vorwärts-Sonderausgabe vom SPD-Parteitag

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vorwärts

Sonderausgabe zum PArteitag

Dezember 2012

D I E Z E I T U N G D E R D E U T S C H E N S O Z I A L D E M O K R AT I E

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Gratulation: Gertrud Steinbrück beglückwünscht ihren Ehemann. Gerade wurde er mit 93,5 Prozent zum Kanzlerkandidaten gewählt.

Inhalt Eröffnung Seite 3

Startschuss zum wahlsieg

Foto: Jochen Lübke/dpa

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eer Steinbrück ist Kanzlerkan­ didat der SPD. Auf dem außer­ ordentlichen Parteitag der So­ zialdemokraten in Hannover erhielt der 65-Jährige 93,5 Prozent der Dele­ giertenstimmen. 542 der 583 Delegier­ ten stimmten für, 31 gegen ihn. Es gab sieben Enthaltungen und drei ungülti­ ge Stimmzettel. Der Saal feierte Stein­ brück mit zwölfminütigem Applaus. Vor seiner Wahl hatte Steinbrück in einer rund hundertminütigen Rede

Eckpunkte einer künftigen rot-grünen Regierung skizziert und erneut klar ­gemacht, dass er für eine große Koa­ lition nach der Bundestagswahl im kommenden Jahr nicht zur Verfügung steht. Unter den Teilnehmern des Par­ teitags waren auch die Alt-Kanzler der SPD Helmut Schmidt und Gerhard Schröder. Der Parteitag stand unter dem Motto „Miteinander. Für Deutsch­ ­ land.“, das sowohl Peer Steinbrück als

STimmungsbericht Seite 4

steinbrück-rede Seite 8

Am rande des Parteitags Seite 9

Gabriel-rede weil-rede Seite 10

pressestimmen Seite 11

Presseabend Seite 12

auch Sigmar Gabriel in ihren Reden mit Leben füllten. „Deutschland braucht wieder mehr Wir und weniger Ich“, for­ derte Steinbrück in seiner Rede, in der er „mehr Haltung und Werte“ in der deutschen Politik forderte und sich klar für ein rot-grünes Bündnis nach der Bundestagswahl aussprach. „Für eine große Koalition stehe ich nicht zur Ver­ fügung.“ Die Delegierten trafen sich auf dem Messegelände in Hannover. Trotz ­eines Wintereinbruchs in weiten Teilen Deutschlands schafften es die meisten, pünktlich um elf in Halle 7 zu sein. „Das Schneegestöber draußen ist nur ein kleiner Vorgeschmack auf den Wahl­ kampf“, sagte Manuela Schwesig aus dem Tagungspräsidium. „CDU/CSU und FDP müssen sich warm anziehen.“ n KD


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Parteitag 3

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Foto: Wolfgang Quickels, Jochen Lübke/dpa, Dirk Bleicker

Liebe Leserin, lieber Leser! „Nicht verzagt“, nicht kleinmütig: So soll Peer Steinbrücks SPD sein. Nicht verzagt und alles andere als kleinmütig war die Art, in der Steinbrück die Delegierten des Parteitags erst für sich erwärmte, dann verblüffte, schließlich überzeugte und, etwa ab Minute 40 seiner Rede, mitriss. „Wir Sozialdemokraten“: Immer wieder betonte Steinbrück das Wir – und die Gründe, aus denen er vor 43 Jahren der SPD beigetreten ist. Wegen Willy Brandt. Aus Opposition zu der Feindseligkeit, die Brandts Versöhnungspolitik aus Reihen derer entgegenschlug, die sich konservativ nannten. Wegen der „politischen Lebenslügen der chauvinistischen Kräfte in der CDU/CSU“. Und weil die SPD nie auf der falschen Seite der Geschichte gestanden habe. Da sprach kein verhinderter Banker, kein entrückter Großbürger, kein arroganter Apparatschik. Sondern einer, dem es um die „gesamte Bandbreite sozialer Herkünfte“ geht, der wachen Sinnes und manchmal staunend erlebt, was um ihn herum geschieht. Ein Lernender. Einer, der regieren will, und dem man glaubt, dass er regieren kann. Dabei beließ er es nicht. Der Kanzlerkandidat der SPD zeichnete Umrisse eines klaren Regierungsprogramms. Eines, das den Staat stärkt – um denen helfen zu können, die von Starken sonst an den Rand gedrängt werden. Ein Programm, das auf Bildung setzt, auf Teilhabe, auf starke Kommunen und gestärkte Familien, auf die Buntheit der Gesellschaft. Ein Programm, das sich klar und „unverzagt“ zu Europa bekennt. Auf Miteinander. Peer Steinbrück hat sich in Hannover eindrucksvoll zu den Werten der 150-jährigen Sozialdemokratie bekannt. Er hat es verstanden, gleichzeitig Erhard Eppler, Helmut Schmidt, Gerhard Schröder und Willy Brandt verbal zu umarmen. Und die SPD hat in Hannover Peer Steinbrück als einen der ihren erkannt. Nicht wenig für einen kurzen Parteitag.

Uwe Knüpfer Chefredakteur

Hannover 9.12.2012

Hannelore Kraft: Es ist Zeit für den Wechsel, denn nur noch neun Prozent wollen Schwarz-Gelb.

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Wechselstimmung ist unübersehbar

Das ­Geheimnis Hannelore Kraft Die SPD-Vize sieht die SPD als Programmpartei, die CDU als inhaltsleere Hülle unserer Wahlerfolge Von Carl-Friedrich Höck n ihrer Eröffnungsrede auf dem SPDKraft. Es sei Zeit, dass wieder eine sozialautet: Parteitag zieht NRW-Ministerpräsile Politik gemacht wird. Hierfür sei Peer ­versprochen, dentin Hannelore Kraft eine Bilanz Steinbrück der richtige Kandidat. des zurückliegenden Jahres. Dabei greift Kraft verweist auf die Erfolge der SPD gehalten! sie die Bundesregierung scharf an. Merbei den zurückliegenden LandtagswahHannelore Kraft

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IMPRESSUM Das Heft zum SPD-Bundesparteitag 2012 erscheint in der Berliner vorwärts ­Verlagsgesellschaft mbH Postfach 610322 10925 Berlin Tel.: 030/25594-320 Fax: 030/25594-390 E-Mail: ­ redaktion@vorwaerts.de Herausgeberin: Andrea Nahles Redaktion: Chefredakteur: Uwe Knüpfer Textchef: Lars Haferkamp Chefin vom Dienst: Dagmar Günther Bildredaktion: Hendrik Rauch Layout: Jana Schulze Geschäftsführer: Guido Schmitz

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kel verspreche eine Politik mit Kompass, sagt Kraft und kontert: „Dann ist die Regierung auf einem magnetischen Nordpol.“ Dort drehe sich die Nadel immerzu im Kreis. Kraft gibt sich überzeugt, dass die Bundesregierung im kommenden Jahr abgelöst wird. Nur noch neun Prozent der Wähler sprächen sich für eine schwarzgelbe Koalition aus. „Wenn das keine Wechselstimmung ist, was dann?“ fragt

len. „Das Geheimnis unserer Wahlerfolge lautet: versprochen, gehalten!“ sagt sie. Auch im Bundestagswahlkampf werde die SPD Klartext reden und nicht mehr versprechen, als sie halten kann. Die Unterschiede zwischen der SPD und der CDU beschreibt Kraft so: Die CDU sei eine inhaltsleere Hülle, eine Merkel-Wahl-Partei. Die SPD sei eine Programmpartei, die für den Zusammenhalt in Deutschland stehe. n

Bessere Gesellschaft

Ordnung auf dem Arbeitsmarkt, für Investitionen und Bildung, für soziale Sicherheit und ein modernes Familienbild braucht eine klare Vorstellung von einer besseren Gesellschaft“, heißt es in der Resolution. n CFH

Resolution Die SPD will den Zusammenhalt fördern Zum Abschluss ihres Parteitages haben die Delegierten der SPD eine Resolution verabschiedet. Darin kritisieren sie die Politik der schwarz-gelben Regierung und fordern, den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland zu fördern. Trotz Krise stehe das Land vergleichsweise gut da, heißt es in dem Papier mit dem Titel „Miteinander. Für Deutschland.“ Garanten hierfür seien Sozialstaat, Sozialpartnerschaft und aktive Wirtschaftspolitik. Die Bundesregierung lebe von der bestehenden Substanz, sorge aber nicht vor und verleugne die Probleme der Menschen im Alltag. „Eine konsequente Politik für eine neue

Der komplette Text ist auf spd.de nachzulesen.

Einstimmig angenomen: Die Resolution ­„ Miteinander. Für Deutschland“


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Große Vergangenheit, gute Zukunft: Die AltKanzler Helmut Schmidt und Gerhard Schröder wünschen Peer Steinbrück alles Gute für die Bundestagswahl 2013.

„Ich erwarte vom Parteitag ein deut­ liches Signal des Aufbruches. Und dass das Volk merkt, dass wir die einzige Alternative zu Schwarz-Gelb sind. Ich hoffe auf eine spannende Debatte. Wir haben Peer Steinbrück schon aus Schleswig-Holstein als durchsetzungs­ starke Persönlichkeit kennen gelernt. Deshalb ist er sicherlich die geeignete Person, Merkel zu besiegen. n

Kai Dolgner ­Delegierter aus ­Schleswig Holstein

Leidenschaft überzeugt Ich bin hierher gekommen, um mir ein besseres Bild von Peer zu verschaffen: inhaltlich sowie persönlich. Meine Erwartungen sind erfüllt worden. Peers persönliche Leidenschaft und Über­ zeugung haben sich auf mich übertra­ gen. Ich nehme viel Motivation und Rückenwind für den Wahlkampf auf der Straße mit.“ n

Susann Rüthrich ­Delegierte aus Sachsen

»Das war richtig gut!« Stimmungsbericht Es ist kalt in Hannover. Die Delegierten klatschen sich warm. Und je länger Steinbrück spricht, umso begeisterter sind sie Von Karl Ludwig

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eer Steinbrück hatte sich schon am Vorabend des Parteitags aus­ gesprochen entspannt gezeigt: unverkrampft. Und konditionsstark. Nicht jeder plaudert am Vorabend einer Rede, die „groß“ zu sein hat, bis in die Puppen entspannt mit Journalisten. Die BamS hatte die Latte, über die der Kandi­ dat in Hannover zu springen hatte, mild bösartig so beschrieben: „Heute um 12.20 Uhr hält Peer Steinbrück den wichtigsten Vortrag seines Lebens.“ Auf seine gut gezahlten Vorträge geht Steinbrück erst ganz am Ende seiner schließlich großen, langen Rede ein. „Be­ rührt“ habe ihn die Solidarität, die er in den letzten Wochen erfahren habe: „Das werde ich nicht vergessen.“ Er habe da­ raus gelernt. Heftiges Schneetreiben verzögert den Beginn des Parteitags. Die fröstelnden De­ legierten finden sich in einer gut geheiz­ ten und zum Rund gestalteten Halle wie­ der. Mit riesigen Stellwänden in warmem Rot. Und einem Roten Teppich in der Mit­ te. Der Parteitag ist schnell aufgewärmt, er klatscht sich warm. Vor allem bei Sig­ mar Gabriels Rede. Der Parteivorsitzende lässt nichts aus, an dem sich das Versa­

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Glückwünsche: Der Parteitag gratuliert Erhard Eppler zum 86. Geburtstag, links neben ihm Franz Müntefering.

