vorwärts Dezember 2013 - Januar 2014

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Dezember 2013/Januar 2014

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SPD-bundesParteitag

Foto: Dirk Bleicker

OFFENE Worte In Leipzig nach der Wahl 12 4 197407 502506


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Inhalt 3

12/2013-01/2014 vorwärts

themen in diesem heft

Fotos: Dirk Bleicker(2), J.H. Darchinger / Friedrich-Ebert-Stiftung, dpa/ Peter Popp

Liebe Leserinnen und Leser, Mancher hat gefragt, was dieser Bundesparteitag bringen solle, mitten in den Koalitionsverhandlungen mit der CDU/CSU, vor dem Mitgliedervotum über eine große Koalition? Das Treffen in Leipzig war unter anderen Umständen geplant, alle hatten damals noch auf einen Jubelparteitag nach einer erfolgreichen Bundestagswahl gehofft. Die Delegiertenversammlung hat dennoch ihren Zweck erfüllt. Es waren drei Tage der nüchternen Betrachtung und Analyse. Es war eine Bestandsaufnahme : Wo steht die SPD? Was ist schief gelaufen? Wo liegen die Perspektiven der Partei? Das war r­ichtig und wichtig. Die Delegierten haben deutlich gemacht, dass sie auch unzufrieden sind, dass sie Angst vor einer neuen großen Koalition haben – auch wenn diese Sorge in den Debatten weniger stark formuliert wurde als erwartet. Die Parteispitze hat ihrerseits noch einmal klar gesagt, dass für eine große Koalition entscheidende sozialdemokratische Versprechen umgesetzt werden müssen. Nicht zuletzt war dieser Parteitag aber auch ein deutliches sozialdemokratisches Signal für Europa. Das herausragende Wahlergebnis von Martin Schulz macht deutlich: Deutsche Sozialdemokraten wollen ein geeintes, starkes und soziales Europa. Und da gilt es, auch die Worte des italienischen Ministerpräsidenten Enrico Letta zu bedenken. Er plädierte in seiner Rede für eine große Koalition, damit die SPD Einfluss auf eine ordentliche Wachstumspolitik nehmen und Europa voranbringen könne. Denn das nächste EU-Parlament dürfe durch rechts­populistische Kräfte nicht „das anti-europäischste in der ­Geschichte“ werden. Worte, die wir gerade als ­Sozialdemokraten bedenken sollten!

Herzlich, Ihre

Titel Parteitag Leipzig  4  Wir alle sind die SPD – Sigmar Gabriel auf dem Parteitag  5  klare Sprache und Engagierte Debatten – Beschlüsse und Diskussionen auf dem Parteitag  6  ein hesse vorn – Der neue SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel  7  Europa demokratischer machen – Beschlüsse  8  sicherheit im Wandel – Zukunftsfähige Kommunen Die Wahlergebnisse – Parteivorstandswahlen  9  Wilhelm-Dröscher-Preis – SPD Bremerhaven siegt 10  erst die Arbeit, dann ins Stadtbad – Der vorwärts-Presseabend in Leipzig Aktuell 13  Danke, Herr Snowden! – Der NSA-Skandal

Seite 4

Kolumnen 11  global gedacht – Rafael Seligmann 12  Unser Europa – Peter Riesbeck 14  Zwischenruf – Birgit Sippel 28  Medienzirkus – Gitta List 34  Das Allerletzte – Martin Kaysh

In der SPD zu Hause: Helmut Schmidt wird 95 Jahre.

Seite 22

partei leben! Markante Marke – Für Willy Brandt 17  18  Kirmes-Genossen – Der OV Heiligengeistfeld r adler und sammler – Porträt Manfred 20  Kramer In der richtigen Partei – Helmut Schmidt 22  wird 95 Jahre alt

Wirtschaft Von Krise zu Krise hangeln – Interview zum 24  US-Haushaltsstreit mit Prof. Henrik Enderlein 25  Meine Arbeit – Der Rettungsassistent kultur 26  Rezensionen – u. a.: Jörg Armbruster „Brennpunkt Nahost“ 29  ein gerechter im Land der Feinde – Der Film über das Leben von Fritz Bauer historie 30  wir waren so stolz auf ihn! – Willy Brandt und die Euphorie der Jugend 32  Rot-grünes »feminat« – Vor 25 Jahren: der Senat Walter Momper in Berlin (West) 33  Wer war’s? – Lothar Pollähne

Redaktionsschluss 16. November 2013

Vorwärts-Regional Dezember/Januar Baden-Württemberg: Stuttgart

Unvergessen: Willy Brandt würde 100 Jahre alt. Seite 30

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11  In Kürze | 32  impressum 14  Leserbriefe | 33  Rätselseite 16  parlament | 34  seitwärts

Diese Ausgabe Enthält eine Anzeigen-SONDERVERÖFFENTLICHUNG ZUm Thema »Zukunft« Karin Nink Chefredakteurin

Klare Ansagen vor den Wahlen: SPD-Parteitag

Austausch S. 20-21

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Wir alle sind die SPD sigmar gabriel ­Schonungslos analysierte der SPD-Chef den ­Wahlausgang – und nahm die ­Parteimitglieder in die Pflicht Von Kai Doering und Yvonne Holl

Parteitag in leipzig

»

Uns gibt es nicht zum ­Nulltarif und nicht für ein paar Ministerposten.

«

Sigmar Gabriel, über einen möglichen schwarz-roten Koalitionsvertrag

W

ir haben mit zwei so schlechten Wahlergebnis­ sen hintereinander Anlass, uns eingehender mit unserer Wahl­ niederlage zu befassen.“ SPD-Parteichef ­Sigmar Gabriel sprach Tacheles, als er am 14. November beim Bundesparteitag vor 600 Delegierte und rund 2500 Gäste in der Leipziger Messe trat. Immer wieder höre er zwei Erklärungen zum schlechten Abschneiden der SPD bei der Bundestags­ wahl. Der Kanzlerkandidat habe nicht zum Parteiprogramm gepasst oder die Glaubwürdigkeitslücke der Agenda 2010 und der Reformpolitik unter ­ Gerhard Schröder sei noch nicht geschlossen. „Ich will nicht bestreiten, dass an beiden ­Erklärungen etwas dran ist“, so Gabriel. „Die Deutschen“, analysierte der SPDParteichef, „wählten diesmal Stabilität und Sicherheit. Sie wollten, dass es ihnen weiterhin gut geht. Und das haben sie mit großer Mehrheit eher der Union zu­ getraut und weniger uns.“ Gabriel betonte, es sei zwar richtig gewesen, sich im Wahlkampf besonders an die zu richten, die Probleme auf dem Arbeitsmarkt, in der Pflege oder mit der Rente haben. „Aber was ist eigentlich unser Angebot an die, die vor allem eins

wollen: die Fähigkeit, die wirtschaftliche Lage in Deutschland so stabil und gut zu erhalten wie sie ist oder manchmal auch nur scheint?“

Wachsende Kluft zu Kernwählern Die SPD werde von vielen nicht mehr als die Partei der kleinen Leute empfunden, kritisierte er. „Die wachsende kulturelle Kluft zu unserer Kernwählerschaft ist für mich der erschreckendste Befund“, so Gabriel. Er warb: „Lasst uns wieder einladender werden für Menschen, die sich politisch interessieren und engagie­ ren wollen – auch dann, wenn sie keinen Hochschulabschluss haben“. Gabriel befürwortete eine große ­Koalition – allerdings nur dann, wenn sich zentrale sozialdemokratische Forde­ rungen im Koalitionsvertrag wiederfän­ den. Der flächendeckende Mindestlohn von 8,50 Euro, mehr Mitbestimmung von Gewerkschaften und Betriebsräten, abschlagsfreie Rente nach 45 Beitrags­ jahren, die doppelte Staatsbürgerschaft und weitere Punkte wurden von ihm genannt. Der SPD-Chef blieb aber rea­ listisch: „Natürlich wird es Forderungen der SPD geben, die gegen die Union nicht durchzusetzen sind... Wer also 100 Pro­

zent des SPD-Wahlprogramms von uns erwartet, erwartet zu viel.“ Allerdings werde er den Mitgliedern, die Anfang Dezember über den Koali­ tionsvertrag entscheiden sollen, keinen Vertrag vorlegen, „der unklar ist“. Das betonte Sigmar Gabriel, als er im Rah­ men der Debatte über den Leitantrag zur Kommunalpolitik erneut das Wort ergriff. Hatte es nach Gabriels Rede am ersten Tag des Parteitags eher freundlichen Applaus gegeben, riss der SPD-Chef diesmal die Delegierten mit. Minutenlang spendeten sie ihm stehend Beifall – und das, obwohl Gabriel sie zuvor klar in die Verantwor­ tung genommen hatte. „Jeder in der SPD muss beim Mitgliedervotum so handeln, wie es der Vorsitzende tun würde. Wir alle sind die Führung der Partei“, stellte Gabri­ el klar. Es gehe bei der Entscheidung „um die Zukunft der deutschen Sozialdemo­ kratie in den nächsten 20 bis 30 Jahren“. Und das Verhalten der SPD-Mitglieder habe nicht nur Einfluss auf Deutschland. „Ganz E ­ uropa schaut auf diesen Parteitag“, rief Gabriel den Delegierten ins Gedächt­ nis, versprach ihnen aber auch: „Uns gibt es nicht zum Nulltarif und nicht für ein paar Ministerposten.“ Auch CDU und CSU werden das registriert haben. n

Foto: Dirk Bleicker

Zum dritten Mal zum Parteivorsitzenden gewählt: Mit 83,6 Prozent der Delegiertenstimmen wurde Sigmar Gabriel im Amt bestätigt.


Titel 5

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Klare Sprache und engagierte Debatten Parteitag Parteispitze und Delegierte analysierten selbstkritisch die ­Wahlniederlage. Sie diskutierten sowohl über Chancen und Risiken einer großen Koalition als auch über die notwendige Neuausrichtung der SPD Von Kai Doering, Sarah Kohlhauer und Vera Rosigkeit

Tobias Eckert (­ 32) Delegierter aus Hessen-Süd

Längst überfällig

Ernste Debatte, Blick nach vorn: Die SPD soll als linke Volks- und Reformpartei gestärkt werden

Fotos: Dirk Bleicker(3), Sarah Kohlhauer(3)

Gut fand ich die strategische Neuausrichtung, die die Partei beschlossen hat, mit dem ­Passus, dass man eine Koalition mit der Linkspartei nicht mehr dezidiert ausschließt. Das halte ich für längst überfällig. Und, dass wir auch die inhaltliche Neuerung weiter konsequent vorantreiben. n

Johanna Uekermann (26) Delegierte aus Bayern

Schluss mit Basta Andrea Nahles: Den mit der Parteireform begonnenen Weg der Erneuerung fortsetzen

Manuela Schwesig: Die SPD muss für eine moderne Familienpolitik stehen.

Optimismus statt Kleinmut „Man kann hinzugewinnen und trotzdem der Verlierer sein“, resümierte Frank-Walter Steinmeier. Und der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion gab zu: „Das schmerzt.“ Doch Steinmeier kann auch Erfreuliches berichten. „Ich spüre keinen Kleinmut und keine ­Bitterkeit, sondern Optimismus in der neuen Bundestagsfraktion.“ Die ist mit 193 Abgeordneten nicht nur um ein Drittel angewachsen, sondern auch „jünger, bunter und vor allem viel weiblicher“ geworden – eine gute Grundlage also für die kommenden vier Jahre.

Kein »weiter so« Sigmar Gabriels Rede war bemerkenswert nachdenklich. Er hat sehr genau hingeschaut, warum wir bei der Wahl nicht wie erhofft abgeschnitten haben. Mit einem einfachen „weiter so“ werden wir bei der nächsten Bundestagswahl sicher nicht deutlich zulegen. n

W

as ist von diesem Parteitag zu erwarten? Ist es überhaupt sinnvoll, sich zu treffen, obwohl die Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU noch laufen und viele Ergebnisse noch nicht bekannt sind? Mit diesen Gefühlen mögen einige der 600 Delegierten zum SPD-Parteitag nach Leipzig gereist sein. Andrea Nahles zerstreute die Bedenken gleich in ihrer Begrüßung auf dem Messegelände. „Es braucht diesen Parteitag“, rief die SPDGeneralsekretärin den Delegierten zu. „Eine Volkspartei, die nur 25,7 Prozent der Stimmen bei einer Bundestagswahl geholt hat, kann nicht alles richtig gemacht haben. Deshalb müssen wir ­ uns besser aufstellen und dürfen nicht einfach zur Tagespolitik übergehen.“ Und der Parteitag folgte dem Ansinnen der Generalsekretärin. Drei Tage lang diskutierten die Delegierten über den Ausgang der Bundestagswahl und mögliche Konsequenzen, die Koalitionsverhandlungen mit der Union und eine Neuausrichtung der SPD-Politik. „Dass wir unser Ziel nicht erreicht haben, lag nicht an Euch“, sagte Peer Steinbrück zu Beginn. Der frühere Kanzlerkandidat übernahm aber nicht nur die Verantwortung für die Niederlage bei der Bundestagswahl, sondern bedankte sich vor allem für die Unterstützung und den couragierten Wahlkampf der Genossinnen und Genossen. „Ich habe viel Solidarität empfangen – und ich verspreche, die SPD kann sich immer auf meine Solidarität verlassen“, sagte Steinbrück und erntete dafür minutenlangen Applaus.

delegiertenstimmen

Ob die SPD diese in einer Regierung mit CDU und CSU verbringen soll, wurde in Leipzig diskutiert. Immer wieder war von der Verantwortung der SPD die Rede. Man wolle die große Koalition nicht um jeden Preis, betonten viele, die sich zu Wort meldeten, auch der Juso-Vorsitzende Sascha Vogt. Die schlechte Erinnerung an die letzte große Koalition sei nicht nur bei den Jungsozialisten erhalten geblieben. „Wir wollen keine Mehrheitsbeschaffer sein“, sagte Vogt, „wir müssen schauen, was unterm Strich bei den ­Koalitionsverhandlungen rum kommt.“

Nina Scheer forderte ein klares Bekenntnis zur Energiewende und Aydan Özoguz will den Optionszwang beim Staatsangehörigkeitsrecht abgeschafft wissen. „Wir müssen das Paket gut schnüren, dann gibt es Argumente für die große Koalition“, sagte die Vize-Parteichefin.

Es war eine mitreißende Rede von Sigmar Gabriel. Als er gesagt hat, dass Basta-Politik nicht mehr vorkommen darf, sprach er mir aus der Seele. Denn ich glaube, das war einer der größten Fehler in der Vergangenheit. Den Weg von mehr Mitgliederbeteiligung müssen wir weitergehen. n

Eigene Identität nicht aufgeben Eine Menge Ansprüche, die in der SPD erhoben werden. Man wolle regieren, ­ weil so Verbesserungen für die Menschen erreicht werden könnten, aber nicht um den Preis, die eigene Identität aufzuge-

Eric Hartmann (­ 26) Gast aus ­ Mecklenburg-Vorpommern


6  Titel

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parlamentarische Mehrheit“ vorhanden sein. Es muss „einen verbindlichen und finanzierbaren Koalitionsvertrag geben“. Und die Koalitionspartner müssen sich zu einer „verantwortungsvollen Europaund Außenpolitik“ verpflichten.

Parteitag

Ständiger Dialog mit Bürgern Das Präsidium kehrt zurück

V

Peer Steinbrück: „Ich verspreche, die SPD kann sich immer auf meine Solidarität verlassen.“

ben, erklärte die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz Malu Dreyer. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil warnte wie auch Hannelore Kraft die Delegierten davor, die Erwartungen zu hoch zu hängen. „75 Prozent der Wähler haben uns nicht gewählt“, erinnerte Kraft. Da könnten die Forderungen der SPD kaum eins zu eins umgesetzt werden. Doch die Delegierten beschäftigten sich nicht nur mit der Bundestagswahl und ihren direkten Auswirkungen. Sie

or fünf Jahren, als er den Vorsitz der hessischen SPD übernahm, titelte eine große deutsche Tageszeitung „Thorsten wer?“ Diese Zeiten sind längst vorbei: Bei der Wahl der Vize-Vorsitzenden der SPD auf dem Bundesparteitag in Leipzig hat Thorsten Schäfer-Gümbel mit 88,9 Prozent die meisten Delegierten-Stimmen erhalten. Der 44-jährige dreifache Familien­ vater hat sich vom unbekannten Newcomer zu einem „Shootingstar der Hessen-SPD“ entwickelt. Für wen das ­ Kürzel TSG steht, weiß man mittlerweile auch außerhalb Hessens. Das zeigt der minutenlange Applaus, der bei der Bekanntgabe seines Wahlergebnisses in Leipzig aufbrandet. „Ein großer Vertrauensvorschuss“, freut sich der hessische SPD-Vorsitzende über sein Ergebnis. „Es ist eine besondere Aufgabe und eine Herausforderung, als stellvertretender Parteivorsitzender in dieser stolzen Partei tätig werden zu können. Das berührt mich.“ Ein Erfolg, den der Politologe sich hart erarbeitet hat: Im November 2008, nachdem Andrea Ypsilanti mit der Regierungsbildung in Hessen gescheitert war, galt die hessische SPD als zerstritten. Schäfer-Gümbel einte seinen Verband durch intensiven Dialog. Der dankte es ihm im vorigen Jahr und wählte ihn erneut zum Vorsitzenden – mit einer Zustimmung von 94,5 Prozent.

richteten den Blick auch in die Zukunft. Und der ist mit den Worten „Perspektiven. Zukunft. SPD!“ überschrieben. Unter diesem Titel verabschiedete der Parteitag die Aufstellung der SPD für die kommenden Jahre „als linke Volks- und Reformpartei“, wie Andrea Nahles betonte. Für die künftige Bildung einer Bundesregierung werden keine Koalitionen mehr ausgeschlossen – eine gemeinsame Regierung jedoch an drei Voraussetzungen geknüpft: So muss eine „verlässliche

Ein Hesse vorn Thorsten Schäfer-Gümbel Hessens SPD-Chef wird mit dem besten Ergebnis aller stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt Von Sarah Kohlhauer Bei der Landtagswahl in Hessen in diesem Jahr gewann die SPD mit ihm als Spitzenkandidaten sieben Prozent dazu. Auch wenn sich die Regierungsbildung sehr schwierig gestaltet, so hat die SPD mit ihm auf jeden Fall gewonnen. Das sieht auch Sigmar Gabriel so: „Was du und deine Genossinnen und Genossen in den letzten fünf Jahren in Hessen geleistet haben, war Klasse. Ihr habt aus der hessischen SPD wieder eine moderne Volkspartei in der Mitte eures Landes gemacht“, lobte der SPD-Vorsitzende auf dem Bundesparteitag. Es ist immer wieder das Thema so­ ­ ziale Gerechtigkeit, das Schäfer-­ Gümbel, der in der Gießener Nordstadt auf­gewachsen ist, antreibt. Ein Thema, das er auch in seiner ­Rede zur Wahl des SPD-Vizevorsitzenden aufgreift. Mit seinem Einsatz für mehr Steuergerechtigkeit will er den Menschen das Vertrauen in die Politik zurückgeben. Im Landtagswahlkampf habe er ­einen Mann kennengelernt. Der sagte

Grund zur Freude: „Ein großer Vertrauensvorschuss“ sei seine Wahl, sagt Thorsten Schäfer-Gümbel.

ihm, er habe keine Erwartungen mehr an niemanden. Diesen Satz wiederholt Schäfer-Gümbel, langsam. Dann sagt er, den letzten – und den gewichtigsten Satz seiner Rede: „Mein kleiner Beitrag in diesem Parteivorstand soll sein, Menschen, wie diesem Mann, wieder einen Ort zu geben, an den man Erwartungen richten kann.“ n

Foto:s DIRK BLEICKER

Künftig wird die SPD wieder ein Parteipräsidium haben. Auf dem Bundesparteitag stimmte eine große Mehrheit für eine Änderung der Satzung in diesem Punkt. „Mit dem Präsidium wollen wir vor allem die Landesverbände stärker beteiligen“, sagte Generalsekretärin Andrea Nahles. Ihm Zuge der Parteireform war das Präsidium 2011 abgeschafft worden. Es umfasste bis dahin 17 Mitglieder, die der Parteivorstand aus seiner Mitte gewählt hatte. „Damals dachten wir, dass der Parteivorstand als Gremium reichen würde“, so Nahles. „Das hat sich nicht bewahrheitet.“ n KD

Die SPD will ihre Strukturen weiterentwickeln und den 2009 mit der Parteireform eingeschlagenen „Weg der Erneuerung“ weitergehen. Es sei „entscheidend, bei wichtigen Themen kampagnenfähig zu sein, auch wenn kein Wahlkampf ist“. Um das zu gewährleisten, sollen die Tür-zu-Tür-Aktionen weiterentwickelt werden. Künftig wird die SPD zudem alle zwei Jahre einen Bürgerkonvent auf Bundesebene veranstalten. Ziel sei ein „ständiger Dialog auf Augenhöhe mit den Bürgerinnen und Bürgern“. Den wird in den kommenden Monaten verstärkt auch Martin Dulig führen. Der 39-Jährige ist Spitzenkandidat der sächsischen SPD für die Landtagswahl im kommenden Jahr. „Die Situation in Sachsen erinnert mich an die Ausgangslage vor der Bundestagswahl“, sagte Dulig. „Es wird für die SPD nicht die absolute Mehrheit herauskommen, aber ich werde so kämpfen als ob.“ n


Titel 7

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Europa sozialer und ­d emokratischer machen Leitantrag Die SPD stellt in Leipzig die Weichen für die Europawahl 2014 Von Carl-Friedrich Höck

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taliens Ministerpräsident Enrico Letta brachte den Delegierten des SPD-Bundesparteitags eine klare Botschaft mit: „In Ihren Händen liegen Entscheidungen, die die Zukunft Europas mitbestimmen werden“, sagte er in Leipzig. Letta rief die deutschen Sozialdemokraten auf, für eine Politik einzutreten, die in Europa wieder das Wirtschaftswachstum ankurbelt. Und dazu, nationalistischen Bestrebungen in den EU-Staaten entgegenzutreten. Die Worte des Italieners stießen bei den SPD-Delegierten auf Gehör. Einstimmig beschlossen sie einen Leitantrag zu Europa und machten damit deutlich, dass sie zur europäischen Idee stehen. Für die SPD gebe es „keine Alternative zu einem starken, geeinten Europa“, heißt es in dem Beschluss. Damit die Europäische Union das Vertrauen ihrer Bürger zurückgewinnt, will die SPD sie verändern. Die EU müsse politisch stark, sozial gerecht und demokratisch sein.

