründungen und den sie umgebenden Fels konnten erbracht werden. – Das Bauvolumen wird im Sinne der

Nachhaltigkeit reduziert und es ergeben sich erhebliche Vorteile in Bezug auf die Kosten und die Bauzeit.

7 Neubauplanung für die Schwelmetalbrücke © Inros Lackner SE

8 Blick unter das bestehende Brückenbauwerk © DEGES GmbH

9 Neubauplanung: Querschnitt © Inros Lackner SE

10 Rückbaukonzept: vorbereitende Arbeiten (Bauphase 1a) © Inros Lackner SE

5 Das Rückbauverfahren 5.1 Planung

Im Folgenden wird das dem Entwurf zugrundeliegende Rückbaukonzept, das auch Grundlage der Ausschreibung war, erläutert. Dieses Konzept beinhaltet, wie bereits erwähnt, die Verwendung des neuen Stahlüberbaus als Traggerüst für den Abbruch: Er dient als Kranbahnträger für die erforderlichen Schwerlastgleiswagen, die auf dem Überbau mittels handelsüblicher Schienensysteme verfahren werden. Die neue Stahlkonstruktion wird segmentweise zur Baustelle geliefert, in überhöhter Lage montiert und auf Hilfsstützen gelagert. Der vorhandene Überbau wird über Litzen an den Schwerlastgleiswagen befestigt, in Segmente geschnitten und aus den Bereichen der Verkehrsräume in die Absenkbereiche verfahren und abgelassen. Nach Abbruch der bestehenden Überbauten, der Herstellung der neuen Pfeiler und Anpassungen der Widerlager erfolgt das Absenken des Überbaus in die Endlage. Die Fahrbahnplatte wird mittels Schalwagen und die Kappen mit Kappenschalwagen konventionell realisiert. Folgender prinzipieller Bauablauf ist vorgesehen (Bauphasen 1a–1d): Zu den vorbereitenden Arbeiten gehören unter anderem die Einrichtung von Verkehrssicherungen und Baustelleneinrichtungsflächen, die Herstellung von Verbauten und Abbruchpolstern unterhalb der Bestandsüberbauten, die Verrohrung der Schwelme für die Herstellung eines Abbruchplatzes für das Randfeld, die Festsetzung und Leichterung des Überbaus, die Herstellung von Hilfsstützen einschließlich Gründungen auf Mikropfählen inklusive Durchbrüchen in der Fahrbahnplatte sowie die Sicherung der Pendelstützen. Die Stahlhohlkästen werden mittels Kran vom TBW 2 in Schüssen von ca. 16 m eingehoben und mittels Vorkopfmontage auf dem TBW 2 montiert. Die Andienung erfolgt auf dem nebenliegenden TBW 1. Durch die Lastrestriktionen des TBW 2 sind die Hilfsstützen in den Achsen 7, 23 und 39 lastgesteuert auszuführen, um Überbeanspruchungen des Tragwerks zu vermeiden. In der Bauphase 1c, dem Rückbau des Mittelfeldes, werden Schwerlastgleiswagen auf der Widerlagerseite Köln montiert und auf dem neuen Stahlüberbau eingefahren. Mit Hilfe der Schwerlastgleiswagen werden anschließend die Gerüstträger eingefahren und auf den äußeren Hilfsstützen der Achsen 20 und 28 abgelegt. Auf diesen Gerüstträgern wird im Bahnbereich dann ein fahrbares Schutzgerüst (Rollgerüst) installiert, welches unabhängig von den Schwerlastgleiswagen verfahren werden kann. Das Schutzgerüst besteht aus zwei Segmenten, die einzeln in zwei Nachtsperrpausen der Bahn eingefahren werden. Die Hilfsstützen in den Achsen 7 und 39 werden lastgesteuert, um beim Trennen des Hauptfeldes die zusätzlich auftretenden Feldmomente in den Randfeldern zu vermeiden. In Feldmitte der Brücke in Achse 23 wird die Hilfsstütze zum Trennen des Überbaus genutzt.

