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Pattullo Bridge Replacement Project in Vancouver

Ersatzneubau einer Brückenquerung über den Fraser River Pattullo Bridge Replacement Project in Vancouver

von Peter Walser, Philippa Maier

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Die 1.227 m lange Stahlbogenbrücke aus dem Jahr 1937 wird täglich von ca. 76.000 Pkw und 4.000 Lkw befahren, ist den gestiegenen Anforderungen nicht mehr gewachsen und muss nun ersetzt werden. Nachfolgend wird über den Wettbewerb, die Detailplanung und die Betreuung der Baustelle für die einhüftige Schrägseilbrücke als Ersatzbauwerk berichtet.

1 Projekt und Lage

Die Pattullo-Brücke kreuzt den Fraser River flussaufwärts von Vancouver und stellt eine wichtige innerstädtische Verbindung zwischen den Städten New Westminster und Surrey dar. Die 1937 für den Verkehr eröffnete Bestandsbrücke zeigt Alterungserscheinungen und ist mit ihren engen Fahrspuren ohne Mitteltrennung der Fahrtrichtungen dem heutigen Verkehrsaufkommen und den gestiegenen Anforderungen an die Verkehrssicherheit nicht mehr gewachsen (Bild 1). Im Jahre 2019 wurde in einem beschränkten Wettbewerb unter drei Teilnehmern der Entwurf und der Bau eines Ersatzbauwerks ausgeschrieben. Hierzu wurde vom Bauherrn eine funktionale Ausschreibung mit allen einzuhaltenden technischen und vertraglichen Randbedingungen erstellt: – 100 Jahre Nutzungsdauer. Für auswechselbare Elemente sind minimal zu erreichende Lebensdauern angegeben. – Bemessung nach kanadischer Brückenbaunorm CAN/CSA S6 mit Anpassungen für Britisch-Kolumbien. – Schifffahrtsprofil und Anpralllasten für

Schiffe bis max. 60.000 DWT. – Auslegung für Erdbeben mit einer maximalen Fußpunkterregung ≤ 6,50 m/s2 für eine Wiederkehrperiode von 2.475 Jahren. – Breitere Fahrspuren mit Mitteltrennung und Standspuren. Anfangs sollen vier

Fahrspuren angeordnet werden, eine mögliche Verbreiterung auf sechs ist vorzusehen und vollständig zu planen. – Eigene Fuß- und Radwege, die auf beiden Seiten der Brücke durch eine

Schutzvorrichtung vom Verkehr getrennt sind, nach außen mit einer 3 m hohen Anti-Suizid-Sicherung. – Optimierte Anbindungen der Brücke. Die Entwürfe wurden zunächst vertraglich und technisch durch den Bauherrn geprüft, danach wurde der günstigste Bieter beauftragt. Eine spätere Wartung wird getrennt ausgeschrieben und war nicht anzubieten. Die Erhebung einer Maut ist nicht vorgesehen. Die neue Brücke soll im Jahr 2024 eröffnet werden, das bestehende Bauwerk bleibt bis zur Freigabe der neuen Brücke in Betrieb. Sobald die neue Brücke eröffnet ist, wird die alte rückgebaut. Am 7. Februar 2020 beauftragte die Regierung von Britisch-Kolumbien die Arbeitsgemeinschaft »Fraser Crossing Partners (FRP)«, eine Partnerschaft von Acciona Infrastructure Canada und Aecon Group, mit der Planung und dem Bau der Ersatzbrücke und dem Rückbau des Bestandsbauwerks. Der Auftrag zum Festpreis von 1,377 Mrd. C$ (ca. 950 Mio. €) umfasst auch die Errichtung neuer Straßenverbindungen an den Brückenköpfen in New Westminster und Surrey.

