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Vinschgerwind 12-22
16.06.22
Nationalpark Stilfserjoch
Der Vinschger Sonnenberg im Wandel Fotos: Wolfgang Platter
Eine menschlich bedingte Sekundärsteppe verändert sich eine menschlich bedingte Sekundärsteppe. Zu sesshaften Bauern wurden die Menschen erst durch den Anbau von Getreide, das Graben von Wohngruben und die Anlage von Wintervorräten. Das heutige Vegetations- und Landschaftsbild des Vinschgauer Steppenhanges leitet sich ohne Zweifel von einer vormaligen Waldlandschaft her. Diese Waldlandschaft wurde von den frühen Siedlern durch Rodung und übermäßige Beweidung auf den kargen Steppenrasengürtel herabgewirtschaftet. Autochthoner, bodenständiger Wald ist am Leitenhang nur der Lärchen-Zirbenwald oberhalb der Dauersiedlungsflächen der Höfe, die auf den Trogschultern der eiszeitlichen Gletscher entstanden sind. Der Vinschgau ist eine inneralpine Trockeninsel, welche aus den Atlantiktiefs selten Regen bekommt, weil der Alpenhauptkamm wie ein riesiger Regenschirm wirkt und die Niederschläge im Oberinntal fallen. Da neben der Niederschlagsarmut auch die Beweidung der Leiten hauptsächlich durch Schafe seit Jahrtausenden anhält, hat sich nach der jungsteinzeitlichen Brandrodung kein natürlicher Wald eingestellt, denn man für diesen Bereich der Alpen als Endstadium einer Vegetation erwarten könnte.
Von der Gras- zur Dornstrauchsteppe
Der Allitzer Berg, die Kortscher Leiten, Allitz und der Gadria-Schuttkegel von der Jennwand aus.
Weil dornen- und stachelbewehrte Pflanzen wie Berberitze, Sanddorn, Wacholder, Hagebutte oder auch stark filzig behaarte Arten wie die Königskerzen oder Pflanzen mit Bitterstoffen wie der Wermuth von den Weidetieren nicht angenommen werden, die Gräser durch den alljährlichen Weidegang aber zurückgebissen werden, entwickeln sich die Leiten zunehmend von einer Grassteppe zu einer Dornstrauchsteppe.
Folgen erhöhter Erosion: Die Schuttkegel Wolfgang Platter, am Tag des Hlg. Antonius von Padua, 13. Juni 2022
D
er Vinschger Sonnenberg ist ein uraltes Siedlungsgebiet. Zahlreiche frühgeschichtliche Funde und Ausgrabungen aus der jüngeren Steinzeit bestätigen ein Siedlungsalter von mindestens 4.000 Jahren. Nach dem Archäologen Hans Nothdurfter erfolgte die nacheiszeitliche Besiedlung des inneralpinen Raumes in einem Dreischritt Jäger - Hirte - Bauer. Zuerst
streunten Jäger aus dem südalpinen Raum nur in den Sommermonaten in den Vinschgau ein, dann begannen die Menschen auch Haustiere zu zähmen und wurden zu nomadisierenden Hirten. Für ihre Tiere brauchten sie Weiden. In diese Zeit Jahrtausende vor Christi Geburt fällt die Entstehung der Vinschger Leiten am Sonnenberg: Als die alten Weiden durch Übernutzung karg fielen, brannten die Ureinwohner weiteren Wald ab, um neues Weideland zu gewinnen. Vegetationsgeschichtlich sind die Leiten also
Die Seitentäler an der Südabdachung der Ötztaler Alpen sind im Vergleich zu den nördlichen Seitentälern dieses Alpenabschnittes kurz und steil. Man vergleiche etwa die Länge des Schnalstales mit jener des Ötztales. Kurze, steile Seitentäler haben ein hohes Erosionspotential. Die Auftürmung der nacheiszeitlichen Schuttkegel im Vinschgauer Haupttal nach immer wiederkehrenden Murabgängen aus den Seitentälern ist das markante und auffälligste Landschaftselement Jahrtausende währender Erosionstätigkeit.