11 Rückbaukonzept: Stahlbaumontage (Bauphase 1b) © Inros Lackner SE

12 Rückbau des Mittelfelds (Bauphasen 1c und 1d) © Inros Lackner SE

Es wird von der Feldmitte der Brücke in Richtung Köln, also über dem Bahnbereich, zurückgebaut. Die Fahrbahnplatte wird in Teilen abgetrennt und vor dem Abbruch der Hohlkästen mittels Schwerlastgleiswagen zu den Abbruchplätzen ausgefahren. Anschließend werden die Abhängungen zur Aufnahme der Lasten für die verbleibenden Rückbauabschnitte der Hohlkästen montiert. Nach Trennung des statischen Systems durch Quer-Trennschnitte mit Seilsägen werden die sich ergebenden zwei Rückbauabschnitte ausgefahren, mittels Litzenhebern abgelassen, maschinell abgebrochen und verwertet. Die Hilfsstützen in Achse 23 unter dem Bestandsbauwerk werden anschließend zurückgebaut, um Platz zum Ausschieben weiterer Rückbauabschnitte aus dem Bahnbereich zu gewährleisten. Die nächsten Trennschnitte folgen in den Achsen 18 und 20.

13 Rückbau der Randfelder (Bauphasen 1e und 1f) © Inros Lackner SE

14 Anpassungen an den Unterbauten, Absenken der Stahlkonstruktion in Endlage, Komplettierungsarbeiten (Bauphasen 1g und 1h) © Inros Lackner SE

Die Bauphase 1d umfasst den Rückbau über dem Bahnbereich bzw. nachfolgend über der B 7/B 483 analog Bauphase 1c. Das Schutzgerüst wird anschließend in zwei Teilen ausgefahren und demontiert. Die Schwerlastgleiswagen werden in die Randfelder verbracht und übernehmen dort den Abbruch in der zuvor beschriebenen Weise. Die Abbruchplätze werden nun in den Bereich der Dieselstraße bzw. der verrohrten Schwelme verlegt. Damit können die gesicherten und lastfreien Pendelstützen mittels der Schwerlastwagen bereichsweise ausgefahren und rückgebaut werden. Die Sicherung der Stützen muss entsprechend dem Rückbaufortschritt angepasst werden. Die Schwerlastgleiswagen werden in die jeweils erforderliche Position verfahren. Die auszubauenden Segmente werden analog der Bauphasen 1c und 1d aufgenommen, verfahren und auf die Abbruchpolster in den Randfeldern abgesenkt. Nach Fertigstellung der Beton-, Komplettierungs- und Ausstattungsarbeiten erfolgt die Verkehrsumlegung auf das neue TBW 2. Der Ersatzneubau des TBW 3 wird analog errichtet, die vorhandene Notverstärkung dabei berücksichtigt.

5.2 Bauausführung

Die Auftragserteilung für den Ersatzneubau der Schwelmetalbrücke erfolgte nach europaweiter Veröffentlichung Mitte 2018 an Hochtief Infrastructure GmbH Deutschland West. Die Ausführungsplanung wird durch Arup Deutschland GmbH in BIM erstellt. Damit ist dieses Projekt eines der ersten, welches eine durchgängige BIM-Planung aufweist. Das Koordinationsmodell wird mit der Übergabe an den Baulastträger nach Gewährleistung als Bestandsmodell für den Einsatz in der Unterhaltung übergeben. Dort sehen wir aktuell den größten Nutzen der BIM-Technologie. Die Neubauplanung verläuft vertragsgemäß auf Basis des Entwurfs der DEGES. In diesem Bereich fanden relativ wenige Optimierungen statt. Die Rückbauplanung erforderte deutlich größere Aufmerksamkeit. Trotz frühzeitiger Einbindung des zuständigen Prüfingenieurs Dr.-Ing. Heinrich Bökamp in die Entwurfsstatik ergab sich insbesondere bei der detaillierten Ausführungsstatik weiterer Abstimmungs- und Klärungsbedarf. Grundsätzlich folgt die Ausführungsstatik für den Rückbau des TBW 2 dem vertraglich vorgegebenen Konzept. Für den Ansatz der Rückverankerungslänge der Spannglieder nach Trennschnitt wurde im Bauvertrag eine Annahme getroffen. In der weiteren Bearbeitung wurden konkrete Angaben zum tatsächlichen Bestand in statisch relevanten Bereichen erforderlich. Die DEGES veranlasste daraufhin ein Untersuchungsprogramm und das Öffnen von Hüllrohren zur lokalen Bewertung des Verpresszustandes. Es wurden insgesamt 38 Untersuchungsstellen an Wänden und Böden der begehbaren Hohlkästen über Bahn und Dieselstraße mittels HDW-Verfahren freigelegt. Drei der 38 Untersuchungsstellen wurden aufgrund der festgestellten Verpressfehler als »ungenügend« eingestuft, jene Bereiche befinden sich an Wänden mit stark geneigtem Spanngliedverlauf.