2 Entwurf

Auf Grundlage der funktionalen Anforderungen, der Baubarkeit und der Kosten wurden verschiedenste weitgespannte Brücken entworfen und mittels einer Bewertungsmatrix verglichen. Dabei waren insbesondere die Einschränkungen durch vorhandene Bauwerke, vor allem durch die unmittelbar daneben angeordnete 105 Jahre alte Eisenbahnbrücke, zu beachten (Bild 2). Am südlichen Flussufer stehen Sedimentschichten an, welche im Erdbebenfall zu Bodenverflüssigungen neigen. Die Entscheidung fiel zugunsten einer einhüftigen Schrägseilbrücke (Bild 3) mit einer Hauptspannweite von 332 m (Bilder 4, 5). Ihre Gesamtlänge beträgt 1.235 m, gegliedert in eine 531 m lange Hauptbrücke, eine 239 m lange Nordrampe und eine 465 m lange Südrampe. Die seilverspannte Hauptöffnung über der Fahrrinne wird von einem einzigen 167 m hohen, H-förmigen Pylon (Bilder 6, 7) getragen. Die Rückhaltebereiche messen 162 m und 84 m. Der Trennpfeiler zur Südrampe befindet sich in Achse S 3. Eine statisch optimierte Anordnung des Trennpfeilers ca. 20 m weiter südlich war wegen strenger archäologischer Auflagen nicht möglich.

1 Ausgangssituation: bestehende Flussquerungen © FCCGP 2 Situation im Bau mit Bestandsbrücken © FCCGP

3 Neues Brückenbauwerk im Kontext © FCCGP

4 5 Ersatzneubau in Draufsicht und Ansicht © Leonhardt, Andrä und Partner AG

Der Hochpunkt des Überbaus befindet sich im Hauptfeld und liegt ca. 53 m über dem mittleren Wasserstand. Mit einem Ausrundungsradius von 1.600 m schließen sich die Rampen mit Steigungen von jeweils 5,5 % bis zu den Widerlagern an. Den Überbau bildet ein stählerner Trägerrost mit im Verbund liegender Stahlbetonplatte (Bilder 8, 9). Die Stahlkonstruktion besteht aus wetterfestem Feinkornbaustahl mit Mindeststreckgrenzen von 350 MPa bzw. 485 MPa. Gemäß den örtlichen Brückenbaunormen ist über die Lebensdauer von 100 Jahren keine Abrostung zu berücksichtigen, sämtliche Baustellenstöße sind geschraubt auszuführen. Die Fahrbahnplatte wird aus Fertigteilen erstellt und ist komplett mit Edelstahlbewehrung versehen. Auf der Platte werden eine Abdichtung und ein Asphaltbelag mit 100 mm Gesamtdicke angeordnet. Der nördliche sich aufweitende Fahrbahnbereich wird durch eine unsymmetrische Schrägseilanordnung vermieden. Im Bereich der Schifffahrtsrinne beträgt der Freiraum 275 m mit einer maximalen Durchfahrtshöhe von 46,86 m über dem mittleren Wasserstand, wobei hier bereits ein Anstieg des Meeresspiegels um 1,20 m infolge des Klimawandels berücksichtigt worden ist.

6 7 Längs- und Querschnitt des Pylons © Leonhardt, Andrä und Partner AG

8 9 Querschnitte mit vier und sechs Fahrstreifen © Leonhardt, Andrä und Partner AG

10 Überbau der Nordrampe © Leonhardt, Andrä und Partner AG

Im Norden ist der Überbau (Bild 10) monolithisch mit der Hauptbrücke verbunden. Die Spannweiten betragen 115 m zwischen den Pfeilern N 1 und N 2 über den Gleisen und dem Wartungshof des Bahnbetreibers CN Rail sowie 77 m zwischen den Pfeilern N 2 und N 3 über eine Ortstrasse. Die abgetrennte südliche Rampe weist Spannweiten von 85,70 m, 82 m, 100 m, 73,50 m, 75 m und 49 m auf. Die Bilder 8–10 veranschaulichen die Anordnung und die Abmessungen der Fahrspuren. Die ursprüngliche Anordnung mit vier Fahrspuren innerhalb der vertikalen Seilebenen weist folgende Merkmale auf: – eine 0,60 m breite und 0,81 m hohe

Betongleitwand zur Trennung der

Fahrtrichtungen, – vier 3,60 m breite Fahrspuren für den

Fahrzeugverkehr (zwei Fahrspuren je

Richtung), – zwei 2 m breite äußere Seitenstreifen (einer je Richtung), und – zwei 3,50 m breite kombinierte Rad- und Gehwege (einer je Richtung) mit einem 1,80 m breiten einseitigen