Foto: Dirk Bleicker

Erstmals SPE-Spitzenkandidat Eine Chance, solche Veränderungen durchzuführen, bietet die Wahl des ­Europäischen Parlaments im kommenden Jahr. Erstmals schickt die sozialdemokratische europäische Par­ teienfamilie SPE einen gemeinsamen Spitzenkandidaten ins Rennen. Das Ziel: Er soll Präsident der EU-Kommission werden. Nominiert ist der deutsche ­Sozialdemokrat und Präsident des Europäischen Parlaments Martin Schulz. „Wir müssen Europa entbürokratisieren und es demokratisieren“, forderte Schulz in Leipzig. Als einen Schritt auf diesem Weg will die SPD das Europäische Parlament stärken. Laut Parteitagsbeschluss soll es „zum vollwertigen ­europäischen Gesetzgeber werden“. Zudem will die SPD eine europäische Sozialunion aufbauen: mit M indeststandards für soziale Grund­ rechte, Löhne, Arbeitnehmerrechte und Sicherungssysteme. Den Kampf gegen ­Jugendarbeitslosigkeit sieht die SPD als „erste Priorität europäischer Politik“. Dem Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen soll grenzüberschreitend begegnet werden. Weitere wichtige Punkte: Die SPD will Steueroasen innerhalb der EU trockenlegen, die Finanzmärkte regulieren und für eine humanitäre Flüchtlingspolitik eintreten.

Die Europawahl 2014 wird zu einem Wettbewerb um die Frage, wie Europa in Zukunft aussehen soll, betonte Martin Schulz. Deswegen bewerbe er sich um das Amt des EU-Kommissionspräsidenten. n

Martin Schulz: nach seiner Wahl zum Europabeauftragten mit 97,9 Prozent

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8  Titel

Kommunen Die SPD will Städte und Gemeinden zukunftsfähiger machen

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as nächste Jahr ist ein kom­ munales Super-Wahljahr. Am 25. Mai 2014 finden zeitgleich mit der Europawahl in zehn Bundesländern Kommunalwahlen statt. B ­ayern wählt bereits am 16. März neue Kreistage, Stadt- und Gemeinderäte. Auf dem Parteitag in Leipzig hat sich die SPD dafür gut aufgestellt. Am letzten Tag beschlossen die Delegierten den Leitantrag „Starke Kommunen für ein gerechtes Land“. „Wir bieten den Menschen Sicherheit im Wandel“, versprach der Mainzer Oberbürgermeister ­M ichael Ebling, der den Antrag einbrachte. Vor Ort wird entschieden, wie Menschen gut und sozial gerecht zusammenleben könnten. „Die Kommunen sind das Fundament für den sozialen Zusammenhalt in Deutschland“, so Ebling. Doch dieses Fundament ist bedroht. Wohlhabende und arme Regionen driften auseinander, den Kommunen fehlt oft das Geld, ihre Aufgaben zu erfüllen. Die SPD fordert deshalb eine dauerhafte Unterstützung des Bundes. Dieser trage eine „gesamtstaatliche Verantwortung für die Kommunen“. Auch fordert die SPD mehr preiswerten Wohnraum, den Ausbau schneller I­nternetverbindungen und des Nahverkehrs. Dafür sollen die Städtebauförderung erhöht und die ­ ­Gewerbesteuer als wichtigste Einnahmequelle der Kommunen erhalten bleiben. Und: Auch Menschen, die nicht aus der EU kommen, sollen künftig ein kommunales Wahlrecht besitzen. Denn nicht nur SPD-Chef Sigmar Gabriel, der sich in der Debatte zu Wort meldete, weiß: „Die soziale Gesellschaft beginnt in der sozialen Stadt.“ n KD

„Fundament für sozialen Zusammenhalt“: der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling

Ergebnisse der Wahlen zum Parteivorstand Gültige Stimmen

Ja (%)

Nein

enthaltungen

572

478 (83,6 %)

76

18

Hannelore Kraft

597

511 (85,6 %)

62

24

Aydan Özoguz

596

476 (79,9 %)

82

38

Olaf Scholz

599

403 (67,3 %)

146

50

Manuela Schwesig

603

483 (80,1 %)

97

23

Thorsten Schäfer-Gümbel

593

527 (88,9 %)

46

20

603

405 (67,2 %)

157

41

590

469 (79,5 %)

85

36

564

552 (97,9 %)

10

2

Parteivorsitzender Sigmar Gabriel Stellvertretende Parteivorsitzende

Generalsekretärin Andrea Nahles Schatzmeisterin Barbara Hendricks Europabeauftragter Martin Schulz

1. wahlgang

2. wahlgang

gewählt

Ahnen, Doris

415

1. Wahlgang

Annen, Niels

351

1. Wahlgang

Budde, Katrin

205

380

2. Wahlgang

Crone, Petra

360

1. Wahlgang

Dulig, Martin

408

1. Wahlgang

Engelmeier-Heite, Michaela

351

1. Wahlgang

Ferner, Elke

261

402

2. Wahlgang

Friedrich, Peter

158

268

2. Wahlgang

Griese, Kerstin

362

1. Wahlgang

Groschek, Michael

376

1. Wahlgang

Heil, Hubertus

366

1. Wahlgang

Lösekrug-Möller, Gabriele

375

1. Wahlgang

Maas, Heiko

235

384

2. Wahlgang

Mansury, Homaira

217

273

2. Wahlgang

Matschie, Christoph

188

332

2. Wahlgang

Miersch, Matthias

371

1. Wahlgang

Poß, Joachim

394

1. Wahlgang

Pronold, Florian

236

325

2. Wahlgang

Schild, Armin

294

1. Wahlgang

Schmidt, Dagmar

303

1. Wahlgang

Sieling, Carsten

316

1. Wahlgang

Stegner, Ralf

285

383

2. Wahlgang

Stöß, Jan

219

332

2. Wahlgang

Vogt, Sascha

280

329

2. Wahlgang

Vogt, Ute

264

297

2. Wahlgang

Woidke, Dietmar

259

445

2. Wahlgang

Weitere Mitglieder

Foto: Dirk Bleicker

Sicherheit im Wandel

vorwärts 12/2013-01/2014


Titel 9

12/2013-01/2014 vorwärts

Parteitag

So sehen Sieger aus: die glücklichen Preisträger der Bremerhavener SPD

Auf den Spuren der Geschichte Dröscher-Preis Die SPD Bremerhaven wird für ihren »Roten Stadtrundgang« ­aus­gezeichnet

Foto: Dirk Bleicker

W

ie schafft man es, die Menschen für die lokale Geschichte der Sozialdemokratie zu interessieren? Indem man sie begehbar macht, dachte sich die SPD Bremerhaven. Die Genossinnen und Genossen haben im SPD-Jubiläumsjahr zu einem „Roten Stadtrundgang“ eingeladen. In bisher sechs Rundgängen erkundeten sie mit jeweils 40 bis 50 Teilnehmern die Spuren der SPD. 13 Orte nahmen sie in ihre Route auf, darunter die Pestalozzischule, in der die SPD Bremerhaven gegründet wurde, oder die Polizeikaserne Jacobi­ straße, wo einst die Gestapo Sozialdemokraten verhörte und folterte. Ergänzend zu den Führungen erstellten die Sozialdemokraten eine Internetseite und entwickelten eine App, mit der man sich auch allein auf Spurensuche begeben kann. Für diese Aktion wurde die SPD Bremerhaven auf dem Bundesparteitag in Leipzig mit dem Wilhelm-Dröscher-Preis ausgezeichnet. Swen Awiszus, der den Stadt-Rundgang mitentwickelt hat, freute sich über einen „gemeinsamen Erfolg“ der Bremerhavener Genossen und versprach: „Wir wollen noch weitere Stationen entwickeln und den Stadtrundgang lebendiger machen. Zur Zeit planen wir Audiobeiträge für die Stationen.“ Neben der Jury des Dröscher-Preises durften auch die Delegierten und Gäste auf dem Bundesparteitag ihren Favoriten bestimmen. Der Publikumspreis ging in diesem Jahr an das Projekt „Mehr Frauen in die SPD“ des Landesverbandes Berlin. Um den Frauenanteil im Verband zu steigern, startete im Sommer 2012 eine Kampagne. Die Berliner verteilten Postkarten

und Buttons mit provozierenden Bezeichnungen wie „Diva“ – und erläuterten im Kleingedruckten die Bedeutung: „Ich bestimme gern“. Seit dem Beginn der Kam-

pagne seien spürbar mehr Frauen in die SPD eingetreten als in den Jahren zuvor, berichtet der Landesverband. Der Dröscher-Preis wird seit 1982 ­regelmäßig auf den ordentlichen Bundesparteitagen der SPD verliehen. Die Partei erinnert damit an den ehe­­ ma­ ligen Bundesschatzmeister und rheinland-pfälzischen SPD-Landesvor­ sitzenden Wilhelm Dröscher, der 1977 während des Bundesparteitages in Hamburg verstarb. Mit dem Preis zeichnet die SPD besondere Ideen der Parteibasis aus. Beworben haben sich in diesem Jahr 43 Projekte. An Infoständen auf dem Leipziger Messegelände machten sie ihre Ideen überregional bekannt. n CFH ANZEIGE


10  Titel

vorwärts 12/2013-01/2014

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1| Erwin Sellering, Ministerpräsident in Schwerin, mit SPD-Vize Thorsten SchäferGümbel. 2| Ex-SPD-Vorstand Ursula Engelen-Kefer, vorwärts-Chefredakteurin Karin Nink und die Mainzer Bildungsministerin Doris Ahnen 3| SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier mit Journalisten 4| NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, Ralf Stegner, Chef der Nord-SPD, und Bettina Schausten vom ZDF 5| Generalsekretärin Andrea Nahles 6| vorwärts-Geschäftsführer Guido Schmitz begrüßt Beate und Karl Thies. Sie nahmen auf Einladung des „vorwärts“ am Parteitag teil, da sie die „vorwärts Route der Socialdemokratie“ ­komplett bereist hatten.

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erst die arbeit, dann ins stadtbad vorwärts-Presseabend Politiker und Journalisten diskutierten in einer historischen Schwimmhalle

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ebattiert wurde auf dem Bundesparteitag der SPD in Leipzig viel: Tagsüber auf dem Gelände der Leipziger Messe, abends auf Presseempfängen in der ganzen Stadt. „Schon legendär“ nannte Andrea Nahles den vorwärts-Presseabend, auf dem sich traditionell vor dem Bundesparteitag die SPD-Spitze mit Journalisten trifft. Im Leipziger Stadtbad freute sich die Generalsekretärin am Mittwochabend über „die willkommene Unterbrechung“ der Koalitionsgespräche. „Es

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ist ein sehr wichtiger Parteitag für uns“, machte Nahles deutlich. Der Spitzenkandidat der Sachsen-SPD Martin Dulig freute sich, nach dem Festakt zum 150. Geburtstag der SPD im Mai, zum zweiten Mal in diesem Jahr Sozialdemokraten aus ganz Deutschland in Leipzig begrüßen zu können. Er plädierte dafür, Politik verständlicher zu vermitteln. Für sein Plädoyer hatte sich Dulig das richtige Publikum gewählt: Viele Vertreter der Hauptstadtpresse waren in das historische Stadtbad gekommen. Dort unterhielten sie sich, kulinarisch umsorgt, mit SPD-Politikern. Auch am Donnerstagabend feierten Delegierte und SPD-Parteispitze miteinander. Etwa beim Falkenabend im Parteihaus der SPD in Leipzig und bei der Feier der „Berliner Republik“. Großer Andrang herrschte am Freitag auf dem Parteiabend der SPD im Eventpalast. Rund um die große Kuppelhalle des Palastes tanzten die Gäste ausgelassen. n SK

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In Kürze 11

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A

m Anfang waren sie nur zu fünft. Im März 1973 trafen sich Jusos von fünf Universitäten in Saarbrücken zu einem gemeinsamen Seminar – und verabredeten die Gründung von Juso-Gruppen an ihren Hochschulen. Und dabei sollte es nicht bleiben. 1974 gab es 25, 1975 bereits 60 und 1976 sogar 90 Juso-Hochschulgruppen in Deutschland. Inhaltlich grenzten sie sich deutlich vom Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) und dem Sozialdemokratischen Hochschulverband (SHB) ab, die sich eher marxistisch orientierten. Als „links, aber undogmatisch“ beschreibt Richard Meng das Selbstverständnis der Juso-Hochschulgruppen. Meng, heute Sprecher des Berliner Senats, war zwischen 1972 und 1979 Mitglied der Juso-Hochschulgruppe Gießen. Beim Festakt zum 40-jährigen Bestehen der Juso-Hochschulgruppen am 22. November in Berlin wird er die Festrede halten. Und auch wenn sich die Kämpfe der Hochschul-Jusos heute eher an Sachfragen wie Studiengebühren, Bafög und Wohnheimplätzen orientieren, ist ihr Einfluss mit rund 80 Gruppen bundesweit immer noch stark. n KD

Schulz für Europa Das Präsidium der Sozialdemokrati­schen Partei Europas (SPE) hat entschieden: Martin Schulz soll Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten bei der Europawahl am 25. Mai 2014 werden. Schulz war im Vorfeld von mehr als 20 SPE-Mitgliedsorganisationen nominiert worden. Die endgültige Entscheidung über Schulz‘ Spitzenkandidatur trifft ein SPE-Wahlkongress am 1. März 2014. Bei einem Wahlsieg der SPE hätte Schulz auch gute Chancen, nächster Kommissionspräsident zu werden. SPDChef Sigmar Gabriel freute sich über die Nominierung. Martin Schulz sei „nicht nur Kopf-“, sondern auch „GefühlsEuropäer“. n KD

Fotos: SZ Photo/Stephan Rumpf, NGG

Weltweit vernetzt Ob Iran, Weltklimakonferenz oder Arabischer Frühling: Das „ipg-journal“ begleitet die aktuellen Entwicklungen in der Welt mit fundierten Analysen, pointierten Kommentaren und aktuellen Interviews. ipg steht für „Interna­ tionale Politik und Gesellschaft“. Unter diesem Namen erschien seit 1994 eine Zeitschrift, herausgegeben von der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES). In ihr schreiben SPD-Größen wie Helmut Schmidt und Erhard Eppler oder der Labour-Politiker David Miliband. Seit 2011 wird die Zeitschrift als „online­ basierte Debattenplattform“ im Inter-

Undogmatisch Links Juso-Hochschulgruppen Im November feiern sie ihr 40-jähriges Bestehen in Berlin Global gedacht Von Rafael Seligmann

„Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Bildung klaut.“ Bei Studenten­ protesten etwa gegen Studiengebühren mischen die Juso-Hochschulgruppen mit.

net fortgesetzt. „Wir wollen nicht nur beschreiben, sondern auch Impulse geben durch kritische Interpretationen und Bewertungen“, lautet das Selbstverständnis. Dabei profitiert das „ipgjournal“ vom weltweiten Netzwerk der FES mit mehr als 100 Vertretungen und Büros – zum Nutzen der Leser. n KD ipg-journal.de

Spitzenfrau Sie ist die erste Frau an der Spitze der NGG. Am 12. November hat die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten Michaela Rosenberger zur neuen Vorsitzenden gewählt. Die 53-Jährige erhielt auf dem Gewerkschaftstag in Berlin 86,9 Prozent der Stimmen und tritt die Nachfolge von Franz-Josef ­Möllenberg an, der nach 21 Jahren als Vorsitzender nicht wieder kandidiert hatte. Zwei der acht DGBGewerkschaften werden nun von einer Frau geführt. Im Juni hatte Marlis Tepe den Vorsitz der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) übernommen. n KD Ein Porträt unter: vorwaerts.de/rosenberger

Herzlichen Glückwunsch

Helmut Schmidt Altbundeskanzler zum 95. Geburtstag Hans Lemp ehem. MdEP Walter Romberg ehem. DDR-Finanzminister zum 85. Geburtstag Wolfgang Schollmeyer ehem. MdB zum 80. Geburtstag Klaus Hänsch ehem. EP-Präsident zum 75. Geburtstag Willi Rothley ehem. MdEP Richard Schröder ehem. MdB Peter Walter ehem. Landesgeschäftsführer in Hamburg Beate Weber-Schürholz ehem. MdEP zum 70. Geburtstag

Barack Obama trat als Alternative zu seinem Amtsvorgänger an. George W. Bush wollte den internationalen Sheriff geben. Seine martialischen, abgehackten Reden, die Cowboystiefel, sollten demonstrieren, wer sich mit den USA anlegt, wird weggeräumt. Bush hielt, was er versprach. Seine Außenpolitik war, speziell nach den Terrorangriffen des 11. September, durch militärische Offensiven gegen islamistische und arabisch-nationalistische Regime gekennzeichnet. Präsident Barack Obama versprach, das militärische Auftrumpfen in den Außenbeziehungen ebenso wie die auswärtigen Kriege zu beenden. Das Bestreben, diplomatischen Mitteln den Vorzug in der Außenpolitik zu geben, begeisterte Amerikaner und Menschen in aller Welt. Doch schon während des Wahlkampfs 2007 unternahm Obama ­einen negativen Schwenk. Er nannte den Afghanistan-Krieg „gerecht“. Die Intensivierung dieses Krieges durch Obama kostete später Tausende das Leben und die Amerikaner AberMilliarden – ohne Afghanistan zu befrieden. Das ist gewaltsam unmöglich. Derweil werden in Pakistan und Afghanistan auch Zivilisten durch US-Drohnen getötet. Zudem stellt sich heraus, dass während Obamas Amtszeit Millionen Menschen in aller Welt illegal ausgespäht wurden. Darunter auch die deutsche Kanzlerin. Dass Obama davon nichts gewusst haben will, ist kaum glaubhaft. Nun hat das Vertrauen in den Präsidenten, der prinzipiell für die Bürgerrechte eintrat, jedoch zuließ, dass diese konkret verletzt wurden, in den USA, vor allem aber in Europa drastisch gelitten. Bürger und Regierungen sind enttäuscht. Barack Obama ist als Liberaler gestartet, hat sich zum Machtpolitiker entwickelt. Der amerikanische Präsident muss den Umfang der ­Spionagetätigkeit bei den Verbündeten im vollen Ausmaß eingestehen und damit Schluss machen. Ansonsten verlieren Obama und die Vereinigten Staaten ihre Glaubwürdigkeit – ohne die man keine friedliche ­Außenpolitik gestalten kann. n


12  In Kürze

Europa kürt den Superstar Erstmals entscheiden Wähler über den EU-Kommissionschef Von Peter Riesbeck Wenn von der EU-Kommission die Rede ist, dann heißt es gerne, sie ist die „Hüterin der Verträge”. Mit dem obersten Hüter der Verträge verhielt es sich bislang aber so: Europas Staats- und Regierungschefs kungelten in kleiner Runde und kürten dann – gern auch einen aus ihrer Mitte – zum Chef der Kommission. Der portugiesische Premier José Manuel Barroso zum Beispiel gelangte 2004 nur über Umwege in sein Amt. Eigentlich sollte der Belgier Guy Verhofstadt die EU-Kommission leiten. Doch sein europäischer Enthusiasmus schreckte andere ab. So erinnerte sich Angela Merkel an Barroso. Der war während des IrakKriegs vor allem durch eines aufgefallen: devote Ehrerbietungen gegenüber US-Präsident George W. Bush. Das reichte. Merkel telefonierte mit Frankreichs Präsident Jacques Chirac, danach beförderten die Staats- und Regierungschefs Barroso in sein neues Amt. Mit den kleinen Kungelrunden soll nun Schluss sein. Künftig sollen Europas Wähler über ihren obersten Repräsentanten selbst bestimmen. Als erster erklärte Parlamentspräsident Martin Schulz sich jetzt zum Kandidaten-Kandidat. Der SPDPolitiker tritt bei den Europawahlen im Mai als gemeinsamer Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten an – und damit als deren Kandidat für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten. Die anderen Parteien wollen folgen. Nur Merkel und die Christdemokraten zögern. Sie fürchten eine Machtverschiebung zugunsten des Europaparlaments. Das darf laut Lissabon-Vertrag nämlich erstmals entscheidend bei der Kür des Kommissionspräsidenten mitspielen. Laut Artikel 17 müssen die Staats- und Regierungschefs bei der Auswahl des neuen Präsidenten die Mehrheitsverhältnisse im Europaparlament berücksichtigen. Schluss also mit der kleinen Selbstherrlichkeit der nationalen Regierungen. Der Kommissionspräsident wird nicht einfach bestimmt, er wird gewählt. Europa kürt den Superstar, das ist eine kleine Revolution. Der Kommissions­ präsident wird dem bloßen Wohlgefallen der Staatschefs entzogen. Europas Wähler entscheiden. Europa wird endlich ein echtes Europa der Bürger. n

Sind Sie mit den bisherigen Ergeb­ nissen der Koalitionsverhandlungen zufrieden? Um ehrlich zu sein, habe ich ziemliche Bauchschmerzen. Die meisten Einigungen, die bisher erzielt wurden, stehen ja unter Finanzierungsvorbehalt. Und ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie all die Punkte umgesetzt werden sollen, ohne eine Mehrbelastung der Besserverdienenden. Allerdings gibt es ja bislang nur Wasse r s t a nd sme ldu ngen. Die wichtigsten Punkte wie der Mindestlohn oder die Rentenpolitik werden erst ganz zum Schluss verhandelt. Da ist dann entscheidend, was am Ende herauskommt. Was würde eine Regierungs­ beteiligung in der großen Koalition für die Jusos bedeuten? Die Frage müssen eigentlich diejenigen beantworten, die im Dezember in den Vorstand der Jusos gewählt werden. Ich bin ja nur noch wenige Wochen im Amt. Allerdings glaube ich, dass es den Jusos auch weiterhin gut tut, eine kritische Stimme innerhalb der SPD zu

sein, zur programmatischen Weiterentwicklung der Partei beizutragen. Und geht die SPD in die Regierung, müssen die Jusos d ­ afür sorgen, dass die Partei nicht wieder in ein Muster verfällt, in dem die Mitglieder kaum noch stattfinden, und die Politik allein aus den Ministerien gesteuert wird. Für Ihre Nachfolge ­haben bisher zwei ­Kandidaten ihre Hüte in den Ring geworfen, Johanna Uekermann aus Bayern und Hauke Wagner aus Hamburg. Wer ist Ihr Favorit? Natürlich möchte ich den Delegierten des Bundeskongresses nicht vorgreifen. Wer JusoBundesvorsitzender wird, entscheiden einzig und allein sie. Mit Johanna ­Uekermann habe ich in den vergangenen zwei Jahren im Vorstand hervorragend zusammengearbeitet und schätze sie sehr. Auch bin ich der Meinung, dass eine Verjüngung an der Spitze den Jusos sehr gut tut. Und eine Frau an der Spitze wäre auch mal wieder nicht schlecht. n KD

Drei Fragen an

Sascha Vogt

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Das spricht dafür, dass es aktuell eine Stimmung gibt, die ­Großprojekten äußerst ­skeptisch gegenübersteht.

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Christian Ude, OB von München, zum Volksentscheid gegen eine Olympiabewerbung

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Lieschen ­Müller genießt ­denselben Grundrechtsschutz wie ­Angela Merkel. Peter Schaar,

Sascha Vogt, 33, ist seit Juni 2010 Bundesvor­ sitzender der Jusos. Beim Bundeskongress vom 6. bis 8. Dezember kandidiert er nicht erneut.

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Bundesdatenschutzbeauf­ tragter, zur NSA-Überwachung des Kanzlerinnenhandys

Fragwürdige Rolle Fußballverrückt und falkenverliebt – so möchte Katar am liebsten von den Besuchern aus dem Westen gesehen werden. Doch der kleine, aber superreiche Golfstaat unterstützt mit viel Geld syrische Rebellen und andere Oppositionelle jedweder Couleur im Nahen Osten – einfach weil der Emir auf der Gewinner-Seite stehen will. Jörg Armbruster berichtet in seiner Reportage aus dem Land des Gastgebers der Fußball-WM 2022. n KD vorwaerts.de/katar

Willy persönlich Über den Politiker Willy Brandt, der am 18. Dezember seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte, ist viel bekannt. Der Filmemacher André Schäfer hat mit Freunden, Weggefährten und Familienmitgliedern gesprochen. Entstanden ist ein Porträt des Menschen Brandt, illustriert mit seltenen und besonderen Archivbildern. Die „Erinnerungen an Willy Brandt“ werden am 10. Dezember auf „Arte“ und am 17. Dezember in der ARD ausgestrahlt. n KD

Neu dabei: Christoph Oesterle (m.), begrüßt von Sigmar Gabriel und Jan Stöß

Mehr Mitglieder für die SPD Er ist das 17 000. Mitglied der Berliner SPD, eingetreten nach der Bundestagswahl: Christoph Oesterle. Auf dem Landesparteitag am 2. November hieß ­Sigmar Gabriel den 31-Jährigen persönlich willkommen. Die SPD verzeichnet vor dem Mitgliedervotum über eine große Koalition einen Anstieg der Parteieintritte. Im Oktober nahmen mehr als doppelt so viele Neumitglieder ihr Parteibuch entgegen als im Oktober 2012. Besonders viele Eintritte gab es in Berlin und in NRW. Zwischen Rhein und Ruhr waren es rund 700. Besonders erfreulich: Knapp 40 Prozent der Neu-Genossen sind jünger als 30 Jahre. Rund 30 Prozent sind weiblich. Welchen Einfluss das Mitgliedervotum auf die positive Mitgliederentwicklung hat, ist schwer zu sagen. Klar ist aber: Wer bis zum 13. November in die SPD eingetreten ist, darf über den Eintritt in eine große Koalition abstimmen. Die Abstimmungsbriefe müssen im Postfach des Parteivorstands am 12. Dezember bis spätestens 24 Uhr vorliegen. 20 Prozent der rund 470 000 Parteimitglieder müssen sich an der Abstimmung mindestens beteiligen, damit das Ergebnis bindend ist. Das Quorum liegt damit bei 94 000. n KD

FotoS: Hendrik Rauch, Ulrich Horb

Unser Europa

vorwärts 12/2013-01/2014


Aktuell 13

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Danke, Herr Snowden! Netzpolitik Die Lehre aus den Enthüllungen Edward Snowdens sollte nicht mehr, sondern weniger Überwachung sein Von Markus Beckedahl

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iesen Sommer bestätigte sich, was in netzpolitischen Kreisen bereits seit langem diskutiert und vermutet wurde: Wir werden alle überwacht. Die Frage ist nicht mehr ob, sondern lediglich wie oft, durch wen und wo und ob das für immer gespeichert wird. Aber keine Panik, das würde alles nicht stimmen, man habe das schriftlich von der NSA bekommen, e ­ rklärte die Bundesregierung – bis ­herauskam, dass auch Angela Merkels Handy ausspioniert wurde. Plötzlich hieß es, das ginge gar nicht und eine Grenze sei überschritten.

Foto: Hans Christian Plambeck/laif

Es hört immer jemand mit Warum ist eine Grenze erst überschritten, wenn das Partei-Handy unserer Kanzlerin belauscht wird, während es kein Problem darstellt, wenn wir alle in unserer Online-Kommunikation anlasslos überwacht, gerastert und gespeichert werden? Angela Merkel ist dabei eine von uns – ein Überwachungsopfer, das in seiner Freiheit eingeschränkt wird, und immer daran denken muss, dass in der Kommunikation jemand mithören könnte. Wollen wir uns damit abfinden, dass wir online kaum noch Räume haben, in der unsere grundgesetzlich verankerte Privatsphäre respektiert und geschützt wird? Immerhin kommen täglich neue Enthüllungen ans Licht, das Ausmaß wird immer größer. Innenminister Hans-Peter Friedrich fordert eine Vorratsdatenspeicherung, um genau die

Das Spionagenest: Vom Dach der US-Botschaft in Berlin soll das Regierungsviertel abgehört werden. Die Reaktion der Amerikaner: kein Kommentar.

Metadaten anzusammeln, auf die die NSA ganz scharf ist. Friedrich möchte eine flächendeckende Netzüberwachung nach Vorbild der NSA, die Lehren aus den Enthüllungen haben wir uns alle anders vorgestellt. Diese waren als Warnung gedacht, nicht als Machbarkeitsanalyse zum Grundrechteabbau. Ebenso leere Versprechungen sind bisher die Beteuerungen der amtierenden Bundesregierungen, sich auf EU-Ebene für stärkeren Datenschutz einsetzen zu wollen. Ein Blick hinter die Kulissen

und in die Verhandlungsprotokolle offenbart das genaue Gegenteil: Einer der stärksten Gegner von mehr Datenschutz ist ausgerechnet unser federführendes Bundesinnenministerium. Das ist doch alles absurd. Die richtige Reaktion auf die Snowden-Enthüllungen darf nicht sein, die Überwachung auszubauen. Dann können wir auch gleich unsere demokratischen Werte wegschmeißen, weil wir unsere Freiheit aufgeben. Die richtige Reaktion muss sein, jetzt konkrete Schritte einzuleiten, um den Ausbau des Netzes zu einer globalen Überwachungsinfrastruktur zurückzudrehen. Wir brauchen jetzt eine bessere Kontrolle der Geheimdienste, einen Stopp aller anlasslosen Überwachung unserer d igitalen Kommunikation und ­ ­ einen EU-weiten Datenschutz, der seinen Namen auch verdient. Alle Datenaustauschverträge mit den USA müssen sofort gestoppt werden, weil der versprochene Datenschutz offensichtlich eine Lüge war. Eine große Chance für die Europäische Union bietet eine ­Förderung von freien, offenen und datenschutzfreundlichen Infrastrukturen, um in unserer Kommunikation unabhängiger von den großen Beinahe-Monopolisten zu werden. Dafür braucht es neue Förderstrukturen, um Open-SourceCommunities zu unterstützen, die diese Infrastrukturen entwickeln. Noch immer ist es einfacher, als Unternehmen EU-Förderung in Millionenhöhe zu bekommen als einige tausend Euro für ein Open-Source-Projekt. Wir müssen jetzt handeln, bevor es zu spät ist. Danke Edward Snowden, für den Tritt in den Hintern. n

Markus Beckedahl betreibt das Blog n ­ etzpolitik. org und ist Vorsitzender des Digitale Gesell­ schaft e.V. Er ist Herausgeber des Buches „Überwachtes Netz – Edward Snowden und der größte Überwachungsskandal in der Geschichte“.

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14  Meinung

vorwärts 12/2013-01/2014

Zwischenruf

Leserbriefe Interview Sigmar Gabriel 11/2013

Birgit Sippel Die SPD muss die Bürger besser vor Bespitzelung schützen. Wenn das national nicht gelingt, muss es auf europäischer Ebene erfolgen

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as klare und unumstößliche Bekenntnis zur ­ Demokratie war zu jeder Zeit für uns Sozialdemokraten unverhandelbar. Deshalb ist die von Edward Snowden öffentlich gemachte Massenbespitzelung von Menschen auch mehr als nur eine kleine „Schieflage“ zwischen Sicherheitspolitik und Grundrechtsschutz: Denn insbesondere die Nachrichtendienste, deren Aufgabe eigentlich der Schutz unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist, haben augenscheinlich jedes Maß verloren. Das bedroht unsere Demokratie als Ganzes. Die meisten EU-Mitgliedstaaten, inklusive Deutschland, haben aber kein Interesse an einer Klärung und es bisher versäumt, der massenhaften Bespitzelung ihrer eigenen Bürger eine klare Absage zu erteilen. Es ist skandalös, dass die Bundesregierung die Totalüberwachung von 80 Millionen Deutschen ignoriert – das Ausspähen eines einzelnen Kanzler-Handys aber zum Skandal hochpusht. Wenn der Grundrechtsschutz auf nationaler Ebene versagt, müssen wir ihn auf europäischer Ebene neu organisieren. Das EU-Parlament hat sich von Anfang an unmissverständlich zum Wert der Rechtsstaatlichkeit bekannt und eine Sonderuntersuchung der Vorwürfe durch den fachlich zuständigen Innenausschuss durchgesetzt. Gegen die konservative Mehrheit im Parlament konnten wir Sozialdemokraten zudem die Forderung nach einer Unterbrechung des SWIFT-Abkommens zum Zugriff auf europäische Bank­ daten durch die USA erzielen. Auch ein vorläufiger Stopp der Verhandlungen über eine EU-US-Freihandelszone, wie etwa von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz in die Debatte eingebracht, erscheint angebracht.

Kommunikation und Geheimdienstarbeit finden heute global statt, der Schutz von Privatsphäre und Meinungsfreiheit kann nicht allein durch die Nationalstaaten garantiert werden. Dass einzelne EU-Staaten wie etwa Deutschland nun auf bilateraler Ebene Nichtausspäh-Verträge mit den USA abschließen wollen, ist nicht mehr als ein schlechter Witz. Das ­europäische Datenschutzpaket muss zügig auch vom Rat beschlossen werden, ein Datenschutz-Rahmenabkommen mit den USA muss umfassende Schutzgarantien für alle EU-Bürger sichern. Wir brauchen zudem einen europäischen Ansatz bei der Definition von nationaler und europäischer Geheimdienstarbeit und ihrer demokratischen Kontrolle. Auf nationaler und europäischer Ebene brauchen wir effektive Kontrollgremien für g ­ eheimdienstliche Aktivitäten. Die SPD muss den Mut haben, diese Forderungen auch gegen kurzfristige wirtschaftliche Interessen, befreundete Supermächte und die eigenen nationalen Regierungen zu verteidigen. Geheimdienste sollen Freiheit und Demokratie schützen! Dafür müssen wir Sozialdemokraten uns einsetzen. n

Birgit Sippel Seit 2009 SPD-Europaabgeordnete für Südwestfalen Mitglied im Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE).

Mitreden & bloggen: vorwaerts.de/zwischenruf

Liebe ­Leserinnen und ­Leser! Die v ­ orwärtsRedaktion wünscht mit der letzten regulären Ausgabe in diesem Jahr frohe Weihnachten und ­ein gutes Jahr 2014. Wir freuen uns auch künftig auf Lob und Kritik. Denn Eure ­Meinung ist uns wichtig.

Angela Prandtke, Soltau

Eigentlich bin ich nicht damit einverstanden, nun als Mitglied über den Koalitionsvertrag zu entscheiden. ­Irgendwie fehlt mir das Gefühl, dafür ein Mandat zu haben. Ich habe den SPD-Kandidaten und meine Partei gewählt. ... Ich habe damit das Mandat für eine Regierungsbildung dem gewählten Abgeordneten gegeben. Das soll er, bitte schön, auch wahrnehmen.

Jan Kahmann, Bremen

In der Opposition kann man nicht gestalten. Die Sozialdemokratie hat nur eine Chance, wieder zu einer ­verlässlichen Größe beim Bürger zu werden, wenn sie in die große Koalition eintritt und den sozialen Werten, der sozialen Gerechtigkeit, wieder einen Namen gibt.

Leila Faruk, Bonn

Rot-Rot-Grün hätte eine Mehrheit, um endlich diese Bundeskanzlerin abzuwählen und dorthin zu schicken, wohin sie gehört

Joachim Filliés, Wiesbaden

Seit den Sondierungsgesprächen mag man sich vor dem Fernseher nur noch in seine Kissen v ­ ergraben, weil d ­ ermaßen viel Wortmüll und Statement­geschwurle auf die ­Trommelfelle prasselt, leider auch von SPD-Genossen.

Volker Kimstaedt, Gangkofen

Wie christlich sind eigentlich CDU und CSU beim Thema Homosexualität? Die Natur oder „der liebe Gott“ hat doch die Veranlagung in die Wiege gelegt. Die Konservativen tun so, als wären diese selbst schuld. Es zeigt aber auch, wie mittelalterliches Denken bei diesen Parteien noch vorhanden ist. Wenn sie so human oder so christlich wären, wie sie eigentlich sein müssten, hätten sie keine Probleme mit dieser Veranlagung.

Rudolf Minks, Pfronten

Foto: dpa/Wolf von Dewitz

Mutiger werden!

Das war ein sehr gutes Interview mit unserem Parteivorsitzenden. Ich bin stolz darauf, dass ich der Partei angehöre, die ihre Mitglieder ernst nimmt und deren Entscheid so wichtig ist. ... Ich hoffe sehr, dass der Basisentscheid, wie auch immer er ausfallen mag, der Partei neue Kraft, Stärke und Zuversicht für die Zukunft geben wird. Meiner Partei werde ich auf alle Fälle die Treue halten.


Meinung 15

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Ich kann meiner Partei nur empfehlen, eine eigenständige Agrarpolitik zu machen. Ein Hinterherlaufen hinter den Grünen ist genauso falsch, wie die ­K lientelpolitik der Union. ... Nur die Ökologie zu betrachten ist g ­ enauso falsch, wie nur die Ökonomie zu betrachten.

Christian Hoffmann, Hannover

125 Jahre ASB

Gerechtigkeit – auch für Tiere!

mehr ins eigene Blickfeld und auf die Agenda rücken.

11/2013

11/2013

Ich würde keinem eine VegetarismusPflicht auferlegen wollen, aber man sollte die Menschen schon zum Denken anregen. Laut einer Forsa-Umfrage (10/2012) sind es sogar sieben Prozent der Deutschen, die „Vollzeit-Vegetarier“ sind. Die SPD sollte diese neue Realität

Die SPD sollte sich aktiv für artgerechte Haltung von Tieren und Tierschutz einsetzen. Es ist richtig, dass viele Menschen zu viel Fleisch essen. Diese aber als unanständig zu bezeichnen, ist wohl nicht gerade förderlich.

Eine interessante Ausgabe: die Novembernummer. Nicht zuletzt der Artikel „Lebensretter der Arbeiter“. ... Die ersten Ärzte, die sich im ASB engagierten, waren meist jüdischer Konfession. Sie behandelten Arbeiter auch kostenlos. ... Ohne ihr Engagement wäre die ­Entwicklung des ASB nicht denkbar.

C. Schomann, per E-Mail

Uta Beer, per E-Mail

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… Mehr lesen!

Thomas Krüger, Schwerin

Immer wieder erlebe ich in meiner Partei, dass die globalen Zusammenhänge von Tierschutz, Ernährung und Gerechtigkeit in dem Moment bewusst zynisch negiert werden, wenn es ums eigene große Fressen geht.

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Sandra Orenstrat, per E-Mail

Zum 100. Geburtstag: Franz Müntefering über den Autor ­Albert Camus Nachruf: Chronist unserer Zeit – ­Zum Tode von Jürgen ­Leinemann Filmtipp: »Djeca – Kinder von Sarajevo« Jetzt downloaden: vorwaerts.de/app

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Helga Grebing und Ansgar Lorenz

Willy Brandt

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Eine Comic-Biografie

für ein kostenloses Willy Brandt-Kinderbuch

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WILLY BRANDT Eine Comic-Biografie 80 Seiten 20 x 29 cm

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Die Lebens-Geschichte Willy Brandts (1913–1992) ist die Geschichte fast eines ganzen Jahrhunderts. Als Junge flieht er vor den Nationalsozialisten ins norwegische und schwedische Exil, hält sich als Beobachter in Spanien 1936 beim Kampf gegen Franco auf, beteiligt sich als Berliner Regierender Bürgermeister am Wiederaufbau des demokratischen Deutschland und befindet sich dort zugleich im Zentrum des Kalten Krieges. Er erlebt die Teilung des Landes.

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Für seine Friedens- und Entspannungspolitik erhält er 1971 den Friedensnobelpreis. Willy Brandt hat das Jahrhundert begleitet: als Betroffener, als kritischer Beobachter und als politischer Gestalter. Helga Grebing und Ansgar Lorenz zeigen in ihrem Comic Leben und Wirken des großen Sozialdemokraten, Europäers und Weltbürgers – informativ, anschaulich, unterhaltsam und reich illustriert.

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Thomas Oppermann: „Wir müssen künftig auch ins Kalkül ziehen, dass wir von den eigenen Freunden ausspioniert werden.“

»Es war richtig, nicht locker zu lassen« Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestags­ fraktion Thomas Oppermann über Konsequenzen aus der NSA-Affäre

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Die Bürger ­müssen sich darauf verlassen können, dass ­ihre Privatsphäre geschützt ist.

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Thomas Oppermann, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der ­SPD-Bundestagsfraktion, zur NSA-Affäre

Impressum Verlags-Sonder­ veröffentlichung Herausgeber: SPD-Bundestagsfraktion Petra Ernstberger, MdB Parl. Geschäftsführerin V.i.S.d.P. Anschrift: SPD-Bundestagsfraktion Platz der Republik 1 11011 Berlin

Herr Oppermann, laut jüngsten Medien­ berichten haben die Geheimdienste der USA und Großbritanniens offenbar von ihren Botschaften aus das Berliner ­Regierungsviertel abgehört. Wie über­ rascht waren Sie von den Berichten? Überrascht war ich nicht sonderlich. ­Meine Befürchtungen aus dem Sommer haben sich bestätigt. Es war naiv von der noch amtierenden Bundesregierung, den Auskünften der amerikanischen ­Geheimdienste uneingeschränkt Glauben zu schenken. Das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages, dessen Vorsitzender Sie sind, hat sich seit dem Sommer ausführlich mit den Spähvorwürfen gegen die USA beschäftigt. Welches Fazit ziehen Sie aus der bisherigen Arbeit des Gremiums? Es war richtig, im Sommer nicht locker zu lassen. Inzwischen nähert sich die Bundesregierung meiner Kritik aus dem Sommer an, so dass wir sehr nachdenkliche und sachorientierte Diskussionen im Parlamentarischen Kontrollgremium führen können. Wir arbeiten weiter an der Aufklärung. Und jetzt scheint sich auch die Bundesregierung daran zu beteiligen. Und in den USA hat auch ein Umdenken einge-

setzt. Ich würde sagen: Die Diskussion hat sich gelohnt. Mit den USA wird derzeit über ein AntiSpionageabkommen verhandelt. Wie muss dieses Abkommen aussehen, damit es die deutschen Bürger und Politiker wirksam vor Spionage schützt? Wir brauchen konkrete Vereinbarungen nicht zwischen den Geheimdiensten, sondern zwischen den Regierungen. Wichtig finde ich: Es geht nicht nur darum, die Ausspähung der Regierung zu beenden. Genauso wichtig ist es, Privatpersonen zu schützen. Die Bürgerinnen und Bürger müssen sich darauf verlassen können, dass ihre Privatsphäre vor massenhafter Ausspähung von Geheimdiensten befreundeter Dienste geschützt ist. Viele deutsche Unternehmen ­befürchten, dass sie Opfer von ­Wirtschaftsspionage geworden sein könnten. Wie hoch ­schätzen Sie diese Gefahr ein? Und was muss die Politik tun, um die Unternehmen zu schützen? Auch unsere Unternehmen müssen vor Wirtschaftsspionage geschützt sein. Das muss Teil des Anti-Spionageabkommens werden. Das Problem der Wirtschafts­ spionage ist schon groß genug im Zusammenhang mit Staaten, mit denen wir nicht

eng befreundet sind. Die Politik kann auch helfen, indem sie die Entwicklung von Verschlüsselungen und sicheren Produkten unterstützt und vertrauenswürdige Kommunikationsinfrastrukturen fördert. Wird die Spähaffäre das Verhältnis der deutschen Politik zu den USA dauerhaft schädigen? Ich glaube, wir sind alle ernüchtert. Trotzdem gilt: Wir verdanken Amerika viel, es ist unser wichtigster Bündnispartner. Jetzt gilt es, verloren gegangenes Vertrauen wieder aufzubauen. Und bei den Verhandlungen über das Transatlantische Freihandelsabkommen müssen wir auf ein hohes Datenschutzniveau achten. Sie haben gefordert, den ehemaligen NSA-Mitarbeiter Edward Snowden als Zeugen zu befragen. Welche neuen ­Erkenntnisse erhoffen Sie sich davon? Edward Snowdens Enthüllungen haben ein Ausmaß der Überwachung durch USDienste aufgedeckt, wie wir es nicht kannten. Seine Kenntnisse können wertvolle Hinweise liefern, die zur Aufklärung der gesamten Affäre und zur Verhinderung weiterer Ausspähungen dienen. Ob und wie wir zu einer Aussage von Edward Snowden kommen, muss die Bundesregierung klären. Das Parlamentarische Kontrollgremium hat sie dazu beauftragt. Sollte er nach Deutschland kommen? Dass muss sorgfältig abgewogen und verantwortungsvoll entschieden werden. Es geht nicht nur um Edward Snowden. Wir müssen drei schwierige Probleme gleichzeitig lösen. Erstens müssen wir die US-Ausspähungen aufklären und die schrankenlose Überwachung durch USGeheimdienste in Europa beenden. Zweitens: Wir müssen eine humanitäre Lösung für Edward Snowden finden. Und drittens: Wir müssen die Partnerschaft mit den USA wieder zurückführen auf die wertegebundene Basis, auf der wir zusammengefunden haben, nämlich Demokratie, Freiheit und die Herrschaft des Rechts. Diese ­Ideale verraten die USA mit der schrankenlosen Überwachung in dieser Zeit. Am Ende ist Edward Snowden mit einer verhandelten Lösung eher gedient als mit einseitigen Entscheidungen oder mit emotionalen und moralischen Höhenflügen. Wenn es stimmt, dass auch britische Geheimdienste deutsche Bürger und Politiker ausgespäht haben: Sollte die Bundesregierung dann auch mit ­Großbritannien ein Anti-Spionage­ abkommen verhandeln? Was für das Verhältnis mit den Amerikanern gilt, sollte unter den Partnern der ­Europäischen Union mindestens auch gelten. Insgesamt müssen wir die Spionageabwehr in Deutschland umstellen. Wir müssen künftig auch ins Kalkül ziehen, dass wir von den eigenen Freunden aus­ spioniert werden, so traurig das ist. Aber Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. n

Foto: Thomas Koehler/photothek.net

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Partei leben! inhalt OV-Porträt

Chefsache

Fotos: Dirk bleicker, Maja Hitij/DPA

Andrea direkt! Die Enthüllungen von Edward ­Snowden halten Deutschland in Atem. Haben Sie Ihr Kommuni­kations­ verhalten nach Bekanntwerden der Abhöraffäre verändert? Nein, das kann ich zurzeit auch nicht. Ich muss gerade so viele Dinge rund um die Koalitionsverhandlungen koordinieren, dass ich nicht einfach mein Handy wechseln oder große Sicherheitsschranken aufbauen kann. Deshalb wünsche ich allen viel Spaß beim Zuhören. Am 25. Mai 2014 ist Europawahl. Wann beginnt für die SPD der ­Wahlkampf? Mit der Nominierung von Martin Schulz als gemeinsamem Spitzenkandidaten der SPE für die Europawahl wurde ein wichtiger Schritt bereits gemacht. Die SPD wird ihn bei der Europapadelegiertenkonferenz am 26. Januar 2014 in Berlin als nationalen Spitzenkandidaten nominieren. Spätestens dann wird auch der Europawahlkampf beginnen. Die Vorbereitungen im Willy-Brandt-Haus sind schon jetzt in vollem Gange. Am 18. Dezember wäre Willy Brandt 100 Jahre alt geworden. Welche Bedeutung hat er für Sie? Willy Brandt ist für mich ein Vorbild und Leuchtturm der Sozialdemokratie. Er hat menschlichen Anstand und politische Visionen auf besondere Weise mitein­a nder verbunden. Dabei war er nie ein Illusionist. Ich habe Willy Brandt vor seinem Tod nur zweimal persönlich erleben dürfen und einen tiefen Respekt vor seiner Lebensleistung. Mit seiner moralischen Integrität ist er noch heute Vorbild für viele, die sich politisch engagieren. n Eure Frage an die Generalsekretärin: parteileben@vorwaerts.de

Die sozialdemokratischen Schausteller des Hamburger DOMs im OV Heiligengeistfeld

Kurz & Knapp Aktionen aus den Gliederungen Termine der Regionalkonferenzen zum Mitgliedervotum

porträt Manfred Kramer aus Niedersachsen sammelt Spenden für Kinder – mit dem Fahrrad

Glückwunsch Altbundeskanzler Helmut Schmidt wird am 23. Dezember 95 Jahre alt

„Ruhe und Gelassenheit“: Ein Bild des Fotografen Richard Schulze-Vorberg aus dem Jahr 1981 diente als Vorlage für die Sondermarke zu Ehren Willy Brandts.

Markante Marke Willy Brandt Eine Sonderbriefmarke erinnert an den 100. Geburtstag des ersten SPD-Bundeskanzlers Von Kai Doering

S Wo man singt Ob „Internationale“, „Die Gedanken sind frei“ oder „Brüder, zur Sonne zur Freiheit“ – Lieder sind ein fester Bestandteil der Arbeiterbewegung. Zum 150-jährigen Jubiläum der SPD hat ein Kreis ehemaliger Hamburger „Falken“ eine CD mit 33 Musikstücken besungen. „Unsere Absicht ist es, alte Lieder der Arbeiterbewegung als Tonaufnahme zu archivieren, weil sie sonst in Vergessenheit geraten“, sagt Rolf Mäkel, bei dem die CD zum Preis von 15 Euro plus zwei Euro Versand bestellt werden kann. Ein 64-seitiges Begleitheft gibt es dazu. n KD Bestellung und Kontakt: rolfmae@aol.com

onderpostwertzeichen. Das klingt bürokratisch und nicht gerade interessant. Doch als am 29. Oktober ein neues Sonderpostwertzeichen im Willy-Brandt-Haus Lübeck vorgestellt wird, ist der Saal gut gefüllt. Auf der Briefmarke – denn nichts anderes ist ein Postwertzeichen – ist Willy Brandt zu sehen, der Kopf gestützt von der linken Hand, den Blick in die Ferne gerichtet. Sie erinnert an das Leben und Wirken des ersten SPD-Bundeskanzlers, der am 18. Dezember hundert Jahre alt geworden wäre. „Mir gefallen die Ruhe und die ­Gelassenheit, die das Bild ausstrahlt“, sagt Ingo Wulff. Der Kieler Diplom-­ Designer hat die Briefmarke gestaltet. Nach einer Vorauswahl des für Briefmarken zuständigen Kunstbeirats im Bundesfinanzministerium hat sich ­Finanzminister Wolfgang Schäuble aus insgesamt 20 Entwürfen von sieben Grafikern für Wullfs Motiv entschieden. „Er wurde verehrt und geliebt, aber auch verachtet und verunglimpft“, erinnert der Vorstandsvorsitzende der ­B undeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung, Karsten Brenner, in Lübeck an den Umgang mit dem damaligen Bundeskanzler in den 1960er und 1970er Jahren. Brandt, 1913 als uneheliches Kind mit

dem ­Namen Herbert Frahm in Lübeck geboren, geriet wegen der Namensänderung während seines Exils ein ums andere Mal ins Visier der Opposition. „Umso schöner, umso befriedigender ist es, wie seine markante Signatur nun die Briefmarke zeichnet, die heute zu seinem Gedenken vorgestellt wird“, so Brenner. „Themenvorschläge für Briefmarkenmotive kommen aus allen Teilen der Bevölkerung“, sagt Ingeburg Grüning ­ vom Bundesfinanzministerium. Der 100. Geburtstag Brandts sei von vielen Bürgern vorgeschlagen worden. „Darunter auch von den Bundestagsabgeordneten Barbara Hendricks und Ulla Schmidt.“ Neben der Briefmarke, die für 58 Cent und in einer Auflage von fünf Millionen Stück seit dem 2. November zu haben ist, gibt es auch zwei passende Sonderstempel. Der eine erinnert mit dem Schriftzug „Wir wollen mehr Demokratie wagen“ an Brandts Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969. Der andere zeigt das berühmte Motiv des Kniefalls in Warschau am 7. Dezember 1970. n Wir verlosen zehn Ersttagsblätter mit der Sondermarke. Bitte schreiben Sie unter dem Stichwort „Briefmarke“ bis 17.Januar 2014 per Post oder E-Mail an: redaktion@vorwaerts.de


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„Wir haben mit 20 Mitgliedern begonnen. Heute sind wir 128“, sagt der OV-Vorsitzende Dirk Sielmann, hier auf dem DOM mit den Schaustellern Sascha Kirchhecker, Peer Nülken und Benno Fabricius (v.l.). „Im Herzen sind Schausteller Sozialdemokraten“, so Sielmann.

Kirmes-Genossen

OV Heiligengeistfeld Die Mitglieder des ungewöhnlichsten SPDOrtsvereins sehen sich nur dreimal im Jahr – wenn in Hamburg DOM ist. Dann machen sie Politik für Karussell- und Spielbudenbetreiber Von Susanne Dohrn

OV-Porträt

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ie sind Genossen. Sie leben in Wohnwagen und ziehen als Schausteller von Stadt zu Stadt. Seit 1985 sind sie in einem Ortsverein ­organisiert, mit einer Ausnahmegenehmigung des Parteivorstands. Denn in der SPD gilt das Wohnortprinzip. Genossen müssen sich in dem Ort organisieren, in dem sie wohnen. Aber Schausteller leben

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an ihrem Heimatort höchstens ein bis zwei Monate im Jahr. In Hamburg hingegen halten sie sich mehr als drei Monate auf, so lange wie nirgendwo sonst. Denn hier auf dem Heiligengeistfeld findet dreimal jährlich ein Volksfest statt, DOM genannt: im Frühjahr, im Sommer und im Winter. Dauer jeweils ein Monat. ­Heiligengeistfeld heißt deshalb der OV der Schausteller-Genossen.

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„So meine Süßen, fertig“, schallt es von gegenüber herüber, dann beginnt wieder die Musik. Peer Nülken, Vorstandsmitglied, betreibt dort das Karussell Viva Mexico. Ein paar Stände weiter befinden sich Sascha Kirchheckers Glücksspielgeräte. Hinein in die Fetzen von Musik und die Schreckensschreie der Achterbahnfahrer mischt sich der Duft von Glühwein und Geschnetzeltem aus Benno Fabricius’ Bauernschänke. Schon Fabricius’ Eltern waren Schausteller, wie seine Groß- und Urgroßeltern. Das Herumziehen liegt ihm im Blut. „Ich ­ habe in einem Jahr bis zu 22 Schulen besucht“, sagt er. Er schaffte trotzdem den Schulabschluss, lernte Großhandelskaufmann und machte sich als jun-

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ger Mann mit einem Verkaufsstand für kandierte Früchte und Mandeln selbstständig. Daraus wurde im Laufe der Jahre die Bauernschänke mit 120 Sitzplätzen. Fabricius gehört zum Urgestein des Ortsvereins und ist seit vielen Jahren im Vorstand. „Wir haben mit 20 Mitgliedern begonnen. Heute sind wir 128“, erzählt er stolz. Dahinter steckt viel Überzeugungsarbeit und das Wissen: Bei der SPD sind die Schausteller gut aufgehoben. Die Kontakte zur Hamburger Sozialdemokratie sind eng. Für die Ersten Bürgermeister gehört ein DOM-Besuch zum Pflichtprogramm. „Im Herzen sind Schausteller Sozialdemokraten“, sagt Dirk Sielmann, der Vorsitzende. Er erklärt das historisch: „Schausteller boten einfache Belustigungen für einfache Leute. Viele Schausteller kommen aus einfachen Verhältnissen und auch heute noch besuchen viele Familien mit Kindern den DOM, die nicht zu den ­Begüterten in Hamburg gehören.“

Größtes Volksfest im Norden Der Vorsitzende ist als einziger kein Schausteller. Das ist Absicht. Der Distrikt wird von einem neutralen ­ Außenstehenden geführt, um zu verhindern, dass sich individuelles wirtschaftliches Interesse mit politischem Engagement vermischt. Sielmann, SPDFraktionsmitglied in Hamburg-Mitte, ist im Hauptberuf Vorsitzender des Landesverbands der Kleingärtner. Die SPDSchausteller lernte er kennen, als er eine ihrer ­Sitzungen leitete. Sielmann: „Das sind Typen, das sind Originale.“ 2002 wählten sie ihn zum Vorsitzenden und seitdem immer wieder. Gerade wurde er auf dem ­Winterdom mit 100 Prozent im Amt bestätigt. Die Anfänge des Hamburger DOMs gehen bis ins Mittelalter zurück. Seit 1893 hat er seinen festen Platz auf dem Heiligengeistfeld. Er ist das größte Volksfest Norddeutschlands. Allerdings auch eines, dessen Bestand nicht selbstverständlich ist. Deshalb ist politisches Engagement wichtig. Sielmann: „Wer nicht solidarisch ist, kommt unter die Räder.“ Der OV bietet die Möglichkeit, an Themen dranzubleiben. In Hamburg sind das vor allem zwei: „Das Heiligengeistfeld soll nicht bebaut, sondern als Veranstaltungsort erhalten bleiben, und der DOM soll nicht privatisiert werden“, sagt Sielmann. Müsste der DOM umziehen, wäre seine Attraktivität dahin. Würde die Organisation, die derzeit die Stadt übernimmt, privatisiert, stiegen die Mieten für die Schausteller und damit für die Besucher. Sielmann: „Der Charakter des Volksfestes ginge verloren.“ Zum Glück für die Schausteller hat sich die SPD-­ Bürgerschaftsfraktion im Mai klar gegen eine Privatisierung ausgesprochen. n

Foto: Dirk Bleicker

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Gelebte ­P olitik

Brandt als Projekt „Willy Brandt war eine Persönlichkeit, die die Sphäre des Politischen längst gesprengt hatte“, so der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier bei der Ausstellungseröffnung des „Willy-Brandt-Projekts“ in Berlin. In diesem Rahmen hat der Bildhauer Detlef Waschkau Willy Brandt und sein Leben sehr vielfältig poträtiert. „Auf einzigartige Weise vermag er es, in der ungewöhnlichen Technik des Holzreliefs, aber auch in collagiert angelegten Zeichnungen und Grafiken der Person Willy Brandts

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Fotos: Detlef Waschkau Courtesy GALERIE TAMMEN & PARTNER, imago/Michael Schulz

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größtmögliche Intimität zu verleihen“, so der Galerist Werner Tammen. Waschkaus Werkreihe beginnt mit dem jungen Brandt in Norwegen und zeigt seine Entwicklung hin zum bedeutendsten Sozialdemokraten der Nachkriegszeit. n VJL

Neumitglied mit 91 Viele Jahre haben die Eheleute Hering aus Potsdam sozialdemokratisch gewählt: „Etwas anderes gab es für uns nicht“, sagt Ruth Hering. Wenige Wochen nach dem Tod ihres Mannes trat die 91-Jährige im November in die SPD ein. „Ich bin alt – aber ich wollte doch noch etwas Vernünftiges machen“, so das Neumitglied. Die brandenburgische SPD-Generalsekretärin Klara Geywitz hieß Hering im OV Potsdam Mitte-Nord herzlich willkommen. n VJL

Mitgliederkonferenzen zum Votum Im Vorfeld des Mitgliedervotums am 7. und 8. Dezember diskutiert die SPD-Spitze den Koalitionsvertrag mit der Basis Ein Leben im O-Ton Teil 10 In der vorwärts-Reihe „Gelebte Politik“ berichten Sozial­ demokraten, die viel erlebt haben, über ihre Erfahrungen. Walter Momper erzählt im zehnten Teil der Serie über seinen Aufstieg in die (West-)Berliner Politik und die dramatischen Tage um den 9. November 1989. Der vollständige Text (Interview: Uwe K ­ nüpfer, B ­ earbeitung: Andi Kunze) ist im Originalton in der vorwärts-App-Ausgabe zu hören und im ­Internet unter vorwaerts.de/­gelebte_ politik

Warum seid Ihr in der SPD? Es gibt viele Gründe, in der SPD zu sein. Welcher ist Eurer? Der „vorwärts“ möchte von seinen Lesern wissen: Warum seid Ihr gerade jetzt in die Partei eingetreten? Schreibt uns kurz in zwei bis drei Sätzen Eure Gründe, sagt noch ein bisschen zu Euch selbst und schickt ein Porträt-Foto mit. Dann habt Ihr die Chance, mit Eurem Statement in einer unserer nächsten Ausgaben veröffentlicht zu werden. Die Auswahl trifft die Redaktion. n Schreibt an: parteileben@vorwaerts.de

22. November 2013

Leinfelden-Echterdingen

Andrea Nahles

Sigmar Gabriel 23. November 2013 Ochtendung Kaiserslautern Andrea Nahles Bruchsal Sigmar Gabriel 27. November 2013

Potsdam

Andrea Wicklein

28. November 2013 Hofheim/Taunus Sigmar Gabriel Thorsten Schäfer-Gümbel Berlin Jan Stöß Sigmar Gabriel 29. November 2013 Bremen Alfeld Stephan Weil Dresden Andrea Nahles 30. November 2013

Lüneburg

Stephan Weil

01. Dezember 2013 Kamen Sigmar Gabriel Hannelore Kraft Nürnberg Sigmar Gabriel Region Hannover Stephan Weil 02. Dezember 2013 Baunatal Sigmar Gabriel Leverkusen Hannelore Kraft Rendsburg Ralf Stegner Greifswald Erwin Sellering Wismar Manuela Schwesig Hameln Stephan Weil Gabriele Lösekrug-Möller Sigmar Gabriel 03. Dezember 2013 Hamburg Olaf Scholz Pinneberg Ralf Stegner Lehrte Stephan Weil Matthias Miersch Neubrandenburg Erwin Sellering 04. Dezember 2013 Oldenburg

Stephan Weil

06. Dezember 2013 Stralsund Erwin Sellering Rostock Manuela Schwesig Lübeck Ralf Stegner 07. Dezember 2013 Schwerin

Manuela Schwesig

08. Dezember 2013 Saarbrücken München

Sigmar Gabriel Sigmar Gabriel

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Mit dem Fahrrad unterwegs für den guten Zweck: Eine Spendenbüchse für die Peter Maffay Stiftung hat Manfred Kramer immer dabei.

Radler und Sammler Manfred Kramer Um Spenden für benachteiligte Kinder einzutreiben, radelte der 62-Jährige nach Rumänien. Jetzt plant er schon die nächste Tour

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anfred Kramer sitzt an seinem Wohnzimmertisch vor einem Stapel Zeitungsartikel und erzählt von seinem Abenteuer. Um Spenden zu sammeln, „wollte ich etwas Verrücktes machen“, sagt er. Also machte er sich im Frühjahr 2013 gemeinsam mit seinem Genossen Dieter Radke auf den Weg: Mit dem Fahrrad fuhren die beiden Sozialdemokraten vom niedersächsischen Schöppenstedt aus nach Rumänien. Mehr als 2000 Kilometer legten sie zurück. Kramer ist 62 Jahre alt, seine vollen, langen Haare sind bereits ergraut. Die Frage, was ihn antreibt, beantwortet der Rentner mit einem Zitat aus seinem Lieblingslied „Nessaja“. „Ich wollte

Porträt

nie erwachsen sein“, heißt es da. Peter Maffay und Rolf Zuckowski haben das Lied geschrieben, für das erste Rockmärchen über den kleinen, grünen Drachen Tabaluga. „Das ist mein Slogan“, ruft Kramer mit kräftiger Stimme. „Er spricht mir aus der Seele.“

In 38 Tagen durch sechs Länder Sich für Kinder zu engagieren, ist für Manfred Kramer zu einer Lebensauf­ gabe geworden. Seit vielen Jahren unterstützt er die Peter Maffay Stiftung, die Schutzräume für benachteiligte oder traumatisierte Kinder schafft. Zum Beispiel im rumänischen Dorf Roades ­(Radeln), wo die Stiftung ein Ferienhaus errichtet hat. Dorthin führte die Tour

von Kramer und Radke. „Radeln nach Radeln“ nannten sie ihre Aktion. Für jeden gefahrenen Kilometer wollten die Radler zehn Euro für die Maffay-Stiftung sammeln. Dafür ­warben sie mit einer Internetseite für ihre Aktion, sprachen mit den lokalen Medien. Zudem halfen ihnen Kramers Kontakte als ehemaliger Betriebsrat bei VW. Auf ihrer Tour fuhren sie Standorte von Volkswagen, Audi, Skoda und MAN an, um bei den Mitarbeitern Spenden zu sammeln. Mit Erfolg: Am Ende kamen 25 000 Euro zusammen. 38 Tage dauerte die Reise, die sie durch sechs Länder führte: Deutschland, Tschechien, Österreich, Slowakei, Ungarn und Rumänien. „Manche Leute

Foto: Dirk Bleicker

Von Carl-Friedrich Höck


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haben uns gewarnt, das wäre doch zu gefährlich“, sagt Kramer. Doch passiert sei nichts. „Überall haben wir nur hilfsbereite Menschen getroffen.“ Einige stellten kostenlose Unterkünfte zur Verfügung, andere schenkten ihnen Honig oder selbstgebrannten Schnaps. Ein ­u ngarischer Fahrradhändler reparierte ihnen sogar zwei Stunden lang ein kaputtes Rad, wollte sich die Arbeit aber nicht bezahlen lassen.

Engagement für Kinder verbindet ihn mit dem Musiker. In seinem Wohnzimmer füllen die CDs von Peter Maffay ein ganzes Regalfach. „Seine Musik läuft hier ständig“, sagt Kramer. Seit den frühen 1970ern ist Kramer ein MaffayFan. 2004 lernte er sein Idol persönlich kennen. Kramers Freund Sigmar Gabriel, der heutige SPD-Vorsitzende, organisierte bei einer gemeinsamen Reise nach Mallorca ein Treffen. Seitdem ste-

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Wir haben nur hilfsbereite Menschen ­getroffen.

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Manfred Kramer

wurde gewarnt, seine Reise werde gefährlich. Doch er erlebte das Gegenteil.

Foto: Privat

Ein Leben für Kinder Schon früh hat Kramer damit begonnen, sich ehrenamtlich für Kinder ­einzusetzen. Mit 16 Jahren betreute er als Helfer Kinderzeltlager der sozialistischen Jugendorganisation „Die Falken“. 1970 trat er in die SPD ein. In den 1980er und 1990er Jahren organisierte er als ehrenamtlicher Stadtjugendpfleger in Schöppenstedt Ferienprogramme, saß viele Jahre im Stadt- und Samtgemeinderat. Er gründete einen Verein für Kinder- und Jugendfreizeiten mit und übernahm die Patenschaft für ein Kind in Weißrussland. Nun rührt Kramer die Werbetrommel, um Spenden für die Maffay-­ Stiftung zu sammeln. Nicht nur das

Zwei Männer, ein Ziel: Manfred Kramer mit Peter Maffay 2011 auf Mallorca

hen Kramer und Maffay regelmäßig in Kontakt. Im kommenden Jahr will Manfred Kramer sich erneut auf den Fahrradsattel schwingen. Gemeinsam mit seinem spanischen Freund Miguel Alemany, plant er eine Tour auf dem Jakobsweg durch Spanien. Wieder will er Spenden für die Maffay-Stiftung sammeln. „Wir fangen schon jetzt damit an“, sagt er. Auch ins Training für die bergige Strecke steigt er bald ein: Mit dem Mountainbike geht es über den Höhenzug Asse. Der liegt von Kramers Haus aus in Sichtweite. Noch hält er es für ungefährlich, ihn zu befahren. Das könnte sich ändern. Denn in der Asse befindet sich ein unterirdisches Atommüll-Lager, in das Wasser sickert. Der Verein „AufpASSEn e.V.“ drängt ­darauf, die Fässer aus der Asse herauszuholen und in ein Zwischenlager zu überführen. Auch dort engagiert sich Kramer. „Es geht auch um die zukünftigen Generationen“, betont er. Und ist damit wieder bei seinem Lebensthema: den Kindern. n Spenden können Sie über die Kontoverbindung: Peter Maffay Stiftung, Konto: 765 70 30, BLZ: 701 90 000, Verwendungszweck: Manfred Kramer Jakobsweg 2014.

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eit 30 Jahren hat Helmut Schmidt kein öffentliches Amt mehr – und wurde in dieser Zeit immer populärer. Es ist erst ein paar Jahre her, da wünschte eine Mehrheit der Deutschen ihn als Kanzler zurück. Junge Leute lesen seine Bücher. In Interviews formuliert er so drastisch wie in seinen politischen Anfängen, als er sich im Bundestag den Spitznamen „SchmidtSchnauze“ redlich erarbeitete. Den Irakkrieg und Guantanamo nannte er „diese ekelhaften Dinge.“ Und schon bevor die Finanzmärkte für alle offensichtlich aus dem Ruder liefen, prägte er das Wort vom „Raubtierkapitalismus.“ Auch für jene Sozialdemokraten, die sich einst schwer taten mit ihrem Bundeskanzler und dem Nachrüstungs­ beschluss, ist er zu einer moralischen Instanz geworden. Im Nachhinein schätzen sie seine Kompetenz, seinen nüchternen Pragmatismus, den geräuschlos funktionierenden Apparat, seine Macherqualitäten eben. Früher haben Konservative gerne eingestanden, dass sie Helmut Schmidt bewundern – leider sei er nur in der falschen Partei. Seine Antwort kurz vor dem 90. Geburtstag: „Die haben sich geirrt. Ich war schon in der richtigen Partei. Nur meine Partei hat sich eben manchmal gewaltig geirrt. Ich bin ein Sozi und bin das im Kriegsgefangenenlager geworden.“

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»Ich war schon in der richtigen Partei« Helmut Schmidt Geachtet und respektiert wurde er stets in der SPD. Heute, über 30 Jahre nach dem Ende seiner Kanzlerschaft, wird er bewundert und verehrt. Am 23. Dezember wird er 95 Jahre alt Von Renate Faerber-Husemann

Krisenmanager im Kanzleramt

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4 1| Kanzler in Aktion: 1974 im niedersächsischen Landtagswahlkampf 2| Kraft tanken: Schmidt beim Schachspiel mit seiner Frau Loki am Brahmsee 1974 3| Gefragter Redner: hier auf dem SPD-Bundesparteitag 2011 in Berlin. 4| Krisenmanager: 1982 vor dem Bonner Kanzleramt 5| Urlaub am Brahmsee: Helmut Schmidt mit seinem Freund Karl-Wilhelm Berkhan

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Fotos: J.H. Darchinger/Friedrich-Ebert-Stiftung (4), Uta Wagner

Willy Brandt wurde geliebt, Helmut Schmidt wurde geachtet – weltweit. Er war der Krisenmanager im Kanzleramt während der Ölkrise und in den dramatischen Zeiten des RAF-Terrors. Nie glaubte er daran, dass man die Welt durch Kriege besser machen könne. In der „Zeit“ schrieb er vor einigen Jahren: „Das nordatlantische Bündnis war und ist ein Verteidigungsbündnis, nicht etwa ein Bündnis zur Umgestaltung der Welt.“ Und zur Bundeswehr: „Sie ist nicht darauf vorbereitet, irgendwo in Asien den Dorfrichter Adam zu spielen.“ Von Altersmilde ist also wenig zu spüren, und sein Verstand ist so scharf wie eh und je. Körperlich ist er gebrechlich, braucht einen Rollstuhl und ein Hörgerät. Er hat zwei Herzinfarkte hinter sich und ist auf ­einen Herzschrittmacher angewiesen. Dass er Musik nicht mehr hören und schon lange nicht mehr Klavier spielen kann, ist eine Tragödie für ihn. Woher nimmt er die Kraft, sich immer noch zu Wort zu melden? Seine Antwort: „Willen braucht man – und Zigaretten.“ Einmal wurde er gefragt, was wohl seine Rolle in den Geschichtsbüchern ­ sein werde: „Das kann mir nicht wichtig sein, denn wenn es geschrieben wird, bin ich längst tot.“ n


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Ab Februar gelten neue Regeln für den Geldverkehr. Für Privatleute ändert sich aber wenig Egal ob eine Überweisung ins spanische Marbella geht, nach Tromsø in Norwegen oder nach Hannover: Künftig sieht sie immer gleich aus, kostet die gleiche Gebühr und erfolgt schnell. Das ist die Idee, die hinter SEPA (Single European Payment Area) steht, dem einheitlichen europäischen Zahlungsverkehrsraum. Der wird am 1. Februar 2014 Wirklichkeit.

Von Krise zu Krise hangeln USA Politökonom Henrik Enderlein sieht die U ­ rsachen für den Haushaltsstreit im ­amerikanischen Wahlsystem Interview Yvonne Holl

Die Vorbereitungen sind in der heißen Phase, denn für alle, die Zahlungen per Lastschrift einziehen, gibt es gravierende Änderungen. Privatleute müssen nicht viel mehr tun, als sich die internationale Kontonummer IBAN (International Bank Account Number) einzuprägen. Sie besteht in Deutschland aus den zwei Buchstaben DE und 20 Ziffern. Bis 2016 gilt eine Übergangsregelung und Privatleute können ihre alte Kontonummer weiter nutzen. Unternehmen stellen jetzt schon um, denn für sie läuft ab dem 01.02.2014 sonst nichts mehr. Verbraucher bekommen daher Post von Vertragspartnern, denen sie ein Lastschriftmandat erteilt haben. Darin wird auf die Umstellung hingewiesen, manche nutzen die Gelegenheit, um ihre Daten zu aktualisieren. Dabei sollten Verbraucher genau hinsehen: Die Deutsche Bundesbank warnt davor, dass zwischen den vielen ähnlichen Briefen auch Schreiben sein könnten, mit denen illegal Kontodaten eingesammelt werden. Wer Geld per Lastschrift einzieht, muss künftig eine Gläubiger-Identifikationsnummer angeben. Diese wird zentral von der Bundesbank vergeben. Wer eine Gläubiger-ID braucht, sollte daher schnell handeln. Das gilt auch für Vereine, die z.B. Mitgliedsbeiträge per Lastschrift einziehen. Im Januar geht das noch ein letztes Mal wie gewohnt, danach wird das alte Verfahren dafür nicht mehr funktionieren. n sepadeutschland.de glaeubiger-id.bundesbank.de

Enderlein: „Für den US-Kongress ist es immer schwieriger geworden, Kompromisse zu finden.“

Herr Enderlein, nach der Haushaltskrise im Oktober haben sich Demokraten und Republikaner etwas Zeit verschafft: Bis 7. Februar 2014 ist die Schuldengrenze aufgehoben, der ­Übergangshaushalt trägt bis 15. Januar. Wiederholt sich dann die Krise? Viel spricht dafür, dass der Haushaltsstreit noch nicht zu Ende ist: Das war kein kurzfristiges Schmierentheater, sondern eher ein langfristiges Problem, welches im amerikanischen politischen System angelegt ist. Inwiefern? Die Polarisierung im Kongress zwischen Republikanern und Demokraten hat stark zugenommen. Es ist schwieriger für beide Parteien geworden, Kompromisse zu finden. Wie ist es dazu gekommen? Rund 90 Prozent aller Wahlkreise in den USA sind nicht mehr umstritten, sondern gehören eindeutig zum demokratischen oder republikanischen Lager. Das geht auf die Neuordnung der Wahlkreise ­zurück, das so genannte Redistricting. In diesen Wahlkreisen wird nicht mehr am Wahltag darüber entschieden, wer den

Sitz im Repräsentantenhaus bekommt, sondern in der Vorwahl, also wenn sich innerhalb der Republikaner oder innerhalb der Demokraten die Akteure aus­ einander setzen. Und die werden immer radikaler? Wenn sich ein Republikaner und ein ­Demokrat in einem Fifty-Fifty-Wahlkreis gegenüberstehen, dann orientieren sich beide an den Wählern der Mitte, um mehr als 50 Prozent der Stimmen zu bekommen. Wenn aber schon feststeht, welche Partei gewinnt, dann findet die Auseinandersetzung innerhalb der Parteien statt – noch dazu bei geringer Wahlbeteiligung. Oft entscheiden dann vor allem radikalisierte, polarisierende Stimmen darüber, wie der Kongress sich am Ende zusammensetzt. Ist die Wahlbeteiligung so niedrig? Teils ja. Ein amerikanischer Wahlkreis für das Repräsentantenhaus steht für ungefähr 700 000 Menschen. Aber um das Mandat zu holen, sind oft nur 15 000 bis 30 000 Stimmen in den Vorwahlen nötig, also weniger als fünf Prozent. Welcher Weg könnte aus dieser ­Sackgasse herausführen?

Auf Ebene der Wahlkreise gibt es zwei Antworten: Entweder man macht einen Großteil des Redistricting rückgängig und sorgt dafür, dass es wieder umstrittene Wahlkreise gibt. Die zweite Möglichkeit wäre eine Revolution für die USA, nämlich ein Verhältniswahlrecht wie in Deutschland. Weil dann jede Stimme wählt. Ist das denn wahrscheinlich? Es gibt eine relativ große Bewegung in den USA, die sich für eine WahlrechtsReform einsetzt, aber sehr zuversichtlich bin ich nicht. Deshalb muss sich die Lösung der Haushaltskrise doch im Repräsentantenhaus abspielen. Das wird wie in der Vergangenheit auch so sein, dass man sich von Krise zu Krise hangelt und in letzter Minute einen Kompromiss findet. Aber es geht doch um einen grundsätzlichen Dissens: Die Republikaner wollen die Sozialausgaben s­ enken, die Demokraten halten sie für ­unabdingbar. Wurden die vergangenen Wochen nicht genutzt, um eine ­grundsätzliche Einigung zu erzielen? Es gab auf keinen Fall eine grundsätzliche Annäherung, die den Weg frei geräumt hätte. Es bleibt beim durchwursteln, mal schlimmer, mal weniger schlimm. Aber klar ist auch, dass die wichtigste Volkswirtschaft der Welt, die auch die wichtigste Reservewährung trägt, in vielen Bereichen wirtschaftspolitisch nicht mehr wirklich handlungsfähig erscheint. Wie lange kann das gut gehen und welche Auswirkungen auf die ­Weltwirtschaft und insbesondere auf Europa sind zu befürchten? Es klingt paradox: Obwohl die US-amerikanische Regierung politisch nicht mehr so handlungsfähig ist, wie sie sein sollte, wird es nicht zum Staatsbankrott kommen. Wie können Sie so sicher sein? Die Auswirkungen wären so massiv, dass es völlig ausgeschlossen ist, dass das eintrifft. Alle Beteiligten, auch die Finanzmärkte, wissen, dass in letzter Minute immer ein Kompromiss gefunden wird. Wie lange machen die Amerikaner dieses Spiel noch mit? Im Oktober waren 800 000 Staatsbedienstete in unbezahlten Zwangsurlaub ­geschickt worden. Ist da nicht mit einem ­Aufstand zu rechnen? Ich denke, es wird sich bei kommenden Wahlen entscheiden, ob die Bürger irgendwann begreifen, dass es sinnvoll ist, einer der beiden Parteien ein klares Mandat zu geben und sie damit aufzufordern, auch wirklich gute Politik zu machen. n Henrik Enderlein ist Professor für Politische Ökonomie an der Hertie School of Governance in Berlin.

Foto: Andreas Pein/LAIF

SEPA kommt

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Wirtschaft 25

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meine Arbeit

Retter in Rot »Ich weiß nie, was der

Tag mir bringt. Das macht den Beruf so spannend.

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Foto: Thomas Horsmann

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chon in der Schule habe ich mich für einen sozialen Beruf interessiert. Er sollte abwechslungsreich sein und mit Medizin zu tun haben. ­Deshalb habe ich nach einem Krankenhauspraktikum die zweijährige Ausbildung zum Rettungsassistenten beim Arbeiter-Samariter-Bund begonnen – das ist jetzt zwanzig Jahre her. Und ich weiß immer noch nicht, was der Tag alles bringen wird. Das macht meinen Beruf so spannend. Ich arbeite in einem Rettungstransportwagen gemeinsam mit einem Rettungssanitäter. Wir bilden ein festes Team. Im Einsatz bin ich für die medi­ zinische Erstversorgung, Überwachung und Betreuung des Patienten zuständig, während mein Teampartner sich um die organisatorischen Dinge rund um den Einsatz kümmert.

Rettungsassistent René Gerster 38 Jahre, lebt in München Ausbildung

zwei Jahre

Status

angestellt

Gehalt

ca. 2150 Euro brutto inkl. Schichtzulage

Arbeitszeit

38,5 Stunden

Wir arbeiten in drei Schichten zu acht Stunden. Sie beginnen um 6, 14 und 22 Uhr. Meist habe ich pro Monat sieben Nachtdienste am Stück, außerdem arbeite ich im Schnitt an zwei Wochenenden im Monat. Die restlichen Dienste verteilen sich auf Früh-

und Spätschichten. Das ist für das Privatleben nicht so förderlich, denn ich arbeite, wenn meine Freunde feiern, und wenn ich Zeit habe, arbeiten sie. Mein Arbeitstag beginnt immer zehn Minuten vor Schichtbeginn in unserer Zentrale. Dort

ziehe ich mich um und treffe mich mit meinem Kollegen. Dann übergibt uns das vorherige Team den Rettungswagen. Wir ergänzen die Verbrauchsartikel wie Verbandsmaterial, Medikamente und Spritzen. Nun kontrolliere ich die medizinischen Geräte wie Beatmungsgerät und EKG sowie den Notfallrucksack, den ich mit zum Patienten nehme. In dieser Zeit überprüft mein Kollege die Fahrzeugtechnik und den einwand­ freien Zustand des Rettungswagens. Meist dauert es nicht lange bis wir alarmiert werden. Pro Schicht haben wir etwa sechs bis zehn Einsätze, und oft fahren wir von einem Notfall direkt zum nächsten. Zum Schichtende übergeben wir den Rettungswagen dann an das nächste Team. Naturgemäß werden wir oft zu Menschen gerufen, die schwer verletzt oder erkrankt sind. Ich finde es toll, ihnen helfen zu können. Es ist aber auch eine Belastung. Die wird durch besonders schöne Erfahrungen ausgeglichen, wenn wir etwa ein Kind auf die Welt bringen oder sich Patienten noch einmal melden, um sich zu bedanken. n Aufgezeichnet von Thomas Horsmann vorwaerts.de/meine_arbeit ANZEIGE

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26  Kultur

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WeihnachtsLektüre

Wahlkampf-Manege Wie ein Kulturjournalist den Politikbetrieb erlebt hat

Opfer Brandt

Zur Lage in Syrien und in der arabischen Welt Von Karin Nink

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und kritisiert: vor allem die westliche Welt, die USA und Europa, die sich bisher mit teuren aber ergebnislosen Konferenzen zufriedengeben. Aber auch alle anderen, die diesen Konflikt als Stellvertreterkrieg für ihre Interessen missbrauchen: Russland, China, Katar, Saudi-Arabien, Iran und andere. Armbrusters Blick reicht über die syrischen Grenzen hinaus. Was hat der arabische Frühling von 2011 gebracht? Wohin bewegen sich Länder wie Ägypten und Tunesien? Er nimmt kein Blatt vor den Mund, ordnet klar ein und gibt dem Leser eine saubere Analyse der Lage in der arabischen Welt, die „noch nie so zerbrechlich und angespannt war wie heute“. n

r nimmt den Leser an die Hand und führt ihn in das von Bürgerkrieg und Terror geschundene Syrien: Jörg Armbruster liefert einen ungefilterten, manchmal auch brutalen Blick durch die Kamera. Der langjährige Nahost-Korrespondent der ARD und vorwärts-Autor dokumentiert in seinem Buch auch sehr präzise das Elend der Zivilbevölkerung, besonders der Kinder, und die hemmungslose Gewalt in diesem Konflikt. Er ist vor Ort, scheut nicht die Gefahr, in der er im Frühjahr dieses Jahres fast selbst umgekommen wäre. Er zeigt die Not in zerstörten Städten und Dörfern, die Rebellen eingenommen haben und die von den Assad-Truppen regelmäßig bombardiert werden, um sie lebensunfähig zu machen. Meist abends oder in der Nacht, dann werden die meisten Menschen getötet, weil sie alle zu Hause sind. Armbruster ergreift keine Partei, nicht für die Rebellen, erst recht nicht für Assads Terror-Regime. Er beobachtet

Jörg Armbruster Brennpunkt Nahost Die Zerstörung Syriens und das Versagen des Westens Westend Verlag 2013, 256 Seiten, 17,99 Euro ISBN 978-3-86489-037-6

Illustrierter Roman

Ihr Vermächtnis

Malerei trifft Literatur – in diesem Falle doppelt: Der Pop-Art-Künstler Jim ­Avignon hat Guy de Maupassants Künstlerroman „Stark wie der Tod“ illustriert. Olivier Bertin, die Hauptfigur des erstmals 1889 erschienenen Buches, ist Maler. Seit Jahren hat er eine Affäre mit einer verheirateten Gräfin. Das Liebespaar ist gealtert. Alles gerät aus den ­Fugen, als Bertin die junge schöne Tochter seiner Geliebten trifft. „Nach und nach verliebte ich mich in diese neue Arbeit“, beschreibt Jim Avignon seine Freude beim Illustrieren. Ein Buch zum Lesen und zum Verschenken. n BG

Die untergetauchte jüdische Familie wurde verraten: 1945 starb Anne Frank im Konzentrationslager. Ihre Texte ­erscheinen nun bei Fischer in einer Gesamtausgabe. Neben ihrem weltberühmten Tagebuch, das in drei Versionen existiert – Anne Franks Originalfassung, daneben eine, die sie für eine spätere Veröffentlichung bearbeitete und eine dritte, die ihr Vater nach ihrem Tod freigab, zeigen Briefe und fiktionale Texte, was für eine begabte Schreiberin Anne Frank war. Sie wurde nur 15 Jahre alt. Das Buch macht deutlich, wie groß ihr Vermächtnis ist. n BG

Guy de Maupassant Stark wie der Tod mit Illustrationen von Jim Avignon edition Büchergilde 2013 295 Seiten, 24,95 Euro ISBN 978-3-86406-029-8

Anne Frank Gesamtausgabe Hg.: Anne Frank Fonds Fischer Verlag 2013 804 Seiten, 28 Euro ISBN 978-3-10-022304-3

Albrecht Müller Brandt aktuell Treibjagd auf einen Hoffnungsträger Westend Verlag 120 Seiten, 10 Euro ISBN 978-3-86489-064-2

Alle Bücher auch erhältlich in der vorwärts-Buchhandlung. info@vorwaerts-­ buchhandlung.de

Verlosung Am 18. Dezember wäre Willy Brandt 100 Jahre alt geworden. Zu diesem Anlass erscheinen viele Bücher. Albrecht Müller beleuchtet in „Brandt aktuell“ die „Treibjagd auf einen Hoffnungsträger“ (s.o.). Der „vorwärts“ verlost drei Exemplare. Bitte schicken Sie eine Karte mit dem Stichwort „Brandt aktuell“ bis 17. Januar 2014 per Post oder per E-Mail an: redaktion@vorwaerts.de

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück beim Straßenwahlkampf in Wiesbaden. Hier bei einem kurzen Statement für die Presse.

Nils Minkmar hat ein kluges, sprachlich bemerkenswertes Buch geschrieben: Mit der Beobachtung des SPD-Bundestagswahlkampfes und des Kandidaten Peer Steinbrück lüftet er den Vorhang des „Zirkus“ von Medien und Politik: Er zeigt die noch unterschätzten Herausforderungen für Parteien, Politiker und Medien, die das digitale Zeitalter mit sich bringt und die Schwächen aller Beteiligten. Der Feuilletonchef der „FAZ“ hat sich ein Jahr lang in die SPD-Wahlkampf-Manege begeben und auch kleinste Details beobachtet: Er zeigt die wachsende Kluft zwischen den klassischen Methoden einer Volkspartei und ihren Vertretern einerseits und den Forderungen des Journalismus in Zeiten der Digitalisierung andererseits. Er spart nicht mit Kritik an der eigenen Zunft und verschweigt nicht die Fehler eines Kandidaten, dem er doch mit aufrichtiger Sympathie begegnet und der ihm intime Einblicke gewährt hat. Minkmars Vorteil ist, dass er als Feuilletonist nicht in das alltägliche Politikspektakel eingebettet ist, sondern einen vergleichsweise frischen, distanzierten Blick hat. Seine große Stärke zeigt sich darin, dass er nicht grob urteilt, sondern differenziert aber glasklar Fehler aufzeigt. Das Buch erzwingt intensives Nachdenken über die Inszenierung von Politik in einer Zeit, in der die Medien immer schneller nach der nächsten Performance der politischen Akteure gieren und nicht mehr die Inhalte beachten – und Politiker sich diesen Erwartungen beugen (müssen). Auch für eine längst überfällige Diskussion in und mit den Medien über ihre heutige Rolle und ihr Verhältnis zur Politik liefert Minkmar ­einen ausgezeichneten Beitrag. n KN Nils Minkmar Der Zirkus Ein Jahr im Innersten der Politik S. Fischer 2013 224 Seiten, 19,99 Euro ISBN 978-3-10-048839-8

Foto: Hendrik Rauch, Thomas Imo/photothek.net

Der Stellvertreterkrieg

Willy Brandt war die ideale Zielscheibe der Konservativen: „weil er ein uneheliches Kind war, weil er vor den Nazis ins Ausland emigriert war, weil er fast schon unheimliche Anziehungskraft auf Menschen ausübte“. So urteilt Albrecht Müller in seinem Buch „Brandt aktuell“. Müller, Leiter der Planungsabteilung im Kanzleramt unter Brandt, beschreibt die „Treibjagd auf einen Hoffnungsträger“ – die nicht nur von der Opposition veranstaltet wurde. „Auch innerhalb der SPD wurde gegen Brandt agitiert – wesentlich verdeckter zwar, aber deshalb nicht folgenlos.“ Mit den Augen dessen, der dabei war, gibt Müller einen spannenden Einblick ins Innenleben der Bonner Republik. n KD


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28  Kultur

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Von Gitta List Edward Snowden sei ein „Augenöffner“, um die Bevölkerung nun über die Geheimdienste aufzuklären. In einer Zeit, in der es der Politik schwerfalle, die Geheimdienste zu kontrollieren, komme dem Journalismus eine besondere Aufgabe zu, sagte der Ex-WDR-Intendant Fritz Pleitgen kürzlich im Beckmann-Talk. Hoher Anspruch, leise Kritik: Hat die Presse NSA verschlafen? Hätten sich Journalisten früher auf die Spur der Späher begeben müssen? Hätten sie früher ihr Augenmerk auf die Warnungen lenken müssen, die etwa der Chaos Computer Club schon lange verbreitet: Obacht, Spähbetrieb, wir werden alle abgehört unter dem Vorwand der „Terrorbekämpfung“? Journalisten sollen aufmerksam sein, dazu sind sie da. Andererseits: Geheimdienste sollen spionieren, dazu sind sie da. Und zwar nicht, wie man angesichts der so aufgeregten wie einseitigen Berichterstattung meinen könnte, allein der amerikanische und britische. Alle Geheimdienste sind technisch in der Lage, jedermann in einem bislang nicht da gewesenen ­ (und in der Tat beunruhigenden) Ausmaß zu überwachen. Dass die deutsche Presse überzeugt scheint, nur die NSA missachte dabei kontrollrechtliche Vorgaben, ist erstaunlich naiv. n

Gleicher Lohn für Männer und Frauen: Dafür demonstriert hier die SPDBundestagsfraktion am „Equal Pay Day“ mit anderen Engagierten in Berlin.

Arbeit und Leben

Rezension Die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles ­beschäftigt sich mit Wert und Wertschätzung von Arbeit Von Ursula Engelen-Kefer

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er Titel des Buches lautet „Wertarbeit. Leitbild für eine menschliche Arbeitsgesellschaft“. Er zeigt die Komplexität der Abhandlung von Arbeit. Dies ist, wie Autorin und SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles schreibt, nicht das Arbeitsprogramm der SPD, sondern „ein essayistischer Versuch, Arbeit wieder aufzuwerten“. Im Mittelpunkt steht ihr persönliches Erleben vor allem in der Familie, mit i­hrer dreijährigen Tochter. Arbeit ist nicht isoliert zu betrachten, sondern als ein wesentlicher Teil des gesellschaftlichen Lebens. Dies ist als Kontrapunkt zu der Überbewertung von Kapital, Finanzsystemen, Märkten und Börsen zu sehen. Arbeit ist nicht nur vom Einkommen abhängig, son-

Der erste TV-Kanzler

Daniela Münkel schreibt über Willy Brandt als Medienkanzler Von Detlef Lehnert

D

ieses Buch bietet mehr, als der Titel verspricht: Über Bemerkungen hinaus wird ein mit vielen Nachweisen versehenes Bild von Willy Brandts Wirkung in der Öffentlichkeit gezeichnet. Als Journalist war er ein Medienprofi und nutzte dies in Verbindung mit seiner persönlichen Ausstrahlung zielbewusst. Als Berliner Bürgermeister und später als Außen­ m inister und Bundeskanzler

Daniela Münkel Bemerkungen zu Willy Brandt 2., überarbeitete und ­ergänzte Auflage vorwärts|buch 2013 272 Seiten, 20 Euro ISBN 978-3-86602-541-7

Andrea Nahles Wertarbeit Leitbild für eine menschliche Arbeitsgesellschaft vorwärts|buch 2013 120 Seiten, 10 Euro ISBN 978-3-86602-563-9

fand Brandt viel öffentliche Beachtung. Zwar sah er sich Hetzkampagnen wegen ­seiner Herkunft und Widerstandsjahre gegen die NS-Diktatur ausgesetzt. Aber die Vorbehalte in teilweise noch antidemokratisch geprägten Jahrgängen wurden allmählich von überwiegend positivem Echo in meinungsbildenden Kreisen zurückgedrängt. Der Autorin gelingt der Nachweis, dass Willy Brandt sich als „erster m ­ oderner Medienkanzler in der Geschich­te der Bundesrepublik“ durchsetzte. Durch die überwiegende Versorgung der Haushalte mit Fernsehgeräten konnte sich, vor allem zwischen den Wahljahren 1969 und 1972, die Wirkung von Bildern voll entfalten: Szenen wie der Fenstergruß von Erfurt oder der Kniefall von Warschau blieben im Gedächtnis. Zu einem „Demokratisie-

Aufwertung der Arbeit nötig Eingehend behandelt Nahles die neueren Formen von Arbeit als „Arbeitskräfteunternehmer“ und den physischen und psychischen Überbelastungen bis zum „burn out“. Sehr ausführlich befasst sie sich mit der „Trennung“ von Beruf und Familie, den gravierenden Mängeln bei Vereinbarkeit und Gleichstellung sowie den notwendigen familienpolitischen Maßnahmen. Im Mittelpunkt ihrer Forderungen zur Aufwertung der Arbeit stehen neben Mindestlöhnen und gleichem Lohn für gleiche Arbeit, Begrenzung von Befristungen, Minijobs und Leiharbeit sowie Stärkung der Tarifverträge und die Einführung einer „Arbeitsversicherung“ mit einem Recht auf Qualifizierung. Auch hiermit müssten Wert und Wertschätzung von Arbeit und damit auch die Würde der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen erhöht werden. n

rungsschub in ­einer aktiven Bürgergesellschaft“ trug Brandts Medienstrategie bei, weil die Wählerschaft nicht auf die Konsumentenrolle beschränkt wurde. So gelangen die Wahlsiege 1969 und 1972 mit Unterstützung von Wählerinitiativen. Diese konnten ihre Wirkung nur hinreichend entfalten, weil die organisatorischen und finanziellen Voraussetzungen bereitgestellt wurden. Wenn ideelles Engagement sich selbst überlassen bleibt, reduziert sich auch der Kontakt mit Medienleuten. Sie sind es aber, die breitere Bevölkerungskreise über Wort, Ton und Bild erreichen. Insofern war die gezielte Einbindung von Fachleuten sowie von „Geist und Kultur“ keine Marotte von Willy Brandt, sondern über Medien transportiert ein wirksamer Beitrag zur öffentlichen ­Mobilisierung. n

Foto: Alina Novopashina/dpa

Medienzirkus

dern von ihrer Qualität, genau wie von der Selbstverwirklichung, Teilhabe, Mitbestimmung, Qualifizierung und dem Aufstieg, den sie mit sich bringt. Mit Erstaunen registriert Andrea Nahles die Veränderung der Einstellung zur Arbeit bei der jüngeren Generation: „Da fehlt oft der Biss … auch, weil vermutlich die dringende Notwendigkeit zu arbeiten ... entfällt.“ Allerdings macht sie gleichzeitig deutlich, dass der oft ­lange Verbleib im Bildungssystem von den Eltern forciert und durch die Schwierigkeiten beim Einstieg in den Beruf beeinflusst wird. Dargestellt werden die prekären Arbeitsverhältnisse, insbesondere: Praktika, befristete Beschäftigung, Leiharbeit, Minijobs, Werkverträge und instabile Selbstständigkeiten.


Kultur 29 ANZEIGE

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Ein Gerechter im Land der Feinde Foto: Regine Mosimenn © Diogenes Velrag

Fritz Bauer Der hessische Generalstaatsanwalt hat den Auschwitz-Prozess möglich gemacht Von Birgit Güll

Petros Markaris schürft in Griechenlands jüngster Vergangenheit – und fördert viel Dreck zutage. 320 S., Leinen, € (D) 22.90

Foto: CV Films

aus den 60er Jahren und Interviews mit Freunden und Weggefährten das Bild eines Mannes zusammen, der alles dafür tut, die Täter für ihre Verbrechen zur Verantwortung zu ziehen. ­Bauer weiß, dass er gegen mächtige Widerstände kämpft. Er misstraut einer Justiz, die durchsetzt ist von Nazis, die nur aufgehört hatten, ihre Parteiabzeichen zu tragen. Als er erfährt, dass Adolf Eichmann sich in Argentinien aufhält, informiert er den israelischen Geheimdienst. Eichmann, der die perverse Logistik des Holocaust organisierte, wird in Israel vor Gericht gestellt und zum Tod verurteilt.

Verspielt, beunruhigend, berührend, spannend, einfach genial! Ein Roman, der ins Herz unserer Zeit trifft. 512 S., Leinen, € (D) 22.90

Die jungen Menschen aufklären In Zioks Film sieht man Fritz Bauer, den weißhaarigen Mann mit der schwarzen Brille im Gespräch mit jungen Menschen. Sie sind es, an die sich seine Aufklärung richtet, damit sich die Geschichte nicht wiederhole, nie wieder. Sie sind es, die zu Tausenden den Frankfurter Prozess verfolgen. „Wenn ich mein Büro verlasse, betrete ich feindliches Ausland.“ So beschreibt Bauer seine Lage. Am 30. Juni 1968 wird der bedeutendste Jurist der Bundesrepublik tot in seiner Badewanne aufgefunden. Bis heute gibt dieser Tod Anlass zu Mord-Spekulationen. Zionk nähert sich dem unermüdlichen Aufklärer behutsam. Bauers Vermächtnis ist der Auschwitz-Prozess. Tonaufnahmen der Zeugenaussagen sind seit kurzem unter www.auschwitz-prozess.de abrufbar. n

Foto: © Annalena McAfee

V

om Krieg will in den 1960er Jahren keiner sprechen. Die Bundesrepublik will das Land des Wirtschaftswunders sein, nicht ­jenes des Nationalsozialismus. Die Zeit ist g ­ eprägt von Wohlstand und Massen­ konsum. Farbfernseher und Kühlschränke erobern die Haushalte. Dann zwingt Fritz Bauer die bundesdeutsche Gesellschaft, sich ihrer Vergangenheit zu stellen: Am 20. Dezember 1963 beginnt in Frankfurt der Auschwitz-Prozess. 22 Angeklagte – nur und doch immerhin – müssen sich für den industriellen Massenmord an den Juden verantworten. Mehr als eine Million Menschen wurden in Auschwitz getötet. Dass darüber öffentlich gesprochen wird, ist der Verdienst des hessischen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer. Er, der 1903 geborene schwäbische Jude, Remigrant – er überlebte im schwedischen Exil – Sozialdemokrat sorgt dafür, dass über die Gaskammern geredet wird. Er konfrontiert die Deutschen mit ihrer Schuld. Das macht ihn zu einer der meistgehassten Figuren der Bundesrepublik. In diesem Jahr jährt sich der Beginn des größten Prozesses der deutschen ­Justizgeschichte zum 50. Mal. Anlässlich dieses Jubiläums hat der Freundeskreis Willy-Brandt-Haus e.V. Ilona Zioks Film „Fritz Bauer – Tod auf Raten“ in Berlin gezeigt. Der 2010 fertiggestellte Dokumentarfilm setzt aus Originalaufnahmen

Foto: © Marco Okhuizen / laif

Generalstaatsanwalt Fritz Bauer – er konfrontierte die Deutschen mit ihrer Schuld.

464 S., Leinen, € (D) 22.90 Auch als Diogenes Hörbuch

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Sex, Spionage, Fiktion und die Siebziger: Mit Honig fängt man Fliegen – eine schöne Geheimagentin in literarischer Mission.

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30  Historie

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Ein Leben des 20. Jahr­ hunderts

Stationen Willy Brandt 18.12.1913 Geburt in Lübeck 1930 Eintritt in die SPD 1933-1945 Exil in Skandinavien

1957-1966 Regierender Bürgermeister von Berlin (West) 1961 Erste Kanzlerkandidatur 1964-1987 SPD-Parteivorsitzender 1966-1969 Außenminister und Vizekanzler der Großen Koalition 1969-1974 Bundeskanzler der sozialliberalen Koalition 1971 Friedensnobelpreis 1976-1992 Präsident der Sozialistischen Internationale 1987-1992 Ehrenvorsitzender der SPD 8.10.1992 Gestorben in Unkel bei Bonn

Die Serie Letzte Folge: Willy Brandt und die Euphorie der Jugend

Alle Beiträge vorwaerts.de/Geschichte/ Willy _Brandt

Jubel in der Wahlnacht am 19. November 1972: SPD-Wahlhelfer Günter Grass, Außenminister Walter Scheel (FDP), der Vorsitzende der Jung­ sozialisten, Wolfgang Roth, und Bundeskanzler Willy Brandt (v.l.) freuen sich vor dem Palais Schaumburg in Bonn über den großen Wahlsieg. Die SPD wurde erstmals stärkste Kraft im Deutschen Bundestag.

Wir waren so stolz auf ihn! Willy Brandt Am 18. Dezember wäre er 100 Jahre alt geworden. Noch heute verehren ihn besonders jene, die in den 1960er und 70er Jahren jung waren Von Renate Faerber-Husemann

E

s war keine Liebe auf den ersten Blick zwischen dem SPD-Vorsitzenden und Vizekanzler Willy Brandt und uns damals jungen Leuten. Wir demonstrierten 1966 gegen die große Koalition. Dass ausgerechnet der Emigrant Willy Brandt einen Kanzler mit NSDAP-Parteibuch akzeptierte – und vier Jahre nach der Spiegel-Affäre half, Franz Josef Strauß zu rehabilitieren – wollten wir nicht akzeptieren. Doch dann geschah Erstaunliches: Trotz Kiesinger und Strauß änderte sich erst der Ton – und dann die Politik. Schon als Außenminister suchte Willy Brandt nach Möglichkeiten der Aussöhnung mit den östlichen Nachbarn. Und innenpolitisch wurden in atemberaubendem Tempo Reformen durchgesetzt, die unser Leben direkt betrafen. Schnell wurde aus neugieriger Skepsis Zuneigung und dann Begeisterung. Was heute weitgehend vergessen ist: Zwischen 1966 und 1969 zog die NPD in sieben Landtage ein und scheiterte bei der Bundestagswahl 1969 nur knapp an der 5-Prozent-Hürde. Das politisierte uns, wenige Jahre nach dem AuschwitzProzess, mehr als jedes andere Thema. Bei den großen Demonstrationen trafen sich Sozialdemokraten, Gewerkschaften, das liberale Bürgertum, Christen und eben viele Jugendliche, die noch nicht einmal wählen durften. Wir kämpften nicht nur gegen die ewig Gestrigen in Lodenmän-

teln, sondern auch für eine andere Politik, für die ein Mann wie der Emigrant und Widerstandskämpfer Willy Brandt ebenso stand wie die SPD-Minister im Kabinett. Die beiden Justizminister der großen Koalition, Gustav Heinemann und (nach dessen Wahl zum Bundespräsidenten) Horst Ehmke modernisierten das Land, fegten den Mief noch aus den letzten Ecken: Das Wahlrecht wurde auf 18 Jahre gesenkt. Nichteheliche Kinder wurden den ehelichen gleichgestellt. Die anachronistischen Strafvorschriften für Ehebruch und für Homosexualität wurden gestrichen. Das politische Strafrecht wurde entrümpelt, die Verfolgung der Kommunisten eingestellt. Als Willy Brandt dann 1969 Kanzler wurde, war das für uns eine Zeitenwende. Wir hatten einen Regierungschef, der milde und verständnisvoll mit den rebellierenden 68ern umging. Wir verehrten seine schöne und kluge Frau Rut. Wir waren stolz auf diesen Mann, für den wir uns im Ausland nicht schämen mussten. Doch die knappe Mehrheit der sozialliberalen Koalition schmolz rasch dahin, weil rechte FDP-Abgeordnete zur Union wechselten. An der neuen Deutschland- und Ostpolitik festzuhalten, war nach dem Einmarsch der Russen 1968 in Prag ein Kraftakt. Die abscheulichen Hetzkampagnen aus der Union, die ihre Wahlniederlage von 1969 beleidigt für

einen rasch zu korrigierenden Betriebsunfall hielt, verletzten Willy Brandt. Der Emigrant wurde als Vaterlandsverräter geschmäht, wegen seiner nichtehelichen Geburt verhöhnt, in seinem Privatleben wurde herumgestochert. Gleichzeitig war es eine Zeit großer Erfolge: Die Ostpolitik kam voran. Für seinen Kniefall in Warschau im Dezember 1970 liebte ihn die halbe Welt. 1971 bekam der Kanzler den Friedensnobelpreis, und wieder waren wir so stolz auf ihn! Wildfremde Menschen lagen sich auf der Straße mit Tränen in den Augen in den Armen. Nach dem gescheiterten Misstrauensvotum 1972 und einem kurzen, heftigen Wahlkampf siegte die SPD und lag mit 45,8 Prozent der Stimmen erstmals vor der Union. Nun schien alles möglich zu sein. Die Erwartungen an „unsere“ Regierung stiegen ins Unermessliche. Wir waren schließlich die Guten, die immer noch mit Willy „mehr Demokratie wagen“ wollten. Doch Willy Brandt war wohl erschöpft, wir waren enttäuscht. Und der Radikalenerlass machte uns zornig und ratlos. Eines allerdings änderte sich nicht: Wir blieben Willy Brandt treu. Als er 1974 zurücktrat, flossen wieder Tränen. Unsere Generation hörte nie auf, ihm dankbar zu sein. n Renate Faerber-Husemann (geboren 1946) ist freie Journalistin und Autorin in Bonn.

Foto: dpa; Illustration: Hendrik Jonas

1945 Rückkehr nach Deutschland


31 dem Nach folg von Anzeige

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« en Er groß Jahre SPD »150

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mensch, Weltbürger, visionär

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Am 18. Dezember würde Willy Brandt 100 Jahre alt. Der vorwärts widmet dem großen Sozialdemokraten, der wie kein anderer Deutschland verändert hat und bis heute prägt, eine Extra-Ausgabe.

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Rot-Grünes »Feminat« Vor 25 Jahren In West-Berlin gewinnt die SPD am 29. Januar 1989 die Wahlen zum Abgeordnetenhaus. Sie bildet eine rot-grüne Regierung, in der zum ersten Mal in Deutschland Frauen die Mehrheit stellen Von Thomas Horsmann

eine 40-prozentige Geschlechterquote für Ämter und Mandate verabschiedet. So handelt Walter Momper nur konsequent, als er für die zehn Senatorenposten der SPD paritätisch Männer und Frauen auswählt. Die AL besetzt ihre Posten mit drei Frauen: die Schulsenatorin, die Umweltsenatorin und die Frauensenatorin. Angeführt wird die Frauschaft der sozialdemokratischen Senatorinnen von Ingrid Stahmer, die Bürgermeisterin und Senatorin für Gesundheit und Soziales wurde. Das Ressort Justiz übernimmt die Juraprofessorin Jutta Limbach, Kultursenatorin wird die Journalistin ­ Anke Martini-Glotz aus Bonn. Die So­ zialwissenschaftlerin und Vizepräsidentin der Freien Universität Berlin, Barbara Riedmüller-Seel, übernimmt das Wissenschaftsressort. Die fünfte Senatorin wird

Gruppenbild vor dem Rathaus Schöneberg: Der Regierende Bürgermeister Walter Momper und die Senatorinnen Jutta Limbach, Anne Klein, Ingrid Stahmer, Barbara Riedmüller (unten, v.l.), Sybille Volkholz, Anke Martiny, Michaele Schreyer und Heide Pfarr (oben, v.l.).