15 16 Beispiel eines im Inneren unverpressten Spannglieds © Raupach Bruns Wolff GmbH & Co. KG

Bei 35 Öffnungsstellen waren die Spanndrähte vollständig mit Mörtel umhüllt. Es wurden keine wesentlichen Korrosionserscheinungen festgestellt. In Auswertung der Untersuchungsergebnisse konnte den Spanngliedern eine Resttragfähigkeit nach Trennschnitt von ca. 75 % im Mittel zugeordnet werden. Infolge der detaillierten Berechnungen wurden der Einsatz eines dritten Schwerlastgleiswagens und der Einbau von Schubverstärkungen für einzelne Rückbauzustände erforderlich. Das geplante Stahlbau-Montagekonzept beinhaltete eine Kranmontage im Doppelhub. Die Standorte von Kränen und Transportfahrzeugen waren auf TBW 1 im Rahmen von Verkehrsführungen vorgesehen. Während des Anhebens sollten kurzzeitige Sperrungen erfolgen. Dieses Konzept wurde zur Minimierung der Verkehrseingriffe sowie wegen etwaiger witterungsbedingter Störungen auf SPMT-Montage umgestellt. Zum Schutz der Bahnanlagen wurde im Dezember 2019 ein großflächiges wasserdichtes Schutzgerüst unter dem TBW 2 errichtet. Dadurch entfallen punktuelle Verschiebevorgänge des ursprünglich geplanten Rollgerüstes. Die vorbereitenden Sägeschnitte über den Bahnanlagen erfolgten ohne Sperrpausen im Rahmen von statisch gesicherten Zuständen. Für die Restschnitte und das Verfahren waren kurze Sperrpausen aller Gleise notwendig.

Projektbeispiel Talbrücke Kallenbach bei Herborn Projektbeispiel Bad Wünnenberg Aftetalbrücke

Teupe & Söhne Gerüstbau GmbH

Ihr Partner für Gerüstbau und Hebetechnik

Niederlassung Rheinland│Düsseldorfer Straße 107│41541 Dormagen Fon: +49 21 33 / 97 70 74│Email: rheinland@geruestbau.com

LÖSUNGEN MIT QUALITÄT • www.geruestbau.com

17 18 19 20 Impressionen vom Rückbau des Teilbauwerks 2 © DEGES GmbH

Auch der Rückbau der Überbausegmente über den öffentlichen Verkehrsräumen bedurfte des Einsatzes von Schutzgerüsten und Vollsperrungen der unterführten öffentlichen Straßen und Zuwegungen. Der Rückbau des Überbaus von TBW 2 erfolgte ab Juli 2020 durch die Firmen DTL Betonrückbau GmbH, Hebetec Engineering AG und Moß Abbruch-Erdbau-Recycling als Nachunternehmen von Hochtief. Auf das ursprünglich vorgesehene Leichtern wurde verzichtet, der Abbruch schrittweise in 20 Einzelsegmenten realisiert. Die Trennschnitte wurden über den gesamten Querschnitt geführt und im Zeitraum von Mai bis Oktober 2020 mit Blatt- und Seilsägen vorgenommen. Die Segmente wurden entsprechend den statischen Erfordernissen in einer vorgegebenen Reihenfolge verfahren, auf Abbruchpolster abgelassen, zerkleinert und abgefahren. Der Rückbau wurde im Auftrag der DEGES als Zeitraffervideo dokumentiert und kann über die Projektwebsite aufgerufen werden. Ende März 2021 erfolgte das Absenken der überhöht eingebauten Stahlhohlkästen in 22 Absenkschritten über eine Höhendifferenz von 5 m. Der Vorgang dauerte ca. 3 h und wurde in Sperrpausen der unterführten Verkehrswege durchgeführt. Im Juni 2021 begannen die Arbeiten zur Herstellung der Fahrbahnplatte. Betoniert wurde im Pilgerschrittverfahren mit obenlaufendem Schalwagen, nachfolgend wurden die Kappen betoniert. Die Abdichtungsarbeiten erfolgten witterungsbedingt unter Einsatz einer Schutzeinrichtung. Aktuell wird die Fahrbahndecke auf der Brücke TBW 2 und im angrenzenden Streckenbereich eingebaut. An die Durchführung der witterungsabhängigen Markierungsarbeiten schließen sich die Verkehrsumlegung auf das neue TBW und der Ersatzneubau des TBW 3 in gleicher Bauweise an. Als vorbereitende Maßnahme wird derzeit das Schutzgerüst über der Bahnanlage montiert. Der Fertigstellungstermin ist nach derzeitigem Kenntnisstand Mitte 2024.