Radfahrstreifen; Trennung von den

Seitenstreifen durch eine Gleitwand und einen Anti-Suizid-Zaun. Die künftige sechsspurige Anordnung sieht sechs Fahrspuren für den Fahrzeugverkehr innerhalb der vertikalen Seilebenen vor. Hierzu werden die beiden ursprünglich kombinierten Rad- und Gehwege in Fahrspuren umgewandelt und zwei neue 4 m breite Kragarme am Überbau außerhalb der vertikalen Seilebenen ergänzt. Die Bilder 6–7 zeigen den H-förmigen Pylon aus Stahlbeton mit zwei vorgespannten Betonquerriegeln. Die äußeren Querschnittsabmessungen der Pylonbeine verjüngen sich von 9 m × 5 m auf Höhe der Pfahlkopfplatte zu 6,50 m × 4 m knapp unterhalb des oberen Querträgers. Darüber ist der Querschnitt konstant. Ein 5,40 m hoher und 8 m breiter Überzug oberhalb der Pfahlkopfplatte ist als Hohlkastenquerschnitt konzipiert und verteilt einen Großteil der Pfahllasten auf die Pylonbeine. Als Seilverankerungen dienen einfache Stahltraversen, welche an einen innenliegenden Kasten bildende Stahlwände angeschweißt sind. Die Pylongründung umfasst 27 Pfähle in der Anordnung 3 × 9. Sie bestehen aus unten offenen Stahlrohren mit einem Durchmesser von 2,50 m und Wanddicken zwischen 35 mm und 55 mm, welche mit Längen bis 70 m in die Moränekiesschicht bzw. den Horizont des verwitterten Felses gerammt werden. Um die Kräfte aus dem Stahlrohr auszuleiten und diese dann flächig über Betonpfropfen in die Pfahlkopfplatte mit Abmessungen von 56,40 m × 19 m × 3,40 m einzutragen, werden die Stahlrohre im oberen Bereich ausbetoniert. Die Brückenpfeiler in den Achsen N 1 (Bild 11), S 2 und S 3 bestehen aus Stahlbetonvollquerschnitten mit einem Durchmesser von 3,50 m und sind ebenfalls auf massiven Pfahlkopfplatten und Stahlrohren von 2,50 m bzw. 2 m Durchmesser und mit Längen bis 88 m gegründet. Die Pfeiler an den Achsen N 3, N 2 und S 4–S 9 haben einen Durchmesser von 1,80 m und gehen direkt über in Ortbetonbohrpfähle mit Durchmessern von 2 m (an der Nordrampe) bzw. in unten offene Stahlrammpfähle mit D = 2 m an der Südrampe. Die Pfahlgründungen im Fluss werden durch ca. 2,50 m dicke Steinschüttungen auf einem Geotextilfilter gegen Auskolkung geschützt.