gen der schwarz-gelben „Chaostruppe“ vorführen lässt. Er spricht von „Muttis letztem Kindergeburtstag“ – dem vor­ erst letzten Koalitions-„Gipfel“. Von „vier Jahren Anarchie“ im Bundeskanzleramt, einer „Geisterregierung“. Es ist längst viel später geworden als 12.20 Uhr, als endlich der Mann ans Red­ nerpult tritt, um den sich alles dreht an diesem Tag in Hannover. Peer Steinbrück greift sich zunächst einen Blumenstrauß – und steigt hinab zur ersten Delegierten­ reihe, dort, wo ganz besondere Ehrengäste Platz genommen haben. Helmut Schmidt sitzt dort, Egon Bahr, Gerhard Schröder, Franz Müntefering. Und: Erhard Eppler. Für ihn sind die Blumen. Er wird an die­ sem Sonntag 86 Jahre alt. Zum ersten Mal an diesem Tag steigert sich der Applaus ins Rhythmische. Viel habe er gelernt von Erhard Eppler, versichert Steinbrück, viel habe die Partei ihm zu verdanken. Die Kanzler Schmidt und Schröder be­ schreibt er als Vorbilder, die Haltung zeig­ ten, gerade auch in schweren Zeiten. Die aber auch, beide, Deutschland moderni­ sierten. Ausdrücklich erinnert Steinbrück an die „moderne Familienpolitik“, an die „ökologisch orientierte Steuerpolitik“,

Fotos: dpa/Kay Nietfeld, Dirk Bleicker; Tassilo Oestmann (2)

Signal des Aufbruchs


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Fotos: Dirk Bleicker (2), Tassilo Oestmann (2), Werner Loewe (2)

schließlich an Schröders „mutige Haltung, Deutschland aus dem Abenteuer des Irak-Krieges herauszuhalten.“ Von der nun bald 150-jährigen Tradition der Sozialdemokratie spricht Steinbrück und davon, dass es Deutschland immer gut getan habe, wenn Sozialdemokraten regierten. Zum ersten Mal sind, verhalten noch, „Bravo!“-Rufe zu hören. „Ja, ich bin stolz, ein deutscher Sozialdemokrat zu sein.“ Ungläubiges Glucksen in den Reihen der Journalisten. Haltung und Werte: Daran habe man große Sozialdemokraten erkannt. Otto Wels, Kurt Schumacher, Willy Brandt. Helmut Schmidt: „Deshalb darf er im Fernsehen auch rauchen.“ Prompt greift der Altkanzler in seine Jackentasche, zieht eine Zigarette hervor und zündet sie an. Haltung zu zeigen und ebenfalls werteorientiert zu handeln verspricht Steinbrück, sollte er zum Kanzler gewählt werden. Einer rot-grünen Bundesregierung wohlgemerkt. Für nichts anderes stehe er zur Verfügung, für nichts halbes, und er empfehle jedem, auch über nichts anderes zu spekulieren. Da steigert sich der Applaus über jedes bloße Höflichkeits­ niveau hinaus. Wie eine solche Politik aussehen werde, skizziert Steinbrück und liefert Details: Einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn will er einführen, eine „armutsfeste Solidarrente“, eine Bürgerversicherung für Alle, eine Frauenquote, 25 Milliarden Euro zusätzlich für Bildung ausgeben: Steinbrück erwirbt sich nun die wachsende Zustimmung fast aller Delegierten. Immer öfter ist jetzt ein „Bravo!“ zu hören. Das Wahlergebnis von 93,45 Prozent ist ab jetzt keine Überraschung mehr. Steinbrück bezeichnet die CDU als ideen- und wertelos, als reine „Machtmaschine“. Selbst Ludwig Erhard würde

Keine Zweifel mehr „Die ganze Organisation des Parteitags war sehr gut und die Rede von Peer hat mich persönlich überzeugt. Wenn alles von dem, was er gesagt hat, nur in Ansätzen verwirklicht wird, bin ich zufrieden. Vor allem hat mir seine eindeutige Positionierung zur großen Koalition gefallen, nämlich dass er persönlich dafür nicht zur Verfügung steht. Ich habe vor der Rede von Peer über mein Stimmverhalten gezweifelt, jetzt bin ich überzeugt, für ihn zu stimmen.“ n

Die ganze Familie unterstützt den Kandidaten: Ehefrau Gertrud und die Töchter Katharina und Anne (v.l.)

Grund zur Freude: Generalsekretärin Andrea Nahles organisierte den rundum gelungenen Parteitag.

dieser Partei heute nicht mehr angehören wollen. Schließlich habe Erhard postuliert: „Wirtschaftspolitik ist nur dann und solange gut, als sie dem Menschen zu Nutzen und Segen gereicht.“ Spätestens jetzt johlen die ersten. Die Regierung Merkel erfinde Aufkleber statt zu regieren: „Das Jahr der Entscheidungen“, „Der Herbst des Vertrauens“, „Energiewende“. Steinbrück: „Diese Etiketten kleben auf leeren Flaschen.“ Heiterkeit. Bei Frau ­Merkel bleibe „zu vieles im Ungefähren – und genau das ist gefährlich.“ Steinbrück, jetzt gekonnter Komödiant, Pointen setzend, wo sie sitzen müssen: „Wenn ich gelb seh’, seh’ ich schwarz. Wenn ich schwarz seh’, seh’ ich rot.“ Pause. „Außer bei Borussia Dortmund.“ „Jetzt badet er,“ kommentiert das ein erfahrener Steinbrück-Beobachter auf der Pressebank. Ausdrücklich lobt der in der Mitte seiner Partei angekommene Redner jetzt den Parteivorsitzenden, zitiert ihn aus dessen „sehr großer Rede“ in Dresden 2009. Die Mitte sei kein fester Ort: „Die politische Mitte hat gewonnen, der in den Augen der Menschen die richtigen Fragen und die richtigen Antworten bereithält.“ Das sei heute, auch und gerade wegen Gabriel, die SPD. Sigmar Gabriel, der gerne spottet, scheint feuchte Augen zu haben. Später werden auch noch Frank-­ Walter Steinmeier und Andrea Nahles gelobt. „Eine Troika,“ macht sich Steinbrück über kleinmütige Skeptiker lustig, „ist gut – schon weil die anderen keine haben.“ Steinmeier sei ein Freund und wichtiger Ratgeber. Und an die „liebe Andrea“ gewandt: „Es gibt sogar in der Politik die beglückende Erfahrung, dass Menschen zueinander finden können, bei denen man es nicht erwartet hätte.“ Der Generalsekretärin fällt es zu, den „wunderbaren“ Parteitag zu schließen. Sie tut es strahlend, mit lauter Stimme und nimmt eine Anleihe bei den vier Musketieren: „Einer für Alle! Alle für Einen!“ „Richtig herzerwärmend,“ lässt sich eine strahlende Delegierte vernehmen, als sie an der Garderobe in ihren Mantel schlüpft: „Richtig gut!“ n