6 Fazit

Das Thema »Bauen im Bestand« braucht innovative Ideen, teils kreative und mutige Lösungsansätze, ausreichend Vorbereitungszeit für erforderliche Untersuchungen und Erkundungen – und geht trotz verantwortungsbewusster Vorbereitung stets mit Überraschungen einher. Auch bei diesem Projekt wurden frühzeitig umfassende Recherchen, Untersuchungen und Erkundungen durchgeführt. Dennoch gab es im Zuge des Baufortschritts verschiedene unvorhersehbare Erkenntnisse und Festlegungen. Neben Abweichungen der Bestandsunterlagen vom tatsächlichen Bestand zeigten sich auch umfangreiche Differenzen im Streckenbestand. Das Bauwerk befindet sich zudem auf einer Zuständigkeitsgrenze unterschiedlicher Behörden. Die Abstimmungen mit den Rettungskräften zur Vermeidung unübersichtlicher Verkehrssituationen im Einsatzfall mündeten in zusätzlichen Konzepten und baulichen Maßnahmen, wie zum Beispiel der Einrichtung einer mobilen Stauwarnmeldeanlage vor Verkehrsumlegung, der Installierung einer Kameraüberwachung, den Forderungen bezüglich einer zusätzlichen Auffahrt und weiterer Zufahrten für Rettungskräfte, der Erstellung und Umsetzung eines Notfall-Sperrkonzepts. Die konkrete Kenntnis über den Zustand der vorhandenen Spannglieder in den kritischen Bereichen ist ebenso elementar wie das Wissen um die tatsächlich benötigten Tragfähigkeiten gemäß Rückbaustatik. Theoretische Annahmen sind insbesondere in dichtbesiedelten und verkehrsreichen Räumen als nicht ausreichend zu bewerten. Die Sicherheit von Verkehrsteilnehmern und Baubeteiligten hat oberste Priorität. Wichtige Erkenntnisse für zukünftige Projekte mit BIM konnten im Rahmen der Planung und Ausführung erworben werden. Durch konsequente Anwendung der BIM-Methode wurden und werden Abläufe verbessert und Kollisionen frühzeitig erkannt. Insbesondere bei Ersatzmaßnahmen ordnet sich der Neubau in der Außenwahrnehmung dem spektakulären Rückbau komplett unter. Tatsächlich liegt das Interesse der Öffentlichkeit ausschließlich in der Nutzung des Bauwerkes, was zu einem Umdenken in der Planung führen muss: weg vom konstruktiven Detaildenken hin zum kundenorientierten Verfügbarkeitsgedanken. Jedes erfolgreiche Projekt braucht ein Team mit dem Willen zum Erfolg. Wir bedanken uns an dieser Stelle bei allen Projektbeteiligten für die geleistete Arbeit. Auch die DB AG hat durch unkompliziertes und kooperatives Mitwirken zur Relativierung eingetretener Bauzeitverschiebungen beigetragen. Unter www.deges/projekte/nrw/ Schwelmetalbrücke kann man sich jederzeit über den aktuellen Stand der Arbeiten informieren. Die Operation verläuft bislang erfolgreich.

Autorin: Dipl.-Ing. Ines Nordhaus DEGES Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH, Zweigstelle Düsseldorf Bauherr DEGES Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH, Berlin

Entwurf und Planung Inros Lackner SE, Rostock

Prüfingenieur Dr.-Ing. Heinrich Bökamp, Münster

Auftragnehmer Hochtief Infrastructure GmbH, Köln (Ausführung)

Nachunternehmer Arup Deutschland GmbH, Düsseldorf (Ausführungsplanung in BIM) Donges SteelTec GmbH, Darmstadt (Stahlbau) DTL Betonrückbau GmbH, Dortmund (Rückbau) Hebetec Engineering AG Hindelbank, Schweiz (Rückbau) Moß Abbruch-Erdbau-Recycling GmbH & Co. KG, Lingen (Rückbau)

This article is from: