VISAVIS Economy 06/2010 - Internationalisierung

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www.visavis.de • Ausgabe 6/2010

ECONOMY Medizintechnik

Immer kleiner und klüger Medtech made in Germany erobert die Welt. Innovative Produkte entlasten den Gesundheitssektor.

ent: Interim-Managem

Die Aufräumer

Mittelstand M ittelstand • M&A: Strategien fürs Exportgeschäft

PROFITABLE

• Weiterbildung: Die besten Studiengänge

GESCHÄFTE

• Rohstoffe: Was Anleger wissen sollten

Wie deutsche Unternehmen von der Globalisierung profitieren.

• Logistik: Mehr Effizienz beim Transport



Editorial

Viel Dampf im Kessel POTENZIAL Die internationale Verflechtung bietet ungeahnte Chancen.

G

ute Nachrichten: Der Aufschwung setzt sich fort. Auch im dritten Quartal ist die Wirtschaft gewachsen – im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um stattliche 3,9 Prozent. Wir erinnern uns: Noch vor einem Jahr war das Bruttoinlandsprodukt wegen der weltweiten Wirtschaftskrise mit 4,7 Prozent so stark eingebrochen wie noch nie seit Bestehen der Bundesrepublik. Der Boom hat laut Statistischem Bundesamt mehrere Ursachen: Die privaten und staatlichen Konsumausgaben stiegen, ebenso die Ausfuhren. Gerade der Export sorgt für Dampf im Kessel der deutschen Wirtschaft. Welche Chancen und Risiken bieten Internationalisierung und Globalisierung? Wie rüstet sich der Mittelstand für den internationalen Wettbewerb? Wo schlummern un­geahnte Wachs­tumspotenziale? Die aktuelle Ausgabe von VISAVIS ECONOMY steht im Zeichen der globalen Märkte. In unserer Titel­reportage erklärt Hans-Herbert Holzamer ab Sei­te 10, wie Sie und Ihr Unternehmen von

der welt­weiten Vernetzung profitieren. Damit nicht genug: Wir werfen einen Blick auf die internationalen Rohstoffmärkte samt Investmentmöglichkeiten, beschreiben die neuesten Ent­ wicklun­gen im M&A-Business und verraten die bes­ten Weiterbildungskonzepte. Damit Sie sich auch auf internationalem Parkett bestens zurechtfinden. Außerdem hat unser Autor Chris Lö­ wer das internationale Transportgewerbe unter die Lupe ge­nommen. Denn was wäre Globalisierung ohne Logistik? Wie gewohnt flankieren zahlreiche span­nende Praxisbeispiele jede ein­ zel­ne Reportage im Heft. Sie sind auf der Suche nach einer lukrativen An­ ­­lagestrategie? Dann sollten Sie unsere Invest­ ment­­reportage lesen. Denn auch die deutsche Fondsbranche nimmt wieder Fahrt auf. Die Finanzdienstleister kommen der wachsenden Risi­ kobereitschaft der Anleger mit interessanten Pro­ ­­dukten entgegen. Unser Finanzexperte Udo Rett­ ­berg gibt wertvolle Tipps. Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen beim Lesen! Ihre Redaktion

Inhalt Weiterbildung 7 MBA-Programme ebnen den Weg für die internationale Karriere. Internationalisierung 10 Allen Gerüchten zum Trotz schafft der länderübergreifende Wettbe­ werb neue Arbeitsplätze. Mergers & Acquisitions 15 Wer Unternehmenstransaktionen im Ausland anpeilt, sollte auf externe Beratung setzen.

Deutschlands Rolle als internationales Drehkreuz bleibt. Rohstoffe 26 Nicht nur das Gold lockt Anleger. Andere Ressourcen stehen derzeit ebenso hoch im Kurs. Fonds 32 Es geht bergauf mit der Fondsbranche. Auch deutsche Anleger legen ihre Risikoscheue ab.

Hauptstadtflughafen 18 Der BBI setzt Impulse weit über die Grenzen Berlins hinaus.

Altersvorsorge 34 Sorgenfrei in den Ruhestand: Nicht nur das Eigenheim bringt Sicherheit.

Logistik 20 Immer mehr Warenströme bewe­ gen sich in die Schwellenländer.

Interim-Management 37 Der Aufschwung erfordert Flexibilität. Auch auf dem Chefsessel.

Mobile Apps 43 Smartphones versprechen inten­ sive und emotionale Kundenbindung mit Anwendungen für unterwegs. E-Crime 46 Wie sich Unternehmen wirkungs­ voll vor ausufernder Computerkriminalität schüt­zen können. Bank der Zukunft 49 Soziale Netzwerke sind auf dem Vormarsch: Finanzdienstleister zwischen Ba­sel III und Twitter. Medizintechnik 52 Nicht nur in der Prostatakrebsdiagnostik: Innovationen erhö­ hen das Patientenwohl und ent­ lasten das Gesundheitssystem.

ERFOLGSSTRATEGIE International aktive Unternehmen können von einer höheren Innovations­ kraft und einer überdurchschnittlichen Geschäftsentwicklung profitieren.

Ver­lag: visAvis Ver­lags GmbH; Marie-Cu­rie-Str. 11-13, 53332 Bornheim; Tel.: 02227/ 9212 - 0, Fax: 02227/ 9212 - 10, Va­nity: 07000 / visavis, E-Mail: visavis@visavis.de, www.visavis.de; Chef­re­dak­­tion: Wolf­­gang Hasel­bau­­er; Schluss­re­dak­tion: Jens Voß; Ge­s ­ chäfts­füh­rer: Bernhard Ha­s­ el­­bau­­er; Themen- und Projektleitung: Cornelia Hornschild, Oliver Hammel, Marcel Jansen, Petra Liening, Reinhard Krabbe, Jürgen Buscher; Layout: Andreas Schnittker, Marcel Rohland, Michael Döhring; Bildmaterial teilweise entnommen aus: istockphoto.com, sxc.hu, Verbreitete Auf­la­ge: 134.000 Exemplare. 119.362 Exem­­plare liegen der Financial Times Deutschland bei; ISSN: 0942-8615; Kon­zep­tion und Mar­­k­e­ting: new­public communication Verwaltungsges. UG (haftungsbeschränkt) & Co. KG; www.newpub­lic.org

IMPRESSUM

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Magazin

Wachstumsfelder Die globalen Märkte sind der Schlüs­sel zum Erfolg. Kein Wunder, dass der neue Präsident des VDMA, Dr. Thomas Lindner, die Internationalisierung des Mit­telstandes zu einem Schwerpunkt seiner Präsidentschaft machen möchte. Immerhin entfielen in den letzten Jahren rund 50 Prozent des Exportzuwachses des deutschen Maschinen- und Anlagenbaus auf Asien. Die internationale Verflechtung ist einer der Gründe dafür, warum die Branche wie kaum eine zweite profitiert. Logistik erhöht die Wertschöpfung in der gesamten Wirtschaft. „Die Logistik erwirtschaftet allein in Deutschland einen jährlichen Umsatz von rund 210 Milliarden Euro und ist da­ mit der drittgrößte Wirtschaftsbereich nach der Automobilproduktion und dem Handel“, unter­ streicht Prof. Dr.-Ing. Raimund Klinkner vom

Kundenservice |

UNVERZICHTBAR „Exzellenter Kundenservice heißt auch, seinen Kunden im Social Web zuzuhören“, betont Greg Gianforte.

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Bundesverband Logistik (BVL). In der aktuellen Studie „Transportation & Logistics 2030“ kommen Analysten der Wirtschaftsprüfungs- und Be­ ratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) zum Ergebnis, dass „ein großer Teil des Welthandels im Jahre 2030 über die Schwellenländer abgewickelt wird“. Weiter heißt es, dass so­ wohl die Drehkreuze der globalen Warenströme als auch die Handelsrouten sich in den kommen­ den Jahrzehnten in die Emerging Markets verlagern werden. Für Unternehmen eröffnen sich durch die Neu­ausrichtung der Wa­renströme gute Chan­cen. „Viele deutsche Lo­gistik­dienst­leis­ter ha­ben die Emerging Markets als Wachstumsfeld fest im Blick“, sagt Dr. Heiko von der Gracht, Direktor des Centers für Zukunftsforschung am Supply Chain Management Institute.

Mobil im Web

Auf der dreitägigen User Conference des internationelen CRMAnbieters RightNow in Cardiff, Wales diskutierten die Teilnehmer aktuelle Themen des Kundenservice. Die visAvis-Redaktion war vor Ort und erfuhr, welche Trends ganz oben auf der Liste stehen: Kundenservice via mobiles Web und soziale Netzwerke. Die Zahl der Verbraucher, die über Mobilgeräte ins Internet gehen, nimmt stetig zu – 2014 werden sie die Desk­top-PC-Inter­ netnutzer überholt haben. „Deshalb ist es unerläss­lich, dass Unternehmen einen Sup­port bieten, der auf Mobile-Web-Applikation zugeschnitten ist“, erklärt Greg Gianforte, CEO von RightNow. Unverzichtbar sei es, das Social Web in den Kundenservice mit einzubeziehen. Denn die Verbrau­ cher tummeln sich auf Facebook & Co. und erwarten, dass Unter-

nehmen diese Kanäle bedienen. Gianforte empfiehlt: „Warten Sie nicht darauf, dass die Kunden zu Ihnen kommen. Gehen Sie dorthin, wo Ihre Kunden sind! Exzellenter Kundenservice der Zukunft heißt, seinen Kunden im Social Web zuzuhören und zu reagieren.“ John Kembel, VP of Social bei RightNow, hält zudem eigene Marken-Communities für optimal, um Kundeneinblicke zu gewinnen und die Kreativität der Kunden für die Produktentwicklung zu nutzen. RightNow-Kunde PhotoBox setzt erfolgreich auf Social Media, um nah am Kunden dran zu sein. PhotoBox ist auf Facebook und Twitter präsent, unterstützt Kunden mit Live-Chat und bietet zudem mit „Chatterbox“ eine Kun­ den­-Community mit FAQs, Peer-to­ Peer-Support und Ideen­fin­dungs­­ bereich. Weitere Informationen unter: www.rightnow.com

Fachkräftemangel

Gute Köpfe gesucht Der Kampf um Talente tobt mehr denn je. Der Bitkom verweist auf 28.000 offene Stellen für IT-Fachkräfte, und laut VDI fehlen in Deutschland 39.000 Ingenieure. Auch andere Branchen trifft der Fachkräftemangel hart. Bildungspolitische Reformen und eine weniger restriktive Zuwanderungspolitik sind gefragt. Einer DIHK-Umfrage zufolge ist Deutschland im internationalen Vergleich für ausländische Fachkräfte und Studenten nur mäßig attraktiv. Bis die Wurzel des Problems behandelt wird, müssen sich Unternehmen mittels Selbstvermarktung vom Wettbewerb abheben: „Employer Branding“ gewinnt auch im Mittelstand an Bedeutung.


Magazin

Familienunternehmen |

> Ihr Partner im Web. Das Themenportal für Wirtschaft und IT: www.visavis.de

> Die visAvis-Publikationen online kostenlos durchblättern oder downloaden: www.visavis.de/ publikationen > Rohstoffe: Interview mit Roh­stoffexperte und Buchautor Dr. Torsten Dennin: www.visavis.de/ interviews

ERP |

Deutsche Familienunternehmen geben Gas. Im internatio­ nalen Vergleich verfolgen sie nicht nur überdurchschnittlich häufig eine klare Wachstumsstrategie. Sie schätzen auch die eigene Wettbewerbs­ fähigkeit hoch ein. Das geht aus einer Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC hervor. Hiernach nennen knapp 80 Prozent der hiesigen Familien­ unternehmen Wachstum als Hauptziel. Weltweit sind das laut Studie nur 60 Prozent. „Die deutschen Familienunter­ nehmen haben die Krise offen­ bar besser überstanden als Fa­ milienunternehmen in vielen anderen Ländern“, sagt PwCVorstand Peter Bartels. „Dies dürfte wesentlich auf die starke Exportorientierung zu-

Geregelte Übergabe rückzuführen sein.“ Die meisten Befragten sind überzeugt, dass sie als Familienunterneh­ men besser durch die Wirtschaftskrise gekommen sind als vergleichbare Gesellschaften. Diese Einschätzung teilen in Deutschland 82 Prozent und weltweit 67 Prozent. Die Umfrage zeigt jedoch, dass viele Betriebe mögliche Probleme beim Übergang der Ge­ schäftsführung unterschätzen. Zwar haben 73 Prozent der deutschen Befragten die Nach­ folge auf Führungsebene grund­sätzlich geregelt. Bei mehr als jedem vierten Familienunternehmen droht jedoch ein Führungsvakuum, sollten zentrale Entscheidungsträger unerwartet versterben oder wegen einer schweren Erkran­ kung ausfallen.

FÜHRUNG Viele Familienunternehmen unterschätzen die Probleme, die bei der Nachfolge auftreten können.

Für die vernetzte Welt

Eine neue Generation von ­Business-Software ist auf dem Markt – flexibel wie ihre Anwender, die mittelständischen Unternehmen, die zunehmend international agieren. Durch moderne Webtechnologie, Unicode-Basierung und integrierte Funktionalitäten wie unter anderem für E-Commerce können die Unternehmen ihre Prozesse den Anforderungen des globalisierten Marktes anpassen. ­ Ob es um die Integration eines neuen Fertigungsstandortes im Ausland oder die flexible Anpassung an die verschiedenen Vertriebskanäle eines Handelsunternehmens geht – moderne Software für Enterprise Re­ source Planning, kurz ERP – sorgt für eine reibungslose Umsetzung der Prozesse. Der Ski­hersteller Blizzard hat sich

erfolgreich den neuen Marktanforderungen und den Veränderungen des Käuferverhaltens angepasst. In der Skibranche werden die Trendzyklen kürzer, die Vorlieben der Kunden hinsichtlich Design, Farbe oder Material vielfältiger. Blizzard hat sich für eine neue ERPSoftware aus dem Hause ­Comarch entschieden, um diese Prozesse optimal abbilden zu können. Für Blizzards Controlling-Leiter Eric-Jan Kaak ist klar, „dass es uns nicht zuletzt aufgrund der Einführung von Comarch Semiramis gelungen ist, zusätzliche Marktanteile zu erobern“. Dabei wurde auch problemlos eine Fertigungsstätte in der Ukraine integriert. Die Webbasierung des Systems erspart die Hardware-Instal­lati­ on vor Ort. Flexi­bilität ist auch

das Merk­mal einer weiteren ­Comarch-Lösung. Das ERP-Sys­ tem Comarch Altum beherrscht Multi-Channel-Prozesse, die heute für viele mittelständische Handels­unter­neh­men typisch sind. Beide Systeme wurden beim Wettbewerb „ERP-System des Jahres 2010“ des CER an der Universität Potsdam nominiert. www.comarch.de

RASANT Die Trendzyklen in der Skibranche­werden immer kürzer. Der Her­steller Blizzard hat sich für eine innovative ERP-Software entschieden, um diese Entwicklung optimal in den Geschäfts­ prozessen abbilden zu können.

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Quelle: mikebricephotography

Schadsoftware |

BEDROHUNG Auch große Indus­ trieanlagen wie etwa Raffinerien könnten zu Angriffszielen von Computerviren werden.

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Die Gefahr wächst

Die Attacken werden immer dreister. Rund 64 Prozent aller deutschen Unternehmen sind im vergangenen Jahr Opfer von Computerviren und anderer Schadsoftware geworden. Dabei setzen fast alle Firmen Schutzmaßnahmen ein. Si­cherheitsexperte Oliver Sucker geht davon aus, dass das Bedrohungspotenzial weiter wachsen wird. „Es hat sich gezeigt, dass bereits triviale Mittel ausreichen, um Sicherheitslücken in Industriesoftware aufzuspüren. Die Schädlinge werden immer ausgefeilter“, warnt der geprüfte EDVSachverständige. Virenscanner ließen sich durch entsprechende

Crimeware-Pakete leicht aushebeln. Auch Firewalls brächten in der Regel wenig, da sich die Sicherheitslücke hinter der Firewall befinde. Zuletzt erst habe das StuxnetVirus gezeigt, dass auch Angriffe auf Industrieanlagen möglich sind. Aufgrund der relativ hohen Isolation der Netze sei die Industrie zwar noch nicht so häufig Opfer von Schadsoftware. Doch Sucker kritisiert: „Man vertraut hier häufig noch blind auf konventionelle Schutzmaßnahmen wie Virusscanner und Firewalls.“ Doch welche Auswege gibt es aus dieser Misere? Sucker: „Industriekunden bemängeln die Transparenz der großen Herstel-

ler in puncto Sicherheit. Als Ausweg sehe ich nur einen durch die Anwender getragenen Verband. Dieser kann professionel­ len Sicherheitsspezialisten Geld, sogenanntes Bug Bounty, für entdeckte Sicherheitslücken zahlen und entsprechenden Druck auf die Hersteller ausüben.“ Finanzielle Untersützung für ent­deck­te Sicherheitslücken leisteten bereits Anbieter wie etwa Mozilla und Google. Die Post habe mit dem Security-Cup ein ähnliches Verfahren für den ­E-Postbrief durchgeführt. Für eine solche Initiative im Industrie­ breich sucht Sucker Mitstreiter. Informationen: www.forensicinves­tigations.de/go/vav


MANAGEMENT

WEITERBILDUNG

Die Karriereleiter empor MASTERSTUDIUM Noch steht mancher Personaler dem MBA mit Skepsis gegenüber. Doch die Integration geeigneter Programme in die Weiterbildungsstrategie kann zum Vorteil im globalen Wettbewerb werden.

D

ie Qual der Wahl: Wer auf der Suche nach einem geeigneten Masterstudium ist, um die Karrierechancen zu verbessern, hat es nicht leicht. 4.799 Masterstudiengänge zählte die Hochschulrektorenkonferenz in ihrem Bericht „Statistische Daten zur Einführung von Bachelorund Masterstudiengängen – Sommersemester 2010“ an Universitäten und Fachhochschulen in Deutschland. Viele von ihnen haben einen generalistischen Ansatz, vermitteln breites Managementwissen. Einige fokussieren ihre Lehre auf Spezialwissen. Zudem ist zwischen Studiengängen mit und ohne Akkreditierung zu unterscheiden. Weiterhin: Universitäten und Fachhochschulen sind nicht die einzigen Anbieter von weiterführenden Studiengängen. Auch andere Bildungs- und Fortbildungsinstitute bieten den Masterabschluss an – manches Mal nur als einen mehrwöchigen CrashKurs. Das Fazit: Der Markt ist unübersichtlich, Unsicherheit schwingt bei der Einschätzung der Angebote mit. Konsens ist jedoch: Ein gut gewähltes MBA-Studium bereitet auf eine internationale Karriere vor. Dr. Wolfgang Lichius, Vorsitzender des Fachverbands Personalberatung im Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU), sagt: „Gerade im Vergleich zu den bisherigen Diplomstudiengängen ist eine Internationalisierung in den MBA-Programmen auszumachen.“ Und dies bezieht sich nicht nur auf die Sprache – viele Programme sind englischsprachig. Auch das Bewusstsein für Kulturen und Kultursys-

teme sowie die Optimierung des Führungsverhaltens im internationalen Kontext steht auf vielen Lehrplänen. Auf solche Aspekte sollte man nach Ansicht von Lichius deshalb auch bei der Auswahl achten: Das Verständnis für Kulturen und internationale Werte, die internationale Verhandlungsführung, Kenntnisse im Projektmanagement mit internationalen Projektteilnehmern, HR-Management im internationalen Umfeld und Informationen über internationale Vertragsmodalitäten. Sämtliche Aspekte sind gera-

FOKUS Dr. Wolfgang Lichius, Verbandschef der Unternehmensberater, verweist auf die internationale Ausrichtung von MBA-Programmen im Vergleich zu anderen Studiengängen.

de für den Mittelstand wichtig, dessen Geschäfte zu einem Großteil im Ausland getätigt werden. Dr. Volker Wittberg, Professor an der Fachhochschule des Mittelstands (FHM), betont: „Die Exportquoten der Unternehmen in unserem Umfeld liegen bei deutlich über 50 Prozent. Der MBA schließt da für Führungskräfte eine große Lücke.“ Der Mittelstand benötigt neben seinen Fachleuten auch Allrounder – der Masterabschluss verspricht vor diesem Hintergrund somit mehr als jede andere Form der Wissensvermittlung. Denn es ist genau dieses Wissen, dass die Führungskräfte in mittelständischen Unternehmen benötigen, die über schlanke Strukturen verfügen. Und es sind gerade die kleinen, schnell agierenden Organisationen, die noch Raum für den Einsatz von General-Management-Kompetenz haben. Deshalb sind Absolventen eines MBA-Studiengangs nicht nur attraktiv für Unternehmen, sondern auch umgekehrt: KMU, die Hidden Champions der Wirtschaft, rücken immer mehr in den Fokus der Absolventen. Dort können sie ihr erlerntes Wissen einsetzen. Ein weiterer Vorteil ist, dass viele der MBA-Angebote berufsbegleitend angeboten werden. So etwa der Executive MBA der Universität Zürich. Hinter dem steht das Konzept, dass die wachsende globale Vernetzung, neue Technologien und wissenschaftliche Erkenntnisse nach einer interdisziplinären Managementweiterbildung mit internationaler Perspektive verlangen. Oder der Executive MBA für TechnologiemanaVISAVIS ECONOMY

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Master of Business Administration (MBA) Bei dem postgradualen Studium handelt es sich um eine spezielle Art der Managementqualifikation. Im System des BolognaProzesses ist der MBA in Europa in der zweiten Stufe des Studiensystems eingeordnet, bedarf also in der Regel eines ersten Hochschulabschlusses oder einer

vergleichbaren Qualifikation. Hinsichtlich der Qualität der Angebote gibt es deutliche Unterschiede. In der Bundesrepublik Deutschland sind sieben Agenturen berechtigt, das Qualitätssiegel des Akkreditierungsrates zu vergeben: ACQUIN, AHPGS, AKAST, AQAS, ASIIN, FIBAA und ZevA.

MBA-Programme | Wissenschaft und Praxis im Dialog

Sprungbrett für Führungskräfte Die globalisierte Wirtschaft stellt Führungskräfte vor große Herausforderungen. Gefragt sind nicht zuletzt ein vertieftes Verständnis gesamtwirtschaftlicher Zusammenhänge sowie ein Gespür für Institutionen und Kulturen fremder Wirtschaftsräume. Lebenslanges Lernen ist der Schlüssel für einen nachhaltigen Unternehmenserfolg. Hier kommen berufsbegleitende Weiterbildungsmaßnahmen ins Spiel, wie sie etwa die Universität Zürich anbietet. Das Executive-MBAProgramm zum Beispiel richtet sich an erfahrene Führungskräfte aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung und orientiert sich an einer modernen, ganzheitlichen Betrachtung von Managementproblemen. Dahinter steht nicht zuletzt die Ansicht, dass die wachsende globale Vernetzung, neue Technologien und wissenschaftliche Erkenntnisse nach einer interdisziplinären Management-Weiterbildung mit internationaler Perspektive verlangen. In den Kursmodulen zu Intercultural Management setzen sich die Teilnehmenden deshalb intensiv mit Fragestellungen des internationalen Managements und fremder

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Märkte auseinander. Studienaufenthalte an der Yale University in New Haven (USA), der Fudan University in Shanghai (China) sowie in Hyderabad (Indien) vermitteln einen ganzheitlichen Blick. Das Executive-MBAProgramm erstreckt sich über 18 Monate. Die Kurse finden in der Regel alle zwei Wochen von Donnerstag bis Samstag statt. Das ermöglicht den Teilnehmenden, ihre Weiterbildung und die Führung des Tagesgeschäfts optimal aufeinander abzustimmen. Die heterogene Branchenzusammensetzung in den Lehrgängen erlaubt zudem einen idealen Know-how-Austausch sowie wertvolle Einblicke in andere Branchen. Die Teilnehmer erwerben durch ihr Studium wichtige betriebswirtschaftliche Kenntnisse. Sie erhalten darüber hinaus aber auch einen Kompass, der sie für die vielschichtigen Herausforderungen im Berufsalltag befähigen soll, für ihre Unternehmen nicht nur die wirtschaftlich richtigen, sondern auch ethisch vertretbaren Entscheide zu treffen. Das Programm ist EQUIS- und AACSB-akkreditiert. Weitere Infos unter: www.emba.uzh.ch

ger der RWTH Aachen. Auch dort wird Studierenden ein Überblick über General Management- sowie zugleich technologiegeprägte Themen vermittelt. Die Hochschule Bremen bietet ab dem Sommersemester nächsten Jahres den berufsbegleitenden Ostasien-MBA an. Das Programm ist auf die wichtigsten asiatischen Märkte – allen voran China, Japan, Korea und Indien – ausgerichtet. Die Möglichkeit, berufsbegleitend zu studieren, kommt den Bedürfnissen der Interessenten zugute. Die „MBA Studie 2010 – Trendbarometer Executive Education“ von Swop fand unter 700 Befragten heraus, dass die Mehrzahl von ihnen erst nach ihrem Berufseinstieg auf die Idee zum MBA kam. Nur für 30 Prozent spielten derartige Überlegungen bereits während ihres Erststudiums eine Rolle. Für 42 Prozent hatte die zeitliche Strukturierung eine Bedeutung bei der Auswahl. Beides Aspekte, die auch Professor Wittberg von der FHM bestätigen kann: „Viele Teilnehmer in unseren Masterstudiengängen befinden sich in ihrer kreativen Lebensphase, sind 40 Jahre oder älter. Unser ältester Teilnehmer ist momentan 60.“ Mit dem Wissen um das Ziel lässt sich die Suche nach einer geeigneten Weiterbildung besser vollziehen. Mit der Absolvierung des Studiums neben dem Beruf steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich Arbeitgeber dazu bewegen lassen, sich finanziell an der Weiterbildung zu beteiligen. Denn den Kosten sind beim MBA-Studium keine Grenzen gesetzt. Laut der Swop-Studie wollen die Befragten im Mittel 21.000 bis 30.000 Euro für ihr MBA-Programm zahlen. Jüngere Arbeitnehmer übernehmen die Kosten meist selbst. Sie erhoffen sich dadurch Positions- oder Unternehmenswechsel. Ältere sichern ihre Position und gehen mit den Marktanforderungen mit. Und dass der Bedarf an internationalem Know-how da ist und seine Bedeutung steigt, unter-


MANAGEMENT

WEITERBILDUNG

ZIELGRUPPE „Viele Studienteilnehmer sind 40 Jahre oder älter“, sagt Professor Dr. Volker Wittberg, Dozent für Mittelstandsmanagement an der FHM Bielefeld.

streicht die Studie „Managing Mobility 2010“ von ECA International. Aus ihr geht hervor, dass Unternehmen immer mehr Mitarbeiter ins Ausland entsenden. Der häufigste Grund: Manager sollen Auslandsniederlassungen leiten, da geeignete Führungskräfte auf den lokalen Arbeitsmärkten – vor allem in Schwellenländern – nicht in ausreichendem Maße vorhanden sind. Der MBA wird also weiter Einzug in deutsche Unternehmen halten. Durch die Weiterführung des Bologna-Pro-

zesses wird er zu einem festen Bestandteil in der Weiterbildungsstrategie von Arbeitnehmern und -gebern. Hinzu kommt, dass er sich neuen Zielgruppen öffnet. In Hessen und Rheinland-Pfalz zum Beispiel ist es mit der Änderung der dortigen Hochschulgesetze möglich, auch ohne ersten Abschluss ein MBA-Studium zu beginnen. Es reichen Abitur oder Fachhochschulreife, fünf Jahre Berufserfahrung sowie eine Eignungsprüfung an der Hochschule. Dies könnte zu einer weiteren Verwässerung des Ange-

bots führen, mahnen Kritiker. Doch schon heute steht wohl eher die einzelne Hochschule mit ihren Programmen im Visier als das Produkt MBA. Unstrittig ist: MBA-Absolventen werden aufgrund ihrer praxisnahen und internationalen Ausrichtung für Managementaufgaben künftig immer häufiger an den entscheidenden Stellen in den Unternehmen sitzen.

Christoph Berger

Karrierechancen | Berufsbegleitender Masterstudiengang für Ingenieure und Naturwissenschaftler

Rüstzeug für den globalen Wettbewerb Internationale Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt zwingt uns, immer einen Schritt weiter als der Mitbewerber zu sein. Aber wie kann das langfristig erreicht werden? Die Antwort darauf ist das höchste Gut in unserer Zeit: unsere Bildung und unser Erfahrungswissen aus Berufs- und Weiterbildung. Wer hat die besten Referenzen und die meisten Erfahrungen in seinem Bereich? Dies sind die hauptsächlichen Auswahlkriterien von Unternehmen zur qualitativen Einschätzung eines potenziellen zukünftigen Mitarbeiters. Doch wie wird ein Arbeitnehmer den Anforderungen des Arbeitgebers gerecht? „Heute reicht es nicht mehr aus, seinen beruflichen Weg konsequent geradeaus zu gehen, vielmehr müssen wir uns von der Masse abheben, um im Geschäftsleben erfolgreich zu bleiben,“ sagt Prof. Jürg Manella, Direktor des Executive MBA an der Universität St. Gallen und Hauptdozent im Executive MBA der RWTH Aachen. „Auf die beruflichen Anforderungen

abgestimmte und praxisnahe Weiterbildungsprogramme, wie ein berufsbegleitender MBA, rüsten Fach- und Führungskräfte für den globalen Wettbewerb.“ Marcus Burk, Abteilungsleiter Lindt und Sprüngli und Teilnehmer des Executive MBA der RWTH Aachen, sieht klare persönliche Vorteile einer berufsbegleitenden Weiterbildung: „Natürlich ist der Masterstudiengang auch ein Aspekt, sich durch eine höhere und ganzheitliche Qualifikation auf dem Arbeitsmarkt zu differenzieren und folglich die Karrierechancen auch international zu verbessern.“ In der Position einer Fach- oder Führungskraft wird ein breites Wissensspektrum benötigt, um Mitarbeiter delegieren und Entscheidungen treffen zu können. Ein Überblick über General Management- und technologiegeprägte Themen wird im Executive MBA der RWTH Aachen vermittelt. Die Mischung von Strategie, Finanzen, Technologie und Sozialkompetenz ermöglicht den Blick

QUALIFIKATION Das Programm richtet sich an Ingenieure und Naturwissenschaftler mit abgeschlossenem Erststudium und mindestens fünf Jahren Berufserfahrung.

über den eigenen Tellerrand und ebnet den Weg für verantwortungsvolle Aufgaben im Management. Weitere Informationen und Termine zu den nächsten Veranstaltungen unter: www.emba.rwth-aachen.de .