11 Pfeiler in Achse N 1 © Leonhardt, Andrä und Partner AG

Die Seile sind als Semiharfe in vertikalen Ebenen angeordnet. Sie bestehen aus konventionellen Bündeln von 23 bis 80 Litzen mit einer Querschnittsfläche von 150 mm2 und einer Nennfestigkeit von 1.860 MPa. Die Drähte der Monolitzen sind verzinkt und von einer aufgeschrumpften HDPE-Hülle umgeben, wobei die Hohlräume mit Wachs gefüllt sind. Das äußere Schutzrohr besteht aus einem HDPE-Rohr im Farbton »Lichtgrau« und ist zur Reduktion von Regen-Windindizierten-(RWI-)Seilschwingen mit einer doppelläufigen Helix ausgestattet. Da an anderen Schrägseilbrücken in der Region Probleme mit von Seilen herunterfallenden Eisschollen auftraten, verlangt der Bauherr, hier ein Enteisungssystem zu installieren. Das ausgeschriebene System sieht vor, Stahlketten entlang der Seile heruntergleiten zu lassen, um damit das Eis gezielt vom Seil zu lösen. Weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Ketten die Helix zumindest teilweise beschädigen, wurden die Nachweise gegen RWI-Schwingungen auch ohne einen Ansatz der Helix geführt. Alle Seile sind mit Hydraulikdämpfern versehen, welche sowohl in als auch aus der Seilebene mindestens 4 % logarithmisches Dekrement zusätzlicher Dämpfung erbringen. Die Inspektion erfolgt über Bühnen, welche entlang der Seile bis zu zwei Personen befördern können und von denen aus sich auch geringfügige Reparaturen am HDPE-Rohr durchführen lassen. Die Überbauten sind auf stahlbewehrten Gummilagern mit Bleikernen gelagert. Mit Durchmessern bis 1,50 m und einer Gesamtdicke der Gummischicht bis 375 mm liegen diese an der Grenze des Machbaren. Die Lager werden in Querrichtung geführt, wobei der Bleikern für reguläre Lasten wie Wind etc. eine große Steifigkeit erzeugt. Im Falle größerer Erdbeben kommt der Bleikern ins Fließen, die Steifigkeit des Lagers wird lediglich vom Gummi erzeugt und reduziert sich damit wesentlich. Dadurch wird der Überbau von den Schwingungen des Untergrundes entkoppelt, was die Eigenschwingungsdauern vergrößert und die steifigkeitsabhängigen Erdbebenlasten erheblich verringert. Das Hin-undher-Gleiten des Bleikerns ergibt zusätzlich eine große Dämpfung des Systems. Die Hauptbrücke mitsamt der angehängten Nordrampe ist am Pylon mittels längs liegender Kalottenlager gehalten. Das Bauwerk wird mit einem MonitoringSystem zur Bauwerksüberwachung ausgestattet. Es dient hauptsächlich dazu, den Zustand der Brücke unmittelbar nach einem starken Sturm oder Erdbeben – Nachunternehmer

Leonhardt, Andrä und Partner: – Stellung des für die Nordrampe und die Hauptbrücke verantwortlichen EoR – Erstellung eines globalen Rechenmodells für die Bauzustände von

Pylon und Überbauten, das Endsystem und die Time-History-Erdbebenberechnungen für insgesamt 240 Kombinationen aus 15 verschiedenen Zeitschrieben und 16 verschiedenen Annahmen für Lager- und Bodensteifigkeiten – Detailplanung der kompletten

Hauptbrücke und der Nordrampe einschließlich der Gründungen und

Unterbauten der Achsen N 1, S 1–S 3 – Windkanalversuche und erforderliche Seildämpfungen – Nachunternehmer EXP: – Stellung des geotechnischen EoR – Auswertung der Bodenerkundungen und Festlegung der Erdbebenintensitäten – Ermittlung der Erdbebenlasten sowohl als Antwortspektren als auch als Zeitschriebe des Verlaufes der

Scherwellen im Boden und der Querlasten auf die Pfähle aus Bodenverflüssigungen – sämtliche geotechnischen Nachweise der Gründungen – Ausarbeitung des Konzeptes und

Betreuung der Pfahlprobebelastungen – Abnahme der Pfähle vor Ort – Nachunternehmer GNEC: – Planung der elektrotechnischen

Ausstattung einschließlich der

Sensorik für das Bauwerksmonitoring

den Sollwerten schnell gegenüberzustellen. Damit erhält der Bauherr die Möglichkeit, gezielt eventuell beeinträchtigte Bauteile zu lokalisieren, zu inspizieren und die Strecke möglichst frühzeitig wieder in Betrieb nehmen zu können. Die angeordneten Sensoren messen sowohl Verschiebungen im Baugrund als auch Beschleunigungen und Verschiebungen an verschiedensten Bauteilen. Diese werden in Echtzeit zusammen mit den Daten anderer Bauwerke in der Provinz Britisch-Kolumbien an eine zentrale Kontrollstelle gesandt und ausgewertet.