Heide Pfarr, Juraprofessorin aus Hamburg, die das Ressort Bundesangelegenheiten erhält. Am 17. März 1989 tritt der erste rotgrüne Senat sein Amt an. Gleichzeitig ist dies die erste Regierung in Deutschland, in der Frauen in der Mehrheit sind. Walter Momper betitelt seine Antrittserklärung auch deshalb mit „Berlin ist Aufbruch“. Sein Senat bekommt schnell einen Spitznamen, mal spöttisch, mal stolz wird er „Feminat“ genannt. Die acht Senatorinnen verstehen sich auch untereinander gut und stärken sich gegen­ seitig. Sie treffen sich vor jeder Senats­ sitzung bei Heide Pfarr zum sogenannten „Hexenfrühstück“, um ihr Vorgehen abzusprechen. Mit dem Rücktritt der drei AL-Senatorinnen am 19. November 1990 endet das Berliner „Feminat“. n

vorwärts-Impressum Die Zeitung der deutschen Sozialdemokratie gegründet 1876 von W. Hasenclever und W. Liebknecht Herausgeberin: Andrea Nahles Redaktionsadresse: Berliner vorwärts Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 610322, 10925 Berlin; Tel. 030/25594-100, Fax 030/25594-390, E-Mail: redaktion@vorwaerts.de Chefredakteurin: Karin Nink (V.i.S.d.P.) Redaktion: Lars Haferkamp (Textchef); Dagmar Günther (CvD); Hendrik Rauch (Bildred.); Kai Doering, Carl-Friedrich Höck, Yvonne Holl (Reportage); Vera Rosigkeit (Online); Dr. Susanne Dohrn und Birgit Güll (redaktionelle Mitarbeit); Sarah Kohlhauer (­ Volontärin) Fotografie und Titelgestaltung: Dirk Bleicker Layout: Jana Schulze Korrespondenten: Jörg Hafkemeyer (Berlin), Renate Faerber-Husemann (Bonn), Lutz Hermann (Paris) Geschäftsführung: Guido Schmitz Anzeigen: Nicole Stelzner (Leitung strategische Unternehmensentwicklung und Verkauf); Nele Herrmann Valente, ­Simone Roch, Carlo Schöll und Franck Wichmann (Verkauf) Gültige Anzeigenpreisliste: Nr. 36 vom 1.1.2013 Verlags-Sonderseiten: verantw. Guido Schmitz Vertrieb: Stefanie Martin, Tel. 030/25594-130, Fax 030/25594-199 Herstellung: metagate Berlin GmbH Druck: Frankenpost Verlag GmbH, Poststraße 9/11, 95028 Hof Abonnement: IPS Datenservice GmbH, Postfach 1331, 53335 ­Meckenheim; Tel. 02225/7085-366, Fax -399; bei Bestellung Inland: Jahresabopreis 22,– Euro; für Schüler/Studenten 18,– Euro; alle Preise inkl. Versandkosten und 7 Prozent MwSt.; Ausland: Jahresabopreis 22,– Euro zzgl. Versandkosten. Das Abo verlängert sich um ein Jahr, wenn nicht spätestens drei Monate vor Ablauf schriftlich gekündigt wird. Für SPD-Mitglieder ist der Bezugspreis im Mitgliedsbeitrag enthalten (bei Änderungen bitte an den SPD-UB wenden). Bankverbindung: SEB Berlin, BLZ 100 101 11, Konto-Nummer 174 813 69 00 Bei Nichterscheinen der Zeitung oder Nichtlieferung ohne Verschulden des Verlages im Falle höherer Gewalt besteht kein Anspruch auf Leistung, Schadensersatz oder Minderung des Bezugspreises. Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos und Zeichnungen wird keine Haftung übernommen.

Fotos: dpa Picture Alliance/Paul Glaser

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amit hat niemand gerechnet, nicht einmal der Spitzenkandidat der Berliner SPD, Walter Momper. Doch die Hochrechnungen am Abend des 29. Januars 1989 lassen keinen Zweifel, die West-Berliner haben die schwarz-gelbe Regierung von Eberhard Diepgen (CDU) abgewählt. Dabei sagten sämtliche Prognosen vor der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus dem CDU-FDP-Senat eine sichere Mehrheit voraus. Doch es kommt anders. Die Sozialdemokraten legen deutlich um 4,9 Prozentpunkte zu und erreichen 37,3 Prozent der Stimmen, die grüne Alternative Liste (AL) kommt auf 11,8 Prozent (plus 1,2 Prozentpunkte). Die CDU fällt dramatisch um 8,7 Prozentpunkte auf 37,7 Prozent, ihr Koalitionspartner FDP schafft es mit nur 3,9 Prozent (minus 4,6) nicht mehr ins Abgeordnetenhaus. Überraschend ist auch der Einzug der Republikaner ins Berliner Parlament, sie kommen auf 7,5 Prozent. Als am Wahlsonntag der Erfolg der SPD schließlich feststeht, kann W ­ alter Momper sich noch gar nicht richtig freuen, er macht eher einen erstaunten Eindruck. Dazu passt, dass er im ­Schöneberger Rathaus noch verkündet, dass die grüne Alternative Liste „nicht koalitions- und nicht regierungsfähig“ sei. Doch im Festzelt der SPD in der ­Nähe der Partei-Zentrale wird zu dieser Zeit schon begeistert von der Parteibasis eine rot-grüne Koalition gefordert. Nach harten Koalitionsverhandlungen stimmen am 12. März 1989 sowohl die Mitgliedervollversammlung der AL, als auch ein Sonderparteitag der Berliner SPD der Koalition zu. Nun beginnen erst die Verhandlungen über die personelle Besetzung und die Zuschnitte der Ressorts. Drei Senatoren soll die AL stellen, zehn plus den Regierenden Bürgermeister die SPD. Eines der großen Themen im Wahlkampf der SPD war die Gleichstellung der Frau. Nun gilt es zu demonstrieren, wie ernst es die Sozialdemokraten damit meinen. Erst wenige Monate vor der Wahl in Berlin hatte der Parteitag in Münster nach turbulenten Diskussionen

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Rätsel 33

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kreuzworträtsel Die Fragen und das Kreuzworträtsel darunter ergeben die Lösung. Schon sein Vater... war ein bekannter sozialdemokratischer Aktivist, seine Taufpaten in der ­evangelischen Thomaskirche waren Karl Marx und Friedrich Engels. Sein Vorname?

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Seine... Geburtsstadt, früher ein Zentrum des Buchdrucks, trägt seit den Ereignissen im Zusammenhang mit einem friedlichen Umbruch von nationaler Bedeutung den Namen „Heldenstadt“. 1

Der Gesuchte mit seinem Genossen Theodor Haubach (li.) und mit Freundinnen und Freunden der Darmstädter Literaturzeitschrift „Die Dachstube“ um 1918

Wer war’s?

Mutig bekämpft er die Nazis. Das lassen sie ihn büßen: durch jahrelang Haft in Konzentrationslagern Von Lothar Pollähne

Foto: bpk

I

m Januar 1944 wird in den „Sozialistischen Mitteilungen“, der Zeitschrift der deutschen Exil-Sozialdemokraten in England, ein Nachruf veröffentlicht, in dem „tief erschüttert“ mitgeteilt wird, dass „einer von unseren Besten sein Leben lassen musste“. Der so Betrauerte ist nur 46 Jahre alt geworden. Sein Leben ist gekennzeichnet durch Kampf, Kritik und intellektuelle Feinfühligkeit. Geboren wird er am 24. März 1897 in Großenhain in Sachsen. Sein Abitur macht er nach dem Umzug der Familie 1914 in Darmstadt. Dann zieht er freiwillig in den 1. Weltkrieg, aus dem er schwer verwundet als überzeugter Sozialist zurückkehrt. Er wird Sozialdemokrat, studiert Volkswirtschaft, promoviert über die Wirtschaftspolitik der KPD und arbeitet danach als Journalist und Schriftsteller. 1926 geht er nach Berlin, als Sekretär zur Reichstagsfraktion der SPD. 1929 holt ihn Wilhelm Leuschner als Pressesprecher ins Hessische Innenministerium. Ein Jahr später zieht er als jüngster Abgeordneter in den Reichstag ein und macht sich e­ inen Namen als pointierter Nazi-Kritiker. Sichtbares Symbol seines Kampfes sind die drei Pfeile der „Eisernen Front“, die er gemeinsam mit Sergej Tschachotin einwickelt. Das macht ihn zum „Feind“. Am 13. Juni 1933 wird er in Frankfurt am Main verhaftet und jahrelang in verschiedenen Konzentrationslagern gefangen gehalten. Nach seiner „Freilassung“ sucht er 1938 Kontakt zu alten Genossen wie Julius Leber und Adolf Reichwein. Er arbeitet unter dem Pseudonym Dr. Friedrich für den „Kreisauer Kreis“. Er stirbt am 4. Dezember 1943 bei einem Bombenangriff auf Leipzig. n Unter allen Einsendern verlosen wir eine vorwärts-Tasche. Bitte schicken Sie das Lösungswort mit dem Stichwort „Wer war’s“ bis 17. Januar 2014 per Post oder per E-Mail an: redaktion@vorwaerts.de

Historisches Bilder-Rätsel Die Lösung des Bilder-Rätsels aus der vergangenen Ausgabe lautet: detlev Albers Die vorwärts-Tasche hat gewonnen: Otto Drewes, 30459 Hannover

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Es gibt zwei Wege, das Preisrätsel zu lösen: Ratefüchse beantworten zuerst die beiden Fragen. Der zweite und dritte Buchstabe des e ­ rsten Lösungswortes sowie der erste und dritte Buchstabe des zweiten Lösungswortes ergeben in der richtigen Reihenfolge die Lösung. Es geht aber auch einfacher: Die grauen Felder im Kreuzwort­rätsel e ­ rgeben in der ­richtigen Reihenfolge das Lösungswort. Die Lösung ist eine alte europäische Währung, die noch heute in der Levante im Umlauf ist.

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Gewinner

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Die Lösung des jüngsten Preisrätsels lautete: USA Gesucht wurden außerdem: MANUEL und LISSABON Jeweils ein Buch gewannen: Dieter Amme, 03042 Cottbus Jürgen-Wolfgang Goette, 23564 Lübeck

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WAAGERECHT

24 gleichgültig

1 Meeresbucht

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SENKRECHT 1 Wasserfahrzeug

27 Schriftstück 3 Stadt in den öst(abwertend) lichen Niederlanden 29 Blattgemüse 8 fertig gekocht

Robert Köhler, 14482 Potsdam

9 aufgebrühtes Heißgetränk

30 Staat in Nahost, Persien

Monika Veithoefer, 85391 Leonhardsbuch

10 flüssiges Fett 12 Alkohol, Weingeist

33 nach Abzug der Verpackung

Irene Christ, 74211 Leingarten

15 kleine Gruppe

36 brav, folgsam

17 gehacktes Schweinefleisch

38 Weltmacht (Abk.)

18 Rhombus

40 Fußballmannschaft

11 ein Planet

20 Längenmaß

41 Erinnerung

13 Ballsportart

22 dt. Schauspielerin (Hannelore)

42 weibliches Märchen- 14 Stelzvogel, Adebar 16 Kostenpunkt wesen

Anne Berger, 36391 Sinntal Friedrich Dempwolf, 24106 Kiel Bodo Fahrenbruch, 63667 Nidda

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Trudbert Wagner, 77960 Seelbach

Erika Dietrich, 34212 Melsungen

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2 runde Schneehütte der Eskimos

19 baden-württembergische Stadt an der Jagst

3 Geldrücklage

20 mürrisch, unfreundlich (ugs.)

4 Spender; Gründer

21 Bescheinigung

5 chem. Element, Seltenerdmetall

23 Teil des Buches

6 Unterkunft, Wohnung 7 frühere niederländische Münze

25 dehnbares Gewebe 28 Musical von Andrew Lloyd Webber 31 Stille 32 Radmittelstück 34 lockeres Gestein 35 Wüsteninsel 37 nordischer Hirsch

Die richtige Lösung schicken Sie bitte bis zum 17. Januar 2014 per Post an vorwärts, Postfach 610322, 10925 Berlin oder per E-Mail an raetsel@vorwaerts.de. Bitte Absender nicht vergessen und ausreichend frankieren! Unter den richtigen Einsendungen verlosen wir zehn Bücher.


34  Das Allerletzte

Vorsicht mit der Hand im fremden Briefkasten! Datensicherheit Wem kann man nach der NSA-Überwachung überhaupt noch trauen? Dem Staat? Der Bank? Dem Nachbarn? Jetzt hilft nur noch eins: tarnen, trixen, täuschen Von Martin Kaysh

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ie fiese Nachbarin von unten kommt just in dem Moment um die Ecke, als ich tief mit der Hand im Briefkasten meiner Exfreundin stecke. Dass sie nicht umgehend die Polizei ruft, hat nur einen Grund: Sie kann ihre Hausgenossin, also meine Exfreundin, nicht leiden und würde notfalls Schmiere stehen, wenn ich jetzt spontan deren Wohnungstür aufhebeln wollte. Ich hingegen hänge an der Ex, irgendwie, und deshalb mit der Hand in ihrem Briefkasten. Um die PIN für ihre EC-Karte abzufischen, ganz analog, wie ich der zufrieden schnaubenden Nachbarin erkläre, nix Phishing-Programm, nigerianische Mafia usw. Die Bank verschickt Karte und PIN getrennt, aus Sicher­heitsgründen. Die Ex verreiste nach

Erhalt der Karte, aber vor Erhalt des Briefes mit der vierstelligen Zahl. Und ohne die kommt man im Urlaub nicht weit. Vielleicht tue ich der Nachbarin Unrecht. Vielleicht ist sie so eine Art Vorstadt-Piratin, politisch, eine, die gegen Internetgeheimnisse ist und für Schutz vor staatlichen Datenkraken gleichzeitig. Eine, die sich über mich als Postgrabscher kaputt lacht, weil sie weiß, dass NSA und BND, Verfassungsschutz und Wasserschutzpolizei eh alles wissen. Eine, die Lord raucht und in Wirklichkeit eine Schwester von diesem ­Edward Snowden ist im Geiste. Alles nur Tarnung, die Lord, die Lässigkeit und das 76 Jahre alte Gesicht. So eine weiß genau, dass wir uns heute verstecken müssen, wenn wir

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Wir müssen uns verstecken, wenn wir wollen, dass die, also: DIE da oben, nicht alles über uns ­rauskriegen.

Martin Kaysh ist Kabarettist, Alternativkarnevalist („Geierabend“) und ­Blogger. Er lebt im Ruhrgebiet, freiwillig.

seit wärts Sam sieht‘s!

Sei gegrüßt, einfacher Bursche aus dem Volk! Einmal den besten Fisch hätt ich gern!

Mein amerikanischer Freund Herr Sam kommt heute zu Besuch und ich will ihn mit einem Festmahl überraschen.

Na, ich weiß ja nich, ob Sie den noch überraschen können. Der hat doch sicher schon all Ihre Daten.

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Martin Kaysh

wollen, dass die, also: DIE da oben, nicht alles über uns rauskriegen. Was von uns im Internet verlangt wird, wechselnde, unmerkbare Passwörter, Verschlüsselung und Vorsicht, das weiß die Nachbarin, hieße im analogen, normalen Leben: Wenn ich ein Pfund Tomaten brauche, klebe ich mir einen Bart an, seile mich nachts vom Dach des Hauses ab, schleiche in einen Supermarkt in der Nachbarstadt, kaufe dort ein Pfund Vollkornbrot, das ich dann heimlich auf einem Parkplatz mit einem Mitwisser gegen die erwünschten Tomaten tausche. Das ist zwar völlig unpraktisch, aber angeblich sicher. Die PIN habe ich der Ex geschickt, per SMS, rückwärts zu lesen, eine Schutzmaßnahme, also nicht ihr direkt, sondern der Urlaubsbegleitung, ihrer Schwester. Dann habe ich nichts mehr gehört. Es interessiert mich, ob die Nachricht angekommen ist. Ich muss mal die NSA fragen, die weiß sowas doch. Und ob wirklich nur die Schwester mit ist im Urlaub oder nicht doch so ein Typ. Nur zur Sicherheit. n

von David Füleki

Is doch kein Geheimnis, dass Sie bespitzelt werden.

Später ... Howdy, Kollegin! Hier ein kleines Gastgeschenk für disch.

Ooooh! Der olivgrüne Blazer mit dem RautenMuster. Den hab ich mir sooo doll gewünscht! Aber woher wusstest du ... Hmm ...

Wie bitte? Was?!

Und, wie schmeckt der Fisch?

Delicious! Aber sag mal, hast du nischt zufällig neulisch einen Weißwein übers Internet bestellt, der hier prima zu passen würde? Zufällig ja ...

Also dann! Bis zum nächsten Mal!

So long! Man sieht sisch!

Nein, wirklisch, isch sehe alles. Haha!

Ach was, dummes Gerede! Wär mir doch aufgefallen!

Später ... Hmm ... Ein bisschen verdächtig hat sich der Sam heut' ja schon verhalten. Aber trotzdem!

Uh!

Anruf aus Übersee. Herr Sam wünscht Gesundheit.

Illustration: christina Bretschneider

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Anzeigen-Sonder veröf fentlichung

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Foto: pixelio.de/Uta Thien-Seitz

Schöne Zukunft Und wenn wir’s einfach besser machen? Was wäre, wenn Flugzeuge die Luft nicht verschmutzen und Strom grün ist? Die Arbeit an dieser Zukunft hat begonnen


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Abheben mit Strom: Der E-Star 2 ist mit einem Hybrid-Motor ausgestattet, also einer Kombination aus Elektro- und Benzinmotor.

Flugzeuge unter Strom Fliegen wir in Zukunft elektrisch? Was bei Zügen und Autos schon funktioniert, könnte bald den Luftverkehr revolutionieren. Das schont die Umwelt und macht auch wirtschaftlich Sinn Elektromobilität liegt im Trend. Ob bei Zügen, Fahrrädern oder Autos – auch in Deutschland werden immer mehr Transportmittel voll oder teilweise von Elektromotoren angetrieben. Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Fahrzeuge produzieren im Betrieb keine Abgase. Sie sind geräuscharm, die Energie ist grüner und billiger. Doch der Elektromotor als Alternative zu fossilen Brennstoffen soll nicht aufs Auto oder die Bahn beschränkt bleiben. ­ Auch in der Luftfahrt könnte er bald Einzug halten. Der Flugzeugbauer EADS prüft mit seinem Programm „E-Aircraft“ Ansätze für den Einsatz von Elektro- oder Hybrid­ antrieben bei Flugzeugen. Gemeinsam mit verschiedenen Partnern entwickelt EADS Prototypen für das Fliegen mit Strom. Das Ziel dabei ist klar: Langfristig sollen Treib-

Im Juni 2013 stellte EADS auf der Pariser Airshow den E-Star 2 vor: Das Zweisitzer-Flugzeug mit Hybrid-Antrieb ist ein erster großer Schritt in Richtung elektrisches Fliegen.

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stoffverbrauch, Abgasausstoß und Lärm der Maschinen deutlich gesenkt werden. Der Flugverkehr sorgt heute für zwei Prozent des globalen CO2 -Ausstoßes. ­ Da der weltweite Luftverkehr weiter zunimmt, soll sich dieser Anteil bis 2050 auf drei Prozent erhöhen. Die Suche nach A ­ lternativen zum heutigen Kerosin sowie zum Verbrennungsmotor macht auch wirtschaftlich Sinn: Denn steigende ­ Kerosinpreise und immer strengere Umweltauflagen machen der Branche zu schaffen. Schon heute machen die Treibstoffkosten ein Drittel der Betriebskosten von Fluggesellschaften aus. Die Flugzeugbranche ist deshalb bestrebt, ihre Antriebstechnologien effi­ zienter zu gestalten. Beim Kurz- und Mittelstreckenbereich liegt der Fokus dabei auf Elektromotoren. Doch vor allem die Kapazität der Batterien reicht dafür heute noch nicht aus. EADS-Chef Tom Enders hält, wie er am Rande der Pariser Airshow erklärte, die Forschung trotz ungewissem Ausgang für dringend notwendig: „Bei der Erprobung von Alternativen zu fossilen Brennstoffen dürfen wir keine Zeit verlieren.“ Die gemeinsame Arbeit an künftigen Antriebssystemen sei der beste Beitrag, den die Branche zu einem grüneren Luftverkehr leisten könne.