Siegfried Müller Delegierter aus dem Saarland

GroSSe Mehrheit „Die Stimmung ist gut, das merkt man. Es ist echt klasse hier und Peer ist der richtige Mann zum richtigen Zeitpunkt. n

Svenja Schulze ­Delegierte aus NRW und dortige Wissenschaftsministerin

Sehr substanziell „Das war eine sehr substanzielle Rede. Er hat alle Punkte, die uns bewegen, überzeugend angesprochen“. n

Karin Timmermann ­Delegierte aus ­Hamburg

Sehr gute Rede „Das war eine sehr gute Rede. Er hat alle Bereiche sehr tiefgehend angesprochen. Mich hat besonders beeindruckt, wie er für Europa geworben hat.“ n

Wilmya Zimmermann Delegierte aus Bayern, ehemalige EuropaAbgeordnete


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die welt der spd Rundumblick An diesem Sonntag schaute ganz Deutschland nach Hannover. Schauen Sie mit!

Foto: Michael haddenhorst

So eisig es am 9. Dezember in Hannover auch ist, so warm wird es den Delegierten des SPD-Parteitags in der Messehalle. Nicht etwa, weil die Parteitagsregie die Saalheizungen aufgedreht hätte. Nein, die Delegierten klatschen sich warm. Zunächst bei der Rede des Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel. Dann, und das ist temperaturmäßig der Höhepunkt, bei der grandiosen Rede Peer Steinbrücks. Je länger Steinbrück redet, umso mehr kommt er auf Betriebstemperatur. Bis es die Delegierten nicht mehr auf den Sitzen hält und sie ihm 11 Minuten Standing Ovations spenden. n

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Ich will eine rot-grüne Mehrheit für dieses Land.

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Peer Steinbrück

Peer Steinbrück setzt auf Angriff: „Ich möchte mit Euch für einen Regierungswechsel kämpfen.“

Mehr wir Für Deutschland Peer Steinbrück Der Kanzlerkandidat beschwört die Geschichte der SPD und fordert eine R ­ ückbesinnung auf Haltung und Werte Von Kai Doering zu ihnen geredet – eine halbe Stunde länger als vorgesehen. „Die deutsche Politik muss wieder von Haltung und Werten bestimmt werden.“ Das ist Steinbrücks Botschaft an diesem Sonntagnachmittag. Und für den Kanzlerkandidaten ist klar: „Niemand kann das besser als die SPD.“ Steinbrück erinnert an Otto Wels, der

Die SPD ist die WirPartei.

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Peer Steinbrück

Fotos: Jochen Lübke/dpa, Kay Nietfeld/dpa

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ie wollen ihn gar nicht gehen lassen. Zehn Minuten klatschen die 600 Delegierten des Sonderparteitags in Hannover bereits und machen keine Anstalten aufzuhören. Peer Steinbrück hat zu diesem Zeitpunkt schon den Spitzenkandidaten für die niedersächsische Landtagswahl Stephan Weil zu sich auf die Bühne geholt. Er hat sich bei Helmut Schmidt, Gerhard Schröder und Franz Müntefering bedankt und sich schon zweimal auf seinen Platz gesetzt. Doch die Delegierten klatschen einfach weiter. Einige rufen „Zugabe“. Erst nach zwölf Minuten lassen sie Thorsten SchäferGümbel vom Parteitagspräsidium wieder zu Wort kommen. Keine Frage: Peer Steinbrück hat es geschafft. Der 65-Jährige hat mit einer teils nachdenklichen, teils mitreißenden Rede begeistert und die Delegierten auf seine Seite gebracht. Fast zwei Stunden hat er

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1933 gegen das „Ermächtigungsesetz“ der Nazis sprach – als einziger Vertreter einer demokratischen Partei im Reichstag. Dieses Verhalten mache ihn stolz, „stolz, ein deutscher Sozialdemokrat zu sein“. Von Wels schlägt Steinbrück den Bogen zu den Morden der NSU und dem sich wieder ausbreitenden Rechtsextremismus in Deutschland. „Die Bundesregierung verharmlost rechte Gewalt, indem sie rechte mit linker Gewalt gleichsetzt“, kritisiert er und verspricht: „Wir werden diese Extremismusklausel abschaffen und alle unterstützen, die sich gegen Nazis engagieren.“ Immer wenn Peer Steinbrück konkret wird, brandet heftiger Jubel auf in Halle 7 auf dem Hannoveraner Messegelände, sei es bei der Gleichstellung („In meinem Kanzleramt wird eine Staatsministerin für Gleichstellung von Frauen und Männern zuständig sein.“), den Mieten („Als Bundeskanzler möchte ich einen ‚Nationalen Aktionsplan Wohnen und Stadtentwicklung‘ in Gang setzen.“) oder der Energieversorgung („Ich werde als Bundeskanzler die Energiewende zu meiner persönlichen Sache machen.“). Und Peer Steinbrück sagt klar, mit wem er all dies erreichen möchte. „Ich will eine rot-grüne Mehrheit für dieses Land“, sagt er unter dem Jubel der Delegierten. Der schwillt noch an als Steinbrück hinzufügt: „Für eine große Koalition stehe ich nicht zur Verfügung. Ich möchte einen ganzen Regierungswechsel.“ Steinbrück präsentiert sich in Hannover als ein Kandidat, der sich ganz in den Dienst der Partei und des Landes stellt. „Die SPD ist die Wir-Partei“, betont er und dankt im Laufe seiner Rede sowohl Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier als auch Andrea Nahles für ihre Unterstützung. Einen besonderen Dank richtet er an die Delegierten. „Meine Vortragshonorare waren Wackersteine“, gesteht er ein. „Danke, dass ihr diese Last ertragen habt.“ Nun gelte es, in die Zukunft zu blicken. „Ich möchte mit Euch für einen Richtungswechsel kämpfen“, ruft Peer Steinbrück den Delegierten zu, damit es im September zu einem Regierungswechsel komme. „Deutschland braucht wieder mehr Wir und weniger Ich.“ n

Klare Ansage: „Für eine große Koalition stehe ich nicht zür Verfügung. Ich möchte einen ganzen Regierungswechsel.“


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Bei Glühwein und Maronen

Termine 20. Januar 2013 Landtagswahl in Niedersachsen

Dialog Die SPD-Spitze sucht in Hannover, weitab vom Parteitagsgelände, das Gespräch mit den Bürgern

23. Mai 2013 Staatsakt 150 Jahre ­Deutsche Sozialdemokra­tie in Leipzig

Vor der Dialog-Box: SPD-Chef Stephan Weil notiert die Anregungen der Bürger.

17./18. August 2013 Deutschland-Fest der SPD in Berlin

Boxen-Stopp „Beeindruckend“ findet der SPDLandtagskandidat Michael Höntsch die Dialog-Box der SPD in Hannovers Innenstadt. Als Vorbild dienten die begehbaren Info-Säulen, die in Berlin an touristischen Zentren stehen. In der Dialog-Box können die Bürger ihre Ideen und Vorschläge hinterlassen, was in Deutschland besser werden soll. Ab Mai wird sie im Bundestags-Wahlkampf eingesetzt und auf Deutschlandtour gehen. Michael Höntsch nutzt die Box, um mit den Bürgern ins Gespräch zu kommen. Von den Leuten wird sie sehr gut angenommen, berichtet er. Ihm seien vor allem vielen Fragen zu Bildung und Studiengebühren gestellt worden. „Wir werden die Studiengebühren abschaffen“, stellt Michael Höntsch klar. n TO

15. September 2013* Landtagswahl in Bayern 22. September 2013* Bundestagswahl * voraussichtlich

Da gucken die Niedersachsen: Peer Steinbrück scherzt auf dem Weihnachtsmarkt in Hannover.

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ie war doch bei ‚Verstehen sie Spaß’“, staunt Silas Schürmann. Der 6-Jährige hat Hannelore Kraft in Hannovers Fußgängerzone entdeckt. Neben Kraft haben sich auch Manuela Schwesig, Stephan Weil, Klaus Wowereit und Peer Steinbrück unter die Weihnachtseinkäufer gemischt. Fernab vom

Parteitagslände suchen sie das Gespräch mit den Bürgern. Denn viele werden nicht mit Parteitagen überzeugt, sondern durch das persönliche Gespräch. Auch wenn die SPD-Führung dabei kaum Zeit für das reichhaltige Angebot des Weihnachtsmarkts hat: Bei Temperaturen unter Null nimmt man sich doch einen Augenblick für Glühwein und Maronen. n TO

Ungewöhnliche Hymne Sportliche ­Weihnachtsmänner

Fotos: Dirk Bleicker (3), Tassilo O estmann

Erster »Santa Run« Nach London und New York wird am Sonntag auch in Hannover erstmals ein „Santa Run“ ausgetragen. In Weihnachtsmannkostümen joggen oder skaten einige Dutzend Menschen durch die Innenstadt. Dabei geht es nicht ums Gewinnen, sondern um Spaß – und einen guten Zweck. Denn von den Teilnehmergebühren geht ein Teil an die Weihnachtshilfe der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“. Verabschiedet werden die Weihnachtsmänner und -frauen vor dem Eingang der SPD-Parteitagshalle von Andrea Nahles und Stephan Weil. „Ihr habt ein bisschen Pech gehabt“, bekundet Weil den Teilnehmern sein Mitgefühl. Denn diese starten bei Minusgraden, Schnee und Eis. Gut gelaunt wirken sie trotzdem, als sie sich auf den Weg in die Stadt machen. n CFH

14. April 2013 Außerordentlicher ­SPD-Bundesparteitag in Bayern

Lieder Die Delegierten singen „You‘ll never walk alone“

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uf Peer Steinbrück kommen stürmische Zeiten zu. Als Kanzlerkandidat der SPD steht er im Fokus der Medien und wird von den Politikern der Regierung attackiert. Die Delegierten haben ihm nun auf ungewöhnliche Weise ihre Unterstützung versprochen. Zum Abschluss des SPDParteitags stimmen sie das Lied „You‘ll never walk alone“ an – gemeinsam mit dem DGB-Chor Hannover. Im Text heißt es: „Wenn du durch einen Sturm gehst, geh erhobenen Hauptes... geh weiter, mit Hoffnung in deinem Herzen, und du wirst niemals alleine gehen.“ Steinbrück dürften diese Zeilen bekannt sein. Denn seit den 1960er Jahren hat es sich von Liverpool aus in Fußballstadien weltweit verbreitet. In Deutschland gehört es zum Liedgut der Fans von Borussia Dortmund. Und wer sitzt dort im Aufsichtsrat? Richtig, Peer Steinbrück.

„Seit an Seit“: Die Delegierten stimmen auch die traditionelle SPDHymne an.

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Natürlich singen die Delegierten auch noch einen zweiten Klassiker – diesmal einen sozialdemokratischen. Für das Lied „Wann wir schreiten Seit an Seit“ benötigen sie nicht mal einen Textzettel. Schließlich werden die SPD-Parteitage seit den 1960er Jahren immer mit diesem alten Arbeiterlied beendet. n CFH


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Sigmar Gabriel Der SPD-Vorsitzende sagt, warum Peer Steinbrück die zentrale Rolle spielt – für die Soziademokratie und für Deutschland Von Kai Doering

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s ist keine ganz leichte Aufgabe, die Sigmar Gabriel zu meistern hat. Er muss die Delegierten auf die Rede des Kanzlerkandidaten einstimmen, ohne Peer Steinbrück allzu sehr vorzugreifen. Der SPD-Chef ist an diesem Sonntagvormittag eine Art Vorband für einen der „Stones“ wie Steinbrück und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier gerne genannt werden. Gabriel gelingt dies bravourös. „Wir müssen dafür sorgen, dass endlich das Gemeinwohl in Deutschland zurückkehrt“, ruft Sigmar Gabriel den Delegierten in Halle 7 der Messe in Hannover zu. Es gehe darum, „geschlossen und entschlossen alles dafür zu tun, Deutschland und Europa wieder eine bessere Richtung zu geben“. Geschlossenheit ist das Signal, das von Hannover ausgehen soll. „Miteinander. Für Deutschland.“ lautet das Motto. „Es geht nur miteinander“, betont auch Gabriel. Und der SPD-Chef bezieht dies nicht nur auf seine Partei, sondern auch auf die Bündnispartner in der Gesellschaft „auf Arbeitnehmer- wie auf Arbeitgeberseite“. Nur gemeinsam sei es möglich, die Probleme der Gesellschaft zu lösen, betont Gabriel. Die sind vielfältig: Arbeit, Bildung, soziale Gerechtigkeit, Alterssicherung und die Bedeutung der Demokratie sind nur einige, die Gabriel anspricht. „Wir nehmen den Kampf gegen Armut in unserem Land wieder

Sigmar Gabriel: „Die SPD ist das soziale Kompetenzzentrum in Deutschland.“

auf“, verspricht er. Gute Arbeit müsse endlich auch wieder zu gutem Lohn führen. Deshalb will die SPD nach der Bundestagswahl einen flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 Euro einführen. „Dabei geht es auch um die Würde der Arbeit.“ Auch dem demographischen Wandel sagt der SPD-Chef in Hannover den Kampf an. „Wer will, dass es in unserem Land wieder mehr Kinder gibt, muss gute Arbeitsbedingungen für junge Menschen schaffen“, erklärt Gabriel. Das zentrale Thema, „das den Menschen unter den Nägeln brennt“, sei aber die ungleiche Verteilung von Bildungs-

Das Signal von Hannover Stephan Weil Niedersachsens SPD-Spitzenkandidat hielt eine flammende Rede für den Wechsel in seinem Land Von Carl-Friedrich Höck

A

ls Spitzenkandidat der SPD Niedersachsen will Stephan Weil im Januar die schwarz-gelbe Landesregierung ablösen. Offiziell begrüßt er die Delegierten des SPD-Parteitags in Hannover als Oberbürgermeister der Gastgeberstadt. Doch natürlich nutzt er seine Begrüßungsrede auch für einen fulminanten Wahlkampfauftritt. Nach zehn Jahren unter SchwarzGelb habe Niedersachsen einen enormen Nachholbedarf, ruft Weil den Delegierten zu. Dies gelte besonders für die Bildung. „Wir sind Drittletzter im Ländervergleich bei der Versorgung mit Krippenplätzen.

Stephan Weil: Die Niedersachsen wollen den Wechsel.

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Schwierige ­Zeiten sind für uns Sozial­ demokraten nichts Neues. Sigmar Gabriel

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Wir sind Spitzenreiter bei den Schulabbrechern. Und, das ist besonders peinlich, wir sind neben Bayern das einzige Land, in dem es noch Studiengebühren gibt.“ Auch die Energiewende müsse endlich in andere Hände gelegt werden. Niedersachsen könne ein Gewinner der Energiewende werden, sagt Stephan Weil. Der Wind wehe hier über das Meer und die Küste bis tief ins Hinterland. „Aber bei uns gehen Offshore-Unternehmen pleite.“ Gleich drei aktuelle Umfragen zeigten, dass die Niedersachsen eine rot-grüne Mehrheit wollen. „Die Niedersachsen sind durch mit Schwarz-Gelb“, betont Weil. Seine Landespartei sei geschlossen und motiviert. Mit einem Sieg in Niedersachsen wolle sie auch das Ende der ­Regierung Merkel einleiten, „der schlechtesten Bundesregierung, die dieses Land

je hatte“. Was ihn und seine Mitstreiter antreibe, sei auch der Kampf gegen das Betreuungsgeld, das die Zukunft von Kindern aufs Spiel setze. Weil fordert die Delegierten auf: „Lasst uns dafür sorgen, dass das Betreuungsgeld ins GuinessBuch der Rekorde eingeht: Als das Gesetz mit der kürzesten, jemals gemessenen Geltungsdauer.“ Den SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück lobt Weil als Mann mit Format und Kragenweite. „Steinbrück kann Kanzler“, sagt Weil. Zum Schluss erinnert Weil an die Geschichte der SPD. 1945 habe Kurt Schumacher von Hannover aus mit dem Wiederaufbau der SPD begonnen. Er habe dazu beigetragen, dass es für Deutschland einen neuen Anfang geben konnte. Nun mache die SPD sich wieder in Hannover bereit, dem Land zu dienen. n

Foto:Michael Kappeler/dpa , Kay Nietfeld/dpa

»Peer ist der Richtige«

chancen. Die SPD will deshalb nach einem Sieg bei der Bundestagswahl das „Kooperationsverbot“ abschaffen, das dem Bund verbietet, die Länder in Bildungsfragen finanziell zu unterstützen. Um mehr Geld in die Bildung zu stecken, wollen die Sozialdemokraten auch Steuern für Wohlhabende erhöhen. „Die meisten, denen es gut geht, haben nichts dagegen, mehr Steuern zu bezahlen“, ist Gabriel sicher. Es müsse allerdings sichergestellt sein, dass das mehr eingenommene Geld auch tatsächlich in die Bildung fließe. Um all dies anzugehen, brauche Deutschland aber vor allem eines: „einen Regierungschef, der wirklich regieren und nicht eine Kanzlerin, die nur an der Macht bleiben will“. Peer Steinbrück sei „die richtige Person zur richtigen Zeit“. Als Bundesfinanzminister habe er bewiesen, dass er die Krise meistern könne. Steinbrücks Wissen in Wirtschaftsfragen gebe die richtigen Antworten auf die drängenden Fragen der Zeit und sei eine ideale Ergänzung zum Programm der SPD. „Die SPD ist das soziale Kompetenzzentrum in Deutschland“, hebt Gabriel hervor. Das allein reiche aber nicht aus. „Die soziale Kompetenz traut der SPD ohnehin jeder zu. Mit Dir Peer kommt auch die wirtschaftspolitische hinzu.“ Das Regieren werde in den kommenden Jahren zwar keine leichte Aufgabe, „aber schwierige Zeiten sind für uns Sozialdemokraten nichts Neues“. In ihrer 150-jährigen Geschichte seien sich die Sozialdemokraten ihrer Verantwortung stets bewusst gewesen. „Die SPD steht dafür, auch in Umbruchzeiten den Kurs zu halten“, erinnert der SPD-Chef. „In dieser Tradition wird Peer Steinbrück stehen. Du bist der Richtige für unser Land und deshalb bist Du der Richtige für uns.“ n


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»Er hat die Herzen der genossen gewonnen» Pressestimmen Peer Steinbrück hat nicht nur die SPD, sondern auch die Medien beeindruckt Wer glaubte, Peer Steinbrück werde bald durchdrehen und alles hinschmeißen, wird nun eines besseren belehrt. Der Kandidat Steinbrück will es wirklich wissen, er lässt sich von der Aufregung um seine Rednerhonorare nicht verrückt machen, sondern er kämpft. spiegel.de Er hat noch einmal sein Ziel Rot-Grün bekräftigt und der Großen Koalition entsagt, und zwar TINA-mäßig, there is no alternativ, für ihn jedenfalls. Er hat eine Staatsministerin für Gleichstellung und Frauen angekündigt, falls er es ins Kanzleramt schafft. Er hat sich sogar noch einmal zerknirscht wegen seiner Vortragshonorare (gezeigt). Und er hat gezeigt, dass er beileibe nicht nur über sein Leib- und Magenthema Finanzen reden kann. Sondern auch, zum Beispiel, über Wohnungsbau und effizientes Energiemanagement. Was zu beweisen war. stern.de Er sagte alles, was die Genossen hören wollten: Stärkung des Staates, armutsfeste Rente, bezahlbaren Wohnraum und Mindestlohn. Die CDU geißelte er als inhaltsleer und eine Partei, die „Popcornsätze“ produziere. Zugleich machte er einen unbedingten Machtanspruch für Rot-Grün geltend und betonte noch

einmal, dass er für eine große Koalition nicht zur Verfügung stehe. Die Rede hatte Längen, war aber mit so vielen Pointen gespickt, dass sie nicht langweilig wurde. rp-online.de Bemerkenswert ist, wie sehr Steinbrück konkret geworden ist: Nicht nur hat er sich auf Rot-Grün als einzige mögliche Koalition nach der Bundestagswahl festgelegt. Inhaltlich hat er zudem erste Pflöcke eingeschlagen. Er tritt für einen Nationalen Aktionsplan Wohnen und Stadtentwicklung ein, fordert eine Staatsministerin für Gleichstellung im Kanzleramt und will die Zuständigkeiten der Energiewende in einem neuen Ministerium bündeln. So streichelte er die Seele seiner Partei. noz.de Mister 93 Prozent.

Süddeutsche.de

Mit einer kämpferischen Rede hat er endlich die Herzen der Genossen gewonnen. Dass Deutschland wieder mehr „Wir“ und weniger „Ich“ braucht, ist ein packender Slogan, der den SPD-Wahlkampf prägen wird. Angesichts einer scheinbar unbeherrschbar gewordenen Marktwirtschaft, die jeden Tag mit brandneuen Krisen die Bürger verunsichert, ist der Appell an die

soziale Verantwortung goldrichtig. Peer Steinbrück, sonst ein kühler Pragmatiker und keineswegs Vertreter der Parteigruppe „Rote Pumpe“, hat in seiner programmatischen Rede eine überraschende Linkskurve gewagt. Mit der Ankündigung, der „soziale Wohlfahrtsstaat“ müsse das gesellschaftliche Ziel einer SPD-geführten Bundesregierung sein, hat er eine Richtung vorgegeben, die seine Partei zur klaren Alternative macht. derwesten.de Rund zwei Stunden später reißt es die Delegierten des Parteitages dann allerdings doch von den Stühlen. Sie applaudieren elf Minuten lang. Der Kandidat hat es geschafft, die Kluft zwischen sich und der Partei zu überbrücken. In Hannover redet Steinbrück nicht über die Themen, mit denen er sich bislang politisch hervorgetan hat, nicht über die Wirtschafts- und Finanzpolitik. Der 65-Jährige hat sich voll und ganz auf die SPD eingestellt. Er gibt den Sozialpolitiker, dem nichts mehr am Herzen liegt als die soziale Gerechtigkeit. Und er tut das gekonnt und offenbar für die Basis überzeugend. focus.de Nach dem verkorksten Wahlkampfstart und der Diskussion um Nebeneinkünfte ist die Anspannung groß. Straft die SPD