3 Detailbearbeitung

Hauptauftragnehmer für die Detailplanung ist das kanadische Büro Hatch Ltd., welches mit Nachunternehmern arbeitet. Die Beauftragung geht weit über eine übliche Tragwerksplanung hinaus. Für die einzelnen Bauwerke ist jeweils ein sogenannter Engineer of Record (EoR) zu benennen. Dessen Aufgabe beinhaltet neben der persönlichen Verantwortung für die Tragwerksplanung auch die Erstellung der Spezifikationen, die Prüfung der Werkstattpläne und der vorgesehenen Produkte sowie die Qualifikation der eingesetzten Hersteller und deren Mitarbeiter. Der EoR hat bis zur Schlussabnahme zur Verfügung zu stehen und sämtliche Unterlagen persönlich verantwortlich freizugeben. Die Arbeitsteilung für den Hauptbrückenzug, die beiden Rampen und die Hauptbrücke umfassend, ist wie folgt: – Hauptauftragnehmer Hatch: – allgemeine Koordination mit

Baufirma und Bauherr – Stellung des für die Südrampe und die anschließenden kleineren

Bauwerke verantwortlichen EoR – Straßen- und Entwässerungsplanung – Flusshydraulik mit Betreuung der

Versuche im Wasserkanal, Bemessung Kolkschutz – Bemessung der Pfeiler N 3 und N 2 sowie der Südrampe

12 Globales Berechnungsmodell © Leonhardt, Andrä und Partner AG

Im Globalmodell wurden die Steifigkeiten der Pfahlgründungen über Flexibilitätsmatrixen berücksichtigt. Ihre Ermittlung erfolgte an getrennten Modellen für die maßgebenden Einwirkungen mit nichtlinearen Federn zur Abbildung der Bodensteifigkeiten, wobei Variationen in den angesetzten Bodensteifigkeiten und Kote des Flussbettes durch Auskolkung berücksichtigt wurden. Für die maßgebenden Erdbebenkombinationen wurde dann auch ein Gesamtmodell (Bild 12) benutzt, um Systemantworten der Gesamtkonstruktion, einschließlich der durch Scherwellen im Boden beanspruchten Pfähle, kombinieren zu können. Pylone und Pfeiler wurden entsprechend als Stäbe modelliert. Der Verbundüberbau mit seinen mehrfachen Längsträgern wurde ebenfalls mit Stabelementen modelliert, wobei zur Berücksichtigung einer Scheibenwirkung der Fahrbahnplatte in Querrichtung ein fiktiver K-Verband eingeführt wurde. Somit konnten bereits am Globalmodell die Spannungen sowohl an den Stahlträgern als auch in der Betonplatte abgelesen werden. Gemäß kanadischer Norm ist der Ausfall einzelner Stahlteile und die daraus resultierende Lastumleitung zu untersuchen. Falls diese nicht gelingt, werden recht hohe Anforderungen an die verwendeten Stahlgüten, die Ausführung und vor allem die späteren Inspektionen gestellt. Aus diesem Grund wurde zur Erhöhung der Redundanz ein mittlerer Längsträger angeordnet. Die Steifigkeit der Gummilager mit Bleikern wurde für die maßgebenden Erdbebenfälle iterativ für die maximale Verschiebung ermittelt und als lineare Feder unter Berücksichtigung einer Variation in der Steifigkeit des Gummis berücksichtigt. Im Nicht-Erdbebenfall fließt der Bleikern nicht und stellt somit den wesentlichen Anteil an der Lagersteifigkeit dar. Die Schnittgrößenermittlung einschließlich der Untersuchungen gemäß Theorie II. Ordnung wurde für die üblichen Lasten gemäß kanadischer Brückennorm CAN-S6-14 vorgenommen. Neben dem Schiffsanprall sind die Erdbebenlasten maßgebend für die Bemessung der Gründungen, des Pylons und der Lager. Für den offenen Überbau mit seiner geringen Torsionssteifigkeit ist der planmäßige Seilaustausch bzw. Seilbruch maßgebend. Bei Letzterem wurde der plötzliche Ausfall von zwei Seilen in Kombination mit reduzierter Verkehrsbelastung berücksichtigt. Die dynamischen Erhöhungsfaktoren wurden für verschiedene Ausfallszenarien im Zeitschrittverfahren zu ca. 1,50 ermittelt, wobei die Zeitdauer zur Inaktivierung der Seilkraft auf 0,05 s angenommen wurde. Es wurden auch verschiedene Brandszenarien untersucht. Bei einem Feuer auf der Brücke infolge eines Benzintankwagenunfalls wird davon ausgegangen, dass sich eine Lache von 200 m2 Grundfläche bildet und eine Temperaturkurve analog eines Kohlenwasserstoffbrandes erzeugt wird. Für die Branddauer wurden 60 min angesetzt. Mit den vorhandenen Betondeckungen von mindestens 50 mm ist die Bewehrung hinreichend geschützt. Die HDPE-Ummantelung der Seile tropft bei einer Temperatur ≥ 140 °C ab und entzündet sich bei ca. 340 °C, um dann selbst eine Brandquelle darzustellen. Durch Leonhardt, Andrä und Partner wurden verschiedene Brandszenarien und deren Auswirkungen auf die Oberflächentemperatur der Verrohrung untersucht. Ziel war es, zu ermitteln, in welchen Bereichen Brandschutzmaßnahmen in Form einer Umwicklung mit Steinwollematten etc. angeordnet werden müssen, damit maximal zwei Seile ausfallen. Die erforderliche Schutzhöhe wurde zu 17 m ermittelt, die unteren 3 m erhalten zusätzlich eine Ummantelung aus Stahl, um die Seile gegen Vandalismus zu schützen. Vom Büro EXP wurden sowohl die Antwortspektren als auch die Zeitschriebe für verschiedene Wiederkehrperioden von Erdbeben erstellt. Zusätzlich wurden die Querlasten infolge Bodenverflüssigung angegeben bzw. der Umfang der notwendigen Bodenverbesserungen ermittelt. Des Weiteren hat EXP die äußeren Pfahltragfähigkeiten nachgewiesen. Das Büro Wacker war bereits in der Wettbewerbsphase eng eingebunden und ist auch in der Ausführungsphase gesamtverantwortlich mit allen Fragen bezüglich Windeinwirkungen beauftragt. Dabei sind die unterschiedlichen Konstellationen mit vier bzw. sechs Spuren zu berücksichtigen und, falls erforderlich, gegebenenfalls aerodynamische Gegenmaßnahmen wie Windnasen etc. zu entwerfen. Zum Leistungsumfang gehören die Festlegung des an der Örtlichkeit anzusetzenden Windklimas, und zwar unter Berücksichtigung des globalen Klimawandels, und die Festlegung der zu berücksichtigenden Windgeschwindigkeiten. Im eigenen Windkanal wurden an Teilmodellen (Bild 13) die statischen und aerodynamischen Windbeiwerte des Überbaus und des Pylons ermittelt. Daneben wurden für den Überbau auch die aerodynamischen Dämpfungswerte nach Scanlan in laminarer Strömung gemessen. Mittels dieser Kennwerte wurden vom Büro Wacker die für die Bemessung im End- und in den Bauzuständen anzusetzenden Windersatzlasten und der Nachweis einer ausreichenden Stabilität infolge von Wirbelablösungen, reinen Biegeeffekten (Galloping) und kombinierten Biege-Torsionsbewegungen (Flattern) sowohl versuchstechnisch als auch rechnerisch nachgewiesen. Um die Ergebnisse beiderseits gegenzuprüfen, wurde die Berechnung mit insgesamt drei Methoden durchgeführt: – Methode 1: Messung der Kräfte und

Bewegungen für unterschiedliche

Windgeschwindigkeiten am starren bzw. schwingend gelagerten Teilmodell im Maßstab 1 : 100, um die Kraftbeiwerte zu bestimmen und um Instabilitäten ausschließen zu können.

Zusätzlich werden an einem Gesamtmodell im Maßstab 1 : 300 in einem

Grenzschichtkanal, welcher die naturähnlichen Geschwindigkeitsverteilungen sowohl im Höhenprofil als auch in den räumlichen Ausdehnungen der

Windböen abbildet, die auf den Überbau wirkenden fluktuierenden Winddrücke gemessen. In Kombination mit den vom Tragwerksplaner ermittelten