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TITELTHEMA

INTERNATIONALISIERUNG

Grenzenlos erfolgreich GLOBALISIERUNG Der weltweite Handel sichert hierzulande jeden vierten Arbeitsplatz. Die These, der Gang ins Ausland vernichte Arbeitsplätze im Inland, lässt sich nicht bestätigen.

S

tatt unablässig den Verlust der alten Industrien zu bejammern, müssen wir uns einfach dem Abenteuer stel„ len, neue Industrien zu entwickeln.“ Dieser Satz könnte von vielen heutigen Mittelständlern stammen – von Professor Dr. Franz Rudolph aus Chemnitz etwa oder von Dr. Jürgen Ude aus Magdeburg. Zugeschrieben wird er John Naisbitt, dem 1929 geborenen amerikanischen Zukunftsforscher. Ude baute mit Mahreg ein mittelständisches Netz der Automobilzulieferer auf, Rudolph mit Inntex die Textilregion Mittelsachsen, bestehend aus lauter KMU. Hinsichtlich ihrer Unterscheidung von den „großen“ Unternehmen gibt es viele Definitionen, die sich mal am Umsatz, mal an der Zahl der Mitarbeiter orientieren. Unter quantitativen Gesichtspunkten werden in Deutschland Unternehmen mit einem Jahresumsatz von unter 50 Millionen Euro und mit weniger als 500 Beschäftigten zum Mittelstand gezählt. Unter qualitativen Kriterien werden die Einheit von wirtschaftlicher Existenz, Leitung und die verantwortliche Mitwirkung an allen unternehmenspolitischen Entscheidungen herangezogen. Auch etablierte, marktführende Firmen nennen sich gerne „mittelständisch“, weil es offenbar schick ist, klein und schlank zu sein, wenn man nicht der Größte ist. Wirklich interessant sind überwiegend noch kleine Pflänzchen, die aber das Potenzial haben, Stämme des Wirtschaftswachstums zu werden und sich auch in einer globalisierten Welt zu behaupten. Globalisierung ist übrigens auch ein Begriff, der John Naisbitt zugeschrieben wird. Die Verbindung von Mittelstand und Globalisierung ist heute evident, weil ihm eher zugetraut wird, die Anforderungen zu meistern, als der sogenannten Großindustrie. Bestätigt wird dies durch eine Reihe von Untersuchungen der unterschiedlichen Verbände, wie BDI, VDMA und Banken wie der KfW.

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So stellt die im Jahr 2009 durchgeführte und von der Europäischen Kommission finanzierte Studie „Internationalisierung von KMU in Europa“ fest, dass es eine „direkte Verbindung zwischen Internationalisierung und erhöhter Leistungsfähigkeit von KMU gibt. Denn internationale Aktivitäten stärken das Wachstum, verbessern die Wettbewerbsfähigkeit und fördern die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen.“ Folglich werden in der Studie zwei Hauptpunkte herausgestellt: Eine Zunahme international aktiver KMU trägt zur Steigerung des wirtschaftlichen Wohlstands bei, und staatliche Unterstützung sollte daher bei der Förderung einer stärkeren Internationalisierung eine wesentliche Rolle spielen. Ein weiteres wichtiges Ergebnis der Studie ist, dass ein Viertel der KMU in der Europäischen Union Waren ausführen oder im Laufe der letzten drei Jahre ausgeführt haben. Internationale Aktivitäten sind jedoch meistens auf Länder des EU-Binnenmarktes ausgerichtet. Nur rund 13 Prozent der europäischen KMU sind auf Märkten außerhalb der EU aktiv. Dennoch sind europäische KMU auf internationaler Ebene aktiver als amerikanische und japanische. Diese Internationalisierung zahlt sich aus: Der Studie zufolge gibt es eine enge Wechselbeziehung zwischen KMU, die international tätig sind, und solchen, die eine überdurchschnittliche Geschäftsentwicklung vorweisen können. Obwohl es sich teilweise um „Selbstselektion“ handeln könnte (in dem Sinne, dass leistungsfähigere KMU eher international aktiv sind), ist es auch wahrscheinlich, dass es einen direkten positiven Einfluss auf die Leistung von Unternehmen gibt, die international tätig werden. Wichtig ferner: Zwischen globaler Tätigkeit und Innovationen besteht ein enger Zusammenhang. International aktive Unternehmen führen häufiger Produkt-, Dienstleistungsund Verfahrensinnovationen ein. Und 60

Prozent der international tätigen KMU haben diese neuen Produkte oder Dienstleistungen selbst entwickelt. Der BDI legte zum BDI-Tag der Deutschen Industrie Ende September 2010 die Publikation „Internationalisierung des Mittelstandes“ vor, in der er Handlungsfelder benennt, in denen Verbesserungen notwendig seien. Vor allem die Politik müsse berechenbarer sein, so BDI-Präsident Hans-Peter Keitel. Das heiße „weniger Bürokratie in der Außenwirtschaft, bei Exportkontrollen kalkulierbare Entscheidungskriterien sowie kurze und unbürokratische Verfahren“, konkre-


INVESTITIONEN Produktinnovationen

42,0

Prozessinnovationen Innovationen des Geschäftsmodells

31,2

18,5

9,1

48,9

9,9

10,4

Ja, Projekt in Durchführung oder in den letzten zwei Jahren abgeschlossen

58,9

71,1

Nein, aber in Planung

Quelle: IfM Bonn 2010

Die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten deutscher Unternehmen in ausgewählten Bereichen

Nein

Angaben in Prozent, Werte hochgerechnet, Basis: n=1.275

Übersetzung | Professionelle Werkzeuge für den internationalen Erfolg

Richtige Worte zur rechten Zeit

tisiert Karlheinz Schnägelberger, Vorsitzender des BDI-Arbeitskreises Exportkontrollen. Dass die Politik gut daran tut, den Mittelstand zu unterstützen, belegt das aktuelle Mittelstandspanel von BDI, IKB und Ernst & Young. Es weist dem industriellen Mittelstand und seinen Familienunternehmen „an der schnellen Rückkehr der deutschen Industrie auf die vorderen Plätze der weltweiten Exportstatistik nach der Finanz- und Wirtschaftskrise einen entscheidenden Anteil zu“. Tatsächlich ist die Globalisierung längst im deutschen Mittelstand angekommen. Zwei Drittel der kleinen und mittleren

Für nahezu jede Aufgabe und jeden Prozess stehen inzwischen Softwareprodukte und Online-Anwendungen zur Verfügung. Wir könnten uns ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen. Seltsamerweise hält sich bei vielen Menschen noch immer die Vorstellung, dass Übersetzer im stillen Kämmerlein mit Büchern und womöglich einigen OnlineWörterbüchern arbeiten. Aber auch dort hat die Computertechnologie Einzug gehalten. Sie bietet eine Vielzahl an Möglichkeiten, bestehende Übersetzungen wiederzuverwenden, die unterschiedlichsten Dateiformate zu bearbeiten und sogar um sogenannte verbotene Terminologie zu verwalten und Projekte zentral zu managen. Die Übersetzungsanwendungen „memoQ/memoQ Server”, „TM Repository” und „qTerm” aus der Produktpalette der Firma Kilgray etwa decken alle diese Bereiche in professionellen Übersetzungsprojekten ab. Eine Voraussetzung, um in der Sprache der Zielmärkte zu kommunizieren. Das Kernstück des Translation-Memory-Systems, „memoQ”, unterstützt Übersetzer und Projektmanager bei der eigentlichen Arbeit mit den Texten. Jeder Satz wird mit der Translation-Memory-Datenbank verglichen, einer Datenbank, die Satzpaare aus vorherigen Übersetzungen enthält. Wird ein ähnlicher oder gar gleicher Satz gefunden, wird die dafür abgelegte Übersetzung als Ausgangspunkt für die jetzige Übersetzung vorgeschlagen. Der Übersetzer kann diese nun annehmen, ändern oder überschreiben, falls sie im Kontext nicht passen sollte. Gleichzeitig wird jedes Wort im Satz auch in einer

Terminologiedatenbank nachgeschlagen. Hier werden produktspezifische und/oder kundenspezifische Wörter und Ausdrücke verwaltet. Durch das Eintragen von verbotenen Übersetzungen kann später die Übersetzung auch auf die korrekte Verwendung der Terminologie hin gecheckt werden. Weitere Prüfungen unter anderem für Rechtschreibung, Interpunktion, Zahlenkontrolle oder Satzlängen sind ebenso vorhanden wie die Möglichkeit unübersetzbare Wörter zu definieren oder automatische Übersetzungen (zum Beispiel von Monatsnamen oder Datumsformaten) zu spezifizieren. „memoQ Server” wiederum erweitert die Übersetzungsoberfläche durch ein Projektmanagement-System. Mit diesem Instrument lassen sich Dateien einem Übersetzer oder Korrekturleser zuordnen, Projekte entweder direkt online bearbeiten oder für den Offline-Versand erstellen. Darüber hinaus wird dank der Zusatzkomponente „qTerm” eine webbasierte Terminologiearbeit für alle Projektteilnehmer über den Browser möglich. Ergänzt wird die Produktpalette von Translation-Memory-System, Projektmanagement-System und webbasierter Terminologieplattform noch durch „TM Repository”. Hierbei handelt es sich um eine Option, alle Translation-Memory-Daten in einer einzigen Datenbank zu halten und beispielsweise aus vorhandenen deutsch-englischen und deutsch-japanischen Satzpaaren auch englisch-japanische zu machen – eine völlig neue und effiziente Art der Wiederverwendbarkeit. Weitere Informationen finden Sie im Internet unter: www.kilgray.com

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„Internationalisierung des Mittelstands“ In seiner Publikation „Internationalisierung des Mittelstands“ weist der BDI auf das Innovationspotenzial kleiner Industrieunternehmen in Deutschland hin. Handlungsbedarf sieht der Verband bei der Mitarbeiterqualifikation sowie den politischen Rah-

menbedingungen, vor allem der Steuerpolitik. Zur Unterstützung deutscher KMU auf Auslandsmärkten schlägt er neben der Weiterentwicklung der Exportfinanzierung Auslandsmessebeteiligungen und eine Entschlackung des Außenwirtschaftsgesetzes vor.

Industrieunternehmen pflegen geschäftliche Beziehungen ins Ausland. Dabei ist die mit Abstand häufigste Form internationaler Aktivität der Unternehmen der Export. Knapp 90 Prozent der international tätigen Unternehmen exportieren unmittelbar. Dieter Schweer, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des BDI: „Die Orientierung über nationale Grenzen hinweg ist für mittelständische Unternehmen der entscheidende Weg aus der Krise.“ Davor, dass dieser Erfolg trügerisch sei, warnt indes laut der Onlineausgabe des Handelsblatts eine weitere Studie. Der Mittelstand agiere oft eher planlos. „Der Titel des Exportweltmeisters wird nur von wenigen Leuchtturmunternehmen getragen“, so Sebastian Theopold, Geschäftsführer der auf mittelständische Unternehmen spezialisierten Beratungsgesellschaft Munich Stra-

tegy Group (MSG) in ihrem Papier. Das liege vor allem daran, dass viele Firmen das Thema Internationalisierung eher vorsichtig, nämlich über den Vertrieb, angehen. So hätten 88,1 Prozent der Befragten angegeben, dass sie ihr Auslandsgeschäft über Exporte abwickeln. Die Gründe: geringer Kapitaleinsatz und ein niedriges Risiko. Folgerichtig bleibe Deutschland für den deutschen Mittelstand weiter der wichtigste Produktionsstandort. Für die Experten von Munich Strategy spricht dies zum einen für die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts und vor allem gegen die These, dass Produktionsstätten in Billiglohnländer verlagert werden. Für den MittelstandsMonitor 2010 der KfW kann es dagegen als bewiesen gelten, dass global agierende, mittelständische Unternehmen in der Krise als „Stabilisatoren“

FORDERUNG Der BDI-Vorsitzende Hans-Peter Keitel ruft die deutsche Politik zu „weniger Bürokratie in der Außenwirtschaft“ auf.

BESCHÄFTIGUNG Für den Vorstandschef der Kreditanstalt für Wiederaufbau, Ulrich Schröder, ist die Globalisierung keineswegs ein Job-Killer.

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gewirkt haben. Ein Blick auf die Zahlen verrät: Von den 3,7 Millionen mittelständischen Unternehmen in Deutschland sind rund 800.000 auf internationalen Märkten aktiv. Und immerhin haben nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums mehr als 100.000 mittelständische Unternehmen im Ausland investiert und sich damit international Marktzugang und Standortvorteile gesichert. Die Unternehmensgröße spielt dabei eine wesentliche Rolle: Größere Mittelständler (über 50 Beschäftigte) sind fast fünfmal häufiger im Ausland engagiert als Kleinstunternehmen (weniger als 10 Beschäftigte). Hemmnisse für Internationalisierung sind erfahrungsgemäß finanzielle Faktoren, Mangel an qualifiziertem Personal und gesetzliche beziehungsweise bürokratische Hürden identifiziert. Diese Hemmnisse unterscheiden sich zudem für bereits international tätige und bisher auf das Inland konzentrierte Mittelständler. So steht jedes dritte auslandsaktive KMU bei der Ausweitung seiner internationalen Aktivitäten vor finanziellen Schwierigkeiten. Die Hälfte davon gibt Eigenkapitalknappheit an. Allerdings hat sich ein Teil des Mittelstands mit dem Thema Internationalisierung noch nicht auseinandergesetzt. 19 Prozent gehen davon aus, dass ihr Unternehmen aufgrund regionaler Ausrichtung oder Branche ungeeignet sei. Weitere 19 Prozent sehen keinen Bedarf. Dass diese Abstinenz falsch sei, meint der Unternehmensberater Professor Hermann Simon. „Konsequente Globalisierung“ sei die „einzige Chance.“ Er prägte den Begriff der „Hidden Champions“, die einerseits relativ klein, andererseits aber weltweit präsent sind, die meisten sogar als Weltmarktführer. Insgesamt gebe es davon in Deutschland 1.200, denen die „herausragende Exportperformance“ zu verdanken sei. Daher sollten alle, die gut im deutschen Markt mit seinem harten Wettbewerb zurechtkommen, sich im Ausland versuchen.


TITELTHEMA

INTERNATIONALISIERUNG

WETTBEWERB „Die Globalisierung an sich ist nicht Neues. Neu ist ihre Dynamik“, konstatiert Unternehmensberater Professor Dr. Norbert Wieselhuber. „Unternehmen aus fast allen Ländern der Welt dringen auf unsere Märkte.“

„Besser ist es, die ausländische Konkurrenz vor Ort zu stellen.“ Stellen oder Kooperieren, oder beides: Auf dem 10. Mahreg Innovationsforum am 10. November 2010 sagte Netzwerker Dr. Jürgen Ude in Magdeburg, „wenn wir die Kfz-Zuliefer-Industrie unseres Landes geschickt in die Welt der Mega-Supplier einbauen, gewinnt Sachsen-Anhalt – ein Land, das keine Autos baut – plötzlich einen Platz auf der Landkarte der Produzenten“. Zuvor hatte Klaus Stapf, Geschäftsführer des in Chemnitz an-

sässigen Innovation Netzwerk Textil e.V. (INNtex) und Nachfolger von Professor Dr. Franz Rudolph, auf einer internationalen Netzwerk-Tagung im Rahmen der Textilfachmesse mtex betont: „Kooperationen und daraus entspringende Innovationen stärken entscheidend die Wettbewerbsposition der europäischen Textilbranche unter den Bedingungen der Globalisierung.“ Ins gleiche Horn bläst der VDMA-Präsident Dr. Thomas Lindner, der die Internationalisierung des Mittelstandes insbesonde-

re in Asien als einen Schwerpunkt seiner Präsidentschaft sieht. „Von Januar bis August dieses Jahres sind die Exporte nach Asien wieder um über 19 Prozent gestiegen“, sagt Lindner. „Spitzenreiter unseres Exportwachstums war China mit plus 26 Prozent von Januar bis August 2010. China ist damit seit 2008 unser Top-Exportmarkt weltweit und gleichzeitig der Schlüsselmarkt in Asien.“ Die Kernforderung laute: „Ausbau der Wissensbasis in Deutschland, um Asien noch besser zu verstehen.“

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TITELTHEMA

INTERNATIONALISIERUNG

Themenschwerpunkt Internationalisierung In dieser Ausgabe finden Sie weitere Reportagen, die unser Titelthema flankieren. Die Logistikreportage ab Seite 21 befasst sich mit Warenströmen, die sich immer mehr in Richtung der Schwellenländer verschieben. Die Öffnung regionaler Märkte, die weltweite Anpassung von Kaufverhalten, technischen Standards und Geschäftsprozessen erfordert eine globale Denkweise bei Transaktionen.

WACHSTUM „Von Januar bis August dieses Jahres sind die Exporte nach Asien wieder um über 19 Prozent gestiegen“, sagt VDMAPräsident Dr. Thomas Lindner.

Die KfW-Tochter DEG sieht sich als „Geburts- und Wachstumshelfer“ für den deutschen Mittelstand im Ausland. Der globale Handel und die grenzüberschreitenden Investitionen leisteten einen „ganz wesentlichen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands. Sie sichern hierzulande jeden vierten Arbeitsplatz, in der Industrie sogar jeden dritten“, so Dr. Ulrich Schröder, Vorstandsvorsitzender der KfW Bankengruppe. „Der häufig gehegte Verdacht, der Gang ins Ausland vernichte auf jeden Fall Arbeitsplätze im Inland, lässt sich nicht bestätigen.“ Lohnkostenvorteile spielten heute nur bei etwa jeder siebten Auslandsexpansion eine Rolle. In erster Linie geht es den international ausgerichteten Unternehmen darum, neue Absatzmärkte zu erschließen. Um beim Auslandsgeschäft Unterstützung zu leisten, hat im Rahmen des EUProgramms für Wettbewerb und Innovation

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(CIP) die Europäische Kommission ein Enterprise Europe Network mit mehr als 550 regionalen Kontaktstellen in 44 Länder etabliert. Im Fokus des neuen Netzwerks Enterprise Europe steht die Internationalisierung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) aus Industrie, Handel und Handwerk mit innovativen Produkten und Dienstleistungen. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Förderung der Zusammenarbeit sowie Clusterbildung zwischen Unternehmen, Universitäten und Forschungseinrichtungen. Das Netzwerk soll Unternehmern den Zugang zu Marktinformationen ermöglichen, rechtliche Hindernisse ausräumen und potenzielle Geschäftspartner in Europa finden helfen. Auf eine verstärkte Partnerschaft zwischen Wirtschaft und Staat setzt das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit. Nach Aussage von HansJürgen Beerfeltz, Staatssekretär im BMZ, „haben bereits mehr als 3.000 Kooperationen in über 70 Entwicklungsländern gezeigt, dass es niemals und nirgendwo eine nachhaltige Entwicklung ohne eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung gibt.“ Existieren „harte“ Probleme im internationalen Geschäft, wie Finanzierung und gesetzliche Hemmnisse, gibt es auch „weiche“ Faktoren, deren Auswirkungen ebenso negativ sein können. Das sind kulturelle, mentale und sprachliche Unkenntnisse. Hierfür gibt es inzwischen zahlreiche Dienstleister. Neu ist für Übersetzungen eine pragmatische, erste Hilfe, die das Translation-Memory-System „memoQ” der Firma Kilgray liefert. Der Clou ist, dass nicht nur Wort für Wort analysiert wird, sondern sich jeder Satz mit einer Datenbank, vergleichen lässt, die Satzpaare aus vorherigen Übersetzungen enthält. Wird ein ähnlicher oder gar gleicher Satz gefunden, schlägt die Anwendung die dafür abgelegte Übersetzung als Ausgangspunkt für die jetzige Übersetzung vor. Wichtig ist nicht alleine die Bewältigung von ei-

Die Mergers&Acquisitions-Reportage ab Seite 15 gibt Entscheidern wertvolle Tipps. Die Reportage über Weiterbildungsstrategien ab Seite 7 zeigt Karrierechancen auf, die ein gut gewähltes MBA-Studium eröffnet. Rohstoffe wachsen und lagern auf der ganzen Welt. Mehr über das Management der Ressourcen erfahren Sie in der Rohstoffreportage ab Seite 26.

genen Problemen. Entscheidend ist, dass es den KMU gelingt, sich in den Prozess des Ziellandes hinsichtlich dessen Problembewältigungen einzubinden. Das sind zumeist auch die globalen Zukunftsaufgaben des Planeten: Belastungen von Umwelt und Biosphäre, Bevölkerungsentwicklung, Wandel der Industriegesellschaft zur Dienstleistungs-, Informations- und Wissenschaftsgesellschaft, wie sie im Bericht des Instituts für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT) oder zuletzt in der Studie „Trends und Strategien in der Logistik – Globale Netzwerke im Wandel" skizziert sind: Die aktuelle Studie macht als Megatrends bis 2015 aus: Globalisierung, Umwelt, Sicherheit und Innovationen. „Internationalisierung bedeutet vor allem, die Chancen zu nutzen, die der weltweite Markt bietet“, sagt Hans Dalborg, Chairman of the Board of Directors von Nordea, einem Investment Manager, der vor allem stark in den nordischen Märkten vertreten ist. Die Chancen sind die angenommenen Probleme. Und auch das könnte von John Naisbitt stammen. „Der internationale Handel und die internationale Arbeitsteilung ist für Deutschland als Exportnation seit Jahrzehnten das Fundament wirtschaftlicher Stärke“, betont auch Unternehmensberater und Honorarprofessor Professor Dr. Norbert Wieselhuber. Globalisierung sei demnach nichts Neues. Neu sei indes ihre Dynamik. „Unternehmen aus fast allen Ländern der Welt dringen auf unsere Märkte und sind ernst zu nehmende Wettbewerber.“ Auf der anderen Seite eröffnet die Globalisierung unzählige Chancen. Nicht zuletzt das Internet bietet ungeahnte Möglichkeiten, Geschäftskontakteund Prozesse unabhängig von der Unternehmensgröße zu automatisieren.

Hans-Herbert Holzamer


MANAGEMENT

M&A

Neues Miteinander MERGERS & ACQUISITIONS Der Markt für Übernahmen und Fusionen zeigt deutliche Zeichen des Aufschwungs. Jüngste Zahlen weisen darauf hin, dass besonders der Mittelstand die Erholung trägt.

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ie Öffnung der regionalen Märkte, die weltweite Anpassung von Kaufverhalten, technischen Standards und Geschäftsprozessen zwingt den Unternehmer heute zu globalem Denken. Kaum eine Branche kann sich dem entziehen. In dem beschaulichen „Made in Germany“ stecken heute Komponenten aus China, Software aus Indien und Low-Cost-Komponenten aus Osteuropa. Wer sich heute auf den

Absatzmarkt Deutschland beschränkt, der wettet gegen die Zeit: Globale Spieler drängen auf unseren Heimatmarkt – und die einzig mögliche Abwehr ist, diese Spieler in ihren Heimatmärkten zu schlagen. Die Banken- und Finanzkrise hat unübersehbare Spuren in der realen Produktionswirtschaft hinterlassen. Laut McKinsey haben 60 Prozent aller Unternehmen, die vor der Krise in Führungspositionen waren,

Transaktionen | Grenzüberschreitende Expertise Die Anwälte Felix ProzorovBastians und Dr. Dunja Stadtmann von der Kanzlei Graf von Westphalen unterstützen Unternehmen bei internationalen M&A-Transaktionen. Gerade bei geplanten Geschäftsaktivitäten in stetig wachsenden Wirtschaftsräumen wie China oder Russland begleiten die Experten Unternehmen bei den verschiedenen Transaktionsphasen.

ihre angestammte Position verloren. Nun gilt es, in einer radikalen Kehrtwendung wieder zu alter Stärke aufzuschließen. Wie kein anderes Managementinstrument sind Unternehmensfusionen und Firmenkäufe geeignet, das Ruder schnell herumzureißen. Wer nämlich in Brasilien, in Indonesien und am Horn von Afrika Geschäfte machen will, der braucht nicht nur lokale Präsenz bei Vertrieb und Service, der braucht nicht nur lokale Zulieferungen. Untersuchungen haben gezeigt, dass nachhaltig überkritische Marktanteile nur für den erreichbar sind, der sich durch hohe lokale Wertschöpfung auszeichnet. Die Zeiten sind vorbei, in denen Chinesen in Deutschland kranke Unternehmen aufkauften, die Fertigung abbauten, nach China verlagerten und glaubten, damit den deutschen Markt bedienen zu können. Alle diese Versuche sind fehlgeschlagen. China weiß heute, dass man gesunde Firmen in Deutschland nur betreiben kann, wenn hier hohe Wertschöpfung betrieben wird, wenn man hier die Ressourcen für Forschung und Entwicklung nicht nur stabilisiert, sondern am besten noch auf Mid-Range-Produkte ausbaut, die dann VISAVIS ECONOMY

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MANAGEMENT

M&A

WERKZEUG „Entscheidend sind rechtzeitige Planung und Timing der vertragsrelevanten Stellgrößen“, so M&A-Berater Dr. Hans Bethge.

in China für den Weltmarkt gefertigt werden können. Rund 13.000 ausländische Unternehmen haben diese Lektion gelernt und sich in der Volksrepublik per M&A eingekauft. Sie sind so aktiv und erfolgreich, dass

China zu Recht befürchtet, von der Globalisierung überrannt zu werden. Mergers & Acquisitions sind in unserer globalisierten Welt zum Muss geworden, denn organischer Ausbau dauert zu lange, führt vielfach zu unterkritischen Marktanteilen – und Marktanteilsgewinne werden durch jahrelange Preiskämpfe erkauft. Die Frage lautet heute nicht mehr, ob Unternehmen auf M&A setzen sollen, sondern wie sie dies tun. Ein Unternehmenskauf oder eine Fusion ist vielfach zum Muss geworden, es gehört heute in den Werkzeugschrank des globalen Unternehmers. Dr. Hans Bethge, Geschäftsführer der Angermann M&A International GmbH, bringt es auf den Punkt: „Wichtig sind aus Sicht des Verkäufers vor allem eine rechtzeitige Planung des Prozesses und ein Tuning der verkaufsrelevanten Stellgrößen. Ein Schielen nach Opportunitäten oder Schnäppchen führt in der Regel zu Enttäuschungen. Beide Partner müssen – vor allem bei grenzüberschreitenden oder gar interkontinentalen Transaktionen – sicherstellen, dass der kulturelle Brücken-

schlag gelingt.“ Viele schrecken noch zurück, wenn sie hören, dass rund die Hälfte der Transaktionen nicht den gewünschten Erfolg zeitigt. Es gilt vor allem, den richtigen Weg einzuschlagen: Sei es eine Übernahme, sei es ein Joint Venture oder sei es ein Verkauf. Das ist eine Frage der Strategie und eine der Ressourcen. Wer beispielsweise nicht über die nötigen Finanzmittel für eine Akquisition verfügt, die ihm die notwendigen Marktanteile sichert, der sollte über eine Fusion oder einen Verkauf nachdenken. Alle Wege können zum gewünschten Ziel führen, in der ersten Globalliga mitzuspielen und Marktpositionen zu erreichen, die dauerhaft einträglich sind. Man muss nicht alles selber können. Voraussetzung ist natürlich, dass Unternehmen ihr eigenes Handwerk beherrschen. Unternehmenstransaktionen sind aber ein anderes Kompetenzfeld. Hans Bethge weiß zu berichten, wie erfolgreiche Transaktionen abzulaufen haben: „Jeder Initiator sollte sich zunächst eines erfahrenen Beraters bedienen und mit diesem die einzelnen Prozess-

Going Global | M&A in China und Russland

Wenn Drache und Bär erwachen Aufstrebende Industrienationen wie China und Russland müssen für jeden Unternehmer als die großen Märkte der Zukunft verstanden werden. Der Erwerb von Beteiligungen ist ein logischer Schritt, der sich allerdings erheblich von den strukturierten M&A-

METROPOLE Chinas bedeutendste Industriestadt Shanghai lockt ausländische Unternehmen mit viel Raum für Neuinvestitionen.

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Prozessen des Westens unterscheidet. In China findet der ausländische Investor inzwischen einen investitionsfreundlichen Rechtsrahmen vor. Nach wie vor bedürfen Investitionen aus dem Ausland allerdings der behördlichen Genehmigung. Hier ist es hilfreich, einen chinesischen Partner zu haben, der über gute Kontakte verfügt. Staatseigene Unternehmen verfügen häufig über wenig Transparenz und haben Defizite im Management. Modern geführte chinesische Privatunternehmen bieten meist günstigere Voraussetzungen für eine Unternehmensbeteiligung. Aber auch hier muss die Due Diligence in der Regel vor Ort bei der Zielgesellschaft durchgeführt werden, da die Auswertung von Dokumenten für sich genommen nur ein unzureichendes Bild der Unternehmenssituation bietet. Zudem muss stets Kontakt mit den Behörden aufgenommen werden: etwa, um das tatsächliche Bestehen von Lizenzen und Bodennutzungsrechten zu überprüfen. In

Russland wiederum bestehen nach wie vor regional sehr unterschiedliche bürokratische Hindernisse. So ist es auch dort sinnvoll, an politischer und administrativer Stelle Rückhalt zu suchen. Dies gilt nicht zuletzt für die weitreichenden Befugnisse der russischen Kartellbehörden bei M&A-Transaktionen in „strategisch“ wichtigen Industriezweigen wie Rohstoffe und Energie. Bei der Due-Diligence-Prüfung dürfen an die Transparenz der Rechnungslegung von russischen Unternehmen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Die übliche vertragliche Dokumentation eines M&A-Vorgangs weist indes wenig Unterschiede zu westlichen Transaktionen auf. Durch Ausweichen auf ausländische Rechts- und Gerichtssysteme wird den nach wie vor vorhandenen Unzulänglichkeiten des russischen Rechtssystems Rechnung getragen. Die Kanzlei Graf von Westphalen berät Unternehmen bei nationalen wie grenzüberschreitenden M&A-Prozessen. www.gvw.com


MANAGEMENT

schritte genau planen. Für den Verkäufer, der allein nach einem möglichst hohen Preis strebt, ist ein strukturiertes Bieterverfahren ein Muss. Der Käufer strebt natürlich stets nach einer Alleinstellung und exklusiven Verhandlungssituation. Nach der Phase des Kennenlernens und der Managementgespräche erfolgt die Due Diligence und daran anschließend auf Basis eines Letter of Intent die Vertragsverhandlung mit einem hoffentlich erfolgreichen Abschluss.“ Welche Aspekte sind bei der Planung einer Fusion oder Übernahme entscheidend? Bethge differenziert: „Auch hier sind die Schritte eines Verkäufers von denen eines Käufers abzugrenzen. Der Verkäufer sollte den Zeitpunkt für den Verkauf präzise wählen und insbesondere Unternehmens- und gesamtwirtschaftliche Konjunkturzyklen beachten“. Ferner sei bei einem mittelständischen Patriarchen die Altersfrage von höchster Bedeutung. Ein potenzieller Käufer sollte seine Kaufziele anhand der definierten Kriterien handverlesen analysieren und nur in begründeten Ausnahmefällen seine Renditeziele vernachlässigen“, empfiehlt Bethge. Firmenübernahmen und Unternehmensfusionen sind Königsdisziplinen der Unternehmensführung. Für jeden Konzern wie für jedes größere Unternehmen ist M&A ein unverzichtbares strategisches Managementinstrument zur erfolgreichen Entwicklung und zum Ausbau von Wettbewerbspositionen. Nach dem tiefen Einbruch des Marktes für Fusionen und Übernahmen um mehr als 60 Prozent seit 2007 hat die Bereitschaft zu Übernahmen im ersten Halbjahr 2010 wieder zugenommen. Mit zunehmender Liquidität wagen sich Unternehmen jetzt vermehrt an Akquisitionen, die sie zuvor aufgeschoben haben. Für die unter deutscher Beteiligung gelaufenen mittelständischen Deals zeigt der MidMax Marktindikator des Bundesverbandes Mergers & Acquisitions im dritten Quartal einen geradezu kometenhaften Aufstieg um 88 Prozent gegenüber dem zweiten Quartal. Eines ist gewiss: Die Perspektiven für internationale Transaktionen verbessern sich. Dies zeigt auch eine aktuelle Studie des britischen Institut Oxford Economics. Hiernach zeigt sich über die Hälfte der europäischen Dienstleister aus dem M&A-Bereich optimistisch wenn es um die Bedingungen für globale Geschäftsbeziehungen geht.

M&A

Fachliteratur zum Thema Das Buch zeigt, wie eine zielgerichtete, auf die Unternehmensstrategie abgestimmte Kommunikation die Bewältigung einer „Sondersituation“ maßgeblich im M&A-Prozess unterstützt. Anhand von zehn Best-Practice-Beispielen werden Umbruchsituationen vorgestellt. Nagel, Katja: Ausnahmefall, Linde Verlag, 2010, Preis: 24,90 Euro, ISBN: 9783709302941

Kommunikation | Die richtige Ansprache im Übernahmeprozess

Offene Worte statt verschlossener Türen Kommunikation ist einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren im M&A-Prozess, insbesondere in der Phase der Integration. Schließlich stehen nun alle Unternehmensbereiche und damit Mitarbeiter vor massiven Veränderungen. Wenn weitreichende Veränderungsvorhaben angekündigt werden, muss für alle klar sein, welche Auswirkungen die Transaktion haben wird. Was zeichnet das andere Unternehmen aus? Welche Ziele verfolgt die Transaktion? Wie sieht der Zeitplan aus? Ist Stellenabbau geplant? Das Informationsbedürfnis der verschiedenen Zielgruppen divergiert. Nicht alle Fragen können zum gleichen Zeitpunkt geklärt werden. Kommunikation darf man indes nicht unterdrücken. Im Gegenteil: Sinn der Kommunikation in einer derartigen Situation ist, mehr Transparenz zu schaffen und Informationen möglichst allen Marktteilnehmern zur gleichen Zeit zugänglich zu machen. Auch im M&A-Prozess gilt: Man kann nicht nicht kommunizieren. Wer auf Kommunikation verzichten will, kommuniziert dennoch – allerdings ungesteuert. Wer aber nicht aktiv kommuniziert, verliert die Interpretationshoheit der Ereignisse nach innen und außen – und damit die Kontrolle. In der externen Welt des Unternehmens werden Lieferanten und Kunden verunsichert, Öffentlichkeit und Investoren verlieren Vertrauen in das Unternehmen, Image und Reputation leiden. Dabei befindet sich das Unternehmen ohnehin bereits in einem kritischen Modus. „Offene und kontinuierliche Kommunikation spielt eine entscheidende Rolle“, weiß Dr. Katja Nagel, Geschäftsführerin der Cetacea

Communications & Public Relations GmbH, einer Kommunikationsberatung, die Unternehmen in besonders herausfordernden Situationen, wie beispielsweise im M&AProzess, unterstützt. Nagel weiter: „Sie macht Differenzen transparent, hilft neue Strukturen zu verstehen und motiviert für das neue Unternehmen.“ Hierzu zählen laut Nagel regelmäßige und zielgruppengerechte Informationen über Fortschritte, Neuerungen und Stabilitätsfaktoren – ebenso wie über etwaige Rückschläge. Denn letztlich geht es um ein gemeinsames Ziel: Zwei Unternehmen sollen zu einem neuen Ganzen erwachsen – mit einer gemeinsamen Vision und Identität. Weitere Informationen finden Sie im Internet unter: www.cetacea-gmbh.de

IDENTITÄT „Kontinuierliche Kommunikation motiviert für das neue Unternehmen“, weiß Cetacea-Geschäftsführerin Dr. Katja Nagel.

Kai Lucks VISAVIS ECONOMY

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STANDORT

BERLIN

Ready for Take-Off HAUPTSTADTFLUGHAFEN In Berlin entsteht „Deutschlands Tor zum Osten“. Der Airport BBI lockt zahlreiche Unternehmen in die Region und schafft Tausende neuer Arbeitsplätze.

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relange Verzögerungen und Kostenexplosionen die Regel gewesen, und „davon sind wir weit entfernt“. Der Hauptstadtflughafen BBI „ist und bleibt eine Erfolgsgeschichte“. Den Angaben zufolge entstehen durch die Verzögerung Mehrkosten von 112 Millionen Euro. Durch Umschichtungen im Budget und die Verwendung von Reserven bleibe es jedoch bei den geplanten Projektkosten von rund 2,5 Milliarden Euro. Das Abfertigungsgebäude mit einer Startkapazität von 27 Millionen Reisenden pro Jahr bildet den Kern des nach Fertigstellung drittgrößten deutschen Flughafens, der damit optimal an die Anforderungen des Luftverkehrs in Zeiten der Globalisierung angepasst ist. Der Hauptstadtflughafen vereint alle Verkehre unter einem Dach und wird dadurch ein Flughafen der kurzen Wege. Direkt unter dem Flughafen liegt ein Bahnhof, an dem ICE-Züge, aber auch Regionalzüge und S-Bahnen halten können. Ob Bahn, Bus oder Auto: Allen Fluggästen soll ein einfacher und unkomplizierter Zu-

gang zu den Terminals gewährt werden. Überdies soll der Airport der erste deutsche Flughafen mit einem Marktplatz im Terminal werden. „Der Flughafen wird mit mehr als 20.000 Mitarbeitern so etwas wie eine kleine Stadt in sich selbst”, erklärt Rainer Schwarz, Sprecher der Geschäftsführung der Berliner Flughäfen. Der 9.000 Quadratmeter große Marktplatz werde von allen Passagieren überquert. Rund ein Viertel der Einzelhändler verkauft dort laut Schwarz Produkte aus der Region. „Wir wollen damit auch eine Identifikation mit der Hauptstadt herstellen“, so Schwarz weiter. Regionalität wird groß geschrieben: Neben Schokolade aus Brandenburg könnten Reisende auch das berühmte Berliner Ampelmännchen aus alten DDR-Zeiten erwerben. Berlin soll sich damit in den kommenden Jahren als internationales Drehkreuz etablieren, das den Vergleich zu anderen europäischen Großflughäfen nicht zu scheuen braucht. Dafür spricht nicht zuletzt das stetig wachsende Wirtschaftswachstum in den

Quelle: Björn Rolle / Berliner Flughäfen

as bislang größte Infrastrukturprojekt in Berlin-Brandenburg sorgt für Schlagzeilen: In Berlin entsteht derzeit eine neuer Knotenpunkt des nationalen und internationalen Flugverkehrs. Seit September 2006 wird der Flughafen Schönefeld zum neuen Hauptstadt-Airport BBI ausgebaut. Der Flughafen in Schönefeld im Südosten Berlins wird den Namen des früheren Bundeskanzlers und ehemaligen Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Willy Brandt, tragen. Er ist eine Kompletterweiterung des alten DDR-Zentralflughafens in Schönefeld und ersetzt die beiden innerstädtischen Flughäfen Tegel und Tempelhof. Ursprünglich für Oktober 2011 geplant, verschiebt sich die Eröffnung um sieben Monate und ist für den 3. Juni 2012 angedacht. Der neue Eröffnungstermin sei ein guter Kompromiss aus vorausschauender Planung und einer weiterhin zügigen Realisierung der Bauarbeiten, sagt Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit. Bei vergleichbaren Projekten seien jah-

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Quelle: Björn Rolle / Berliner Flughäfen

STANDORT

osteuropäischen und asiatischen Staaten. Hier punktet Berlin vor allem durch die besonders günstige geografische Lage inmitten Deutschlands und im Herzen Europas. Eine gute, natürliche Voraussetzung, dem prognostizierten Wachstum gerecht zu werden und das damit verbundene wirtschaftlichen Potenzial zu erschließen. So wird der Hauptstadt-Airport BBI „Deutschlands Tor zum Osten“. Und nicht nur das: Die ganze Region verspricht sich Impulse für wirtschaftliches Wachstum und Entwicklung.

BERLIN

KAPAZITÄT Jährlich 27 Millionen Reisende sollen künftig auf dem Hauptstadtflughafen abgefertigt werden.

Tatsächlich bietet der neue Flughafen optimale Perspektiven. Zum einen verbessern sich für Unternehmen aus Berlin und der Region die Voraussetzungen für den weltweiten Handel und Wirtschaftsverkehr. Zum anderen profitieren die Menschen aus dem Umland unmittelbar, indem zahlreiche Arbeitsplätze entstehen. Namhafte und weltweit erfolgreiche Unternehmen darunter die Deutsche Lufthansa AG oder die MTU Aero Engines GmbH, aber auch rund 60 mittelständische

Betriebe haben sich bereits in der Region niedergelassen und beschäftigen derzeit schon über 16.000 Menschen. Damit hat sich die Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg längst zu einer national und international bedeutenden LuftfahrttechnologieRegion entwickelt. Durch den Ausbau des Flughafens wird die Luftfahrtindustrie in ganz Deutschland weiter gestärkt.

Reinhard Krabbe

Triebwerktechnik | MTU-Maintenance Berlin-Brandenburg – feste Größe im Konzernverbund

Hightech vom Feinsten aus Berlin-Brandenburg Die MTU Maintenance Berlin-Brandenburg in Ludwigsfelde hat sich als feste Größe im Verbund der MTU Aero Engines, Deutschlands führendem und einzigem unabhängigen Triebwerkshersteller, etabliert und befindet sich auf Wachstumskurs. Die gute Entwicklung basiert auf dem breiten Leistungsspektrum des Unternehmens, das auf über 70 Jahre Erfahrung im Triebwerksbau zurückblickt: Überholt und repariert werden Industriegasturbinen (IGT) der LM-Reihe von General Electric für Kunden aus aller Welt und zivile Luftfahrtantriebe bis zur mittleren Schubklasse. Zum Einsatz kommen die Hightech-Reparaturen, für die die MTU bekannt ist. Gemäß dem Motto „Reparieren statt Ersetzen“ werden auch stark verschlissene Bauteile bearbeitet, die andere bereits austauschen. Mit der CF34-Triebwerksfamilie von General Electric hat sich die MTU Maintenance Berlin-Brandenburg, die fast 600 Mitarbeiter beschäftigt, einen Bestseller an Land gezo-

gen: Das CF34 ist führend im Bereich der 50-Sitzer-Regional-Jets und verfügt über weiteres Wachstumspotenzial, denn auch die neuen 70- bis 100-Sitzer von Bombardier und Embraer werden exklusiv mit ihm ausgestattet. Ludwigsfelde ist weltweit der erste unabhängige Instandhalter, der die komplette CF34-Triebwerksfamilie betreut. Ein weiteres wichtiges Programm ist das TP400-D6, der Antrieb des neuen Militärtransporters A400M. Die MTU Maintenance Berlin-Brandenburg zeichnet für die Endmontage aller Serienantriebe verantwortlich und betreibt den einzigen Serienprüfstand. Die Testeinrichtung ist eine der modernsten und leistungsfähigsten der Welt – genauso wie der IGT-Prüfstand. Das TP400-D6 ist die stärkste Propellerturbine der westlichen Welt und entsteht unter dem Dach des Triebwerkskonsortiums Europrop International (EPI) und ist ein Gemeinschaftsprojekt der europäischen Triebwerkshersteller MTU

Aero Engines, der spanischen ITP, der französischen Snecma und Rolls-Royce, Großbritannien. Die MTU steuert Mitteldruckverdichter und Mitteldruckturbine bei, die auf einer gemeinsamen Welle sitzen, sowie die Software der Triebwerksregelung. Die MTU Aero Engines ist mit ihren weltweiten Töchtern eine feste Größe in der Triebwerksbranche. Im Geschäftsjahr 2009 haben 7.600 Mitarbeiter einen Umsatz in Höhe von rund 2,6 Milliarden Euro erwirtschaftet. Technologisch nimmt das Unternehmen weltweit einen Spitzenplatz ein: Paradedisziplinen sind die Niederdruckturbinen- und Hochdruckverdichter-Technologien sowie Fertigungs- und Reparaturverfahren. Im militärischen Bereich ist das deutsche Traditionsunternehmen Systempartner für fast alle Luftfahrtantriebe der Bundeswehr. In der Instandhaltung ziviler Triebwerke ist die MTU Maintenance der weltweit größte unabhängige Anbieter dieser Dienstleistungen. www.mtu.de

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LOGISTIK

Foto: EUROGATE Warehousing & Distribution Erfurt GmbH, Erfurt, H.-J. Kirchner

MÄRKTE

DISTRIBUTION Vor den Toren Erfurts betreibt Eurogate Warehousing & Distributions Erfurt ein neues Umschlagzentrum des Elektronikriesen Panasonic.

Standortvorteile in der Mitte Europas DREHSCHEIBE Thüringen entwickelt sich dank weitverzweigter Infrastruktur und qualifizierten Fachkräften zu einem bedeutenden Logistikstandort. Auch internationale Unternehmen entdecken die Vorzüge.

Die Logistik in Thüringen boomt. Wurde der Freistaat noch vor Jahren als attraktiver Wirtschaftsstandort unterschätzt, so zeugen heute viele Großinvestitionen und Bauschilder global agierender Konzerne von großem Investoreninteresse. Seit Beginn des Jahres 2009 entschieden sich mehr als 70 Unternehmen für eine Thüringer Firmenadresse, darunter die Kaufland Fleischwaren SB GmbH & Co. KG, der Elektronikriese Panasonic oder die Rhenus-Gruppe. Nach einer Studie der Helaba, der Landesbank Hessen-Thüringen, ist die Logistikbranche der viertgrößte Cluster in Thüringen. „Rund 36.000 Beschäftigte, eine weitverzweigte Infrastruktur und der geografische Standortvorteil in der Mitte Europas und Deutschlands machen Thüringen zu einer logistischen Drehscheibe“, weiß Dr. Arnulf Wulff, Standortwerber der LEG Thüringen. Etwa 330 Logistikunternehmen nutzen diese Begebenheiten zu ihrem Vorteil: Sie liefern ihre Artikel an internationale sowie nationale Kunden und Partner – die Bedingungen dafür sind optimal. Vom Freistaat aus ist jeder Produktions- und Konsumstandort in Deutschland in nur knapp fünf Stunden zu erreichen. Mit einem Güterverkehrsnetz, das sich auf 1.500 Kilometer Schienenlänge durch das gesamte Bundesgebiet zieht, einem 485 Kilometer

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langen Autobahnnetz sowie einem Airund Road-Hub-Gebäude am Erfurter Flughafen sind schnelle Verbindungen in alle Himmelsrichtungen gesichert. Neben bestmöglichen wirtschaftlichen und geografischen Bedingungen bietet der Freistaat den Investoren zusätzlich einen Investitionszuschuss von 30 bis 50 Prozent. Bei solchen finanziellen Vorteilen, den kurzen Wegen ins In- und Ausland, der zentralen Lage und der fortschrittlichen Infrastruktur ist es eigentlich keine Überraschung, dass Thüringen von der US-amerikanischen Fachzeitschrift Site Selection jüngst zum attraktivsten Investitionsstandort Deutschlands gewählt wurde – zum „Global Best To Invest“. Auch die Produkte des Elektronikriesen Panasonic treten seit Kurzem ihren Weg in die Regale zahlreicher Warenhäuser von Thüringen aus an. Vor den Toren der Landeshauptstadt Erfurt betreibt die Eurogate Warehousing & Distribution Erfurt, eine Tochter der Hamburger Firma Mare Beteiligung GmbH, seit August 2010 ein neues Warenumschlagzentrum des Weltkonzerns. Flachbildfernseher, Digitalkameras und DVDs – gut 3.000 verschiedene Panasonic-Artikel werden seither vom Standort Thüringen für den deutschen, österreichischen und belgischen Elektronikmarkt vertrieben. In-

nerhalb eines Jahres wurde die 25-Millionen-Investition aus dem Boden gehoben. Einem Boden, in dem die Thüringer Wirtschaft und die damit verbundene Logistikbranche förmlich aufzukeimen scheinen. Das zeigt auch die Errichtung eines 50.400 Quadratmeter großen Logistikzentrums von einem der führenden europäischen Logistikunternehmen, der Rhenus-Gruppe, in Hörselgau, nahe der Stadt Gotha. Zunächst sollen hier 200 Arbeitsplätze entstehen. Völlig ausgelastet sei das Unternehmen aber erst bei 550 neu geschaffenen Stellen, so die Angaben von Rhenus-Vorstandsmitglied Michael Brockhaus. Mit einem Investitionsvolumen von 45 Millionen Euro gehört inzwischen auch ein Zentrum in Thüringen zur weltweit agierenden Rhenus-Gruppe. Es ist Standort Nummer 290 des internationalen Logistikdienstleisters. „Immer mehr Unternehmen der Logistikbranche entdecken die Vorzüge des Wirtschaftsstandorts Thüringen“, stellte der thüringische Wirtschaftsminister Matthias Machnig jüngst fest. Wie 23 Neuansiedlungen und 2.200 neue Arbeitsplätze allein im Jahr 2010 beweisen, ist es dem Freistaat in letzter Zeit immer wieder gelungen, sich auch im internationalen Ansiedlungswettbewerb durchzusetzen. Weitere Informationen unter: www.invest-in-thuringia.de


MÄRKTE

LOGISTIK

Die alten und neuen Handelswege VERLAGERUNG Die Transportbranche steht vor Umwälzungen. Die Warenströme verschieben sich in die Schwellenländer. Dort erwächst den etablierten und global agierenden Anbietern eine mächtige Konkurrenz.

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omben per Luftfracht - der Schock über den perfiden Plan der Terroristen sitzt tief. Glücklicherweise konnten Ermittler die Paketbomben aus dem Jemen, die vermutlich über der US-Ostküste in Frachtflugzeugen detonieren sollten, abfangen. Nun werden die Sicherheitsbestimmungen verschärft und gängige Standards überprüft. Deutschland ist ein zentrales Drehkreuz für internationale Fracht – hier werden schärfere Kontrollen greifen müssen. Das kann sehr teuer werden. „Im Extremfall könnte das die Unternehmen zehn Milliarden Euro oder mehr kosten“, befürchtet die Wirtschaftswoche. Dabei stecken Frachtfluggesellschaften bereits jetzt sechs Milliarden US-Dollar in die Sicherheit. Der vereitelte Anschlag macht zweierlei klar: Die Globalisierung der Warenströme bringt neue Gefahren mit sich – doch zu stoppen ist sie nicht. Im Gegenteil. „Der heutige Wohlstand, gerade auch in Schwellenländern, wäre ohne weltweite Arbeitsteiligkeit nicht möglich. Und diese ist ohne

Logistik nicht denkbar“, bemerkt Uwe Clausen, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik IML. So sieht man das auch bei der Bundesvereinigung Logistik (BVL). In einer aktuellen BVL-Studie ist sich die überwiegende Mehrheit der befragten Industrie- und Handelsunternehmen sicher, dass die Internationalisierung der Warenströme innerhalb der kommenden fünf Jahre noch mal drastisch zulegen wird. Eine leistungsfähige Logistik ist das treibende Schwungrad dafür. Derzeit arbeiten hierzulande 2,7 Millionen Menschen in dieser Branche. Allein in Deutschland wird ein jährlicher Umsatz von rund 210 Milliarden Euro erwirtschaftet. „Damit ist die Logistik der drittgrößte Wirtschaftsbereich nach der Automobilproduktion und dem Handel“, sagt Prof. Dr.-Ing. Raimund Klinkner, BVL-Vorstandsvorsitzender. Gerade die weltweite Orientierung dürfte für Spediteure in Zukunft immer wichtiger werden, denn die Warenströme wandeln sich. „Ein großer Teil des Welthandels wird 2030 über

die Schwellenländer abgewickelt werden“, prognostiziert die Studie „Transportation & Logistics 2030“ der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) und des Supply Chain Management Instituts (SMI) an der EBS Business School in Wiesbaden. Für die Autoren der Studie ist klar, dass die dynamische wirtschaftliche Entwicklung der Schwellenländer den Welthandel grundlegend verändern und neu ordnen wird. „Darauf müssen auch die global tätigen deutschen Logistikunternehmen reagieren“, sagt Klaus-Dieter Ruske, Leiter des Geschäftsbereichs Transport und Logistik bei PwC. „Der Wettbewerb um die großen Transportaufträge der Zukunft wird in den nächsten Jahren entschieden. Die Karten werden neu gemischt“, unterstreicht er. Denn Schwellenländer wie China oder Indien engagierten sich zunehmend in rohstoffreichen Entwicklungsländern und bauten dort eine Logistikinfrastruktur auf. China treibt bereits intensiv Handel mit Brasilien, Malaysia sowie Indonesien und investiert in mehreren wenig entwickelten Ländern Afrikas. Die mit dieser Verschiebung neu entstehenden Handelswege werden stetig Marktanteile gewinnen und letztlich die globale Lieferkette verändern. Gleichzeitig werden in den aufstrebenden Regionen auch neue schlagkräftige Logistikkonzerne entstehen und den bereits etablierten Konzernen Marktanteile streitig machen. Schon jetzt zeigen sich erste Konturen der neuen Handelsarchitektur: So wächst derzeit der Handel zwischen Asien und den früheren Sowjetstaaten jährlich um 42 Prozent. Auch die Transportmengen auf der Süd-Süd-Route zwischen Südamerika und Afrika legen deutlich zweistellig zu. China verfügt schon heute über sieben der zwanzig größten Häfen der Welt. In Zukunft werden auch Indien, Russland und Südafrika zu den Logistikriesen zählen. Allerdings seien VISAVIS ECONOMY

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KONKURRENZ „Die Schwellenländer setzen viel daran, uns den Rang abzulaufen“, warnt Logistikexperte KlausDieter Ruske.

Mautsystem | Immer mehr schadstoffarme Lkw

Anreize für das Transportgewerbe Nachhaltiges Wirtschaften wird immer wichtiger. Mit der Einführung der streckenbezogenen Maut in Deutschland wurden wesentliche Voraussetzungen für die nutzungsabhängige Finanzierung von Infrastruktur, den verbesserten Umweltschutz und eine effiziente Verkehrssteuerung geschaffen. Die Grundsätze lauten: Wer viel fährt, zahlt mehr. Und: Ein höherer Schadstoffausstoß führt zu höheren Mautkosten. Die Staffelung der Gebühren nach Emissionsklassen ist ein Anreiz für die Unternehmen der Transport- und Logistikbranche, in moderne Fahrzeuge zu investieren. Ein staatliches Förderprogramm unterstützt diesen Trend. Die Bilanz nach fast sechsjährigem Betrieb

NACHHALTIG Das deutsche Mautsystem hat dazu beigetragen, den Schadstoffausstoß der LKW zu senken. Überdies sichert es einen reibungslosen Verkehrsfluss.

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des Mautsystems zeigt: Die Anzahl schadstoffarmer Lastkraftwagen mit moderner Abgastechnik ist seit 2005 enorm gestiegen, von unter einem Prozent 2005 auf fast 59 Prozent im Oktober 2010. Dagegen sank die Zahl der emissionsstarken Fahrzeuge von über 30 auf unter 3 Prozent. Darüber hinaus nahm die Zahl der Leerfahrten deutlich ab. Politik und Industrie haben mit dem satellitengestützten Mautsystem ein Instrument geschaffen, das innovative Antworten auf die dringlichsten ökologischen Fragen im Verkehrssektor bereit hält. Zukünftig kann das Mautsystem auch für das Verkehrsmanagement eingesetzt werden und so dazu beitragen, dass die Mobilität bei wachsendem Verkehr aufrechterhalten wird. Die technischen Voraussetzungen sind dafür bereits vorhanden. Auch das Mautsystem und Toll Collect selbst setzen auf Nachhaltigkeit. In Deutschland kommt die Mauterhebung weitgehend ohne bauliche Infrastruktur auf Straßen und Autobahnen aus. So wird, anders als bei anderen Mautsystemen, kaum Landschaft verbaut oder verbraucht. Außerdem ist das Toll-Collect-System ein Free-Flow-System, das den Verkehrsfluss sichert und nicht zur künstlichen Stau- und Gefahrenquelle wird. Durch konsequente Optimierung hat Toll Collect die Betriebskosten kontinuierlich senken können. Der Auftraggeber zahlte an die Toll Collect GmbH für das Geschäftsjahr 2008/2009 eine Vergütung von 451 Mio. Euro. Damit liegt das Verhältnis zwischen Einnahmen und Betriebskosten aktuell bei 11,2 Prozent. www.toll-collect.de

hiesige Unternehmen gut gerüstet, meint Ruske: „Deutschlands Position als Vizeexportweltmeister zeigt, dass die deutsche Logistik den Herausforderungen der Globalisierung gewachsen ist.“ So sieht der aktuelle Logistics Performance Index (LPI) der Weltbank Deutschland im globalen Vergleich klar auf der Spitzenposition. „Die Nummer eins werden wir jedoch nur bleiben, wenn wir auch in Zukunft alles dafür tun, den Logistikstandort Deutschland langfristig zu sichern. Die Schwellenländer setzen viel daran, uns den Rang abzulaufen“, mahnt der Experte und nennt Zahlen: In den vergangenen zwei Jahren hat Deutschland etwa 24 Milliarden Euro in seine Transportinfrastruktur investiert. China hat im gleichen Zeitraum etwa 500 Milliarden Euro in die Hand genommen, um seine Infrastruktur auszubauen. Gerade für global agierende Logistiker und mittelständische Dienstleister bieten sich neue Chancen. „Viele deutsche Logistikdienstleister haben die Emerging Markets als attraktives Wachstumsfeld fest im Blick“, sagt Dr. Heiko von der Gracht, Direktor des Centers für Zukunftsforschung und Wissensmanagement am SMI. Vor allem internationale Kooperationen seien ein erfolgversprechendes Modell. Aber auch mitten in Deutschland sind die Wachstumspotenziale längst noch nicht ausgereizt. Nach einer Studie der Landesbank Hessen-Thüringen, Helaba, ist die Logistik mit gut 330 Unternehmen die viertgrößte Branche dieses Bundeslandes – vor Jahren hätte damit niemand gerechnet. „Rund 36.000 Beschäftigte, eine weitverzweigte Infrastruktur sowie der geografische Standortvorteil in der Mitte Europas und Deutschlands machen Thüringen zu einer logistischen Drehscheibe“, sagt Dr. Arnulf Wulff, Standortwerber der Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen. Das dachte sich auch der Elektronikkonzern Panasonic, der seit August bei Erfurt ein neues Warenumschlagzentrum betreibt.


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LOGISTIK

Logistik-Messen 2011 » 8. – 10. Februar 2011: LogiMAT Internationale Aussteller zeigen in Stuttgart innovative Produkte, Lösungen und Systeme für die Beschaffungs-, Lager-, Produktions- und Distributionslogistik. » 2. – 6. Mai 2011: CeMAT Auf der internationalen Messe in Hannover stehen technische Neuerungen im

Von hier aus werden unter anderem Flachbildfernseher, Digitalkameras und Hifi-Geräte in deutsche, österreichische und belgische Elektronikmärkte geliefert. Demnächst wird auch die Rhenus-Gruppe, einer der führenden europäischen Logistiker, unweit von Gotha ein neues Logistikzentrum in Betrieb nehmen – und 200 Arbeitsplätze schaffen. Doch bei allem Handel und Wandel sollten die Nachhaltigkeitsanstrengungen nicht unter die Räder kommen. Unternehmen wie die Deutsche Post DHL bemühen sich dar-

Bereich Logistik und Transportwesen im Vordergrund. Das Motto der Veranstaltung lautet „Sustainability in Intralogistics“.

» 10. – 13. Mai 2011: transport logistic Die Leitmesse für Logistik, Mobilität, IT und Supply Chain Management zeigt in München die gesamte logistische Wertschöpfungskette auf einen Blick.

um, dass die Lieferketten umweltgerechter gestaltet werden: angefangen beim CO2neutralen Päckchenversand bis hin zu verbrauchsgünstigen Fahrzeugen. „In sehr vielen Unternehmen ist das Arbeitsfeld ‚Nachhaltigkeit‘ als bedeutendes Zukunftsthema der Logistik längst identifiziert“, sagt BVLChef Klinkner. Bausteine dafür seien auch optimal geplante Warenströme, bestmögliche Flächennutzung in den Verkehrsmitteln und durchgängig ressourcenschonende Technologien, betont der Logistikexperte.

Selbst die anfangs viel gescholtene LkwMaut auf deutschen Autobahnen leistet einen Beitrag zur grünen Logistik. Denn die nutzungsabhängige Gebühr entfaltet steuernde Wirkung. Die Sache ist einfach: Wer viel fährt, zahlt mehr – und ein höherer Schadstoffausstoß führt zu höheren Mautkosten. Die Staffelung der Gebühren nach Emissionsklassen ist ein Anreiz für die Unternehmen der Transport- und Logistikbranche, in moderne Fahrzeuge zu investieren. Zwischenbilanz nach fast sechs Jahren: Die

Einfuhroptimierung | Neue Logistikansätze für Importe in die EU

Hoher Mehrwert dank Komplettabwicklung Nach der Flaute während der Wirtschaftskrise fließen sie nun wieder verstärkt: die Warenströme aus Asien, Lateinamerika und Osteuropa, die in die EU importiert werden. Unternehmen stehen beim internationalen Sourcing vor einer großen Herausforderung. Sie müssen effiziente Transporte mit den notwendigen Zusatzservices verknüpfen und dabei den eigenen Koordinationsaufwand und die Kosten der Beschaffungslogistik so gering wie möglich halten. Gerade bei den Services, die nach dem Überseetransport stattfinden, gibt es Optimierungspotenziale. Davon ist auch Chemion Logistik überzeugt. Als Partner von Importeuren plant und steuert der Dienstleister internationale Logistikketten, erbringt auch selbst Leistungen entlang der Supply Chain und bietet damit Unternehmen ganzheitliche Konzepte für ihre Beschaffungslogistik. Beim Leistungsangebot Chemions ist die Infrastruktur der Hinterland-Standorte Leverkusen, Dormagen

und Krefeld ein wichtiger Aspekt. Denn sie fungieren als Umschlaghubs im Kombinierten Verkehr (KV), und dort können Güter aus Übersee gelagert und kommissioniert werden. Dadurch werden Einfuhrprozesse flexibilisiert, die Importeure werden unabhängiger von den verfügbaren Kapazitäten der Hafenlager und können zudem an den Standorten individuelle Zusatzservices beziehen. Dazu zählen Qualitätskontrollen der Produkte nach dem Schiffstransport oder das Aufmischen oder Abfüllen von Teilmengen – Services, die Chemion als LogistikDienstleister mit Spezialisierung auf die Chemie- und chemienahe Industrie auch für gefährliche Güter erbringt. Um für Kunden die Importabwicklung von A bis Z organisieren und ein professionelles Handling der Waren entlang der Supply Chain gewährleisten zu können, arbeitet der Logistiker mit kompetenten Partnern aus Spezialgebieten zusammen und steuert die verschiedenen

STANDORT Der Leverkusener Hafen dient als Umschlaghub im Kombinierten Verkehr.

Einzelleistungen zentral. Die Konsequenz: Importeure erhalten bei ihrer Beschaffungslogistik einen Komplettservice, der ihren Koordinations- und Zeitaufwand reduziert und so auch in punkto Kosten einen großen Mehrwert bedeuten kann. www.chemion.de

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Gerade in Schwellenländern wäre der heutige Wohlstand ohne die Logistik nicht denkbar.

– Uwe Clausen, Leiter des Fraunhofer-IML

Produktidentifikation | Eindeutig und sicher kennzeichnen

Serialisierung auf dem Vormarsch

TREND In der Pharmabranche setzt sich weltweit der serialisierte Datamatrixcode zur eindeutigen Kennzeichnung durch.

Medikamente, Lebensmittel, Dokumente: Unzählige Gegenstände des täglichen Lebens müssen individuell und eindeutig gekennzeichnet werden. Die notwendigen Informationen werden entweder als Barcode, Dotcode oder mittels RFID verschlüsselt. Eine sichere Produktidentifikation ist durch Serialisierung möglich: Über einen auf das Produkt oder die Verpackung aufgebrachten, individuellen Datamatrixcode kann dessen Authentizität durch Abgleich mit einem Datenbestand überprüft werden. Hierzu sind etwa die Nummernsysteme der internationalen GS1-Organisation verwendbar, die eine weltweit einmalige Nummerierung si-

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cherstellen. Auch dem Konsumenten kann ein Zugang zu den Datenbeständen gewährt werden. Mit Mobiltelefonen sind das Lesen solcher Codes und der Prüfvorgang im Internet kein Problem. So ist auch eine Bereitstellung zusätzlicher Produktinformationen möglich. Die Codes können entweder direkt mit Tintenstrahldruckern oder Lasercodierern auf das Produkt oder die Primärverpakkung aufgebracht werden, Etiketten empfehlen sich für die Sekundär- oder Transportverpackung. Bei Etiketten gibt es mit HybriSafe eine neue Sicherheitsarchitektur: Verschiedene Sicherheitsmerkmale werden dabei in einem Etikett miteinander kombiniert. Das können elektromagnetische Komponenten wie das MicroWire, ein hauchdünner Faden, sein. Oder direkt in das Etikettenmaterial integrierte Bestandteile, für nur unter UV- oder Laserlicht sichtbare Effekte. Auch drucktechnisch erzeugte Elemente, etwa KippeffektFarben, wie man sie von Tickets her kennt. Oder thermochrome Farben, die unter Temperatureinfluss ihre Farbe ändern. Dieses Verfahren wird beispielsweise bei Lebensmitteln genutzt, um zu prüfen, ob die Kühlkette unterbrochen wurde. Alle diese Technologien lassen sich auch mit der RFIDTechnologie kombinieren. Vorteil: Die Inhalte des Transponders lassen sich innerhalb der Lieferkette dynamisch ändern und die Daten sich auch dann auslesen, wenn die Produkte in einer geschlossenen Verpackung sind – oder das Etikett an einer versteckten Stelle angebracht ist. Weitere Informationen im Internet unter: www.bluhmsysteme.com

Anzahl schadstoffarmer Lastkraftwagen ist seit 2005 von unter einem Prozent auf fast 56 Prozent im Oktober 2010 gestiegen. Dagegen sank die Zahl wahrer Abgasschleudern mit Steinalttechnik von einst mehr als 30 Prozent auf unter drei Prozent. Alles in allem heißt das nicht, dass mit diesen Anstrengungen nun alle Möglichkeiten einer effizienten und damit nachhaltigen Lieferkette ausgeschöpft wären. Bei weitem nicht. Technisch sind etwa bei Antrieben zu Lande, zu Wasser und in der Luft noch große Effekte zu erzielen – oder durch eine immer intelligenter werdende dynamische Routenplanung. Und je mehr die gesamte Supply Chain miteinander verzahnt wird, desto effizienter lässt sich die Wertschöpfungs- und Lieferkette gestalten. Die eigentliche Herausforderung stellt immer stärker das internationale Sourcing dar: Logistiker müssen nicht nur nachhaltig und kostengünstig transportieren, sondern sich durch Zusatzservices am Markt positionieren. Nicht zuletzt gilt es, als umfassender Dienstleister aufzutreten, etwa bei Auslandsgeschäften. Dafür sorgen Spezialisten wie der Chemie-Logistiker Chemion. Als Partner von Importeuren plant und steuert der Dienstleister internationale Logistikketten, erbringt aber auch selbst Leistungen entlang der Supply Chain und bietet damit Unternehmen ganzheitliche Konzepte für ihre Beschaffungslogistik. Durch die komplette Importabwicklung durch Chemion müssen Kunden weniger selbst koordinieren, sie sparen Zeit und Kosten. Logistik muss auf immer komplexer werdende Prozesse reagieren. Das heißt auch, dass die individuellen Anforderungen an Fach- und Führungskräfte stetig steigen. Damit ist das Feld immer weniger für Quereinsteiger geeignet. „Es sind Spezialisten erforderlich, die Planungs-, Steuerungs- und Managementaufgaben ausführen – sowohl im Lager, in der Spedition oder direkt beim


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LOGISTIK

Im internationalen Vergleich des Containeraufkommens führen asiatische Häfen die Rangliste an.

1. Singapur 2. Shanghai 3. Hongkong 4. Shenzhen 5. Busan 6. Duabi Ports 7. Ningbo 8. Guangzhou 11. Hamburg 18 .Bremen 0

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In Millionen TEU 1 TEU = 20-Fuß-Container

Hersteller und Handel“, weiß Friedwart Lender. Der Professor für Logistikmanagement und Studiengangleiter für den Master Logistik an der Hochschule Hof sagt: „Ohne eine fundierte Ausbildung in der Logistik sind die sich stellenden Aufgaben meist nicht mehr zu bewältigen.“ Aber auch Ingenieure tragen mit neuen technischen Lösungen zu einer immer ausgefeilteren Logistik bei. Man denke nur an die lückenlose Rückverfolgbarkeit, Überwachung kritischer Güter und flexible Steuerung des Materialflusses

Quelle: Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik

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mithilfe von Funketiketten oder intelligenten Barcodes. Die Bluhm Systeme GmbH, ein Spezialist für Etikettier- und Codiersysteme, entwickelt individuelle smarte Kennzeichnungen. Etwa Etiketten, die einen sicheren Transport verderblicher Waren sicherstellen sollen. Durch sogenannte thermochrome Farben, die bei Temperaturschwankungen ihre Farbe verändern, kann zweifelsfrei nachgewiesen werden, ob etwa bei Frischfleisch oder Fisch die Kühlkette unterbrochen wurde oder nicht.

Es sind solche Lösungen und neue Ideen gut ausgebildeter Fachleute, die die Branche weiter vorantreiben, sie noch flexibler, nachhaltiger und effizienter machen. Nur so können Logistiker ihre starke wirtschaftliche Stellung sichern und ausbauen. Denn allen Akteuren ist klar: Für deutsche Logistikdienstleister ist es an der Zeit, noch einen Gang hochzuschalten.

Chris Löwer

Weiterbildung | Aufstiegschancen in der Logistik

Auf bestem Weg in die Führungsetage Die Logistikbranche beschäftigt allein in Deutschland 2,5 Millionen Menschen. Der Logistiker von heute muss sowohl als Stratege als auch als Prozesseigner, Schnittstellenmanager, Innovator und Change Manager fungieren. Die erforderlichen Aufgaben sind ohne eine fundierte Ausbildung meist nicht mehr zu bewältigen. Nahezu 70 Prozent aller Führungskräfte in der bewegenden Branche haben eine akademische oder vergleichbare Ausbildung. Viele haben sich ihre Kenntnisse im Rahmen einer Weiterbildung angeeignet, denn es ist noch gar nicht so lange her, seitdem Logistik als eigenständiges Fach im Rahmen eines Studiums eingeflossen ist. Das Georg-Simon-Ohm Management-Institut in Nürnberg bietet zusammen mit der Hochschule Hof den Masterstudiengang „Einkauf und Logistik/Supply Chain Management“ sowie den Weiterbildungslehrgang „Logistik und Supply Chain Management“ an. Beides sind Weiterbildungsangebote auf Hochschul-

niveau, in die bereits das neue Rollenverständnis der Logistik mit einfließt. Die Lehrinhalte dieser berufsbegleitenden Weiterbildungen setzen sich aus Theorie und Praxis zusammen. Ihre Vermittlung erfolgt sowohl durch klassische Vorlesungen als auch in Form von praktischen Case-Studies. Darüber hinaus finden regelmäßig Diskussionsrunden statt, in denen auf die individuell verschiedenen Gegebenheiten der Logistikabteilungen und -prozesse der Kursteilnehmer eingegangen werden kann. Die Dozenten – ein Team aus Hochschulprofessoren und Topreferenten der Wirtschaft – gewährleisten diese Verknüpfung von Praxis und Wissenschaft und sichern den Wissenstransfer in die Praxis. „Deshalb sind unsere Absolventen bestens darauf vorbereitet, Führungsaufgaben in der Logistik wahrnehmen zu können“, betont Prof. Dr. Friedwart Lender, Professor für Logistikmanagement und Studiengangleiter Master Logistik an der

Hochschule Hof. „Und das vom Logistikgeschäftsführer, über den Logistikvorstand bis hin zum Logistikbereichsleiter.“ Infos unter: www.master-einkauf.de und www.gso-mi.de

WISSENSTRANSFER Prof. Dr. Friedwart Lender bietet Weiterbildung auf Hochschulniveau für Logistiker.

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ROHSTOFFE

Gastbeitrag Dr. Cornel Wisskirchen Mitglied der Geschäftsleitung Firmenkunden Deutschland und des Management Committee Deutschland, Deutsche Bank AG

Im Einkauf liegt immer noch der Gewinn ROHSTOFFE Materialkosten verursachen im Produzierenden Gewerbe rund die Hälfte der Aufwendungen. Bei schwankenden und tendenziell steigenden Rohstoffpreisen steht der Mittelstand vor neuen Herausforderungen.

Die globalen Rohstoffmärkte fahren Achterbahn: Nickel zum Beispiel kostete jahrzehntelang um die 10.000 Dollar je Tonne, heute rund das 2,5-fache. Allein im Mai 2010 war der Nickelpreis innerhalb von nur zwei Tagen um 20 Prozent gefallen. Der Preis von Kupfer, einem anderen wichtigen Industriemetall, lag im Juni 2010 bei 6.100 Dollar je Tonne und liegt heute bei über 8.000 Dollar. Ein Ende der Preisspirale ist nicht in Sicht: Bis in das Jahr 2012 hinein erwarten Marktbeobachter für viele Industriemetalle stark schwankende und steigende Preise. Für den industriellen deutschen Mittelstand entwickelt sich damit eine riskante Situation. Denn er kann das Auf und Ab der Märkte und Einkaufspreise nur schwer an seine Kunden weitergeben. Immer mehr Abnehmer fordern inzwischen den Verzicht auf Preisgleitklauseln und wollen stattdessen feste Preise für die nächsten sechs Monate zugesichert bekommen. Im Umkehrschluss bedeutet dies jedoch bei anziehender Konjunktur und plötzlich steigenden Rohstoffpreisen, dass die Erträge unten bleiben und das Ergebnis im Falle fehlender Absicherung sinkt. Rund die Hälfte der gesamten Aufwendungen entfallen in Produktionsbetrieben auf die Materialkosten. Es sind die Kosten, über die der Einkauf entscheidet. Keine andere Abteilung definiert die Kostensituation damit so stark wie der Einkauf und verfügt über so viele Stellhebel zur Steigerung der Umsatzrendite. Den Ergebniseffekt, den man aus zwei Prozent niedrigeren Materialkosten bei einer Umsatzrendite von drei Prozent erzielen kann, würde es sonst nur durch eine Umsatzsteigerung von 31 Prozent erreichen können. Liegt die Umsatzrendite niedriger, ist der Hebel noch größer. Diesen Merksatz kennt jeder: Im Einkauf liegt der Gewinn. In der aktuellen Lage wächst der Rohstoffbeschaffung eine noch größere Bedeutung zu – allerdings mehr, als der Einkauf als Funktion alleine tragen kann. Denn jetzt geht es darum, trotz extrem schwankender Märkte und Preise die Ertragslage des Unternehmens zu sichern und zu stabilisieren. Dies ist eine Aufgabe, die in den Finanzbereich hineinragt. Vor den Schwankungen der Rohstoffpreise kann sich der deutsche Mittelstand mit Hilfe seiner Bank schützen. Schon kleinere Volumina ab Einkaufsgrößen von rund 200.000 Euro jährlich je

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Rohstoff lassen sich absichern. Unser Haus, die Deutsche Bank, besichert inzwischen die Preise von mehr als 50 Rohstoffen. Und es werden ständig mehr. Doch wo im Unternehmen ist die Rohstoffsicherung am besten aufgehängt? Dies sollte einmalig klar entschieden werden. Der Umgang mit dem Werkzeugkasten der Absicherungsinstrumente passt weniger in den Arbeitsbereich des Einkaufs. Derivate zur Rohstoffabsicherung gelten als Finanzinstrumente und sollten daher der Zuständigkeit des Treasury unterliegen. Hier ist es wichtig, dass Einkauf und Treasury entsprechend zusammenarbeiten und eine funktionale Aufteilung der Warenbeschaffung vornehmen. Traditionell stellt der Einkauf das Bezugsmanagement dar – er gewährleistet den kontinuierlichen und ausreichenden Warenfluss ins Unternehmen, er besitzt den Überblick über Sortiment, Preise sowie Konditionen aller Lieferanten. Idealerweise konzentriert sich der Einkauf darauf, unabhängig vom Marktpreisniveau die günstigsten Bezugsquellen zu identifizieren und Qualität, Liefertreue sowie ausreichende Mengen sicherzustellen. Das Treasury übernimmt andererseits das Preismanagement und somit die Absicherung der Risiken an den Rohstoffmärkten. Ist die Sicherung der Rohstoffpreise einmal beschlossen, erfahren die Unternehmen unschätzbare Vorteile: Planungssicherheit bei den Materialkosten, keine überraschenden EinkaufspreisAusschläge und somit stabile Deckungsbeiträge. Und sie profitieren von niedrigeren Einkaufskosten als der Wettbewerb, der bei steigenden Preisen nicht gesichert hat. Lediglich bei sinkenden Preisen und gleichzeitig festen Abnahmekonditionen geben sie gegenüber dem ungesicherten Wettbewerb Potential auf. Überraschend ist, dass nur jedes fünfte Unternehmen die Möglichkeit nutzt, seine Rohstoffeinkäufe zu sichern. Das ergab eine Umfrage der Deutschen Bank unter mittelständischen Betrieben. Umso erstaunlicher ist dies, da die befragten Unternehmen schwankende Rohstoffpreise als Risiko Nummer eins eingeschätzt haben. Wer also konsequent Rohstoffsicherung betreibt, sorgt dafür, dass im Einkauf auch weiterhin der Gewinn liegt. Andernfalls wird dieser so wichtige Bereich zum Risiko für die Rendite. Aktuelle Informationen und Kontaktdaten zum Thema Rohstoffpreismanagement unter: www.db.com/rohstoffe


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ROHSTOFFE

Kampf um die Ressourcen VERSORGUNG Vieles spricht dafür, dass der Superzyklus an den Rohstoffmärkten noch auf Jahre Bestand haben wird. Grund: Durch steigende Nachfrage in China und Indien drohen Versorgungsengpässe.

S

ie sind Mittelpunkt unseres Daseins. Die Rede ist von Rohstoffen wie Öl, Gold, Kupfer und Weizen sowie von Urstoffen wie Erde, Luft und Wasser. Dass die über Jahrzehnte hinweg im Abseits stehenden Rohstoffe in der öffentlichen Wahrnehmung wieder eine größere Rolle spielen, hat vor allem demografische Gründe. Denn mit zunehmender Weltbevölkerung zeichnen sich Engpässe ab, in deren Folge ein Kampf um Rohstoffe droht. Zudem sind es Sinnfragen, die Menschen zum sparsamen Umgang mit Rohstoffen verleiten. Das Ziel: Diese Güter müssen auch für künftige Generationen verfügbar sein. Für die deutsche Wirtschaft stellen haussierende Rohstoffpreise große Risiken dar. Denn Deutschland ist bei metallischen und energetischen Rohstoffen fast vollständig auf Importe angewiesen. Lediglich bei einigen agrarischen Rohstoffen gelingt uns die Selbstversorgung. Das Thema Risikosicherung spielt für die international aufgestellte deutsche Wirtschaft daher eine große Rolle. Überraschend und unverständlich ist, dass nur jedes fünfte Unternehmen die Chance nutzt, Risiken beim Rohstoffeinkauf abzu-

sichern, wie eine Studie der Deutschen Bank zeigt. Und dies, obwohl die Unternehmen schwankende Rohstoffpreise als Risiko Nummer eins sehen. Warum also, so fragt sich der Betrachter, entledigt sich die deutsche Wirtschaft dieser Risiken im Rahmen einer neuen Internationalisierungs-Strategie nicht durch direkte Investments in den Rohstoffregionen dieser Welt? Der von bevölkerungsreichen Ländern Asiens ausgehende neue Run auf Rohstoffe erfordert massive Investitionen in die Suche, Exploration, Erforschung und Förderung neuer Vorkommen. Dies wiederum bietet Kapitalanlegern riesige Chancen in physischen Rohstoffen und in anderen Anlageformen wie Rohstoffaktien, Rohstoffindizes, Zertifikaten und Derivaten sowie in Investmentfonds wie dem MVM frontrunner earth oder dem Renewable Resources Fund von Craton Capital. Für Furore sorgen derzeit die Edelmetalle unter Führung von Gold. Immer mehr Anleger setzen auf solche reale Werte. Weder Wertpapiere noch Papiergeld sind für diese Anlegergruppen im aktuellen Umfeld der Weisheit letzter Schluss. Grund: Wegen der in den Industrieländern im Zuge der

Weltwirtschaftskrise aufgebauten riesigen Schuldenberge ist das Vertrauen in die Stabilität von Staatsanleihen und Papiergeld geschrumpft. Wer heute am Geldmarkt investiert, wird durch die Nullzins-Politik der Notenbanken praktisch bestraft und zur Inkaufnahme höherer Risiken gezwungen. Doch nicht nur das: Sowohl dem Euro als auch dem Dollar droht ein Vertrauensverlust, weil die Notenbanken die Druckerpressen angeworfen und die Märkte mit Geld überflutet haben. „Die Bilanz der US-Notenbank sieht schrecklich aus“, sagt Dwight Anderson vom US-Finanzhaus Ospraie Management. Durch den Erwerb von Staatsanleihen erhalten Notenbanken vorübergehend die Funktionsfähigkeit hoch verschuldeter Staaten, sie nehmen dadurch jedoch gleichzeitig riesige Löcher in ihren eigenen – einst so stabilen – Bilanzen in Kauf. „Solange für die Problemstellungen Verschuldung und Inflationsgefahr keine Lösung gefunden wird, dürften Edelmetalle ein attraktives Investment bleiben“, sagt Rohstoffexperte Dr. Torsten Dennin. Für so manchen Schwarzseher droht ein Währungskrieg. „Die riesigen UngleichgeVISAVIS ECONOMY

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Gold ist eine Versicherungsprämie EDELMETALLE Im Interview spricht Markus Bachmann, CEO von Craton Capital, über den Gold-Boom, Investments in günstigere Metalle und die Chancen im globalen Rohstoffbereich.

Welche Anleger sollten in Gold investieren und warum? Gold eignet sich für alle Anleger, institutionelle wie auch private. Es ist eine Versicherungsprämie gegenüber allem, was wir noch nicht wissen. Es ist ein Liquiditätspuffer und gehört in ein diversifiziertes Portfolio. Wer allerdings Gold in Erwartung einer Rendite kauft, ob sie kurzfristig oder langfristig ist, versteht den inneren Wert von Gold nicht. Und worin besteht dieser innere Wert? Gold wächst nicht, es gibt keine Zinsen, es kostet ein wenig es zu lagern, aber es besitzt einen unabhängigen Wert, der seit 3500 Jahren seine Kaufkraft bewahrt hat.

INVESTMENT „Es gibt fundamentale Unterschiede zwischen Gold und Goldaktien“, erläutert Rohstoffexperte Markus Bachmann.

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Entscheidend ist: Gold ist immer liquide und verkäuflich. Es zeigt vor allem dann seinen echten Wert, wenn alle anderen Vermögenswerte mit großem Verlust oder gar nicht zu verkaufen sind. Und wie sieht es mit Goldaktien aus? Es gibt fundamentale Unterschiede zwischen Gold und Goldaktien. Eine Goldaktie ist ein Anrecht auf eine Firma, die das Metall produziert. Goldaktien laufen dann gut, wenn das Risikoverhalten und die Volatilität an den Finanzmärkten einigermaßen normal ist und sie im Vergleich zu Gold billig sind. Es wäre ein Trugschluss zu glauben: Gold geht hoch, also gehen Goldaktien auch hoch. Mit Ihrem Precious Metal Fund können Sie auch in andere Edelmetalle investieren. Werden diese vom derzeitigen Gold-Boom mitgezogen? Bei den anderen Edelmetallen handelt sich vor allem um Silber, Platin, Palladium und Rhodium. Diese Weißmetalle haben eine starke industrielle Komponente und sind im Zuge der Wirtschaftskrise unter Druck geraten. Als Folge der sich erholenden Weltwirtschaft und des Anstiegs der industriellen Produktion vor allem in den aufstrebenden Volkswirtschaften fingen sie dann ab November 2008 ebenfalls an sich zu erholen. Angesichts des Booms: Sehen Sie die Gefahr einer Blasenbildung?

Nein. Gold ist eher eine Währung als ein Rohstoff. Derzeit ist unter ein Prozent des Weltfinanzvermögens in Gold investiert. In den 1930er oder 1980er Jahren war dies ein Vielfaches davon. Gold wird immer seinen berechtigten Platz einnehmen. Mal mehr, mal weniger. Gold besitzt einen echten inneren Wert und ist eine Versicherungsprämie. Sie managen auch einen Rohstoffminenfonds. Welche Strategie verfolgen Sie in diesem Bereich? Wir können in alle Sektoren des globalen Rohstoffbereiches investieren, vorrangig aber auch hier in Aktien von Rohstoffunternehmen. Das Anlageuniversum ist enorm groß. Unter welchen Gesichtspunkten treffen Sie ihre Anlageentscheidungen? Aufgrund der weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen entscheiden wir zunächst welche Sektoren gute Möglichkeiten bieten. Dann suchen wir nach den besten Unternehmen. Nur ein Beispiel wie wir denken: Die weltweite Anbaufläche von Agrarprodukten ist mehr oder weniger stabil. Was aber wächst, sind die weltweiten Bevölkerungszahlen. Die allmähliche Angleichung des globalen Konsumniveaus trägt dann dazu bei, dass die Lebensmittel teurer werden. Wir versuchen Unternehmen zu finden, die dazu beitragen, dass diese Probleme gelöst werden. Für wen ist der Global Resources Fonds interessant? Für Anleger, die grundsätzlich Chancen im Rohstoffbereich sehen, aber unsicher sind, ob sie in Aktien von Düngemittel-, Kupfer-, Öl-, Weizen-Unternehmen etc. investieren sollen. Wir nehmen dem Anleger diese Entscheidung ab, indem wir die Vermögensaufteilung innerhalb der unterschiedlichen Sektoren vornehmen. Weitere Infos unter: www.cratoncapital.com


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PROGNOSE „Wir werden in den kommenden Jahren deutlich höhere Preise für landwirtschaftliche Rohstoffe erleben“, sagt Hedge-FondsLegende Jim Rogers.

wichte in der Welt führen zu weiteren Turbulenzen an den Devisenmärkten“, rechnet Hedge-Fonds-Legende Jim Rogers mit einem weiteren Run auf reale Werte wie Gold, Silber und vor allem Agrarrohstoffe. Dwight Anderson liefert eine Erklärung für zuletzt erstarkte Rohstoffmärkte. „Die Devisenkurse der Rohstoffländer sind in Relation zum US-Dollar und zum Euro stark gestiegen“, sagt er. Da die Produktionskosten der in Ländern wie Australien, Kanada, Südafrika oder Brasilien beheimateten Rohstoff-Firmen in der jeweiligen Heimatwährung anfallen, wirkt sich dies in höheren Preisen am Weltmarkt aus. Rohstoffe werden nämlich überwiegend in US-Dollar gehandelt. Jeder Anleger sollte aus diesem Grund reale Werte wie Gold und Agrarrohstoffe in seinem Depot haben. Ospraie-Experte Anderson spricht Klartext: „Wer als Anleger seine Kaufkraft erhalten will, muss in Rohstoffen investiert haben.“ Und noch etwas sollte klar sein: Anleger müssen wissen, dass Investments in Rohstoffe ein hohes Fachwissen erfordern. Für Jim Rogers steht fest, dass es an den Märkten für agrarische Rohstoffe bereits in Kürze zu VersorgungsEngpässen kommen kann. „Wir werden in den kommenden Jahren deutlich höhere Preise für landwirtschaftliche Rohstoffe erleben“, sagt er. „Im Agrarsektor werden längerfristig die Faktoren Demographie, Wachstum und Klimawandel an Bedeutung für die Preisbildung gewinnen“, ergänzt Dennin. Supranationale Organisationen wie UN und OECD warnen vor Problemen im Agrarbereich. In den kommenden Jahren seien weltweit massive Investments in die Landwirtschaft notwendig, wenn der Hunger in den ärmeren Länden gestillt werden soll. Die Zahl der im asiatisch-pazifischen Raum hungernden Menschen sei 2009 um mehr als 60 auf 642 Millionen gestiegen, sagt Jacques Diouf, Generaldirektor der UN-Tochter FAO. Diouf glaubt, die Getreide- und

Ölsaatenpreise könnten in der kommenden Dekade um bis zu 40 Prozent steigen. Er begründet das vor allem mit der voraussichtlich weiter kräftig steigenden Zahl von Erdenbürgern. „Investoren sollten sich an Standards orientieren, die auch Fragen der Landnutzung und des Zugangs zu Nahrungsmitteln abdecken“, empfiehlt Carsten SchmitzHoffmann, Leiter des GTZ-Kompetenzfelds Agrarhandel und Standards. Andere Fachleute sagen, dass vor allem China und Indien wegen des dort zunehmenden Wohl-

stands ihre Nahrungsmittelnachfrage nicht nur mengenmäßig, sondern auch qualitativ kräftig erhöhen dürften. Steigende Preise werden die Folge sein. „Neben staatlichen Regulierungs- und Warnmechanismen tragen Standards und Zertifizierungssysteme dazu bei, ein ausgewogenes Verhältnis von Exportrohstoffen und Grundnahrungsmitteln zu fördern“, so Schmitz-Hoffmann. „In den vergangenen Jahren gab es in Deutschland keine wirklich weitsichtige Rohstoffpolitik“, kritisiert Peter Kausch, Profes-

Onlinedienst | Gut informiert in Rohstoffe investieren

Die perfekte Marktanalyse Der Rohstoffsektor befindet sich in einer Rally-Phase – das zeigt der Anstieg des CRB-Index, der die wichtigsten Rohstoffe beinhaltet, deutlich. Der Ölpreis zieht an und bei Gold sind weitere Rekordhochs in Sicht. Dass Rohstoffe nicht nur momentan, sondern generell beliebte Spekulationsobjekte darstellen, liegt unter anderem

daran, dass viele Rohstoffvorkommen schwinden und deshalb begehrter werden. Weil Rohstoffe an der Börse gehandelt werden und daher Preisschwankungen unterliegen, sollten Rohstoffanlagen nur auf der Grundlage ausreichender Information und nach intensiver Marktbeobachtung getätigt werden. Die BörseGo AG will An-

SERVICE Jandaya bietet Echtzeitnachrichten zu Rohstoffen.

leger hier unterstützen und bietet diverse Informationsmöglichkeiten. Der kostenfreie Rohstoff-Report berichtet regelmäßig über neue Entwicklungen und bringt Analysen und Empfehlungen zum Rohstoffmarkt. Der ebenfalls kostenlose Service Jandaya erlaubt es, in Echtzeit veröffentlichte Nachrichten zu Rohstoffen zu verfolgen, um so sofort auf Marktbewegungen reagieren zu können. Einen Schritt weiter geht der „Gold & Rohstoff Trader“ (godmode-trader.de/ Premium/Trading): Ein Händler handelt hier Rohstoffe und protokolliert seine Trades. Gegen eine Gebühr können diese nachverfolgt werden. Infos unter: www.boerse-go.de

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MÄRKTE

ROHSTOFFE

AGRARROHSTOFFE Nahrungsmittelressourcen werden immer knapper. Die Intensivierung des Reisanbaus auf den Philippinen verbindet biologischen Anbau mit dem Ziel, die Erträge zu steigern.

sor an der führenden deutschen BergbauUniversität in Freiberg/Sachsen. Doch es gibt Hoffnung. Sowohl die EU-Kommission in Brüssel als auch das Bundeswirtschaftsministerium in Berlin haben Gefahren für die Versorgungssicherheit der auf Hochtechnologien fokussierten deutschen Unternehmen erkannt. Die Lösung des Problems lässt jedoch auf sich warten. Und so setzt die deutsche Wirtschaft verstärkt auf den Markt der Sekundärrohstoffe, der gemäß einer Studie des Instituts der Deutschen

Wirtschaft enorme Wachstumschancen für die deutsche Volkswirtschaft bietet. „Recyclingfähige Schrotte können in der Regel ohne Qualitätsverlust in der Neuproduktion eingesetzt werden“, nennen die Fachleute des deutschen Marktführers Interseroh die Vorteile des Metall-Recyclings. Ein Randbereich der internationalen Rohstoffmärkte beschäftigte zuletzt die Schlagzeilen der Weltpresse. Die Dominanz der VR China bei der Gewinnung, Verarbeitung und Nutzung sogenannter Rare Earth Elements

(REE) – seltene Erden und seltene Metalle – hat in den westlichen Industrieländern die Alarmglocken läuten lassen. Denn die moderne Hightech-Gesellschaft des Westens stößt wegen der begrenzten Verfügbarkeit solch strategisch wichtiger Rohstoff an ihre Grenzen. Diese Güter finden bei der Herstellung von Mobiltelefonen, Hochleistungsmagneten, Flachbildschirmen, Festplattenlaufwerken, Röntgenapparaten sowie Waffen- und Radarsystemen Anwendung. Obwohl REE wie Lithium, Berrylium, Scandi-

Zukunftsmarkt | Rohstoffe im Mantel erfolgreicher Vermögensverwaltung

Beste Performance mit Perspektive Bei weit über 16.000 Investmentfonds sollte doch einer dabei sein, der stetig in die besten Märkte investiert und bei rückläufigen Kursentwicklungen das Kapital seiner Kunden sichert. Es gibt die einen, welche die besten Märkte suchen, doch diese Fonds sind immer voll investiert – schmerzhafte STABIL Im Krisenjahr 2008 erzielte der frontrunner earth einen Vorsprung von 120 Prozent gegenüber dem STOXX 600 Basic Resources.

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MVM frontrunner earth STOXX 600 Basic Resources 01.01.2008

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Rückschläge für die Kunden werden einkalkuliert. Andere Fonds reduzieren den Aktienanteil bei fallenden Märkten. Doch ihre langfristige Performance spricht nicht dafür, dass sie bei steigenden Kursen am besten investiert sind. „Wir bringen Ihr Geld nach oben – am wichtigsten ist uns aber, Ihr Vermögen zu erhalten!“, so das Motto der MVM Swiss AG. Mit einem eigens entwickelten Total-ReturnAnsatz reagiert man flexibel auf Börsenentwicklungen und kann in fast jedem Umfeld gute Ergebnisse erzielen. Der MVM frontrunner earth (WKN 779333) ist ein aktiver vermögensverwaltender Aktienfonds, der den Zukunftsmarkt „irdische Ressourcen“ in allen Facetten abdeckt. Rohstoffe, als absolut begrenzte Ressourcen, haben langfristig eine sehr positive Perspektive. Allerdings ist die Volatilität der Rohstoffmärkte deutlich höher als die der Aktienmärkte. Mit seinem vermögensverwaltenden Ansatz kann der MVM frontrunner earth den

langfristig orientierten Investor auch ohne extreme Schwankungen (siehe Chart, linke Spalte) an diesen Chancen partizipieren lassen. Der Fonds investiert sein Vermögen in Aktien von Gesellschaften, deren Gegenstand die Exploration, Förderung, Gewinnung und Weiterverarbeitung von allen Rohstoffen sowie auch allen Formen von Energie darstellt. Einen weiteren Schwerpunkt bilden Aktien von Unternehmen, die sich auf die Gewinnung, Verarbeitung und Vermarktung von anderen Energie generierenden Ressourcen wie Sonne, Wind und Wasser beziehungsweise Wasserstoff (inklusive Brennstoffzellentechnologie) konzentrieren. Im Crashjahr 2008 konnte der frontrunner earth die Verluste der Rohstoffmärkte deutlich reduzieren und hat Ende des Jahres einen Performancevorsprung von über 120 Prozent erzielt. Weitere Informationen unter der Rufnummer +49(0)6631/793324-0 und im Internet: www.mvm-fonds.de


MÄRKTE

EDELMETALLE

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Gold

um, Chrom, Niobium, Cerium, Neodymium, Vanadium nicht so selten sind, wie es die Bezeichnung vermuten lässt, hat sich in diesem Bereich ein „Hype“ entwickelt. „Das jährliche Produktionspotenzial an Seltenerd-Oxiden liegt bei nur 128.000 Tonnen“, sagt Jon Hykawy von Byron Capital Markets in Toronto. Der Fachmann schätzt, dass die weltweite Produktion im Jahr 2009 allerdings gerade einmal bei 100.000 Tonnen gelegen hat. Wegen zunehmender Fortschritte in den Hochtechnologie-Industrien wird für die kommenden Jahre mit steigenden Preisen dieser seltenen Elemente gerechnet. Die VR China verfügt im eigenen Land über die weltweit größten Vorkommen an seltenen Erden und seltenen Metallen. Das Reich der Mitte hat zudem seine gigantischen Devisenreserven genutzt, sich Rechte an entsprechenden Rohstoff-Vorkommen in Afrika und in anderen mineralreichen Regionen der Welt zu sichern. „Heute produziert die VR China rund 90 Prozent der seltenen Erden auf dem Globus“, zeigt Jon Hykawy die für die westlichen Industrieländer bestehende Gefahr auf. Und so drohen Fertigungsanlagen in der Laser-, der Nano- und Batterietechnologie im Westen stillzustehen. Auch dem neuen Megatrend „E-Mobility“ – die Produktion von mit Lithium- und Vanadiumbatterien betriebenen Elektroautos – droht ein Rückschlag. Der Wettlauf um solche Rohstoffe verschärft sich auch deshalb, weil die Zentralregierung in Peking angekündigt hat, die Exportpreise für diese Elemente selbst festzusetzen und die Exporte weiter beschränken zu wollen. Vor diesem Hintergrund fordert Andreas Meier, Geschäftsführer der HC Starck in Goslar, die Politiker in Europa zu einer Exportbegrenzung von Metallschrotten auf, die solche Elemente enthalten.

Mai Silber

Juli Platin

Sep

Nov Palladium

Quelle: Bloomberg, BNP Paribas

Vor allem Silber und Palladium entwickelten sich seit August dieses Jahres überaus positiv. Auch die Gold- und Platinpreise legten weiter zu.

ROHSTOFFE

Investments | Erneuerbare Energien versprechen langfristiges Kapitalwachstum

Nachhaltigkeit und globale Megatrends Mit einem breit aufgestellten Nachhaltigkeitsfonds erweitern die Rohstoffspezialisten von Craton Capital ihr Angebot. Der Craton Capital Renewable, Alternative and Sustainable Fund bündelt klassische Nachhaltigkeitsthemen mit alternativen Energien und allem, was sich um die Landwirtschaft dreht. Auf diese drei Megatrends setzt Managerin Nathalie Han, da ihrer Meinung nach weltweit das Bewusstsein für die Notwendigkeit eines verstärkten Einsatzes von erneuerbaren, alternativen und nachhaltigen Ressourcen wächst. Dabei liegt ein Fokus auf den aufstrebenden Volkswirtschaften wie China und Indien. Schon aus eigenem Interesse haben diese Länder mit dem umweltpolitischen Umdenken begonnen und stellen künftig mehr finanzielle Mittel für die Umweltpolitik bereit. Hier liegen große Chancen, so die Expertin. Sie ist überzeugt, dass China sich in den nächsten Jahren als bedeutender und dominanter Treiber für das Universum erneuerbarer Energien/Rohstoffe präsentieren wird. Untermauert wird diese Sicht durch die Verabschiedung des 5-Jahres-Energieplan mit einer Auswahl von sieben strategisch wichtigen Industriezweigen, darunter Energiespar- und Umwelttechnik,

IT der nächsten Generation, Biologie, moderne Maschinen und Geräte, neue Energie und Werkstoffe sowie mit neuer Energie betriebene Fahrzeuge (Elektroautos). Den Anlageentscheidungen liegt die Einhaltung der UN Global Compact Principles als Standard zu Grunde. Zudem müssen potentielle Anlageideen den eigen entwickelten „Nachhaltigkeits-Lackmustest“ überstehen. Es wird nur in börsengelistete Unternehmen, zumeist in Nordamerika, investiert, deren Kerngeschäftsfeld sich auf die Nachhaltigkeitsthemen fokussiert. Dabei reicht es nicht, dass beispielsweise eine Ladenkette Solarzellen auf den Dächern installiert, auch der Best- in-Class Ansatz wird ausdrücklich nicht verfolgt. Der Schwerpunkt liegt auf mittelgroßen und kleineren Unternehmen und einem konzentrierten Portfolio von rund 30 Werten. Dank des breiten Anlageuniversums kann der Fonds frei zwischen den bevorzugten Sektoren umschichten. Und die Sektoren weisen nicht zwangsläufig eine hohe Korrelation auf. Hierdurch können Anleger mit nur einem Fonds jeweils von den „besten Anlageideen“ im Nachhaltigkeitsbereich profitieren. Weitere Informationen unter: www.cratoncapital.com

Udo Rettberg VISAVIS ECONOMY

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FINANZEN

FONDS

Massive Kapitalzuflüsse INVESTMENT Nach schwierigen Zeiten kommt die deutsche Fondsbranche wieder in Schwung. Das Anlagevolumen der hiesigen Kapitalanlagegesellschaften erreichte jüngst sogar neue Rekordmarken.

D

ie deutsche Fondsbranche probt die Stabilisierung. Nachdem noch Mitte 2006 rund 30,3 Prozent der deutschen Privathaushalte im Besitz von Investmentfonds waren, ist dieser Anteil auf inzwischen nur noch 28,3 Prozent gesunken. Doch jetzt zeichnet sich eine Wende ab. Denn die Sparer denken um. Eigentlich gelten deutsche Anleger als risikoscheu und ihr Investmentverhalten als langweilig. Denn ungeachtet der „Nullzinspolitik“ der Europäischen Zentralbank (EZB) und der rekordtiefen Zinsen ist das Sparbuch hierzulande weiter die beliebteste Anlageform. Rund 63 Prozent der jetzt im Rahmen einer Studie befragten Sparer halten Sparbuch und Festgeldkonto für die beste Geldanlage. Dieses Sicherheitsstreben deutscher „Renditemuffel“ mag langweilig sein, doch erwies es sich in der Krise als Volltreffer. Die hiesigen Anleger vermieden so massive Kursverluste in

Aktien, Rohstoffen und anderen Anlageformen. Investoren, die Sicherheit vor Rendite stellen, laufen aber Gefahr, langfristig Geld zu verlieren. Denn nur, wenn das von ihnen Ersparte so angelegt wird, dass die Rendite nach Steuern das Inflationsniveau von 1,3 Prozent übersteigt, können sie langfristig ein Finanzpolster aufbauen. Liegt die Rendite darunter, schmilzt das Kapital. Nicht zuletzt wegen der Gefahr einer Blasenbildung an den Anleihemärkten und damit drohender Kursverluste bei Rentenfonds sowie der wieder positiveren Konjunkturnachrichten nimmt die Risikobereitschaft der Sparer nur langsam zu. Das hilft nicht nur der Anlageklasse Aktie, sondern auch der Fondsbranche. Eine Analyse des Bundesverbandes Investment und Asset Management e.V. (BVI) zeigt, dass jeder zweite Bundesbürger Aktienfonds gegenüber einzelnen Aktien favorisiert. Nur 15 Prozent der

Deutschen sprechen sich für ein direktes Aktien-Investment aus. Die Anleger haben erkannt, dass Aktienfonds im aktuellen Umfeld einige Vorteile aufweisen. Denn diese Kapitalpools investieren in mehrere Unternehmen und gleichen so Kursfluktuationen einzelner Aktien besser aus. Investmentfonds bieten die Möglichkeit, an den Chancen von Aktien oder Unternehmensanleihen oder an anderen Vermögenswerten zu partizipieren – und das bei gleichzeitig reduziertem Risiko. „Deshalb eignen sich Aktienfonds bei langem Anlagehorizont zur Beimischung auch für vorsichtigere Anleger“, sagt BVI-Hauptgeschäftsführer Stefan Seip. BVI-Zahlen zeigen, dass 43 Prozent der Besitzer von Investmentfonds regelmäßig in sogenannte FondsSparpläne investieren. Ungeachtet dessen haben Anleger gegenüber Fonds seit dem Jahr 2008 starke Zurückhaltung an den

Assetmanagement | Steter Kurszuwachs durch breite Streuung

Attraktive Wertentwicklung

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Wertentwicklung antea-Fonds + 40,14% Wertentwicklung aus je 50% MSCI-World und REX-P + 1,01%

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dermaßen gering, als ob fast die Hälfte in Anleihen investiert wäre, erzielte aber die Renditen guter Aktienmärkte. www.antea-fonds.de

Quelle: antea-Fonds

in € 65

n.

Was zeichnet den antea-Fonds aus? Das Konzept. Dabei handelt es sich um einen Multi-Asset-Fonds, bei dem nicht ein Fondsmanager die Anlageklassen bestimmt, sondern die Anlageklassen die Fondsmanager. Für sie suchen wir renommierte Experten. Nicht nur einen, sondern mehrere. Wie erklären Sie die konstant gute Performance in verschiedenen Konjunkturzyklen? Zunächst wirkt die breite Diversifikation über zehn verschiedene Anlageklassen. Daneben

gibt es den vermögensverwaltenden Ansatz, wonach die Anlageklassen entsprechend ihrer Attraktivität höher oder niedriger, im Extremfall überhaupt nicht berücksichtigt werden. Warum ist der Fonds so breit diversifiziert? Unterschiedliche Anlageklassen entwickeln sich grundsätzlich unabhängig voneinander. Im Sommer etwa fielen die Preise der Edelmetalle deutlich, während die Aktien stiegen. Dafür fielen die Aktien zu Jahresbeginn, als Rohstoffe und Wandelanleihen stiegen. Die breite Diversifikation führt zu einer geringeren Auswirkung dieser Einzelbewegungen im Gesamtvermögen, wichtiger wird der generelle Trend. So schwankte der antea-Fonds

Ja

Johannes Hirsch, Geschäftsführer der antea Vermögensverwaltung, erläutert das RenditeRisiko-Profil seines Fonds.


FINANZEN

Tag gelegt. Dies ändert sich nur peu à peu. Neben Aktienfonds stehen Anlegern zahlreiche andere Fondsarten zur Verfügung. Die Angebotspalette der Kapitalanlagegesellschaften in Deutschland umfasst Renten-, Misch- und Geldmarktfonds. Aktuelle Zahlen der Branche zeigen einen starken Geldzufluss. Seit Beginnn des Jahres melden Kapitalanlagegesellschaften Netto-Mittelzuflüsse in Höhe von 61,8 Milliarden Euro. Eine Zahl zeigt den Erfolg der Branche: Das verwaltete Vermögen ist mit rund 1,8 Billionen Euro so hoch wie nie zuvor. Stark nachgefragt bei den Publikumsfonds waren Indexfonds (als ETF – Exchange Traded Funds bezeichnet). Fast ein Viertel des Netto-Mittelzuflusses im laufenden Jahr entfällt auf diese passiv gemanagten Investmentfonds. Nach einer Analyse von Deborah Fuhr von der Fondsgesellschaft Black Rock ist die Zahl der ETF weltweit inzwischen auf 2409 gestiegen. Diese an 46 Börsen in der Welt gelisteten passiven Indexfonds verwalten derzeit ein Vermögen von circa 1,24 Billionen US-Dollar. Dieses Segment der Fondsbranche boomt, denn gegenüber dem Vorjahr ist das verwaltete Vermögen um fast 20 Prozent gestiegen. Das ETF-Anlagevolumen hat sich im Vergleich zum Jahr 2006 mehr als verdoppelt. Das Wachstum der ETF-Branche dürfte anhalten, sich in seiner Dynamik allerdings verlangsamen. Passiv gemanagte Fonds dürften also Wachstumstreiber der Branche bleiben – sowohl in Deutschland als vor allem auch auf internationaler Ebene. Betrachtet man die derzeit von den Anlegern gespielten „Themen“, dann fällt die Fokussierung der Anlagegelder auf Emerging-Market-Fonds wie den „Emerging Consumer Fund“ der nordischen Finanzgruppe Nordea auf. Wenn Anleger in Russland, China, der Türkei oder Brasilien investieren wollen, sind sie bei der Analyse dieser Märkte oft überfordert. „Spätestens dann kommt der professionelle Fondsmanager ins Spiel, der sich in diesen Märkten auskennt und mehrfach im Jahr Rundreisen in diesen Regionen durchführt“, erklärt BVI-Pressesprecher Andreas Fink. Massive Kapitalzuflüsse waren zudem nicht nur in Rohstoff-Fonds, sondern zunehmend auch in sogenannten Multi-Asset-Fonds wie dem antea-Fonds festzustellen. Einige erfüllen die Richtlinien von UCITS III und ermöglichen Privatanlegern so den Zugang zum weltweiten Investmentspektrum. Diese UCITS-III-Fonds können Geld nicht nur in unterschiedliche Anlageklassen wie Aktien, Anleihen, Rohstof-

fen und anderen Alternativ-Investments breit diversifiziert anlegen, sondern mit einem Teil des Geldes auch Derivate einsetzen und auf sinkende Kurse bauen. Fazit: Nach krisenbedingt schwierigen Jahren versucht die deutsche Fondsbranche, wieder Tritt zu fassen. Das Anlagevolumen der deutschen Kapitalanlagegesellschaften erreichte zuletzt (vor allem wegen der stark gestiegenen Kurse von Finanzwerten wie Aktien, Anleihen und sogar Roh-

FONDS

stoffen) neue Rekordmarken. Ein Grund für die neue Hoffnung der Banken ist in der Stabilisierung der internationalen Wertpapiermärkte und im wachsenden Vertrauen der Anleger zu sehen. Die Fondsbranche kommt der zunehmenden Risikobereitschaft der Anleger mit der Entwicklung innovativer Produkte entgegen.

Udo Rettberg

Schwellenländer | Anleger profitieren von Konsumwachstum

Emerging Markets entdecken Konsum Sie wachsen mit einer Rasanz, die selbst das deutsche Wirtschaftswunder der 50er Jahre in den Schatten stellt. Gut zwei Drittel des weltweiten Wirtschaftswachstums entfallen inzwischen auf die Schwellenländer. Zugleich steigt die Zahl der Menschen in den Ballungszentren rapide. In den zwanzig größten Metropolen leben heute über 280 Millionen Menschen – Tendenz steigend. Experten prognostizieren, dass bis zum Jahr 2030 rund 60 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben werden. Diese Mega-Urbanisierung birgt Gefahren wie Chancen. Wohnraum und natürliche Ressourcen werden knapp. Zugleich bietet sie Möglichkeiten zur Verbesserung der Lebensbedingungen unzähliger Menschen. Viele Megastädte in Schwellenländern sind Wachstumsmotoren. Längst haben sich hier neue Konsumentenschichten gebildet. Mobiltelefone, Shampoos, Autos, Kosmetika, Reisen, Waschpulver, Fast Food: mit dem Lebensstandard steigt der Bedarf an Konsumgütern in den Emerging Markets stetig an – auch für Luxusgüter. In den Schwellenländern explodiert die Zahl der Millionäre.

Allein in Indien und China wächst ihre Zahl um jährlich über 20 Prozent. China zählte im Jahr 2009 340.000 Millionäre. Und die britische Barclays Bank schätzt, dass im Jahr 2017 viermal so viele Millionäre in Indien leben werden wie heute. Diese neuen Oberschichten haben eines gemeinsam: Sie streben nach einem westlichen Lebensstil, nach teuren Konsumgütern, Luxus und Statussymbolen. Kein Wunder, dass Finanzexperten wie etwa der Nordea-Fondsmanager Leon Svejgaard Pedersen vom „Aufstieg neuer Konsumentenklassen“ sprechen. Unternehmen, die diesen Trend rechtzeitig erkannt haben, bietet sich ein enormes Potenzial. Auch Privatanleger im guten alten Europa können hiervon profitieren. Der Nordea 1 – Emerging Consumer Fund (ISIN: LU 0390857471) etwa investiert laut Pedersen weltweit gezielt in „Global Player und Lokalmatadoren, die mindestens 30 Prozent ihrer Erträge in den Schwellenländern generieren“. Das Anlagekonzept geht auf: Von seiner Auflegung im November 2008 bis Ende Oktober dieses Jahres erzielte der Fonds einen Wertzuwachs von 55,5 Prozent. www.nordea.lu

LEBENSSTANDARD Immer mehr Menschen in Asien leisten sich Luxusgüter. Das bietet ungeahnte Chancen für Unternehmen und Privatanleger in Europa.

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VERSICHERUNGEN

ALTERSVORSORGE

Die Kontrolloffensive RENTE Beinahe sprichwörtlich ist die Risikoscheu der Deutschen. Die Versicherungsbranche hat verbraucherpolitische Standards als Erfolgsfaktor für die Kundenbindung entdeckt.

D

ie Zeiten hoher Zinsen sind schon seit Jahren vorbei: Auch die Versicherungsbranche schlägt sich mit dem Problem herum, dass bei sehr sicheren Anlageformen derzeit das Zinsniveau extrem niedrig ist. Die klassische Lebensversicherung hat somit in den nächsten Jahren ein Problem: Die Garantiezinsen werden abschmelzen. Aber: „Mit der Finanzkrise und der anhaltenden hohen Volatilität der Aktienmärkte hat die Risikobereitschaft vieler Kunden deutlich abgenommen“, bewertet Dr. Peter Schwark, Mitglied der Hauptgeschäftsführung beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), die Situation. Die Branche befindet sich also in einem Dilemma: Mit mickrigen Garantiezinsen lässt sich schwerlich ein sorgenfreies Leben im Alter führen. Höhere Rendite bedeutet aber immer auch mehr Risiko, welches der Kunde scheut. Das Zauberwort, mit dem die Branche den Absatz wieder ankurbeln will, lautet „Dynamische Hybride“. Sicher und gleichzeitig renditestark sollen diese Lebensversicherungsprodukte sein. Konkret klappt das durch einen verringerten „Deckungsstock“: Diesen Anteil an der Vorsorgesumme muss der Versicherer „mündelsicher“ anlegen, also extrem ausfallsicher, allerdings derzeit auch rendite-

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schwach. Ein weiterer Anteil fließt in Investmentfonds, die auf Wertsteigerungen der Aktienmärkte setzen – aber auch ein deutlich höheres Ausfallrisiko tragen. Im Extremfall könnten die kompletten Anlagegelder weg sein. Zwischen diesen beiden Extremen siedelt sich der Wertsicherungsfonds an. Und je nach Großwetterlage füllen sich die unterschiedlichen Stöcke. In guten Zei-

DILEMMA „Die Risikobereitschaft der Kunden ist deutlich gesunken“, betont Dr. Jörg Freiherr Frank von Fürstenwerth, Chef des GDV.

ten kann es sein, dass der Deckungsstock komplett geleert ist. Vorteil: Die potenzielle Rendite ist deutlich höher als bei der klassischen Lebensversicherung, aber auch deutlich sicherer als bei der reinen fondsgebundenen Alternative. Eine Vielzahl an entsprechenden Angeboten ist mittlerweile am Markt platziert, da mangelt es nicht. Das Branchenimage ist immer noch ein Problem: Echte Produkttransparenz war nämlich für den Versicherungssektor jahrzehntelang ein Unwort: Behaglich breitete sich die Branche in der Hängematte ihrer „Blackbox“, der kapitalbildenden Lebensversicherung, aus. Nur der Versicherer selbst wusste, wo das Geld investiert wurde und wie hoch verschiedene Kosten zu Buche schlagen. Doch diese Zeiten sind aufgrund von Urteilen und verschiedener Gesetze vorbei: „Verbraucherpolitische Standards im Finanzsektor werden künftig eine erheblich größere Bedeutung haben als in der Vergangenheit“, skizziert Schwark. Und das macht die Versicherungswirtschaft nicht nur uneigennützig: „Für die Anbieter selbst werden verbraucherpolitische Standards zu einem immer wichtigeren Erfolgsfaktor für die Kundengewinnung und -bindung“, so Schwark. Die Branche poliert also kräftig an ihrem Image: Stichwort Sicherheit. Die Heidelberger Lebensversicherung setzt zum Beispiel auf eine eigene Fondskontrolle: Der „5R“Qualitätssicherungsprozess überprüft alle der 44 angebotenen Fonds nach den Kriterien Reputation, Rating, Rendite, Risiko und Review, „um unseren Vertriebspartnern und Kunden eine qualifizierte und nachvollziehbare Auswahl aus unterschiedlichen Anlageund Risikoklassen anzubieten“, erklärt ihr Vorstandsvorsitzender Thomas Bahr. Stichwort Verlässlichkeit: Der GDV möchte einen zehn Punkte umfassenden Verhaltenskodex für Vertreter verbindlich verankern. Und Stichwort Kostentransparenz: Für Furore sorgt da gerade ein Gutachten im Auftrag


RENTENBAROMETER 10 Sicherheit der privaten Vorsorge Sicherheit der betrieblichen Vorsorge Sicherheit der gesetzlichen Vorsorge

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Quelle: Deutsches Institut für Altersvorsorge

Das Deutsche Institut für Altersvorsorge bat über 1000 Erwerbstätige, die Sicherheit ihrer Altersvorsorge einzustufen. Die gesetzliche Rentenversicherung wird seit Ende 2009 als immer unsicherer eingeschätzt.

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des Bundesfinanzministeriums. Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) durchforstete den Markt mit umfangreichen Analysen. Das Ergebnis: „Viele Unternehmen machen hier zwar das, was das Gesetz vorschreibt – der Verbraucher erkennt aber dennoch nicht, was nach Abzug aller Kosten tatsächlich übrig bleibt“, skizziert Peter Westerheide, stellvertretender Bereichsleiter für „Internationale Finanzmärkte und Finanzmanagement“ am ZEW. Dieses schlägt ein Pyramidenmodell mit drei Ebenen vor: Auf der ersten Ebene erhält der Verbraucher die wichtigsten Kennzahlen des Produkts. Dazu gehört insbesondere eine Kostenkennziffer, „Reduction in Yield“ genannt. Diese weist einen Prozentsatz aus, um den die Rendite aufgrund der mit dem Versicherungsprodukt zusammenhängenden Kosten abnimmt. Auf den Folgeebenen werden dann darüber hinaus weitere Produktdetails sowie Zukunftsberechnungen der Rendite aufgeführt. „Gerade die Idee der ‚Reduction in Yield‘ wird von den großen Versicherungsgesellschaften diskutiert“, beschreibt Westerheide. So beschäftigte sich zum Beispiel erst vor kurzer Zeit ein Strategiemeeting „Transparenz in Lebensversicherung und Altersvorsorge“ in Köln ausführlich mit dieser Problematik. Und der GDV bestätigt diese Einschätzung: „Die Kennziffer sollte alle einkalkulierten Kosten eines Produkts einbeziehen und einer Leistungsdarstellung gegenübergestellt werden, damit der Kunde das ‚Preis-Leistungs-Verhältnis‘ bewerten kann“, so Schwark. Und schon in Kürze soll auch „Solvency II“ die Versicherungsbranche erneut aufmischen. Das Konzept hat drei Säulen: das Risikomanagement, die Finanzaufsicht und die Finanzberichterstattung. Durch die Reform will die EU-Kommission auch dafür sorgen, dass Versicherungsunternehmen künftig zu einer exakten Bewertung ihrer Geschäftsrisiken und dem Hinterlegen von Risikokapital

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Fondsgebundene Vorsorge | Intelligente Anlage mit Qualitätssicherung

Transparenz schafft Vertrauen Die Wertschätzung der Deutschen gegenüber Fonds und allem, was mit Kapitalmärkten zu tun hat, hat während der Wirtschaftskrise schwer gelitten. Verbraucher wissen jedoch auch, dass die gesetzliche Rente nicht reichen wird und sie zusätzlich privat für ihr Alter vorsorgen müssen. Dass sie aufgrund der steigenden Lebenserwartung noch gerne 30 Jahre zu leben haben, wenn sie mit 67 Jahren in Rente gehen. Und dass über diese Zeit hinweg das Geld aus der privaten Vorsorge reichen muss. Die klassische Lebensversicherung mit einem voraussichtlich sinkenden Garantiezinsniveau in den kommenden Jahren wird ein sorgenfreies Leben im Alter nur bedingt abdecken können. Deshalb sind fondsgebundene Lösungen eine sinnvolle Alternative, denn sie können die Chance auf höhere Renditen mit einem Maß an Sicherheit verbinden. Damit das Vertrauen der Verbraucher in fondsgebundene Altersvorsorgeprodukte wieder steigen kann, ist Transparenz bei der Auswahl und der Überprüfung der angebotenen Fonds auf Seiten des Versicherers unabdingbar. „Wir stehen als Versicherer in der Verantwortung, unsere Fonds regelmäßig zu prüfen, um unseren Vertriebspartnern und Kunden eine qualifizierte und nachvollziehbare Auswahl aus unterschiedlichen Anlageund Risikoklassen anzubieten“, erklärt Thomas Bahr, Vorstandsvorsitzender der Heidelberger Lebensversicherung AG. So hat das Unternehmen für seine Kunden beispielsweise den sogenannten 5R-Qualitätssicherungsprozess eingeführt. Der Prozess ist benannt nach den Kriterien Reputation,

Rating, Rendite, Risiko und Review. Jeder der 44 Fonds von 32 Kapitalanlagegesellschaften mit 18 Anlageschwerpunkten wird vier Mal pro Jahr in diesen Punkten geprüft und mithilfe eines Ampelsystems bewertet. Zu Rate gezogen werden dabei die Bewertung und Einschätzung renommierter Agenturen wie Morningstar, Standard & Poor’s, Feri und FondsConsult AG. „Unsere Kunden sollen ihr individuelles Portfolio je nach Sicherheitsbedürfnis und gemäß ihrem Chance-Risiko-Profil zusammenstellen und sich für ihre Altersvorsorge auf uns verlassen können“, fügt Bahr hinzu. Weitere Informationen unter: www.heidelberger-leben.de

GARANTIE „Wir stehen als Versicherer in der Verantwortung, unsere Fonds regelmäßig zu prüfen“, unterstreicht Thomas Bahr.