Ein Wald der SPD Spenden Sozialdemokraten schenken Israel Bäume

Peer Steinbrück ab und verdirbt ihm die Kür oder vergibt sie ihm? Doch die Sorgen lösen sich in Luft auf. Der Kanzlerkandidat hält eine starke Bewerbungsrede. Die Partei belohnt das mit einem überraschenden Ergebnis. n-tv.de Er begann seine Rede um 12:57 Uhr und legte dann über fast zwei Stunden hinweg bis 14:45 Uhr einen fulminanten Auftritt hin, der die SPD-Genossen zu einem gewaltigen Jubelsturm animierte. Fast elf Minuten Standing Ovations, drei Minuten länger als für Merkel auf dem CDU-Parteitag. bild.de Der SPD-Frontmann verspricht den sozialen Wohlfahrtsstaat, was für ihn nichts anderes bedeutet, als die Marktwirtschaft wieder stärker auf das Gemeinwohl zu verpflichten. Mit den entsprechenden Konsequenzen – aus sozialdemokratischer Sicht. Ein bisschen muss sich Steinbrück aber verbiegen – zur Freude der Genossen, aber wohl zu Lasten vieler in der Mitte der Gesellschaft. Denn nicht alles würde er so vorbehaltlos unterstützen, wenn er nicht der nächste sozialdemokratische Kanzler werden sollte. handelsblatt.de

stand haben wird.“ Mindestens 5000 Bäume soll der „Wald der SPD“ in der Wüste Negev umfassen. Für einen Baum benötigt man zehn Euro, für die es auf Wunsch eine Urkunde sowie eine Spendenbescheinigung gibt. Der „vorwärts“ beteiligt sich mit 600 Euro an der Ak­tion und spendet damit zwei Bäume pro Mitarbeiter. Auch der designierte Kanzlerkandidat Peer Steinbrück und Bundestagsfraktionschef Frank-Walter Steinmeier spenden Bäume. „Der Wald der SPD ist ein wunderbares Symbol unserer Verbundenheit“, findet Steinmeier. n KD Online spenden: spd-wald.jnf-kkl.de

FotoS: styleuneed/Fotolia.com, SPD

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uchen Sie noch das passende Geschenk zu Weihnachten? Wie wäre es mit einem Baum oder am besten gleich ein paar? Zum 65. Gründungstag Israels am 16. April 2013 hat die SPD eine besondere Geburtstagsidee. „Wir wollen Israel einen Wald schenken“, sagen Generalsekretärin Andrea Nahles und der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion Christian Lange. „Damit tragen wir nicht nur zur Aufforstung des Landes bei, sondern setzen auch ein Zeichen der Freundschaft und der Solidarität, das für lange Zeit Be-

Baumspender: Frank-Walter Steinmeier pflanzt einen Baum in der Wüste Negev


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1| Der Kandidat setzt auf geballte Frauenpower: u.a. mit Barbara Hendricks, Hannelore Kraft, Aydan Özoguz, Manuela Schwesig, Andrea Nahles und Doris-Schröder-Köpf 2| Gastgeber in der IG BCE-Zentrale: Gewerkschaftschef und Hausherr Michael Vassialidis 3| Kam gut an: Popmusik mit Jazz-Einschlag der Band „Kyeno“, hier Sängerin Jessica Drazkiewicz

»Das Grundgesetz ändern«

Hannover 9.12.2012

vorwärts-Presseabend Rund 600 Gäste feierten und diskutierten am Vorabend des Parteitags: Über das vorwärts-Titelbild und über das Grundgesetz Von Karl Ludwig

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7 7| Fulminante Rede: Stephan Weil, SPD-Spitzenkandidat in Niedersachsen, überzeugte

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5| Dialog über die Generationengrenzen hinweg: Manuela Schwesig und Egon Bahr 6| Experten für Kultur und Wissenschaft im Gespräch: Doris Ahnen und Julian Nida-Rümelin

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8| Niedersachsen verbindet: Hubertus Heil und Doris Schröder-Köpf 9| Scherze mit der Hauptstadtpresse: Peer Steinbrück, der begehrteste Gesprächspartner am vorwärts-Presseabend

Fotos: Dirk Bleicker (9)

4 4| Offenheit und Transparenz: Die Architektur der IG BCEZentrale beeindruckte

laus Wowereit müsse “jetzt ganz stark sein“, rief Hannovers Oberbürgermeister Stephan Weil den Gästen des vorwärts-Presseabends und unter ihnen Berlins Regierendem Bürgermeister zu: Deutschlands „amtierende Bundeshauptstadt“ sei nicht länger Berlin, sondern Hannover. Zumal auch der ARD-„Tatort“ am Sonntagabend aus Hannover komme. Womöglich müsse jetzt das Grundgesetz geändert werden. Sicher jedenfalls ist, knüpfte Peer Steinbrück an Weils „fulminante Rede“ an: Nach einem Wahlsieg Weils und der niedersächsischen SPD am 20. Januar „wird sich die politische Landschaft ändern“. Übrigens sei er in Niedersachsen, in Oldenburg, der SPD beigetreten, 1969. Noch ein Grund, das Grundgesetz zu ändern. Heiß diskutiert wurde unter den rund 600 Gästen das Titelbild des aktuellen „vorwärts“. Es zeigt Steinbrück als Lotsen, der ein Schiff besteigt. Entlehnt ist das Motiv vom britischen „Punch“, der 1890 Bismarck von Bord gehen sah: Deutschland und Europa schlingerten fortan unruhigen Zeiten entgegen. „Steinbrück und Bismarck: Wow!“, war der Berlin-Korrespondent einer Frankfurter Zeitung zu vernehmen.n


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