Eigenformen und -frequenzen, Massenverteilungen und der angenommenen

Systemdämpfung wird von Wacker ein dynamisches Rechenmodell im

13 Teilmodell im Windkanal © Wacker Ingenieure GmbH

14 Gesamtmodell im Force-Technology-Windkanal © Leonhardt, Andrä und Partner AG

15 Biegen der Rohre im Werk © FCCGP 16 Einrammen der Pfähle © Leonhardt, Andrä und Partner AG

Frequenzbereich erstellt und damit die Ersatzlasten ermittelt. – Methode 2: Methode nach Davenport unter Berücksichtigung des gemessenen Verlaufes der Kraftbeiwerte und der theoretischen Ansätze zur Winddruckverteilung über die Höhe und über die betrachtete Längenausdehnung, womit unterschiedliche Böenintensitäten bei unterschiedlicher

Ausdehnung berücksichtigt werden können. – Methode 3: Vom Büro GMTiB wurde ein

FE-Rechenmodell im Zeitschrittverfahren mit der Schrittweite 0,020 s erstellt.

Es stützt sich auf das von Leonhardt,

Andrä und Partner zur Verfügung gestellte Gesamtmodell und benutzt die von Wacker gemessenen statischen und dynamischen Kennwerte einschließlich der in den gemessenen

Scanlan-Derivativa ausgedrückten

Luftdämpfung. Alle drei Methoden ergaben sehr ähnliche Bemessungsschnittgrößen und Verformungen und wurden vom Prüfingenieur bestätigt. Gemäß Bauvertrag waren die Ergebnisse an einem Gesamtmodell im Maßstab 1 : 150 unter Einbeziehung der umgebenden Bauwerke zu bestätigen. Unter der Regie von Wacker wurden diese Versuche im Großkanal von Force Technology durchgeführt (Bild 14). Diese bestätigten die Ergebnisse von Wacker sowie die getroffene Annahme, dass die Umgebungsbebauung (Bestandsbrücken) keinen Einfluss auf Lasten und Stabilität des neuen Bauwerks haben wird.

4 Bauausführung

Die Fertigung der ca. 13.000 t Stahlrohre für die Pfähle erfolgte in China. Die Rohre wurden aus Blechen kalt gebogen (Bild 15) und zu ca. 13 m langen Rohren verschweißt. Für jede Schmelze wurden die Angaben der Walzzeugnisse an zusätzlichen Proben von einem unabhängigen Labor geprüft. Die Schweißnähte wurden zu 100 % mittels Phased Array Ultraschall (PAUT) geprüft. Bei Ankunft auf der Baustelle wurden die Rohre nochmals stichprobenartig auf Maßhaltigkeit und auf Schweißnahtfehler kontrolliert. Die Rohre werden mit Rammbären mit einer Energie ≤ 800 kJ eingetrieben (Bild 16). Zur Herstellung der Pfahlkopfplatten im Wasser werden Betonfertigteilschalen auf den Pfählen angeordnet, welche dann als verlorene Schalung dienen (Bild 17). Die ca. 12.000 t Stahlteile für den Überbau werden ebenfalls in China gefertigt. Die Werkstattzeichnungen werden vom Fertiger erstellt, von der Baufirma im Detail geprüft und vom EoR auf Übereinstimmung mit der Bemessung bestätigt. Zurzeit (Stand: Anfang Januar 2022) werden die Bleche zum Zuschnitt vorbereitet. Auch hier werden die Walzzeugnisse und die Fertigung durch unabhängige Institutionen vor Ort geprüft. Im Werk erfolgt eine Probemontage der Stahlteile, um deren Passgenauigkeit zu kontrollieren. Die Betonfertigteile der Fahrbahnplatten werden in Nordamerika gefertigt. Hier ist wiederum eine permanente Überwachung seitens der Baufirma und des Bauherrn im Werk vorgesehen. Der EoR selbst prüft stichprobenartig, wobei ihm sämtliche Material- und Überwachungszeugnisse zur Verfügung stehen. Der Überbau der Hauptbrücke wird mittels Derrick eingehoben und montiert. Danach erfolgen der Verguss der Fertigteilfugen und das Einziehen der Seile.