Weniger Verbrauch und Abgase Diese gemeinsame Arbeit steckt zwar noch in den Kinderschuhen, aber erste ­Erfolge lassen sich sehen. Im Juni 2013 hat EADS gemeinsam mit den Unternehmen Siemens und Diamond Aircraft auf der Pariser Airshow schon die zweite Generation ihres Flugzeugs E-Star vorgestellt. Der Zweisitzer sieht aus wie ein gewöhnlicher Motorsegler, wird aber von einem HybridMotor angetrieben, also einer Kombina­ tion aus Elektro- und Benzinmotor. Letzterer sorgt über einen Generator für die Stromversorgung der elektrischen Flugmotoren. Gleichzeitig lädt der Generator die Batterien des Flugzeuges auf, die beim Start zusätzliche Energie bereitstellen. Dieser Hybrid-Antrieb führt zu einer enormen Lärmreduzierung beim Start. Treibstoffverbrauch und Abgasemission liegen um 25 Prozent unter den heute ­ effizientesten Antriebstechnologien. „Der serielle Elektroantrieb erlaubt es uns, Flugzeuge zu konstruieren, die völlig andere ­Eigenschaften haben als heutige Maschinen. Senkrechtstarts und hohe Reisegeschwindigkeiten können viel effizienter erreicht werden“, sagt Christian Dries, ­Inhaber von Diamond Aircraft. Das Gute daran: Das Prinzip dieses Flugzeuges ist auf größere Flugzeuge übertragbar, die künftig bis zu 50 Personen befördern könnten. Bis dahin wird es allerdings noch dauern. „Erst in den nächsten Jahrzehnten werden wir erfahren, wohin der Weg uns führt, welche Gestalt und Form der Elektro­antrieb annehmen wird“, sagt Tom Enders. n

Fotos: EADS

Zukunft


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Zukunft Zukunft

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Ewiger Kreislauf statt gigantischer Müllberg

Foto: pixelio.de/daniel stricker

Das Ende der Einmalprodukte: Ein Chemiker und ein Architekt beschreiben eine grüne Revolution Kein Abfall mehr. Nur noch ein Kreislauf von Produkten, nur noch gesunde Materialien: So stellen sich Michael Braungart und William McDonough die Zukunft vor. Was wie eine naive Vorstellung klingt, ­halten der Chemiker und der Architekt für realisierbar. In ihrem Buch „Intelligente Verschwendung“ beschreiben sie, wie unsere Wegwerfgesellschaft zu einer Überflussgesellschaft werden soll: durch intelligentes Produzieren. Die Autoren sind davon überzeugt – das haben sie bereits in ihrem ersten Buch „Einfach intelligent produzieren“ dargelegt – dass das Grundproblem unserer Gesellschaft ein Designproblem ist. „Gutes Design würde für Überfluss, ewige Wiederverwendung und Vergnügen sorgen“, schreiben Braungart und McDonough. Das klingt zu schön, um wahr zu sein. Doch die

Autoren haben ihr Buch mit Beispielen gespickt, die uns zeigen sollen, dass eine bessere Welt möglich ist. Die beiden arbeiten mit großen Firmen zusammen und machen sie zu Pionieren ihres Kreislaufprinzips. „Cradle zu Cradle“, von der Wiege zur Wiege, nennen sie es. Denn es gelte, schon bei der Produktion eines Produktes daran zu denken, was damit geschieht, wenn der Konsument es nicht mehr will. Es solle keine Einmal-Gebrauchsgegenstände mehr geben, vielmehr müsse die weitere Verwendung des Produktes oder seiner Einzelteile schon bei der Entwicklung bedacht werden. Der frühere US-Präsident Bill Clinton hat das Vorwort zum Buch geschrieben. Er bezeichnet die Autoren als Optimisten, die das berühmte Glas für stets voll hielten, „voll Wasser, und Luft –, und sie ar-

Eine saubere Zukunft: Durchdachte Produkte lassen sich ewig wiederverwenden.

beiten kontinuierlich daran, das volle Glas mit mehr Menschen zu teilen, es noch größer zu machen und uns den Überfluss der Dinge in unser Gedächtnis zu rufen als ­Voraussetzung für ein erfreuliches Leben.“ n M. Braungart/W. McDonough Intelligente ­V erschwendung oekom Verlag 2013 208 Seiten, 17,95 Euro ISBN 978-3-86581-316-9

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Zukunft Unsere Energie wird immer häufiger aus Sonnen- oder Windkraft gewonnen. Bis 2050 sollen 80 Prozent unseres Stroms aus erneuerbaren Quellen kommen. Sie sind im Gegensatz zu den fossilen Energieträgern wie Kohle unendlich verfügbar. Unendlich, aber nicht ununterbrochen. Wind- und Sonnenenergie sind abhängig von Tageszeit, Wetter und anderen Umwelteinflüssen. Dadurch schwankt die Menge des produzierten Stroms unentwegt. Bei guten Bedingungen wird mehr Strom als benötigt produziert, bei schlechten weniger. Die Lösung des Problems liegt auf der Hand: Man muss den Strom speichern. Dann steht er auch zur Verfügung, wenn die Sonne nicht scheint. Allerdings lassen sich größere Mengen Strom nicht so ohne Weiteres speichern. Geforscht wird derzeit an verschiedenen Möglichkeiten, die alle ihre Vor- und Nachteile haben. Am besten erprobt ist die Speicherung durch Pumpspeicherkraftwerke. Dabei wird der überschüssige Strom genutzt, um Wasser in ein weiter oben liegendes Becken zu pumpen. Bei Bedarf lässt man das Wasser wieder ablaufen. Dabei ­werden Turbinen angetrieben, die Strom erzeugen. Allerdings gibt es aufgrund von geografischen Begebenheiten in Deutschland nur eine begrenzte Zahl dieser ­Speicherkraftwerke. Große Kapazitäten gibt es hingegen im Gasnetz. Bei der Power-to-Gas-­Technologie wird mithilfe von überschüssigem Strom

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Auf die Speicher kommt es an Soll die Energiewende gelingen, müssen wir Sonnen- und Windenergie speichern

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Wasser zu Wasserstoff und weiter zu Methan umgewandelt und direkt ins Gasnetz eingespeist. So lassen sich große Mengen Methan über einen längeren Zeitraum speichern und über weite Strecken transportieren. Nutzen lässt es sich anschließend für praktisch alles: Zur Stromerzeugung, zum Heizen oder als Kraftstoff für Erdgasfahrzeuge. Das Problem bei dem Verfahren ist der Wirkungsgrad: Derzeit liegt er je nach Anlage bei etwa 50 Prozent, die Hälfte des erzeugten Stroms geht also bei der Speicherung verloren.

Entwicklung von Stromspeichern

Unendlich, aber nicht ununterbrochen verfügbar: Sonnen- und Windenergie

Den höchsten Wirkungsgrad bieten Batterien. Beim heutigen Stand der Technik sind sie jedoch vor allem für eine kurzfristige Speicherung von relativ geringen Strommengen geeignet. Moderne Redox-FlowBatterien könnten langfristig als Speicher für überschüssigen Solar- und Windstrom dienen, sie sind derzeit aber noch zu teuer. Klar ist: Die eine Speichertechnologie gibt es nicht. Langfristig wird eine Mischung verschiedener Technologien die Lösung sein. Noch steckt die Entwicklung allerdings in den Kinderschuhen. Auch deshalb hat der Bund vor zwei Jahren die Maßnahme „Förderinitiative Energiespeicher“ gestartet: Mit insgesamt 200 Millionen Euro werden bis 2014 Projekte gefördert, die Speichertechnologien weiterentwickeln. Damit die Energiewende gelingt, werden allerdings weitere Förderinitiativen nötig sein. n

Stahl ganz flexibel Er ist ein Dinosauerier unter den Werkstoffen – zugleich ist Stahl zentral für die Energiewende be, der Direktor des Max-Planck-Instituts für Eisenforschung in Düsseldorf und dort Leiter der Abteilung Mikrostrukturphysik und Legierungsdesign geht davon aus, dass es künftig immer mehr Hybridfahrzeuge – ­Autos, die mit einer Kombination aus ­Elektro- und Verbrennungsmotor fahren – geben wird. Der Kern der Elektromotoren ist aus Stahl gefertigt.

Vielfältig einsetzbarer Werkstoff Für Solarkraftwerke ist Stahl ebenfalls ein Schlüsselbestandteil. Die Parabolspiegel, die in heißen Regionen der Erde Strom aus Sonnenlicht generieren, müssen flexibel sein, um sich stets zur Sonne drehen zu können. Zugleich müssen sie extremen Bedingungen standhalten: große Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht etwa. Stahl erfüllt diese Bedürfnisse. Windkraft- und Solaranlagen werden dort gebaut, wo es besonders viel Wind

bzw. Sonne gibt – das sind in der Regel nicht die Orte, die den meisten Strom brauchen. Es ist nötig, die Netze auszu­ bauen, um die grüne Energie dahin zu bringen, wo sie gebraucht wird. Auch hier ist Stahl der Werkstoff der Stunde. In all seinen Formen – vom Stahlblech über Stahldraht bis hin zum Stahlbeton – ist er ein zentraler und zuverlässiger Werkstoff für die Fertigung von Strommasten und Leitungen. Der alte vertraute Werkstoff Stahl erlebt also in Zeiten der Energiewende eine neue Blüte. n

Ein Hochofen – bislang prägte er unser Bild von Stahl. Doch der alte Werkstoff ist ein entscheidender Bestandteil für Zukunftstechnologien.

Fotos: pixelio.de/Rainer Sturm, pixelio.de/Fotobox

Wer an Stahl denkt, dem fallen Hochöfen ein, Fabriken, vielleicht noch der Eifelturm. Stahl klingt nach Schmutz und Industrialisierung. Dabei ist dieser alte Werkstoff ein wesentlicher Bestandteil der sauberen ­Zukunfts-Technologien. Für die Energiewende spielt er eine zentrale Rolle: Ob Windräder, Elektromotoren oder Solarkraftwerke – Stahl steckt überall drin, denn er ist nicht nur robust, sondern auch vielseitig. Große Windparks auf dem offenen Meer sind ideal zur Energiegewinnung. ­Allerdings müssen diese Windräder einer besonders aggressiven Umgebung – starke Winde und Salzwasser – trotzen. Weil die Wartung und Reparatur auf See schwieriger und damit teurer ist, müssen sie besonders betriebssicher sein. Stahl kann das leisten. Er steckt im Fundament, im Turm und im Getriebe der Windräder genau wie im Generator. Auch für die Elektromobilität ist der Werkstoff wichtig. Prof. Dierk Raa-


Plus an Effizienz

Plus an Klimaschutz

Das Plus technologieoffener Energiepolitik: Mehr Modernisierungen im Gebäudebestand Schnelles Erreichen der Energieeinsparziele braucht Vielfalt Deutschlands Gebäudebestand ist so vielfältig wie seine Bewohner. Die Möglichkeiten und Lösungen zum Energiesparen und für mehr Klimaschutz sind individuell verschieden. Es gilt jetzt, die Einsparpotenziale bei allen Energieträgern mit vorhandenen Technologien zu nutzen. Nur so kann Energieeffizienz maximiert und zugleich Sozialverträglichkeit gewährleistet werden. Bereits auf gutem Weg: Der Heizölverbrauch der rund 6 Millionen Ölheizungen in Deutschland hat sich in den letzten 20 Jahren halbiert – insbesondere durch modernisierte Heiztechnik. Die Einführung des schwefelarmen Heizöls war dabei eine wesentliche Voraussetzung zur Nutzung der besonders effizienten Öl-Brennwerttechnik. Nahezu jede zweite Neuinstallation wird heute zudem mit Solarthermie kombiniert. Mehr Informationen und Beispiele für vorbildliche energetische Sanierungen aus der IWO-Aktion Energie-Gewinner unter www.iwo.de/standpunkte.


Zukunft

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Mit Abfall, Wasser und Teamgeist Sie wollte Staatsanwältin werden, jetzt verhandelt sie mit Kommunen über Trink- und Abwasserleitungen. Julia Behrendt ist Geschäftsführerin der Eurawasser Nord GmbH

Jung, weiblich, Juristin Dann ruft ein Headhunter an. Auf der Suche nach gutem Personal war er auf Julia Behrendt gestoßen: Juristin, jung, weiblich. „Er wollte einen Exoten präsentieren“, sagt Behrendt. Was folgt, ist ein sechsmonatiges Bewerbungsverfahren. Der langwierige Prozess weckt ihren Ehr-

geiz, sie will den Job. Sie kriegt ihn. Zur Einführung verbringt sie sechs Wochen bei Eurawasser in Rostock. Dass sie nur vier Jahre später als Geschäftsführerin an den Standort zurückkehren wird, ahnt sie damals nicht. Sie steigt in Kanäle hinab, schaut sich die Wasserwirtschaft von unten an. „Im Management ist man weit weg davon. Es ist aber wichtig, diese Abläufe kennenzulernen“, sagt Behrendt. Vier Jahre lang hat sie in Berlin den Bereich Unternehmensentwicklung geleitet. Jetzt ist sie Geschäftsführerin der Eurawasser Nord, eines 400-Mitarbeiter-Betriebes.

Eine der wenigen Frauen in Führungsposition: Seit September ist Julia Behrendt Geschäftsführerin der ­Eurawasser Nord GmbH.

Wirtschaft und Forschung Ein Unternehmen wie Eurawasser spürt den Trend zur Rekommunalisierung. Verstehen kann Behrendt ihn nicht. Sie wirbt dafür, Privatunternehmen öffentliche Versorgung anzuvertrauen – auch beim sensiblen Thema Trinkwasser. Ihre Firma betreibe und bewirtschafte die Wassernetze. Es gehe nicht darum sie aufzukaufen, sagt Behrendt. Sie unterstreicht, dass in die Infrastruktur investiert werden müsse, eine international tätige Unternehmensgruppe verfüge über das Know-how und das n ­ötige Kapital. Den Einwand, dass alles teurer werde, sobald die Privatwirtschaft ins Spiel komme, lässt Behrendt nicht gelten: „Wir bekommen Aufträge nur über Ausschreibungsverfahren.“ Der Preis gebe bei der Vergabe regelmäßig den Ausschlag, sagt sie. Zudem investiere Eurawasser in die Forschung. „Aktuell ent-

Die Zentrale Kläranlage in Rostock: Hier betreibt Eurawasser eine der modernsten Anlagen Europas.

wickeln wir Verfahren, mittels derer sich der wertvolle Rohstoff Phosphor aus dem Klärschlamm zurückgewinnen lässt“, sagt sie. Dazu habe das Unternehmen an der Universität Rostock eine Professur gestiftet. Das gewonnene Wissen soll später in die Praxis umgesetzt werden. Der neue Job als Geschäftsführerin führt Behrendt von Berlin nach Rostock. Sie freut sich auf die Hansestadt. Kinder hat sie keine. Wäre sie auf der Karriereleiter so hoch geklettert, wenn sie welche hätte? „Es wäre zumindest schwieriger gewesen“, sagt sie. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bleibt schwierig – und sie bleibt in der Regel Frauensache. Die Geschäftsführerin würde sich mehr Frauen in ihrer Branche wünschen. Trainees hat sie viele gesehen, als Chefin ist Julia Behrendt eine Ausnahmeerscheinung. n

Fotos: euraWasser Nord GmbH

Staatsanwältin. Mit diesem Berufsziel hat Julia Behrendt Jura studiert. „Vielleicht auf Basis eines verklärten Bildes, das ich aus dem Fernsehen hatte“, sagt sie und lacht. Heute trägt die 37-Jährige keine ­Juristenroben. Sie beschäftigt sich nicht mit Strafverfahren, sondern mit Trinkwasser, Abwasser und Klärschlamm. Seit September ist sie Geschäftsführerin der Eurawasser Nord GmbH in Rostock, einem privater Wasserver- und Abwasserentsorger, der zur weltweit tätigen RemondisGruppe gehört. Behrendt ist eine von drei Chefs, ihre Co-Geschäftsführer sind Männer. Die meisten ihrer Kollegen auch. Sie hat sich daran gewöhnt. Denn bevor sie 2009 in der frauenarmen Wasserwirtschaft anfing, war sie in der männlich dominierten Abfallbranche tätig. Bei dem Berliner Entsorger ALBA hat die damals frisch gebackene Juristin ein zweijähriges Trainee-Programm absolviert. Sie hatte mehr Lust auf Teamarbeit in der Wirtschaft, als auf die Rolle der Einzelkämpferin vor Gericht. Bei ALBA wird Behrendt Assistentin der Geschäftsführung, später Abteilungsleiterin.


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Zukunft

Der Berliner Volksentscheid über die kommunale Übernahme des Stromnetzes ist gescheitert, dennoch haben knapp 600 000 Berliner dafür gestimmt. Die Kampagne wollte nicht zuletzt „Vattenfall den Stecker ziehen“. Warum hat Ihr Konzern so ein schlechtes Image?

Unsere großen Kraftwerke fahren wir heute viel flexibler hoch und runter als früher. Wir haben Pumpspeicherkraftwerke, die Windenergie besser nutzbar machen. Wir machen gute Erfahrungen mit einem virtuellen Kraftwerk, das viele kleine erneuerbare Erzeugungseinheiten und die Stromverbraucher zu einem intelligenten System zusammenschaltet. Das zeigt doch, dass man sich gut auf die veränderten Bedingungen einstellen kann.

Keine Frage, man glaubt uns noch zu wenig, dass wir uns ändern. Wir sind im Bereich Offshore-Windkraft unterwegs und der größte Wasserkraftbetreiber Deutschlands. Und nicht nur hier in Berlin machen wir eine Menge innovative Projekte, die uns bei der Energiewende voranbringen. Zum Ergebnis des Volksentscheids muss man sehen, dass sich Dreiviertel der Wahlberechtigen gar nicht beteiligt haben. Wir haben noch keinen breiten Konsens, was wir in dieser Stadt eigentlich wollen. Eins ist aber klar: Wer die Leitungen hinter den Berliner Steckdosen betreibt, wird allein in einem Konzessionsvergabeverfahren entschieden.

Fotos: Vattenfall (2)

Die Wende hin zu Erneuerbaren Energien wird von der Bevölkerung unterstützt. Derzeit werden aber vor allem die Kosten der Energiewende diskutiert. Wie schafft man es, die Energie in Zukunft grün und günstig zu machen? Die Energiewende zum Nulltarif gibt es nicht. Der Ausbau der Erneuerbaren und der Netze kostet halt sehr viel Geld. Das muss man akzeptieren, und das kann man auch nicht wegreden. Aber man kann für mehr Marktorientierung und weniger Subventions-Automatismus bei den Erneuerbaren sorgen. Das würde einen wichtigen Beitrag zur Senkung der Strompreise leisten.

Welche Beschlüsse muss die künftige Bundesregierung aus Ihrer Sicht treffen, damit die Energiewende gelingt?

„Energiewende zum Nulltarif gibt es nicht“ Der Umstieg auf grüne Energie ist teuer. Politische Entscheidungen sind gefragt, ­erklärt Alexander Jung von Vattenfall Großkonzern auf grünen Wegen: Vattenfall betreibt Offshore-Windanlagen.

Wir brauchen vor allem eine EEG-Reform, die die Investitionssicherheit für Erneuer­ bare gewährleistet. Wir müssen aber gleichzeitig die Systemverantwortung der Erneuerbaren stärken, ihre Marktintegra­ tion beschleunigen und somit den gesamten Ausbau der Erneuerbaren endlich kosteneffizienter machen. Dazu brauchen wir klare politische Richtungsentscheidungen. Ich würde mir auch wünschen, dass etwas für die Pumpspeicherkraftwerke getan wird. Denn es kann nicht sein, dass diese verfügbare Speichertechnologie immer unrentabler wird. n

Strom aus Erneuerbaren Energien wird an vielen Standorten gewonnen und ins Netz eingespeist. Welche Rolle spielt da ein „Energieriese“ wie Vattenfall, der den Strom überwiegend in großen Kraftwerken produziert?

Alexander Jung ist der General­ bevollmächtigte für Vattenfall in Berlin.

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Zukunft

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Digitaler Straßenbau bringt schnelles Internet für alle Zukunftsprojekt Breitband: Ein schneller Internetzugang wird immer bedeutender für Wirtschaft und Gesellschaft Ob Straßen, Schienen oder Flüsse – ­eine funktionierende Infrastruktur gilt als Rückgrat der Wirtschaft. Dabei wird auch die digitale Infrastruktur immer wichtiger. Schnelles Internet bedeutet schnellen ­Informations- und Wissensaustausch. Eine Leistungsfähige digitale Infrastruktur ist heute Grundvoraussetzung für Produktivität und Wachstum auch in klassischen Wirtschaftszweigen. Dabei ist es ähnlich wie im richtigen Leben: Mehr Verkehr ­erfordert bessere und größere Straßen. Wie wichtig das Thema Internetver­ sorgung mittlerweile ist, zeigen auch die derzeit laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Union. Sie haben ein eigenes Verhandlungsgremium zu dem Thema „Digitale Agenda“ eingerichtet. Das Ergebnis: Eine künftige große Koalition will sicherstellen, dass bis 2014 mindestens 75 Prozent aller Haushalte in Deutschland einen Internetanschluss mit einer Übertragungsgeschwindigkeit von mindestens 50 Megabit pro Sekunde haben. „Bis 2018 wollen wir dann ganz Deutschland mit 50 Mbit am Netz haben“, sagt die zustän­ dige SPD-Verhandlungsführerin Brigitte Zypries. Bislang surfen deutsche Haushalte im Durchschnitt mit 7,3 Megabit pro Sekunde. Hochauflösendes Fernsehen, Gesundheitsdienste oder der Austausch umfassender Dokumente – um neue ­Online-Dienste komfortabel nutzen zu können, brauchen wir im Netz immer ­höhere Übertragungsgeschwindigkeiten.

Internet-Anschluss überall: Das Breitband ist massiv ausgebaut worden – auch der ländliche Raum soll nun gut versorgt werden.

Internet in Zukunft

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Megabit pro Sekunde – diese Übertragungsgeschwindigkeit soll bis 2018 überall in Deutschland verfügbar sein

98% der deutschen Haushalte ­haben aktuell Zugang zu einem Breitband-Anschluss

Technologiemix gefragt Impressum Verlagsbeilage Zukunft

Jahren massiv ausgebaut worden. Übertragungsraten von über 50 Mbit sind möglich. Die Telekom konnte seit 2010 nach eigenen Angaben dank LTE mehrere tausend „weiße Flecken“ schließen. Der Anbieter ­Vodafone deckt mit ­seinem LTENetz schon heute tausende Gemeinden in der Fläche und die 180 größten Städte Deutschlands ab. Damit erreicht Vodafone zwei Drittel der Bevölkerung. Bis 2015 werde LTE flächendeckend verfügbar sein,

sagt Vodafone-Chef Jens Schulte-Bockum. LTE ist nur ein Beispiel dafür, dass Internet nicht mehr zwangsläufig aus der Telefonbuchse und dem dahinter liegenden Glasfaserkabel kommen muss. Auch die Kabelnetz­ betreiber bieten mittlerweile schnelles Internet über das Kabelnetz an. Es wird beim Breitbandausbau auch künftig auf den richtigen Technologie-Mix ankommen. Beim Verkehr setzt schließlich auch niemand allein auf die Straße. n

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Grundsätzlich ist der Netzausbau in Deutschland bisher gut vorangekommen. Der starke Wettbewerb unter privaten Betreibern hat dazu geführt, dass diese in den letzten Jahren ordentlich in die Netze investiert haben. Sie können mittlerweile über 98 Prozent der deutschen Haushalte mit einem Breitbandanschluss versorgen. In deutschen Großstädten ist schnelles ­Internet selbstverständlich, mit stetig steigenden Bandbreiten. Ausbaubedarf sehen auch die Anbieter im ländlichen Raum. Hier gibt es zum Teil noch „weiße Flecken“ – ­Orte ohne leistungsfähigen Internet­ zugang. Eine Versorgung abgelegener Regionen über Glasfaserkabel würde Milliarden verschlingen. Eine Lösung dieses Problems ist die neue Mobilfunkgenera­ tion LTE (Long Term Evolution). Das mobile Breitband ist in den letzten drei


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