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VERSICHERUNGEN

ALTERSVORSORGE

OFFENHEIT „Der Verbraucher kann oft nicht erkennen, was nach Abzug aller Kosten übrig bleibt“, kritisiert Rentenexperte Peter Westerheide vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW).

verpflichtet werden. Die Folge gerade für kleinere Lebensversicherer könnte sein, dass sie verstärkt in gering rentierliche Staatsanleihen investieren müssen, um die Stabilitätsanforderungen zu erfüllen. Und auch die Immobilie erhält so als relativ sichere Anlageform neuen Zulauf – in Beton investieren schon jetzt viele Lebensversicherer, wie etwa der Branchenriese Allianz. 80 Filialen von Aldi Süd fügte der Versicherer kürzlich seinem Portfolio hinzu. Was für die Unternehmen der Versicherungsbranche

gilt, ist auch ein Trend bei der privaten Altersvorsorge. „Seit der Finanzkrise verlangen Anleger mehr denn je Sicherheit“, kommentiert Gerhard Hinterberger, Vorstandsmitglied der Bausparkasse Schwäbisch Hall AG. „Die Eigenheimrente ist eine sinnvolle Alternative zur Geldrente.“ Seit 2008 kann so die Immobilie über einen Bausparvertrag auch „riestern“. Jeder Sparer, der vier Prozent seines beitragspflichtigen Vorjahresbruttoeinkommens anspart, bekommt 154 Euro Grundzulage vom Fiskus. Bausparkas-

sen bieten flächendeckend Bausparpläne mit Riester-Zertifikat an. „Das mietfreie Wohnen im schuldenfreien Eigenheim führt zu einer spürbaren finanziellen Entlastung im Rentenalter“, wirbt Hinterberger. Finanzielle Entlastung und ein gut gefülltes privates Rentenkonto: Das sind sicherlich zwei gute Pfeiler für einen dann finanziell sorgenfreien Ruhestand.

Jörg Stroisch

Immobilien | Wohn-Riester lohnt sich auch für Gutverdiener

Rente aus Stein gewinnt an Bedeutung Eine deutliche Mehrheit der Deutschen hält das eigene Haus oder die eigene Wohnung für die ideale Altersvorsorge. Mit einer Zustimmungsquote von fast 70 Prozent rangiert das selbst genutzte Wohneigentum vor allen anderen Vorsorgeformen. Seit der Finanzkrise verlangen Anleger mehr denn je Sicherheit. Wohneigentum ist gerade deshalb als Altersvorsorge die erste Wahl. Zumal RiesterSparer seit zwei Jahren die staatliche Zulagenförderung auch für die Bildung von selbst genutztem Wohneigentum in Anspruch nehmen können. Der Staat unterstützt die Bauherren, er „spart“ und „tilgt“ mit. Das senkt die Finanzierungskosten. „Wohn-Riester lohnt sich“, urteilte die Stiftung Warentest und bezifferte die finanziellen Vorteile für eine dreiköpfige Familie zu Rentenbeginn auf bis zu 50.000 Euro. Insbesondere Familien mit Kindern profitieren von den Zulagen. Wohn-Riester ist jedoch dank der steuerlichen Förderung über den Sonderausgaben-

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abzug auch ein Thema für Gutverdiener. Einkommensgrenzen existieren nicht. Die Eigenheimrente ist eine sinnvolle Alternative zur Geldrente. Immobilieneigentum ist ein inflations- und krisensicherer Vermögenswert, den Riester-Sparer, im Unterschied zur Geldrente, bereits vor Renteneintritt nutzen können. Das mietfreie Wohnen im schuldenfreien Eigentum führt zu einer spürbaren finanziellen Entlastung im Rentenalter. Die nachgelagerte Besteuerung, die wie bei allen geförderten Riester-Produkten auch für die Eigenheimrente gilt, stellt in der Praxis kein Problem dar. Die Steuerschuld kann auf 25 Jahre verteilt werden, bei Sofortversteuerung verzichtet der Fiskus auf 30 Prozent der Steuerschuld. „Bei Wohn-Riester handelt es sich um das attraktivste Altersvorsorgeprodukt am Markt, das durch Sicherheit, Transparenz und Kostengünstigkeit überzeugt“, betont Gerhard Hinterberger, Vorstandsmitglied der Bausparkasse Schwäbisch Hall AG. „Als

EIGENHEIM „Wohn-Riester ist das attraktivste Altersvorsorgeprodukt“, so Gerhard Hinterberger, Vorstand bei Schwäbisch Hall.

Marktführer haben wir im vergangenen Jahr mehr als 100.000 Wohn-Riester-Verträge abgeschlossen – und die Nachfrage steigt weiter.“ Infos unter: www.schwaebisch-hall.de


UNTERNEHMEN

INTERIM-MANAGEMENT

Aufräumer in der Chefetage FÜHRUNGSKRÄFTE Eine Dienstleistung entwickelt sich zum strategischen Werkzeug für zukunftsorientierte Unternehmen. Was können Interim-Manager? Und wie profitiert der Mittelstand?

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on der Krise in den Aufschwung – die wirtschaftliche Entwicklung fordert einen hohen Grad an Flexibilität von den Unternehmen. Das Management steht vor der Herausforderung, hier adäquat zu reagieren. Doch wie findet man bei Spezialthemen die notwendige Expertise, bei Engpässen qualifizierte Kapazitäten und bei Problemen erfahrene Manager, die kom-

petent und schnell Lösungen herbeiführen? Wenn es im eigenen Hause keine adäquate Antwort gibt, bietet sich der Einsatz externer Experten an. „Interim-Manager haben langjährige Managementerfahrung in verantwortlichen Positionen erster und zweiter Führungsebene, Fachkenntnisse verschiedener Branchen und ergänzende Länderkenntnisse sowie interkulturelle Erfahrung,

die sie als freiberufliche Führungskräfte auf Zeit in Unternehmen einbringen“, charakterisiert Jens Christophers, Vorstandschef der Dachgesellschaft Deutsches Interim Management e.V. (DDIM), seine Kollegen. Der Ansturm neuer Themen und Projekte ist nicht planbar. Wer aber ist verfügbar, krempelt die Ärmel hoch, geht in die Verantwortung und operative Umsetzung? Bei flachen Hierarchien und schlanken Strukturen wird es schnell ganz eng. Das heißt dann Hochdruck für die wenigen TopLeistungsträger oder alternativ: Probleme aussitzen. „Doch flexibles Reagieren unter Einsatz externen Know-hows ist weitaus besser, als dringende Projekte aufzuschieben“, lautet das Resümee von Dr. Anselm Görres, Vorsitzender des AIMP, einer Branchenorganisation der Interim-Provider und Inhaber des Anbieters ZMM GmbH. Die Hauptthemen sind bei mehr als einem Drit-

Komplexitätsanalyse | Beratung und Interim-Management im Zusammenspiel

Wer ist der bessere Optimierer? Die Welt wird immer unübersichtlicher. Unter der grassierenden Komplexität nimmt die betriebliche Hektik zu, und es leiden Liefertreue, Effizienz, Qualität sowie Transparenz. Viele Unternehmen lancieren deshalb dutzendweise interne Projekte. Doch Untersuchungen zeigen, dass damit meist nur Symptome bekämpft werden. Auch die reine Begleitung durch einen externen Berater oder Interim-Manager greift zu kurz. Entweder wird zu konzeptionell und damit nicht umsetzungstauglich oder zu pragmatisch und damit zu wenig auf die Ursachen zielend gearbeitet. Um den Unternehmen neuen Schub zu verleihen, braucht es neue Lösungsan-

sätze. Einer ist die Kombination von konzeptioneller Komplexitätsberatung und umsetzungsorientiertem Interim-Management in einem Team: So werden die jeweiligen Stärken der beiden Spezialisten vereint und die Schwächen ausgeglichen. Während die Beratung mit Analyse- und Problemlösungsmethodik sticht, glänzt der Interim-Manager mit Führungs- und Umsetzungserfahrung auf Augenhöhe bei seinem Kunden. Damit profitiert das Unternehmen von abgesicherten und realisierbaren Lösungen, um die Komplexität tatsächlich in den Griff zu bekommen. Der Schweizer Managementdienstleister GroNova praktiziert dieses Zusammenspiel seit vielen

Jahren. Er trainiert im westerwäldischen Schloss Friedewald seine 600 erfahrenen Interim-Manager in Methodenkompetenz, um gemeinsam mit dem Berater die Komplexitätsprobleme ursächlich zu beheben. Informationen unter: www.gronova.com

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KOOPERATION 10% Partizipativ*

30% 60%

Kooperative Zusammenarbeit

* Meinungen werden eingeholt, entschieden wird alleine

tel der Einsätze Überbrückung von Vakanzen, gefolgt von Projektarbeit. Changemanagement, Geschäftsaufbau und Restrukturierung ebenso wie der Eigentümerwechsel sind nachgelagert, wenn es darum geht, Interim-Manager im Unternehmen einzusetzen, so die AIMP-Umfrage 2010. Warum sich nicht die Besten am Markt holen, wenn das Know-how im Hause nicht vorhanden ist? „Der Einsatz von InterimManagern ist in vielen Fällen die optimale Lösung, weil zielführend, zeitnah und fle-

Quelle: butterflymanager Interim Manager Studie 2010

Autoritär

Welchen Führungsstil pflegen Interim-Manager? Die meisten der Befragten suchen die kooperative Zusammenarbeit.

xibel. Wir verfügen über langjährige Managementerfahrung, arbeiten ziel- und lösungsorientiert, unter Druck und auf Zeit. Die Entscheidung für einen Interim-Manager ist keine Schande, sondern einfach nur klug“, so Brigitte Nießen, Interim-Managerin im Wachstumsmarkt Healthcare. Unternehmen bekommen den Input eines unabhängigen Externen, der nicht Teil der internen Hierarchie mit Karriereambitionen ist, sondern eine klare Zielorientierung hat. Viel Zeit und Geld können mit adäquaten

Interim-Managern gespart werden. Noch gibt es zahlreiche Unternehmen, die Interim-Management nicht kennen oder fürchten, dass ein Externer zu viel Einblick bekommt. Deshalb bietet es sich an, einen Vermittler einzuschalten, um hier auf Professionalität zu achten. Erfolgreicher Kaltstart erfordert gute Vorbereitung: Um Angebot und Nachfrage zusammenzubringen, haben sich Provider positioniert, die zwischen Interim-Managern und dem Unternehmen eine vermittelnde

Personaldienstleistung | Starkes Wachstumspotenzial beim Interim-Management

Neue Impulse von außen Interim-Management hat sich in Deutschland etabliert und wird von den Firmen immer mehr als strategisches Personalmanage-

EXPERTISE Interim-Management wird in Deutschland immer mehr auch als strategisches Personalinstrument eingesetzt.

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ment-Tool eingesetzt. „Für die Zukunft sehe ich ein hohes Potential mit einem Wachstum von gut 25 Prozent für die nächsten Jahre“, sagt Sladjan Petkovic, Director von Robert Half International. „Hierzu trägt bei, dass anstelle der großen Consultingfirmen vermehrt Interim-Manager eingesetzt werden, deren Schwerpunkt auf der operativen Umsetzung liegt.“ Im Rahmen anstehender Jahresabschlüsse, der Budgetplanungen, aber auch bei Prozessoptimierungen im Finanz- und Rechnungswesen wird gerne auf externe Spezialisten zurückgegriffen. „Controlling gehört zu den virulenten Themen im InterimManagement. Es sind Manager gefragt, deren Expertise in der Ertrags- und Umsatzsteigerung liegt“, weiß Petkovic. Zum Zuge kämen verstärkt auch IT-Experten. Denn bei der Verbesserung der Systeme gebe es zahlreiche Projekte, für die externe Kapazitäten gerne genutzt werden. „Aufgrund des Aufschwungs sehen wir bei den Sanierungs-

und Restrukturierungsthemen dagegen einen Rückgang“, betont der Personaldienstleister. Werden Interim-Manager hauptsächlich eingesetzt, bis ein neuer fester Mitarbeiter gefunden wird oder eher für feste Projekte? Petkovic erklärt: „Aufgrund des bestehenden Fachkräftemangels und bestehender Kündigungsfristen kann ein nahtloser Personalübergang etwa beim Ausscheiden eines Mitarbeiters nicht immer realisiert werden. Hier ist bei kritischen Positionen eine Übergangslösung gefragt, bis eine adäquate Festbesetzung gefunden ist.“ Bei Projekten sei es für Unternehmen betriebswirtschaftlich nicht sinnvoll, alles notwendige Wissen mit Festpersonal vorzuhalten. Dementsprechend setze man Interim-Manager ein, um temporär auf spezielles Know-how zurückgreifen zu können. „Viele Unternehmen setzen aber auch bewusst auf Interim-Manager, um so zusätzliche Expertise und neue Impulse zu bekommen.“ Infos unter: www.roberthalf.de


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INTERIM-MANAGEMENT

MAXIME „Flexibles Reagieren unter Einsatz externen Knowhows ist besser, als dringende Projekte aufzuschieben“, resümiert Branchenexperte Dr. Anselm Görres.

und unterstützende Position einnehmen. „Wir bieten den Firmen eine effektive, effiziente und schnelle Hilfe, da wir nur geprüfte und bekannte Kandidaten dem Unternehmen vorstellen“, so Sladjan Petkovic von Robert Half International. Daniela Zimmer von Resources Global Professionals untermauert dies: „Als Interim-ManagementConsultingfirma erarbeiten wir mit dem Kunden zuerst ein umfassendes strategisches und operatives Konzept. Dies dient zur Klärung der Aufgabenstellung, von Einsatzdauer und Anforderungen, um zu sehen, welche Qualifikationen notwendig sind.“ Sucht ein Unternehmen eine Führungskraft, dauert es trotz Einsatzes von Personalberatern aufgrund von Kündigungsfristen oft Monate, bis eine Position besetzt wird. Doch wichtige Funktionen können nicht vakant bleiben. Deshalb bietet sich hier eine gute Gelegenheit, auf Interim-Manager zurückzugreifen. Und so arbeiten oft auch Interim-Provider und Headhunter Hand in Hand. Aus einem begrenzten Mandat in eine Festanstellung wechseln jedoch nur fünf Prozent, denn die meisten InterimManager suchen den Wechsel und die ständig neue Herausforderung. „Interim-Management ist für alle Branchen geeignet und wird inzwischen überall genutzt, nicht nur in der Industrie. Jeder vierte Kunde kommt aus dem Automobil- und Anlagenbau, 15 Prozent der Einsätze erfolgen im Chemie/Pharmabereich, gefolgt von Telekommunikationsunternehmen. Aber auch Handel, Finanzbereich und Gesundheitsbranche setzen externe Experten ein“, zitiert Görres die jährliche Branchenstudie des AIMP. Es sind überwiegend Firmen mit über 500 Mitarbeitern, die sich interimistisch verstärken. Doch auch die Zahl der Aufträge aus kleineren Unternehmen ist in den letzten fünf Jahren deutlich gestiegen. Mehr als die Hälfte der Einsätze werden auf der ersten oder zweiten Führungs-

Umstrukturierung | Sichere Beratung und Umsetzung aus einer Hand

Das Ziel fest im Visier Wenn sich die Konjunktur aufhellt, füllen sich auch die Auftragsbücher vieler Unternehmen. Für neue Projekte benötigen Unternehmen oft spezielles Know-how, das im aktuellen Personalstamm nicht vorhanden ist und daher extern abgerufen werden muss. Als Interim-Management-Consultingfirma hat Resources Global Professionals dafür ein eigenes Instrument entwickelt: Sogenannte Client Service Teams unterstützen die Unternehmen mit ganzheitlichen Konzepten, die sie mit freiberuflich tätigen Interim-Managern umsetzen. „Resources ist weit mehr als ein Interim-Management-Provider. Wir bieten operative Beratung und Umsetzung aus einer Hand und sind damit stark praxisorientiert“, so Daniela Zimmer, Managing Director für Deutschland und die Schweiz. „Unternehmen kommen zu uns, wenn sie nicht nur temporär fachliches Know-how auf der Führungsebene, sondern komplette, umsetzungsstarke Projektlösungen benötigen.“ Die Client Service Teams stellen sicher, dass die freiberuflichen Spezialisten die Leistungen und Kompetenzen effektiv und zielsicher erbringen können. „Sie kennen sich in ihren Einsatzgebieten fachlich genau aus und bilden die Schnittstelle zwischen den Interim-Managern und dem Unternehmen“, fügt Zimmer hinzu. Die Teams haben Erfahrungen aus der Wirtschaftsprüfung oder der Geschäftsleitung einer Bank. Sie analysieren die Projektbedingungen, identifizieren den Veränderungsbedarf, formulieren die Projektziele und empfehlen die Interim-Manager, die auf-

grund ihrer Qualifikation zu den wirtschaftlichen Herausforderungen und zur Unternehmenskultur passen. Dazu testen sie in einem ausführlichen Bewerbungsverfahren, und bei Bedarf in Workshops durch Fallstudien mit ähnlichen Problem- und Aufgabenbereichen, die Einstellung und Lösungskompetenz der Spezialisten. Während der Einsätze stehen die Client Service Teams mit den Interim-Managern im intensiven Kontakt und führen regelmäßig Monitorings und Evaluationen durch. So erkennen sie frühzeitig interne organisationsoder führungspolitische Konfliktsituationen und können diese leicht auflösen. Infos unter: www.resourcesglobal.de oder direkt bei daniela.zimmer@resourcesglobal.com

PRAXISORIENTIERT „Wir bieten temporär fachliches Know-how ebenso wie Komplettlösungen“, erklärt Daniela Zimmer.

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MOTIVATION in % 70 60 50 40 30 20 10 0 Möglichkeit etwas zu bewegen

Honorar/Tagessatz

Spannende, herausfordende Inhalte

Weiterempfehlung/gute Referenz

ebene durchgeführt. Relativ konstant werden Projektleiter bei einem Fünftel der Mandate eingesetzt. Betrachtet man die betrieblichen Funktionen, so dominieren die Finanzexperten und Controller, gefolgt von klassischen Managementaufgaben. Interim-Managerin Brigitte Nießen unterstreicht: „Natürlich haben wir in Unternehmen schon einiges erlebt, auch harte Krisen. Genau das ist unser Kapital. Die langjährige Führungserfahrung ist zwingend. Genauso wichtig sind die Freude an Veränderung, am Umgang mit Menschen und unternehmerischem Denken. Das ermöglicht uns ein Arbeiten auf Augenhöhe im Unternehmen.“ Hauptsächlich intrinsisch motiviert wollen die Führungskräfte auf Zeit etwas bewegen und suchen herausfordernde Inhalte, so die Ergebnisse der Umfrage der butterflymanager GmbH. „In den von uns vermittelten Projekten sehen wir immer wieder: Interim-Manager haben eine professionelle Arbeitsmethodik, die sie situativ anpassen. Meist sind es gute Motivatoren, die einen modernen kooperativen Führungsstil pflegen, kompetent agieren und gut kommunizieren, das wird uns auch von den Kunden bestätigt“, berichtet Harald Schönfeld, Geschäftsführer von butterflymanager. Auch die persönliche Chemie muss stimmen. „Neben fachlichen Qualifikationsmerkmalen sind die menschlichen Aspekte wesentlich für den Erfolg eines Interim-Managers, diese Erfahrung aus den Mandaten hat unsere diesjährige Interim-Studie untermauert“, unterstreicht Schönfeld. Aufgrund ihrer Kenntnisse sind InterimManager es gewohnt, die Situation ohne lange Einarbeitungsphasen schnell zu erfassen und loszulegen. Implementierung ist ihr Credo. „Interim-Manager werden die Gewinner sein. Unternehmen wollen keine Analysen und Beraterpapiere, sondern tragfähige Konzepte, die von erfahrenen Managern auf Zeit im Unternehmen auch tat-

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Quelle: butterflymanager Interim Manager Studie 2010

Das Beratungsunternehmen butterflymanager befragte Interim-Manager, welche Aspekte sie anspornt, eine gute Leistung zu bringen.

sächlich umgesetzt werden“, betont Jens Christophers vom DDIM. Dies hat auch Resources Global Professionals erkannt, die als Interim-Management-Consultingfirma mit Client Service Teams alle Dienstleistungen aus einer Hand anbietet. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt der Managementdienstleister GroNova, der Kunden mit Teams begleitet, bei denen konzeptionelle Beratung und umsetzungsorientiertes Handeln notwendig sind. Und wie sieht es mit dem Fitnesstraining für schwächelnde Unternehmen aus? Zwar ist es ein kleiner Teil der Interim-Mandate, doch es sind die hochsensiblen, wenn es darum geht, im Rahmen von Sanierungen und Restrukturierungen Unternehmen wieder fit für die Anforderungen des Marktes zu machen. Dr. Walter Bickel, Geschäftsführer von Alvarez & Marsal, ist seit vielen Jahren auf dem Markt tätig. Er beobachtet die steigenden Anforderungen aufgrund der höheren An-

FÜHRUNG „Unternehmen wollen tragfähige Konzepte, die von erfahrenen Managern auf Zeit umgesetzt werden“, betont Jens Christophers, Vorstandsvorsitzender des DDIM.

zahl der involvierten Parteien und damit auch die Komplexität der zu lösenden Probleme. Das vorhandene Management ist in der Regel überfordert. So bieten InterimManager die Chance, unmittelbar kompetentes Know-how einzubringen. Professor Sorg von der Partnerschaft beyond management betont: „Es kommt darauf an, schnell die kritischen Punkte zu identifizieren, Vertrauen und Akzeptanz aufzubauen. Da ist ein erfahrener Sanierer vonnöten, häufig aber auch ein Team. Denn regelmäßig gibt es Probleme in verschiedenen Bereichen. Unser Ansatz, hier mehrere Experten unterschiedlicher Fachbereiche zu kombinieren, kommt bei Kunden gut an.“ Je nach Ausgangslage erstrecke sich der Einsatz des Interim-Managers vom Krisenmanagement über die Restrukturierung zur Stabilisierung, weiß Dr. Walter Bickel von Alvarez & Marsal aus seiner Turnaround Erfahrung zu berichten. Und zwar „bis die Programme in der Gewinn- und Verlustrechnung sich nachhaltig niederschlagen und ein dauerhafter Erfolg im Unternehmen erzielt ist“. Und noch ein Aspekt spricht für einen Manager auf Zeit: Unternehmen zeigen Stärke durch Einbindung von externem Interim-Management. Die Entwicklung in den vergangenen Jahren war durchaus stabil. Positive Wachstumsprognosen zeigen, dass Interim-Management sich in Deutschland etabliert und professionalisiert hat. Somit kann ein Unternehmertraum wahr werden: Know-how zur rechten Zeit am rechten Ort einzusetzen – mit dem Vorteil, Intensität, Dauer und Kosten flexibel und bedarfsgerecht zu gestalten. Unternehmen können sich verstärken, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern – und das mit einigen der besten Köpfe, die der Markt bietet: Interim-Managern.

Dr. Vera Bloemer


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INTERIM-MANAGEMENT

Hilfe beim Aufstieg RESTRUKTURIERUNG Dr. Walter Bickel, Geschäftsführer von Alvarez & Marsal, über neue Herausforderungen im Krisenmanagement, die Bedeutung der Kommunikation und ungeahnte Sprengkräfte.

Herr Dr. Bickel, Alvarez & Marsal, ist der führende Sanierungsberater in Nordamerika und insbesondere durch die Gesamtabwicklung des Investmenthauses Lehman Brothers weltweit bekannt geworden. Steht A&M für mehr als die Abwicklung von großen Insolvenzfällen? Zweifellos. A&M steht für weit mehr – und zwar für unternehmerische Wertsteigerung. Natürlich hat uns Lehman Brothers weltweit bekannt gemacht. Doch in der überwiegenden Mehrzahl der Beratungsmandate liegt unser Hauptaugenmerk darauf, Unternehmen mit ganzheitlich angelegten Wertsteigerungsprogrammen zu profitablem und nachhaltigem Wachstum zu verhelfen. Die Betonung dieser Programme liegt auf ganzheitlich – dabei ist der Fokus unseres

Umsetzungsmanagements sowohl auf die finanzielle als auch die operative Verbesserung der Unternehmensleistung ausgerichtet. Der Umbau der Kapitalstruktur sowie die Ausrichtung der Organisation mit all‘ ihren Strukturen und Prozessen für Wachstum sind dabei entscheidende Zielsetzungen. Mit unseren mehr als 1.700 Beratern weltweit profitieren unsere Kunden von unserer globalen und operativen Leadership, unserer ausgewiesenen Industrieund Führungsexpertise sowie der direkten Ausrichtung auf klar nachweisbare Ergebnisse in der GuV. Und wie sieht es hierzulande aus? Auf welche Mandanten und Kundengruppen zielen Sie mit Ihren Dienstleistungen? Die Unternehmen, die wir in Deutschland

beraten, befinden sich mit ihrer Unternehmensgröße zwischen 200 Millionen bis zu vier Milliarden Euro Jahresumsatz. Unsere Dienstleistungen umfassen im Wesentlichen drei Programmbereiche – operative und finanzielle Wertsteigerung, integrierte Due Diligence sowie Post Merger. Ein weiterer Servicebereich erstreckt sich auf die Bereiche Forensik und Dispute Analyses. Sie haben zahlreiche namhafte Restrukturierungsfälle im Management operativ mitverantwortet. Wie beschreiben Sie Ihre Aufgabe als Interim-Manager? Primäre Aufgabe ist es, Vertrauen zu schaffen. Eigner, Kapitalgeber, Management und Belegschaft müssen an einem Strang ziehen. Des Weiteren müssen die erarbeiteten Kostensenkungsprogramme umsetzungstauglich gestaltet werden. Im weiteren Verlauf der Tätigkeit steht die nachhaltige Implementierung und professionelle Steuerung von Ergebnis-Verbesserungsprogrammen, die auf die gesamte GuV abzielen. Wichtig dabei ist es, dass finanzielle und operative Maßnahmen stets Hand in Hand erfolgen. Die professionelle Unterstützung des Managements wird zum Erfolgsfaktor. Denn auf das Management kommt eine Flut von Aufgaben zu, die den Einsatz eines krisenerfahrenen Helfers außerhalb des Unternehmens überlebensnotwendig macht. Wie hat sich die Restrukturierungsbranche in den letzten Jahren verändert? Welche Herausforderungen sehen Sie auf die Branche und Ihre Kunden zukommen? Die Branche der Restrukturierer, Sanierer und Berater hat sich in den vergangenen fünf Jahren vielfältiger und internationaler aufgestellt. Das professionelle Management von Krisen gewinnt immer mehr an Bedeutung. Eine entscheidende Veränderung ist die Vielzahl der Beteiligten bei den Krisenverhandlungen. Es sitzen mehr Banker und Investoren mit am Tisch als früher. Das macht eine Einigung auf schnelle Maßnahmen operaVISAVIS ECONOMY

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INTERIM-MANAGEMENT

VERANTWORTUNG „Eine Restrukturierung braucht glaubwürdige und vorausschauende Kommunikation: die Wahrheit sagen, klare Ziele formulieren“, betont Dr. Walter Bickel, Geschäftsführer von Alvarez & Marsal Deutschland GmbH.

tiv wie finanziell nicht einfacher. Aufgrund der komplexen Kapitalgeberstrukturen ist ein tiefes Corporate- und Finance-Know-how gefragt. Es wird vorausgesetzt, dass ein Beratungsunternehmen durch konkrete Übernahme von Managementverantwortung in die Pflicht genommen werden kann und – etwa in der Funktion eines Chief Restructuring Officers (CRO) – die Umsetzung von Stabilitätsprogrammen nachhaltig stärkt. Wie reagiert die Belegschaft auf einen Restrukturierer, dessen Aufgabe Kostensenkungsmaßnahmen sind? Denn das betrifft ja meist auch die Personalausgaben. Eine Restrukturierung braucht glaubwürdige und vorausschauende Kommunikation: die Wahrheit sagen, klare Ziele formulieren. Entscheidend ist: Die Leute wollen keine schöne Welt vorgegaukelt bekommen, sie wissen oft selbst am besten, wie es um die Realität bestellt ist. In einem diversifizierten Konzern muss das Topmanagement die Interessen unterschiedlichster Gruppen

Alvarez & Marsal Mit der Gründung vor 25 Jahren zählt Alvarez & Marsal zu den Pionieren im TurnaroundManagement. A&M gehört zu den international führenden Anbietern von Programmen zur ganzheitlichen Wertsteigerung von Unternehmen, von Sanierungsberatung, Krisen- und Interim-Management, sowie Programmen zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität. Weltweit sind 1.700 Mitarbeiter an 40 Standorten in Nordamerika, Europa, Asien, Mittel- und Nahost tätig. Hauptsitz ist New York. Der Sitz der Alvarez & Marsal Deutschland GmbH befindet sich seit Herbst 2006 in München. Zu den größten Aufträgen weltweit zählen die Gesamtbetreuung und Restrukturierung der Investmentbank Lehman Brothers, der Sparkassengruppe Washington Mutual und der Kaupthing Bank Island. A&M berät die Regierung der Republik Irland bei deren Finanz-

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marktreform. In Deutschland wurde A&M mit dem ersten Planinsolvenzverfahren für die Drogeriemarktkette „Ihr Platz“ bekannt. Derzeit übt A&M interimistisch Beratungsmandate bei der Q-Cells SE, dem international führenden Hersteller von Solarzellen, und bei der Kuka AG, einem weltweit führenden Anbieter von Industrierobotern und von Anlagen- und Systemtechnik, sowie beim Kabelnetzbetreiber Telecolumbus aus. Im Oktober und November dieses Jahres gewann Alavez & Marsal zwei prestigeträchtige internationale Auszeichnungen: den „Turnaround Award of the Year“ der Turnaround and Management Association (TMA) für exzellente Beratungs- und Managementleistung für die Rossignol Gruppe sowie den „British Private Equity Award of the Year“ für herausragende Leistungen in der Kategorie Due Diligence.

ausgleichen und in Linie bringen, zudem nachvollziehbare Maßnahmen einleiten und umsetzen – dann reagiert auch die Belegschaft positiv und wird sicher mitziehen. Wie vereinbaren Sie Ihre Tätigkeit im Beratungsunternehmen mit Ihrem Einsatz als Interim-Manager? Diese Doppelfunktion birgt Sprengkraft ... Die Sprengkraft wird dadurch genommen, dass es eindeutige Verträge gibt, die selbstverständlich eng mit Compliance-Regeln verknüpft sind. Übernehme ich operative Führungsverantwortung in einem Unternehmen in Form eines direkten Vorstandsmandats, hat diese Tätigkeit Vorrang. Und wann sehen Sie Ihre Mission als Interimsvorstand in der Regel als beendet an? Die Mission lässt sich als beendet ansehen, wenn die in dem Unternehmen erarbeiteten Stabilitätsprogramme unmittelbaren Niederschlag in der nachhaltigen Verbesserung und Stabilisierung der GuV finden und somit den direkten und dauerhaften Erfolg für das Unternehmen garantieren. Ein in einem Aktienindex notiertes Unternehmen steht mehr im Fokus der Öffentlichkeit als ein nicht börsennotiertes. Wie wirkt sich das auf Ihre Arbeit als Restrukturierer aus? Ohne jeden Zweifel ist der Druck durch diesen öffentlichen Fokus wesentlich größer. Diesen Druck werte ich aber positiv. Denn er motiviert und spornt alle Beteiligten tagtäglich aufs Neue an. Damit trägt er dazu bei, das Unternehmen und dessen Erfolg dauerhaft zu sichern. Sie gelten als Kenner der Maschinenbauund Automobilbranche. Welche Rolle spielt die Branchenerfahrung für einen erfolgreichen Interim-Manager? Bei den Tätigkeiten als Berater und Interimsmanager kommt mir meine nunmehr 25-jährige Erfahrung in der Maschinenbauund Automobilbranche sehr zugute. Ich kann nicht nur bei finanziellen und operativen Fragestellungen anstehende Entscheidungen beschleunigen, sondern auch mein spezifisches Know-how inhaltlich mit einbringen. Das bringt ernorme Vorteile. Infos unter: www.alvarezandmarsal.de


IT

MOBILITÄT

Smarte Helfer MOBILE APPS Smartphones sind eine wichtige Stütze bei der Kundenbindung und Optimierung von Geschäftsprozessen. Dank immer neuer Applikationen sind die Einsatzmöglichkeiten schier grenzenlos.