17 Anordnen der verlorenen Schalung für die Pylongründung © FCCGP

Die Stahlträger der Nordrampe werden mittels Kranen vom Boden aus eingehoben. Anschließend werden die vorgespannten Teilfertigteilplatten aufgelegt und die Ortbetonergänzung betoniert. Der Pylon wird mittels einer für das Projekt speziell geplanten und erstellten Kletterschalung in typischen Schusshöhen von 5 m errichtet. Wegen der hohen Erdbebenbelastung ist sämtliche Längsbewehrung mit Durchmessern bis 55 mm in der Festigkeitsklasse 400 MPa mechanisch mittels Muffen zu koppeln und sehr eng in typischen Rastern von 100 mm zu verbügeln. Die Gummilager mit Bleikern werden in Indien gefertigt. Für jede Größe muss ein Prototyp dynamisch auf Übereinstimmung mit den Rechenansätzen bezüglich erreichter Verformbarkeit, Hysterese und Stabilität unter Erdbebenlasten geprüft werden. Hierzu werden die entsprechenden Auflasten von bis 31 MN und ca. 4 MN Horizontallast bei ca. 350 mm Verformung dynamisch mit einer sich aus Erdbeben ergebenden sinusförmigen Geschwindigkeit getestet. Da weltweit lediglich ein Labor in der Lage ist, solch große Lager zu testen, ist es aus terminlichen Gründen vorgesehen, die Leistungsfähigkeit an Lagern von reduzierter Größe zu testen. Des Weiteren sind sämtliche Lager, welche ins Bauwerk eingebaut werden, einer Produktionskontrolle zu unterziehen. Dazu wird eine der Erdbebenbeanspruchung vergleichbare statische Vertikallast sowie die entsprechende ± Horizontalverschiebung in fünf Zyklen aufgebracht und die einwandfreie Vulkanisation geprüft. Zurzeit (Januar 2022) sind an den Achsen S 1 und S 2 die Pfähle eingeschlagen und an Achse S 1 ist die verlorene Schalung für das Fundament teilweise installiert. Sobald die Montage auf der Baustelle stärker voranschreitet, werden Mitarbeiter von Leonhardt, Andrä und Partner für ca. 35 Monate vor Ort sein, um die Übereinstimmung mit der Planung zu bestätigen und auf Abweichungen schnell reagieren zu können. Dies beinhaltet auch Anpassungen von Seilkräften, sofern Abweichungen in der Geometrie oder bei den Lasten auftreten sollten.

Autoren: Dipl.-Ing. Peter Walser P. Eng. Dipl.-Ing. Philippa Maier P. Eng. Leonhardt, Andrä und Partner Beratende Ingenieure VBI AG, Stuttgart

Bauherr Ihre Majestät, Königin Elisabeth II., im Recht der Provinz Britisch-Kolumbien, Kanada, vertreten durch das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur und BC Transportation Financing Authority

Generalunternehmer und Montage Arbeitsgemeinschaft: Fraser Crossing Constructors General Partnership (FCCGP), bestehend aus Aecon Constructors und Acciona Infrastructure Inc., Vancouver, Kanada

Planung Hatch Ltd., Vancouver, Kanada Leonhardt, Andrä und Partner Beratende Ingenieure VBI AG, Stuttgart (Nachunternehmer) Wacker Ingenieure GmbH, Birkenfeld (Nachunternehmer) GMTIB Guido Morgenthal Technologien im Bauwesen (Nachunternehmer) Force Technology, Lyngby, Dänemark (Nachunternehmer) EXP, Burnaby, Kanada (Nachunternehmer) GNEC, Burnaby, Kanada (Nachunternehmer)

Fertigung Jiangsu Yangzi Chankong Offshore Engineering Co. Ltd., China (Stahlpfähle) China Railway Shanhaiguan Bridge Group Co. Ltd., China (Stahlüberbau) Mageba Services & Technology AG, USA (Bleikernlager) Freycan Major Projects Ltd., USA (Seile)

Innovation aus Tradition

Kreative und innovative Entwürfe wettbewerbsfähige Sondervorschläge Ausführungsplanungen auf dem neuesten Stand der Technik

Jahrzehntelange Erfahrung auf allen Gebieten des Ingenieurbaus

Beratende Ingenieure VBI AG www.lap-consult.com

Rheinbrücke Leverkusen

Güßbacher Welle

Pattullo Bridge Vancouver

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