D

as Wachstum des Marktes für mobile Applikationen ist ungebrochen: Laut einer Studie der Managementberatung Mücke, Sturm & Company wird der Umsatz durch den Verkauf der Anwendungen und darin geschalteter Werbung hierzulande 2010 bei knapp 112 Millionen Euro liegen. Bei einem jährlichen Wachstum von 84 Prozent dürfte der deutsche App-Markt im Jahr 2013 700 Millionen Euro wert sein. Die rasante Verbreitung von Smartphones und passenden Apps bietet Unternehmen vielfältige Möglichkeiten. „Aus der betriebswirtschaftlichen Perspektive ist das Mobiltelefon ein hochauflösendes Messund Emotionalisierungsinstrument“, meint

Prof. Dr. Elgar Fleisch, Professor für Technologiemanagement und Direktor am Institut für Technologiemanagement an der Universität St. Gallen (HSG). „Vor diesem Hintergrund werden Unternehmen das neue Mobiltelefon verwenden, um ihre Beziehung zum Geschäfts- und Endkunden, vor allem den Menschen dahinter, zu intensivieren und zu emotionalisieren.“ Kein Wunder, dass immer mehr Unternehmen ihre Leistung auch auf dem Handy anbieten: Mobiles Einkaufen setzt sich immer stärker durch, vor allem, seit Kunden nicht mehr aufgefordert sind, Bankdaten oder andere sensible Informationen preiszugeben: Die net mobile AG hat mit

In-App Payment eine Lösung entwickelt, bei der die vorherige Registrierung dank der integrierten und anonymisierten Identifikation des Kunden durch seine SIMKarte entfällt. Auch Couponing-Anbieter haben die mobile Plattform für sich entdeckt. „Gutscheinbuch.de transformiert das klassische Print-Couponing in das mobile Zeitalter“, erklärt Josef Kuffer, Geschäftsführer der Kuffer Marketing GmbH. Nutzer können ihre Gutscheine auf dem Handy verwalten und auch direkt digital einlösen. „Mit unserer App kommt das Unternehmen im wahrsten Sinne des Wortes in die Hand des Kunden. Näher kann man nicht an die Zielgruppe heranrücken“, so Kuffer.

Mobile Payment | Komfortable Transaktionen ohne Risiko

Sicher bezahlen mit einem Klick Mobile Payment hat sich als allseits akzeptierte Zahlungsmethode etabliert. Jetzt präsentiert das Düsseldorfer Unternehmen net mobile AG eine neue Lösung: In-App Payment ist eine einfache Ein-Klick-Bezahlmethode ohne vorherige Registrierung. Damit sind auch Spontankäufe ohne Eingabe von sensiblen Bankdaten möglich. Das mobile Payment hat sich in den letzten Jahren zur allseits akzeptierten Zahlungsmethode entwickelt. Als Weiterentwicklung der gängigen mobil- und online-Zahlungswege bietet InApp Payment die bisher einfachste, schnellste und sicherste Methode mobiler Zahlungsvarianten ohne media break. Applika-

tionen und deren Erweiterungen können durch die in die App integrierte Zahlungsmethode von Kunden schneller, sicherer, unkomplizierter und spontaner erworben werden. Das In-App Payment ermöglicht dabei den Kauf von einzelnen Inhalten oder Abonnements beispielsweise bei mobilen Games und deren Erweiterungen durch einen einmaligen Zahlungsschritt per one click. Somit entfällt beim In-App Payment die Vielzahl von Zahlungsschritten, die etwa bei Kreditkartenkäufen von Nöten sind und die Eingabe von persönlichen und sensiblen Daten im Internet ist nicht notwendig. Auch eine vorherige Registrierung oder Authentifizierung

des Users erübrigt sich dank der integrierten und anonymisierten Identifikation des Kunden durch seine SIM-Karte. Betrugsversuche sind hierbei somit nahezu unmöglich, was InApp Payment zusätzlich zur sichersten mobilen Zahlungsmethode macht. www.net-m.de

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IT

MOBILITÄT

POTENZIAL „Aus betriebswirtschaftlicher Perspektive ist das Mobiltelefon ein hochauflösendes Mess- und Emotionalisierungsinstrument“, so Professor Elgar Fleisch.

Neben der Kundenbindung sind Apps auch zur Optimierung von Geschäftsprozessen einsetzbar. Die Movilizer-Plattform bietet eine Lösung, die sich insbesondere für kleine Unternehmen lohnt: Diese können hier Apps für verschiedenste Branchen herunterladen – und benötigen dazu weder spezielle Programmierkenntnisse, noch zusätzliche kostenspielige Hard- oder Softwareprodukte. „Da das Smartphone ein ideales, weil technisch weit entwickeltes, Medium ist, bietet es sich als Multitasking-In-

strument für den Anwender an“, fügt Michael Hollmann, Geschäftsführer der Hollmann IT GmbH, hinzu. Sein Unternehmen ist daher auf mobiles Customer Relationship Management (CRM) spezialisiert. „Wo auch heute noch Außendienstmitarbeiter Papier nutzen, um Bestellungen aufzunehmen oder Statusabfragen per Fax an den Innendienst senden, transferieren wir diese Kommunikation komplett auf das Smartphone“, erklärt Hollmann. Sein Unternehmen verfolge mit enterMediate das Ziel, dem

Benutzer mit wenigen Klicks die für seinen Job relevanten Daten schnell darzustellen. Der Vorteil liegt auf der Hand: „Durch Transparenz und die Beschränkung auf das Notwendige konzentriert sich der User zielgerichtet auf seine Aufgabe: Reden und Verkaufen“, fügt Hollmann hinzu. Das Unternehmen hat in diesem Kontext ein wichtiges Problem erkannt: Datenverlust. Verloren gegangene Smartphones können mit enterMediate daher sofort gesperrt und aus dem System ausgeschlossen

Serviceplattform | Applikationen kostengünstig selbst erstellen

Baukasten für mobile Anwendungen Immer mehr Unternehmen suchen effiziente und kostengünstige Anwendungen für ihre Mobiltelefone. Zugleich wissen sie um die Problematik einer komplexen IT-Infrastruktur. Eine Alternative zur aufwendigen Entwicklung mobiler Anwendungen bietet die von ehemaligen SAP-Beratern im Jahr 2006 ins Leben gerufene Firma Movilitas. Der so genannte Movilizer, eine generische mobile Anwendungsplattform, soll Firmen einen einfachen Einstieg in die Welt mobiler Anwendungen erlauben, ohne dass dafür viel Geld für Hard- und Software in die Hand genommen werden muss. Der Movilizer wird als Service angeboten und befindet sich in einer sicheren CloudUmgebung im Internet. Mit Hilfe der Plattform lässt sich jede mobile Anwendung bauen und einrichten. Diese sind für den Endanwender einfach zu handhaben, weil sie lediglich eine Abfolge von Bildschirmmasken auf den Mobiltelefonen darstellen,

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die exakt den einzelnen Schritten des jeweiligen Geschäftsprozesses entsprechen. Kunden können mit ihrem eigenen IT-Team die Anwendungen komplett selber anpassen und bauen. Auch eine Programmierung in der Middleware oder am mobilen Client entfällt. Denn die Anwendungsdefinition und Integrationslogik liegen ausschließlich im vorhandenen Backend-System des Kunden, wie etwa in ABAP bei SAP-Systemen. Der Movilizer unterstützt neben gängigen Produkten wie Windows Mobile, Android, Blackberry, Symbian, iPhone auch einfache Mobiltelefone. Vorteil: Zusätzliche, spezielle Endgeräte müssen nicht angeschafft werden. Der Movilizer ist für die Anforderungen von Unternehmen jeder Größe entwickelt worden. Für große und mittelgroße Unternehmen bietet das Team einen 24-stündigen Service-Support an. Für kleine und sehr kleine Firmen mit bis zu zehn Anwendern

wird der Movilizer kostenlos angeboten. Aktuell stehen auf der Plattform Movilizer.com 25 Anwendungen zur Verfügung. Ab Januar 2011 dürfen dann Partner neue mobile Applikationen auf Basis des Movilizers bauen und entsprechend vermarkten. Weitere Informationen unter: www.movilizer.com INFRASTRUKTUR

etc.

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Movilizer Client

Movilizer Client

Movilizer Client

Movilizer Client

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Movilizer Cloud Ihr ERP z.B. SAP Plant Maintenance

Administration & Monitoring Port al Movilizer Web Service Connector (als Plug-in)

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SELF SERVICE


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MOBILITÄT

PROGNOSE 700 Angaben in Millionen Euro 177,5 442,7

84%

79 266,6 35,4

522,5 363,6

111,8 52,0 47,8

101,2

2009

2010

231,2

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werden. Das ist wichtig, denn Mobiltelefone sind zu einem beliebten Angriffsziel geworden. IT-Sicherheitsexperten haben daher Schutzprogramme speziell für den mobilen Sektor entwickelt. Seit kurzem bietet der TÜV Süd die Prüfung und Zertifizierung von mobilen Apps. Mehr Sicherheit verspricht auch die Lösung von Juniper Networks. Sie hält nicht nur Spam und Viren fern, sondern unterstützt auch die Sicherung und Wiederherstellung von Daten und kann verloren gegangene oder gestohlene Geräte orten. Auch neue Virtualisierungstechniken zielen auf die Sicherheit. Ein Konsortium aus Spitzenuniversitäten und Industriepartnern hat im Rahmen des EUProjekts Embedded Multi-Core Processing for Mobile Communications (eMuCo) erstmals die Kombination von Multicore-Technologie und Virtualisierung auf Mobilgeräten erforscht. Sie soll es möglich machen, Anwendungen auf das Smartphone herunterzuladen, persönliche Daten zu speichern und gleichzeitig effektiven Schutz vor Angriffen zu genießen. Denn durch die Virtualisierung ist die Software von der zugrundeliegenden Hardware isoliert, was einen direkten Zugriff durch die Software auf die Hardware verhindert. Die eMuCo Software Plattform ist als Open Source verfügbar. Die Multicore- und Virtualisierungstechnik könnte die Wahrnehmung von Mobilgeräten revolutionieren. Angesichts der vielfältigen Möglichkeiten ist es selbst für Experten schwierig, Szenarien zu entwickeln: „Wie das Mobiltelefon in entfernter Zukunft eingesetzt wird, ist heute kaum vorhersehbar“, ergänzt Professor Fleisch. „Im Technologiemanagement haben wir lernen müssen, dass man zwar Technologien relativ stabil prognostizieren kann, deren Anwendung aber nie.“

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In-App Werbeumsatz Umsatz durch App-Verkäufe Quelle: Mücke, Sturm & Company Analyse

Mit einer jährlichen Wachstumsrate von 84 Prozent wird der deutsche App-Markt bis 2013 auf 700 Millionen Euro Umsatz ansteigen.

Web-Attacken | Optimaler Schutz für Smartphones

„Ein beliebtes Angriffsziel“ Firewalls, Virenscanner, Anti-Spam-Schutz: PCs sind gerüstet für den Kampf gegen Gefahren aus dem Internet. Bei Smartphones sieht es dagegen anders aus – obwohl die gespeicherten Daten ähnlich sensibel sind. Sepp Lausch, Area Director Enterprise für Deutschland, Österreich und Schweiz bei Juniper Networks, erläutert, wie man sich am wirkungsvollsten schützt. Herr Lausch, warum wird die Sicherheit auf Smartphones immer wichtiger? Wir haben in den letzten Jahren den Trend hin zum „Büro in der Hosentasche“ gesehen. Mobilgeräte werden immer leistungsstärker und was vor ein paar Jahren nur auf dem Laptop möglich war, erledigen heute Smartphones: Kontakte, E-Mails, Fotos, Mobile-Shopping oder -Banking. Durch die erweiterten Möglichkeiten sind Smartphones zu einem beliebten Angriffsziel geworden. Da ist es selbstverständlich, dass man seine Daten geschützt wissen möchte. Wie können Anwender ihre mobilen Alleskönner besser schützen? Unsere Junos Pulse Mobile Security Suite vereint alle relevanten Schutzmaßnahmen: persönliche Firewall, Antivirus, Anti-Spam und Parental Control. Die Suite unterstützt alle wichtigen Betriebssysteme. IT-Manager können so sehr einfach mehrere Gerätetypen in einem Betrieb verwalten. Überdies haben wir im bislang einzigen Zentrum für mobile Sicherheit seiner Art, dem Global Threat Center, die wichtigsten Entwicklungen im Blick. So können Gefahren erkannt und Gegenmaßnahmen eingeleitet werden.

Und was geschieht, wenn ein Nutzer sein Handy verlieren sollte? Personelle Daten wie etwa Kontaktinformationen werden laufend online gesichert und können wiederhergestellt werden. So ist der Anwender in kürzester Zeit wieder einsatzbereit. Die gesamten Daten auf dem Smartphone, auch die auf einer SD-Karte gespeicherten, können aus der Ferne gelöscht werden. Wir stellen auf diese Weise sicher, dass sensible Daten nicht in falsche Hände geraten können. Weitere Informationen finden Sie im Internet unter: www.juniper.net

MOBILGERÄTE „Wir stellen sicher, dass sensible Daten nicht in falsche Hände geraten“, sagt Sepp Lausch, Area Director Enterprise bei Juniper Networks.

Cornelia Hornschild VISAVIS ECONOMY

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IT

SICHERHEIT

Der Feind im Netz E-CRIME Die Bedrohung wächst. Immer mehr Unternehmen klagen über Datendiebstahl, Schadprogramme, Cyber-Spionage und andere Gefahren aus dem Web. Wie können sie sich wirksam schützen?

D

as waren noch sorglose Zeiten, bevor vor 27 Jahren das erste Computervirus das Licht der Cyber-Welt erblickte. Und auch lange danach war nicht abzusehen, was für ein kriminelles Potenzial in ihm steckt. Jetzt aber ist die Gefahr allgegenwärtig. In ihrer aktuellen Studie „e-Crime“ stellten die Analysten von KPMG

fest, dass ein Viertel der befragten Unternehmen in den letzten drei Jahren von E-Crime betroffen war – mit „Schadenshöhen zwischen 100.000 Euro und Millionenbeträgen pro Einzelfall“. Jüngst machte mit dem Schädling Stuxnet eine neue Bedrohung von sich reden – ein Schadcode, der vernetzte Produktionsanlagen extrem gefährdet.

Die Methoden für Cyber-Spionage, Malware- und Spam-Angriffe werden immer ausgeklügelter. Unternehmen, Institutionen und auch Behörden sind gezwungen, Maßnahmen zur Absicherung ihrer Daten und ihrer internen und externen Kommunikation zu ergreifen. Eine besondere Herausforderung stellt dabei die globale Zusammenarbeit der Unternehmen, Institutionen und Behörden dar. Nach dem Grundsatz „Probieren geht über Studieren“ unterzog die EU kürzlich im Rahmen ihrer ersten europaweiten Internet-Sicherheitsübung „Cyber Europe 2010“ die öffentlichen Einrichtungen Europas einem „Internet-Stress-Test“. In deren Verlauf sollte herausgefunden werden, „wie gut Europa auf Online-Bedrohungen vorbereitet ist, denen unsere von Bürgern, Regierungen als auch Unternehmen genutzten Infrastrukturen ausgesetzt sind“, erklärt der Geschäftsführende Direktor der EU-

Sicherheitssoftware | Überwachung mobiler Datenträger

Bevor Dateien in falsche Hände geraten

TRANSFER Spezielle Überwachungssoftware gewährleistet einen sicheren Datenfluss auch über externe Speichermedien.

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Arbeitsplatz-PCs stellen trotz aller Sicherheitsvorkehrungen Lücken für den Schutz und die Sicherheit der Unternehmensdaten dar. Zum einen können Anwendungen zum Einsatz kommen, über deren Schwachstellen sich Malware einschleusen lässt. Zum anderen können über mobile Datenträger wie USBSticks Malware-infizierte Dateien ins Unternehmensnetz gelangen oder aber Daten das Unternehmen verlassen. Wenn Geräte abhanden kommen und Daten in falsche Hände geraten, können datenschutzrechtliche Belange betroffen sein. Die Unternehmen arbeiten deshalb mit Richtlinien, die die Nutzung von Anwendungen bzw. von mobilen Geräten be-

treffen. Regeln helfen jedoch nur, wenn ihre Einhaltung überwacht werden kann. Das erledigt spezielle Überwachungssoftware wie Norman Device and Application Control. Die Lösung des Spezialisten für IT-Security Norman protokolliert die Wege der Daten zu und von externen Medien, beschränkt den Abfluss von Daten, stoppt unberechtigte Übertragungsversuche und verschlüsselt die Daten bei der Übertragung. Außerdem ermöglicht das Norman-Produkt durch die Blockierung nicht zugelassener Anwendungen Malwareschutz unabhängig von Signatur-Updates und stellt sicher, dass Softwarelizenz-Richtlinien eingehalten werden. www.norman.de


IT

Die EU testet zurzeit, wie gut Europa auf OnlineBedrohungen vorbereitet ist. – Dr. Udo Helmbrecht, Direktor ENISA

Agentur ENISA, Dr. Udo Helmbrecht. Bei der nächsten europaweiten Übung soll dann auch der private Sektor einbezogen werden. Das könnte eine weitere Bewährungsprobe für den neuen elektronischen Personalausweis werden. Immerhin kann er aufgrund des sogenannten Identitätsnachweises auch als Ausweis im Internet dienen. Über eine zusätzlich installierbare elektronische Signatur ist sogar der Online-Abschluss rechtsverbindlicher Verträge möglich, wodurch unter anderem Behördengänge im Internet deutlich sicherer werden sollen. Die Einfallstore für Bedrohungen und Schädlinge sind überaus vielfältig. Sie gelangen zum Beispiel über E-Mails, verseuchte Webseiten, nicht genügend gesicherte oder private mobile Geräte in ein Unternehmensnetz. Computer und Applikationen sind oft nur über den Benutzernamen und ein statisches Passwort gesichert und stellen demzufolge ein stetes Sicherheitsrisiko dar. Damit keine wichtigen Dateien in falsche Hände gelangen, sollten Regeln für die Nutzung der Geräte erstellt und ebenso deren Einhaltung kontrolliert werden. Gerade in der alltäglichen Arbeit kann es leicht zu Nachlässigkeiten kommen. Für besonders heikle Fälle bietet sich die biometrische Absicherung der PC-Arbeitsplätze an. Hier hat sich der biometrische Finger-Scanner etabliert. Ergänzt durch die Erkennung der Charakteristika Gesichtsgeometrie und Stimme, wie sie beispielsweise der Schweizer Softwarehersteller Biometry mit seinem Programm Biometry SSO anbietet, ließe sich die Sicherheit weiter deutlich erhöhen. Aber mobile Geräte besitzen nicht nur ein Gefährdungspotenzial, sie könnten auch im IT-Security-Management der Unternehmen wichtige Aufgaben übernehmen. Laut Befragung des Bremer Sicherheitsspezialisten Ampeg hält fast die Hälfte von 80 deutschen IT-Security-Managern in Großunternehmen für wichtig, sich nahezu in Echtzeit

SICHERHEIT

Datenschutz | Neuer Personalausweis überzeugt mit Zusatzfunktionen

IDENTITÄT Mit der neuen Karte können sich Bürger per Mausklick ausweisen.

Meilenstein in Sachen Sicherheit Das öffentliche Meinungsbild zum Datenschutz speist sich heute mehr denn je aus den vergangenen Datenskandalen. Die NetzInfrastrukturen sind anfällig für PhishingAttacken, Identitäts- und Datendiebstähle. Der neue Personalausweis muss sich nicht nur dem kritischen Meinungsbild stellen. Zugleich gilt es, Ängste und Vorurteile abzubauen. Denn eines ist sicher: Wenn die neue Technologie von der Bevölkerung akzeptiert wird und auch die Wirtschaft auf das neue „ID-Token“ Personalausweis setzt, ist ein Quantensprung in Sachen Datenqualität, -sicherheit und -schutz möglich. Durch eine neuartige Sicherheitsinfrastruktur und die konsequente Einbeziehung von Datenschützern in allen Projektphasen wird einerseits Datendiebstahl um ein vielfaches erschwert und andererseits die Qualität der erhobenen Daten deutlich erhöht. Der neue Personalausweis genügt dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung so stark wie kein Ausweisdokument je zuvor. Denn beim Ausweisen über das Internet kann jeder Bürger per Mausklick in der AusweisApp selbst entscheiden, wer in welcher Situation Daten über seine Person erhält. Die AusweisApp

ist die Anwendungssoftware für den Personalausweis, die jeder Bürger zusammen mit dem neuen Ausweisdokument bekommt und sich auf seinem PC oder Mac installieren kann. Der eID-Server ist das Gegenstück. Zusammen gewährleisten sie das gesicherte Auslesen und die verschlüsselte Übertragung der auf dem Ausweis gespeicherten persönlichen Daten. Sowohl AusweisApp als auch eID-Server-Middleware wurden von OpenLimit, einem Spezialisten für zertifizierte Software im Bereich elektronischer Signaturen und Identitäten, entwickelt. Um die Authentifizierung per Personalausweis zu nutzen, müssen Unternehmen einen eID-Server in ihr Webangebot einbinden. Dann können sie mit Kunden in einen engen und vertrauensvollen Dialog treten, sie stärker in Innovationsprozesse einbeziehen und One-to-One-Marketing ohne Streuverluste durchführen. Dabei ist es nicht nur wichtig, einseitig gesicherte Identitätsdaten einzufordern. Vertrauen wächst mit gegenseitigem Verständnis. Daher ist die sichere und gegenseitige Authentifizierung, die der neue Personalausweis im Netz ermöglicht, eine große Chance. www.openlimit.com

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ANTRIEBSFAKTOREN Diebstahl von Kunden- oder Arbeitnehmerdaten durch Mitarbeiter oder ehemalige Arbeitnehmer Diebstahl von geschäftskritischem Know-how Vorsätzliches Stören oder lahmlegen der Geschäftstätigkeit oder der IT-Systeme Diebstahl von Kunden- oder Arbeitnehmerdaten durch Dritte/Externe

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und von überall über den aktuellen Sicherheitsstatus in ihrem Unternehmensnetz zu informieren. Mit Hilfe einer mobilen App könnten sie etwa von außerhalb prüfen, inwieweit ihr internes Netz geschützt ist und bei einer Bedrohungslage unverzüglich wichtige Maßnahmen ergreifen. Eine andere Möglichkeit, an unternehmenskritische Daten zu kommen, ist das Ausspähen des Datentransfers. Laut einer Umfrage des Softwareherstellers Attachmate werden in europäischen Unternehmen 77

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Prozent der unternehmenskritischen Daten sowohl intern als auch extern übertragen. Häufig wird dazu immer noch FTP oder ein anderes traditionelles Übertragungssystem genutzt. Oft bleiben indes die geforderten Sicherheitsvorschriften auf der Strecke. Jochen Koehler, Deutschland-Chef von CyberArk, empfiehlt den Einsatz einer Managed-File-Transfer-Lösung, mit der ein sicherer Datenaustausch ohne Volumenbeschränkung und zugleich vorschriftenkonform möglich ist. Sie sind schnell und ein-

Sicherheit | IT-Experten fordern verbindliche Richtlinien

Wie viel TÜV braucht die Cloud? Die Lücke zwischen der allgemeinen Begeisterung über Cloud Computing und der praktischen Umsetzung klafft in den meisten Unternehmen noch weit auseinander. Vor allem hapert es an

ZERTIFIKAT Christoph Stoica: „Ohne Regelwerk wird Cloud Computing scheitern“.

Quelle: KPMG

Wie reagieren Deutschlands Unternehmen auf die Bedrohung durch E-Crime? Der Schutz vor Datendiebstahl hat bei IT-Security-Verantwortlichen Priorität.

Vertrauen in die Sicherheit. „Cloud Computing ist im Prinzip wie der Kauf eines Gebrauchtwagens“, meint Christoph Stoica, Director Identity and Security Management Central Europe bei Novell. Zwar schenke das Auto viele Freiheiten. Hinsichtlich Sicherheit entpuppe sich der Kauf oft jedoch als Vertrauenssache. Um diesem Problem beim Auto entgegenzusteuern, gibt es ein herstellerunabhängiges Qualitätszertifikat: die TÜVPlakette. Auch beim Cloud Computing spielt der Faktor Vertrauen eine wesentliche Rolle. Wer verwaltet die Unternehmensdaten? Welchen Schutzmaßnahmen unterliegen diese? Wird der CloudProvider auch in zwei Jahren

noch den Anforderungen gerecht? Datensicherheitsspezialist Stoica warnt: „Ohne verbindliche Richtlinien ist Cloud Computing über kurz oder lang zum Scheitern verurteilt.“ Das neu gegründete, herstellerunabhängige Trusted-Security-Certification-Programm ist ein Schritt in die richtige Richtung. Hier wird ein Standardregelwerk im Bereich Identity, Access und Compliance Management entwickelt. Anbieter, die den Richtlinien und Anforderungen gerecht werden, erhalten eine TrustedSecurity-Plakette. Das Projekt für die Cloud soll 2010 abgeschlossen und dann möglichst zeitnah eingesetzt werden. Weitere Infos unter: www.novell.com/security

fach in Betrieb zu nehmen und sofort nutzbar. Überdies lassen sich jederzeit alle Datenbewegungen nachvollziehen. Neue Anwendungen bringen meist auch neue Risiken mit sich. Durch Cloud Computing steht den Unternehmen zwar eine Vielzahl von Applikationen und Ressourcen on Demand zur Verfügung. Doch da man über das Internet auf sie zugreift, steht logischerweise wieder ihre Sicherheit und die der transportierten Daten auf der Tagesordnung. Stichworte wie Digital Rights Management, Information Rights Management, Logging Intelligence und Verschlüsselung sollen den Weg in die sichere Cloud weisen. Doch so vielfältig wie die Cloud-Applikationen müssen auch die Lösungen zu ihrer Sicherheit sein. Hier kommt es auf einen guten Mix der Security-Verfahren an. Eine Hilfestellung könnte das kürzlich vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) veröffentlichte Eckpunktepapier zur Informationssicherheit beim Cloud Computing bieten – auch wenn es derzeit noch kontrovers diskutiert wird. Ob man es will oder nicht, der IT-Security wird in den Unternehmen weiter eine große Bedeutung zukommen. Die Angreifer rüsten nicht ab, im Gegenteil, sie sind immer einen Schritt voraus. Die größte Bedrohung der Unternehmen stellen aber sie selbst dar, indem sie der IT-Security nicht den Stellenwert einräumen, den sie haben müsste. Mit der Installation der technischen Grundlage zur E-Crime-Bekämpfung ist es nicht getan. Sicherheitsvorschriften müssen konsequent überwacht, jeder einzelne Mitarbeiter für die Gefährdung sensibilisiert werden. Die KPMG-E-Crime-Studie schlussfolgert: „Immer wichtiger wird deshalb, dass E-Crime aus strategischer, also betriebswirtschaftlicher Perspektive, angegangen wird.“

Brigitte Kasper

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Vertrauen gewinnen KUNDENPFLEGE Auch im Bankgeschäft wird Social Media immer wichtiger. Die Diskussionen in sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter beeinflussen maßgeblich die Meinungsbildung.

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ach der Finanzkrise herrscht im Bankensektor Aufbruchstimmung: Die Ergebnisse der vom Fraunhofer Institut veröffentlichten Trendstudie „Bank & Zukunft 2010“ verdeutlichen, dass die Banken wieder optimistisch nach vorne blicken. Bei ihren Aktivitäten rücken die Finanzinstitute den Kunden wieder stärker in den Vordergrund. Ein aktives Kundenmanagement und die Intensivierung des Dialogs mit den Kunden lauten dabei die Schlüsselworte zur Verbesserung der eigenen Wettbewerbsposition. Die Banken müssen verloren gegangenes Vertrauen wiedergewinnen und riesige Investitionen in die eigenen Informationsnetzwerke finanzieren. Dass dies nicht so einfach ist, lässt sich an einem Beispiel illustrieren: Banken, die strukturierte Produkte wie Zertifikate emittieren und dabei einen nur geringen Automatisierungsgrad bei gleichzeitig wachsendem Produktangebot aufweisen, werden Skaleneffekte nicht realisieren können. „Das Produktuniversum der Banken muss breit genug auf die aktuelle Marktsituation ausgerichtet und preislich attraktiv sein. Nur unter diesen Voraussetzungen werden Kunden das passende Produkt finden“, weist Hendrik Kurz vom IT-Beratungshaus Syracom AG auf die Notwendigkeit einer stärkeren Automatisierung der Prozesse bei Emissionsbanken hin. Laut der Fraunhofer-Studie wird die Etablierung von verteilten Wertschöpfungsstrukturen eine wichtige Bedeutung in der Unternehmensstrategie der Banken einnehmen. „Durch die Verknappung interner Ressourcen werden Banken in Zukunft stärker auf die Integration externer Partner in die existierenden Strukturen und Prozesse angewiesen sein“, heißt es darin. Hierzu bedarf es in Zukunft neuer Konzepte und Lösungen. Experten setzen in diesem Zusammenhang auf eine Stärkung des mobilen Bankings durch die Nutzung moderner

Smartphones, PDAs und MDAs sowie Tablet-PCs. Dies kommt insbesondere jungen Kunden entgegen, die ihre Finanzgeschäfte gern schnell, sicher und einfach von unterwegs oder vom Wohnzimmer aus tätigen. Durch den künftigen Mobilfunkstandard LTE dürfte hier sehr rasch eine neue Qualität geschaffen werden können. Außerdem nimmt Social Media eine immer wichtigere Rolle ein. „Die Kommunikation über Social Media wird sich schon mittelfristig als fester Dialog-Kanal neben Telefon und E-Mail etabliert haben“, betont Mirko Lange, Dozent an der Social Media Akademie und Geschäftsführer von talkabout communications. „Dem werden sich auch Banken nicht entziehen können.“ So geht aus dem „Social Review“ der Online-Marketing Agentur Zieltraffic AG hervor, dass der Einfluss sozialer Medien

auf die Online-Reputation des Bank- und Finanzsektors stetig wächst. Im untersuchten Zeitraum vom 8. August bis 8. September 2010 fanden knapp 70 Prozent der online geführten Berichterstattungen und Diskussionen rund um die Begriffe „Bank“ beziehungsweise „Banken“ und „Bankensektor“ im deutschsprachigen Internetraum in Social Media statt. Insgesamt zählt die Erhebung 31.172 Erwähnungen in Blogs, öffentlichen Foren, Frageportalen sowie Communities und Social Networks. Mit rund sieben Prozent aller Beiträge erhält die Deutsche Bank die meiste Aufmerksamkeit. Fest steht: Die Diskussionen in Social Media – allen voran in Facebook – beeinflussen maßgeblich die Meinungsbildung. Eine gezielte Social-Media-Strategie sollte für Banken daher zum Pflichtprogramm gehören. VISAVIS ECONOMY

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BANKEN

KOMMUNIKATION

Effizienz im Produktuniversum WERTPAPIERE Der Markt für strukturierte Anlageprodukte legt zu – und damit der Konkurrenzdruck. Finanzdienstleister sollten ihre Emissionsprozesse automatisieren.

STRATEGIE Syracom-Geschäftsfeldleiter Hendrik Kurz empfiehlt Emittenten ein System zur Workflow-Unterstützung und -automatisierung.

Laut Erhebung des Deutschen Derivate Verbands (DDV) ist das Markvolumen für strukturierte Anlageprodukte, etwa Zertifikate, zwischen Januar 2009 und August 2010 in Deutschland um rund 33 Prozent gewachsen – von 80 auf gut 106 Milliarden Euro. Die Zahlen belegen: Der Markt für diese Bankprodukte befindet sich in einem deutlichen Aufwärtstrend. Die Emittenten strukturierter Anlageprodukte stehen damit nach den Konsolidierungen als Folge der Finanzmarktkrise alle vor der gleichen Herausforderung: Sie wollen ihre Privatkunden schnell und kostenoptimiert mit kapitalmarkt- und anlegerorientierten Zertifikateprodukten erreichen. Trotz des enormen Konkurrenzdrucks gilt es zugleich, Zertifikatevolumen und -geschäft zu steigern. „Wer sich in diesem Markt langfristig behaupten will, muss Veränderungen schnell nachvollziehen und notwendige Investitionen in die Zukunft tätigen. Ansonsten droht der Verlust der eigenen Marktposition“, betont Hendrik Kurz. Der Geschäftsfeldleiter des unabhängigen Business- und IT-Beratungshauses Syracom AG geht davon aus, dass kleineren Emittenten künftig ein rauerer Wind entge-

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genwehen wird. „Sie können aufgrund eines zu geringen Automatisierungsgrades und einem gleichzeitig wachsenden Produktangebot Skaleneffekte nicht realisieren.“ Das Tempo des Markteintritts und ein kundenindividueller Zuschnitt sind laut Kurz nicht die einzigen Herausforderungen, vor denen die ausgebenden Banken stehen: „Ihr Produktuniversum muss breit genug auf die aktuelle Marktsituation ausgerichtet und preislich attraktiv sein. Nur unter diesen Voraussetzungen werden Kunden das passende Produkt finden.“ Für den Syracom-Manager steht außer Frage: „Die Emittenten benötigen ein System zur Workflow-Unterstützung und -Automatisierung, um darüber den gesamten Wertpapieremissionsprozess – von der Produktausstattung über die Emission bis hin zur Fälligkeit der Wertpapiere – konsequent zu automatisieren.“ Nur unter dieser Voraussetzung könne man das sich ausweitende Produktuniversum bei zugleich steigenden Time-to-market-Anforderungen und die notwendige Qualität im Prozess in den Griff bekommen. Das hat die DZ Bank mit Unterstützung der Syracom AG bereits geschafft. Das genossenschaftliche Spitzeninstitut ist einer der Marktführer im Zertifikatemarkt und steuert über die sogenannte „RetailWerkbank“ den gesamten bankinternen Workflow zwischen Handel, Vertrieb, Produktentwicklung, Produktmanagement und Listing ebenso wie die externe Informationsübermittlung. Wie Jürgen Orth, Abteilungsdirektor und Verantwortlicher für die Entwicklung und den Betrieb der Retail-Werkbank in der DZ Bank bekräftigt, bildet das System mittlerweile den Backbone im Emissions- und Vertriebsprozess für Retail-Wertpapierprodukte der DZ Bank. www.syracom.de

Doch die Studie „Wealth Management and Social Media“ der Schweizer Beratungsfirma „My Private Banking Research“ zeichnet ein anderes Bild: Demnach lassen die Auftritte der 30 größten Banken in den sozialen Medien zu wünschen übrig. Zwei Drittel der untersuchten Finanzinstitute sind in den sozialen Medien entweder gar nicht oder nur sporadisch aktiv. 60 Prozent der Banken bieten weder Blogs, noch andere Inhalte wie Podcasts, Videocasts oder Social Bookmarks auf ihrer Webseite an. Vier Ausnahmen – die Deutsche Bank, Crédit Agricole, BNP Paribas und Credit Suisse – bestätigen die Regel. „Eine Bank, die auf persönlichen Kontakt setzt, wird dieses über das Social Web deutlich besser und effizienter organisieren können als auf herkömmliche Art“, so Lange. „Allerdings setzen ja aktuell die meisten Banken eher auf Automatisierung, Kostenreduktion und Personalabbau.“ Dabei wird die persönliche Beratung schon allein aufgrund der Komplexität der Finanzprodukte weiter einen hohen Stellenwert einnehmen. Wie Fachleute auf dem GAD-Forum betonten, wird die „Filiale der Zukunft“ eine attraktive und innovative Gestaltung des Standortes bieten müssen, um die persönliche Kommunikation mit dem Kunden zu erleichtern. Hier bietet sich die Verknüpfung moderner Technologien mit dem traditionellen Bankgeschäft von Mensch zu Mensch an. Experten raten in diesem Kontext zur Schaffung medialer Beratungstische. Ziel: Der Dialog mit dem Kunden soll zum Erlebnis werden und die Möglichkeit der Interaktion mit Hilfe von Touch-Screens bieten. In solchen Räumen können Experten im Rahmen von VideoKonferenzen als ergänzende Beratungselemente zugeschaltet werden. Mit Hilfe des Touch-Screens können Kunden ihrerseits Beispielrechnungen vornehmen, Verträge durchblättern oder Unterschriften leisten –


BANKEN

KOMMUNIKATION

KUNDENKONTAKT Interaktiv und intuitiv: So könnte die Bank der Zukunft nach den Vorstellungen des Fraunhofer IAO aussehen.

und das digital und damit völlig ohne Papier. Die starke und offene Einbindung des Kunden schafft Transparenz und Vertrauen – und ist zudem ein technisches Highlight. Die moderne Technologie bietet Banken somit eine Vielzahl von Möglichkeiten, den Weg in die Zukunft erfolgreich zu beschreiten. Wer sich für die Implementierung einer Social-Media-Strategie entscheidet, sollte jedoch eines bedenken: Es gibt nur Ja oder Nein, kein Manchmal. Unternehmen, die sich für den virtuellen Raum

entscheiden, sollten also von kurzfristigen, unüberlegten Aktionen absehen und vielmehr langfristig planen. Dazu gehören eine intensive Einarbeitung in die Materie sowie die Einführung von Social-MediaGuidelines zur Sensibilisierung von Mitarbeitern. Denn im Bankensektor gilt vielleicht noch mehr als überall: Datenschutz hat Priorität. Der Einfluss der Online-Communities auf die Wirtschaft ist nicht mehr wegzureden. Allein Facebook zählt weltweit bereits 500 Millionen Mitglieder und

wächst rasant weiter. Unternehmen, die die aktive Partizipation im virtuellen Raum scheuen, sollten daher zumindest eine passive Nutzung in Erwägung ziehen – beispielsweise durch Social Media Monitoring. Langfristig wird sich aber jedes Unternehmen auch aktiv mit Social Media auseinandersetzen müssen, wenn es im Wettbewerb bestehen möchte.

Udo Rettberg

Innovationsforum | Neue Kommunikationskonzepte im Bankgeschäft

Kundenberatung: interaktiv und mobil Ideen entwickeln und diskutieren, Konzepte für das Bankgeschäft von morgen erleben, neue Technologien ausprobieren und vorantreiben: Dafür gibt es jetzt einen Raum – das Innovationsforum der GAD eG in Münster. Seit wenigen Wochen beschäftigt sich der Spezialist für Banken-IT dort gemeinsam mit Kunden und Partnern mit Zukunftsthemen und macht Konzepte erlebbar. Angesichts der Dynamik von Veränderungen werden sich die Themen, Ansätze, Exponate und Showcases stetig ändern. „Neue Technologien verändern in immer kürzeren Zeiträumen unsere Gesellschaft“, sagt Anno Lederer, Vorstandsvorsitzender der GAD eG. „Damit verändern sich auch die Erwartungen von Bankkunden.“ Das Innovationsforum ist mit zwei zentralen Themen gestartet: der Filiale der Zukunft und dem internetfähigen bank21. Sich mit der Filiale der Zukunft zu beschäftigen, heißt, die Perspektive zu wechseln. In Showcases werden die Bank, Kommunikationspha-

sen, bankfachliche Prozesse und modernste Technologien aus Sicht des Bankkunden betrachtet. Der anspruchsvolle Kunde will Beratung erleben. Dafür ist es zwar nicht erforderlich, in der Filiale eine Kaffeebar einzurichten. Aber sie ist ein Sinnbild dafür, wie die Bank ihren Standort attraktiv gestalten kann. Wie sie eine Atmosphäre schafft, in der der Kunde sich wohlfühlt und als Persönlichkeit beraten wird. Diese persönliche Kommunikation kann durch den Einsatz moderner Medien mobil und interaktiv gestaltet werden – etwa durch interaktive Systeme im Innen- und Außenbereich, mit Touch-Systemen, Videokonferenzen oder durch Einsatz von Tablet-PCs. Beim zweiten Thema stellt die GAD unter Beweis, wie aus einer Idee eine Innovation wird. Im Innovationsforum stellt sie das erste webfähige Bankenverfahren vor: bank21 im Web. Künftig greifen die Mitarbeiter in den Volksund Raiffeisenbanken nicht mehr über Server in der Bank auf das Kernbankensystem bank21

AUSTAUSCH Im Innovationsforum der GAD eG können Besucher die Vorteile von interaktiven Systemen in der Kundenberatung erleben.

mit allen Anwendungen zu, sondern über Webtechnologie und das gesicherte Netz des GAD-Rechenzentrums. „Mit bank21 im Web verfügt die genossenschaftliche FinanzGruppe als erste über eine Bankenanwendung, die diese technologische Weiterentwicklung vollzieht“, so Dr. Elmar Pritsch, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der GAD und zuständig für die IT-Strategie. www.gad.de

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MEDIZINTECHNIK

Gastbeitrag Prof. Dr. med. Georg Nollert Herzchirurg und Leiter Global Marketing für Chirurgische Angiographie und Interventionelle Kardiologie, Siemens AG Healthcare Sector

Kliniken setzen auf Hybrid HERZCHIRURGIE Eine neuer Operationssaal verbindet die Technik eines Herzkatheterlabors mit der Grundausstattung eines chirurgischen OP. Immer mehr Krankenhäuser erkennen die Vorteile.

Mit jedem Pulsschlag rauscht Blut durch die Herzkammern. Kleine Bindegewebsklappen sorgen wie Rückstoßventile dafür, dass es stets in die richtige Richtung fließt. Doch im hohen Alter verkalken die Klappen bei manchen Menschen. Der Blutfluss wird behindert. In der Folge bilden sich Herzrhythmusstörungen, Angina pectoris und im Endstadium, wenn die Mitralklappe dem Druck nicht mehr standhält, Lungenödeme. In der Lunge sammelt sich Wasser. Der Patient kann kaum noch atmen. Glücklicherweise gibt es heute künstliche Herzklappen. Für viele sehr alte Patienten kommt eine solche Operation indes häufig nicht in Frage, weil sie durch andere Erkrankungen geschwächt sind. Seit einigen Jahren existiert eine sanftere Alternative: Künstliche Herzklappen, die durch einen Katheter in die Aorta eingesetzt werden. Doch auch diese minimalinvasiven Verfahren, sogenannte Schlüssellochoperationen, bergen Risiken. So können gerade bei älteren Patienten Blutgefäße verletzt werden und während des Eingriffs Komplikationen auftreten. Um jedoch eine bestmögliche Versorgung, auch im Fall von Komplikationen zu ermöglichen, etabliert sich insbesondere in Deutschland derzeit eine neue Art von Operationssaal – der sogenannte HybridOP. Er verbindet die Technik eines Herzkatheterlabors mit der grundlegenden Ausstattung eines chirurgischen Operationssaals mitsamt Herz-Lungen-Maschine, Spezialbeleuchtung oder Anästhesie-Technik. Der Vorteil liegt auf der Hand: Im Hybrid-OP arbeiten Kardiologen und Herzchirurgen Seite an Seite. Treten

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beim Setzen des Herzklappenkatheters Komplikationen auf, ist der Chirurg sofort zur Stelle, um den Patienten zu operieren. Zu den wichtigsten Merkmalen eines solchen kombinierten Operationssaals zählen erstklassige bildgebende Verfahren, Röntgengeräte, die während des Eingriffs Bilder vom Herzen und Blutgefäßsystem des Patienten schießen. Die Auflösung dieser modernen Angiographie-Systeme ist so hoch, dass sie selbst feine Verästelungen der Adern sichtbar machen – dennoch ist die Strahlenbelastung ausgesprochen gering. Die Röntgenaufnahmen helfen dem Team aus Chirurgen und Kardiologen, sich im Körper zu orientieren. Immerhin arbeiten sie bei einem minimalinvasiven Eingriff quasi blind. So kann der Fachmann den Katheter sicher bis zum Herzen und zur Aorta schieben, während er am Röntgenbildschirm die Bewegung der Katheterspitze durch das Labyrinth der Adern verfolgt. Mehr noch: Die modernen Angiographie-Geräte können innerhalb von fünf Sekunden Bilder des Herzens aufnehmen und daraus ein dreidimensionales Bild berechnen. Während der Operation wird in diesem 3D-Modell auf einem Monitor permanent die Position der Katheterspitze angezeigt. Darüber hinaus kann auch die Herzklappe auf diese Weise exakt in der Aorta platziert werden. Rund 80 herzchirurgische Abteilungen gibt es in Deutschland, die meisten in Universitätskliniken oder Herzzentren. Fast alle planen die Einführung von Hybrid-OPs. Rund zwei Dutzend haben eine solche Doppel-Lösung bereits eingeführt. Für ältere Patienten, denen man aus gesundheitlichen Gründen bisher von einer Herzklappenoperation abgeraten hat, ergibt sich damit eine neue Möglichkeit für eine erfolgreiche Behandlung. Das ist ein enormer Fortschritt, denn immerhin wird heute ein Drittel bis die Hälfte aller Betroffenen nicht operiert. Besonders tragisch ist das, weil die Lebensqualität durch die Herzschwäche und andere Folgeerkrankungen enorm verringert wird. Die meisten Experten sind sich darin einig, dass der Hybrid-OP ein neuer und richtiger Trend in der deutschen Kliniklandschaft ist. Denn er erleichtert nicht nur die Herzklappen-Operation, sondern auch die Behandlung anderer komplexer Eingriffe – etwa die Operation angeborener Herzfehler bei Säuglingen. Darüber hinaus kann mit einem hochwertigen Angiographiesystem nach einer HerzBypass-Operation innerhalb von Minuten exakt kontrolliert werden, ob der Bypass perfekt sitzt. Auch das ist ein erheblicher Gewinn, wenn man bedenkt, dass rund 14 Prozent aller Bypässe nicht optimal platziert werden, wie eine Studie an der Vanderbilt Universität in den USA berichtet. Inzwischen geht man davon aus, dass der Hybrid-OP in Deutschland in rund fünf Jahren Standard sein wird. Weitere Infos: www.siemens.com/surgery


MÄRKTE

MEDIZINTECHNIK

Gesundes Wachstum INNOVATION Neue Technologien stärken das Patientenwohl, eröffnen ungeahnte medizinische Möglichkeiten und entlasten das Gesundheitssystem. Das Interesse der Anleger wächst.

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rdnet der Arzt eine Magenspiegelung an, ist das für Betroffene keine sonderlich freudige Nachricht. Denn das folgende Prozedere, bei dem ein Schlauch mit Videokamera durch Mund und Speiseröhre in den Magen eingeführt wird, ist unangenehm. Künftig werden Patienten nur noch eine dicke Kapsel schlucken müssen, an deren Enden zwei miniaturisierte Kameras Bilder zum Arzt funken. Science-Fiction? Nein. Siemens und Olympus Medical Systems Corporation haben kürzlich den Prototyp dieser neuen Technologie vorge-

stellt, mit dem bereits mehr als 50 Menschen untersucht wurden. Was allein etwas Überwindung kostet, ist, die clevere Kapsel zu schlucken. Sie ist 31 Millimeter lang und elf Millimeter dick. Navigiert wird sie von außen über eine Magnetsteuerung. Der Patient merkt davon nichts. Eine Innovation, die zeigt, wie leistungsfähig die hiesige Medizintechnikbranche ist. Und das hat einen Grund: „Deutschland hat in den zukunftsträchtigen Innovationsfeldern der Medizintechnologie durch die große Zahl gut ausgebildeter Ärzte, Forscher und

Ingenieure sowie den hohen Standard der klinischen Forschung beste Voraussetzungen, neue Produkte und Verfahren zur Marktreife zu führen“, erklärt Joachim M. Schmitt, Geschäftsführer und Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Medizintechnologie (BVMed). Die Branche entwickelt sich immer mehr zum Wachstumsmotor, zumal der Export von Medizintechnik kräftig zulegt. Dabei sind die Blicke nach China gerichtet. Das Land soll binnen fünf Jahren nach den USA zum weltweit zweitgrößten Markt avancieren. Nicht zuletzt, weil die medizinische Ver-

Prostatakrebs | MRT-gestützte Untersuchungsbefunde

Quantensprung in der Diagnostik Prostatakrebs ist mit jährlich 64.000 Neuerkrankungen in Deutschland die häufigste bösartige Tumorerkrankung bei Männern. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts sind zehn Prozent aller Krebstodesfälle bei Männern auf das Prostatakarzinom zurückzuführen. Eine der gängigsten Vorsorgeuntersuchungen ist die Bestimmung des PSASpiegels (Prostata-spezifisches Antigen) im Blut, wobei eine endgültige Abklärung letztlich immer über eine Gewebeentnahme erfolgen muss. Derzeit werden die schmerzhaften Prostata-Biopsien in der Regel ultraschallgesteuert über den Mastdarm (transrektal) durchgeführt. Häufig erbringt die Gewebe-

entnahme keinen verwertbaren Befund, obwohl der PSA-Wert weiter ansteigt. In diesen Fällen erfolgen nach sechs Monaten neue Gewebeentnahmen. Die in letzter Zeit zunehmend verwendete Magnetresonanztomographie (MRT) verbessert die Abklärungsdiagnostik allerdings erheblich. Eine von der MeVis Medical Solutions AG entwickelte Software ermöglicht erstmals auch eine gezielte MRT-gestützte Gewebeentnahme. Dazu wird die Interventionseinheit DynaTRIM der Firma Invivo Corp. verwendet, welche die genaue Platzierung der Biopsienadel im Gewebe mittels Einstellung von drei Freiheitsgraden ermöglicht. Die

MeVis-Software ermittelt hierbei die beste Einstellung für eine gewählte Zielposition. Durch diese gezielte Gewebeentnahme müssen weniger Proben entnommen werden, was Schmerzen und Risiken während des Eingriffs (wie Inkontinenz, Impotenz, etc.) minimiert. Bei einem negativen MRT-gestützten Untersuchungsbefund steigt die Wahrscheinlichkeit auf über 75 Prozent, dass kein Tumor vorliegt. Durch die Ersparnis von Biopsien und einer Reihe weiterer Kosten eröffnet diese Lösung allein in Deutschland ein gesundheitsökonomisches Einsparpotential von rund neun Millionen Euro jährlich. Weitere Informationen unter: www.mevis.de

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MEDIZINTECHNIK

ERFOLGSKURS „Deutschland hat beste Voraussetzungen, neue Produkte zur Marktreife zu führen“, so Joachim M. Schmitt (links). „Eine Exportquote von 65 Prozent belegt den Erfolg deutscher Medizintechnik“, ergänzt Dr. Tobias Weiler.

Routinediagnostik | Deutscher Technologieführer auf Wachstumskurs

Komplettlösungen für das Labor Weltweit führender Anbieter aller erforderlichen Routinediagnostik-Produkte für kleine und mittlere klinische Labors: Das ist das Ziel, das sich die Analyticon Biotechnologies AG aus Lichtenfels gesteckt hat. Das Familienunternehmen hat sich innerhalb weniger Jahre zum Technologieführer für Urindiagnostik und klinische Chemie entwickelt. Allein für dieses Jahr rechnet CEO Wolfgang Meyer mit einem Wachstum von 30 Prozent. Meyer zufolge macht die Qualität den Unterschied zu den Produkten anderer Hersteller aus. Bis zu elf Parameter kann ein Urin-

PRÄZISE Analyticon bietet Analysegeräte für Praxen und Labors, die auf die hochqualitativen Teststreifen des Hauses abgestimmt sind.

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Teststreifen der Analyticon Biotechnologies AG nachweisen. Eine Besonderheit ist ein hochwirksamer Ascorbinsäureschutz, der die Testfelder vor negativen Einflüssen von Ascorbinsäure (Vitamin C) abschirmt. Etwa 100 Millionen solcher Teststreifen werden jährlich in Lichtenfels hergestellt und in über 100 Länder weltweit exportiert. „Die Reklamationsquote geht nahezu gegen Null“, ergänzt Ralf Gasse, Leiter Marketing Service von Analyticon. Seit einiger Zeit werden Analysegeräte für Arztpraxen und kleinere bis mittelgroße Labors angeboten, die auf die Teststreifen abgestimmt sind. Mittels direktem Datentransfer können die Testergebnisse mit einem Knopfdruck in die elektronische Patientenakte eingefügt werden. Damit ist Fehlerfreiheit beim Auswerten der Teststreifen und dem Übertragen der Ergebnisse jederzeit gewährleistet. Das zweite Standbein der Analyticon Biotechnologies AG ist die Produktion klinischer chemischer Reagenzien zur Analyse von Blutplasma und Serum. Auch hier bietet das Unternehmen mit den Biolyzer-Geräten hochwertige Diagnostiksysteme, die die gesamte Palette an klinisch-chemischen Parametern bestimmen. In diesem Jahr kam mit dem Hemolyzer ein System zur Bestimmung von Blutkrankheiten wie Leukämie auf den Markt. Mit der Erweiterung des Produktportfolios um die Koagulation, der Diagnostik im Bereich der Blutgerinnung, sind alle Weichen hin zum Komplettanbieter in der Routinediagnostik gestellt. Infos unter: www.analyticon-diagnostics.com

sorgung längst noch nicht westlichen Standard erreicht hat. So verwundert es kaum, dass Analysten dort ein jährliches Wachstum der Branche von 20 Prozent erwarten. In den USA wird es auf absehbare Zeit zwar keine zweistelligen Wachstumswerte geben, doch auch hier geht es weiter stabil aufwärts: Die Marktforscher von Frost & Sullivan erwarten, dass der Umsatz mit medizinischen Geräten bis 2013 jährlich um durchschnittlich 9,3 Prozent zulegen wird. In den USA sind besonders innovative und hochwertige Produkte aus Deutschland gefragt. „Eine Exportquote von durchschnittlich etwa 65 Prozent belegt den Erfolg von Medizintechnik ‚Made in Germany‘ gerade im Ausland“, sagt Dr. Tobias Weiler, Leiter Spectaris-Fachverband Medizintechnik. Entsprechend optimistisch fiel die Herbstumfrage des BVMed aus, nach der das Wachstum der Branche ungebremst ist: Für dieses Jahr wird mit einem Plus von 5,5 Prozent gerechnet. Im Vorjahr waren es trotz Krise immerhin drei Prozent. Und die Unternehmen stellen kräftig ein: Die Hälfte der 139 befragten Medtech-Firmen hat neue Arbeitsplätze geschaffen – 96 Prozent der Unternehmen melden noch immer offene Stellen. Ein Beispiel für die schnelle und stabile Entwicklung von Medizintechnik-Unternehmen ist die hessische Analyticon Biotechnologies AG. Das Familienunternehmen hat sich innerhalb weniger Jahre zum Technologieführer im Bereich der Urin-Diagnostik und der klinischen Chemie gemausert. Das von Analyticon entwickelte Nachweisverfahren gilt als besonders sicher und umfassend, weil damit bis zu elf Parameter auf einmal untersucht werden können. Geschäftsführer Wolfgang Meyer treibt die Diversifizierung der Produktpalette voran, wird demnächst mit seinen 85 Mitarbeitern ein neues größeres Firmengebäude beziehen und verzeichnet allein für dieses Jahr ein Wachstum von immerhin 50 Prozent.


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MEDIZINTECHNIK

NOVUM Eine von der MeVis Medical Solutions AG entwickelte Software macht erstmals eine gezielte MRT-gestützte Gewebeentnahme im Rahmen einer Prostatauntersuchung möglich.

Am Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik (IBMT) in Potsdam arbeitet man derweil mit verschiedenen Partnern am sogenannten „Taschentuchlabor“. Ziel ist, ein miniaturisiertes Labor zu entwickeln, das überall einsetzbar ist. Dazu müssen völlig neue bioanalytische und diagnostische Verfahren entwickelt werden. Dann könnte künftig beispielsweise mit einem Schnauber in ein Taschentuch, das Biosensoren enthält, festgestellt werden, ob ein normaler Schnupfen anrollt oder eine gefährliche Influenza. Ohnehin sind innovative Biomaterialien ein kommender Wachstumstreiber der Branche, meint BVMed-Geschäftsführer Joachim M. Schmitt. Außerdem sieht er, wie unlängst auch die Leitmesse Medica zeigte, einen starken Trend im Zusammenwachsen von Medizintechnik und IT. Schmitt: „Durch die Mikrosystemtechnik werden die Implantate immer kleiner und intelligenter.“ Generell seien minimal-invasive Methoden sowie Navigations- und Hilfssysteme für chirurgische Instrumente ein Zukunftsthema. Aber nicht nur im OP kommt Patienten schonende Technik zugute. Auch besonders unangenehme Zahntaschenbehandlungen werden durch optische Technologien deutlich angenehmer als noch vor Jahren. Die Firma Helbo Photodynamic Systems hat ein neuartiges Verfahren zur Behandlung von bakteriellen Infektionen, vor allem der Parodontitis und der Periimplantitis, entwickelt, das schon bei der Erstbehandlung zum Erfolg führt und nicht in einer Tortur endet. Denn nun können optisch verschiedene Bakterien erkannt werden, die zu der Infektion des Zahnfleisches führen und damit gezielt per Laser bekämpft werden. Solche Innovationen sind ein Markenzeichen deutscher Medizintechnik. Das macht sie auch für Investoren attraktiv – selbst zu Krisenzeiten. Während sich in anderen Branchen Anleger und Beteiligungsfirmen im Jahr 2009 angesichts der Verwerfungen auf

den Finanzmärkten und der konjunkturellen Talsohle zugeknöpft zeigten, wurden im Medizinproduktemarkt weltweit mehr als 73 Milliarden US-Dollar investiert. Auch wenn gerade bei forschungsintensiven und gründungsnahen Unternehmen ein gewisses Risiko eingegangen wird, sind die Chancen auf kräftige Profite hoch. Auch Pharmaunternehmen, die unter schwindenden Margen und kostspieliger Entwicklung zu leiden haben, fahnden verstärkt nach Medizintechnikunternehmen, durch die sie ihr Portfolio

breiter aufstellen können. Nicht zuletzt, weil Medizinprodukte höhere Margen versprechen. Denn sie lassen sich schneller entwickeln und meist weniger aufwendig herstellen. Die Branche wird sich also auch künftig keine Sorgen machen müssen. Mit einer Ausnahme: Wie in allen technisch-naturwissenschaftlichen Berufen mangelt es schon heute an qualifizierten Fachkräften.

Chris Löwer

Zahnmedizin | Parodontitis effektiv und schmerzlos behandeln

Heilender Laserstrahl Immer mehr Menschen leiden unter Parodontitis. In der Gruppe der 35- bis 44-Jährigen sind fast 73 Prozent von dieser bakteriellen Infektion im Mundraum, die den Zahnhalteapparat irreversibel zerstören kann, betroffen – Tendenz steigend. Ursache: Bakterien. Folge: Zahnfleischbluten, Mundgeruch, Zahnlockerung – Zahnverlust! Die Behandlung ist schwierig und mit konventionellen Methoden kaum zufriedenstellend möglich. Abhilfe verschafft die antimikrobielle photodynamische Therapie. Bei dem Verfahren werden Zahnfleisch- und Knochentaschen zunächst professionell gereinigt, um die Beläge bestmöglich zu entfernen. Danach werden die Mikroorganismen

mit einer Farbstofflösung angefärbt und schließlich mit einem Niedrigenergielaser belichtet. Die Folgereaktion führt zur Bildung von aggressivem Sauerstoff, der die Bakterien zerstört. Die Entzündung schwindet innerhalb weniger Tage. Das innovative Verfahren ist schmerz- und nebenwirkungsfrei. Überdies

hilft es in vielen Fällen, chirurgische Interventionen oder die Verabreichung von Antibiotika zu vermeiden – Therapien, deren Erfolge zumindest fraglich erscheinen. Die Wirksamkeit des Verfahrens in der Zahnmedizin ist wissenschaftlich erforscht und in vielen Studien belegt. Infos: www.helbo.de

THERAPIE Durch das Laserlicht kommt es zur Bildung von hochreaktivem Sauerstoff. In kürzester Zeit werden die krankheitsauslösenden Bakterien zerstört.

VISAVIS ECONOMY

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