vorwärts März 2014

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D i e Z e i t u n g d e r d e u t s c h e n s o z i a l d e m o k r at i e

März 2014

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Gegründet 1876

MArtin Schulz

Foto: Dirk bleicker

Ich will E­ in Europa der Bürger 03 4 197407 502506


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Inhalt 3

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themen in diesem heft

Liebe Leserinnen und Leser, der Wahlkongress der sozialdemokra­ tischen Parteien in Europa war ein kleiner Vorgeschmack darauf, wie euro­ päische Politik gestaltet werden kann. Dort, wo vor knapp 57 Jahren die Römi­ schen Verträge als G ­ rundlage der heu­ tigen Europäischen Union beschlossen wurden, hatten sich rund 900 Sozialde­ mokraten und Sozialisten versammelt, um Martin Schulz zum gemeinsamen Spitzenkandidaten für die Europawahl zu küren und ein gemein­sames Wahl­ manifest zu beschließen. So viel Zusammenhalt ist neu. Erstmals haben sich die 33 SPE-Mitgliedsparteien aus 28 Ländern auf eine gemeinsame Linie für die Europawahl festgelegt. Ein historischer Moment! Für die Wahl am 25. Mai ein guter Anfang. Denn die antieuropäischen Populisten werden mehr. Mit ihren rückwärtsgewandten Vorschlägen werfen sie den Kontinent zurück in dunkle, nationalistische Zeiten – ohne Zukunft. Das hat das Bundesver­ fassungsgericht beim Urteil zur Aufhe­ bung der 3-Prozent Hürde nicht bedacht.

Fotos: Dirk Bleicker (3), HENDRIK RAUCH, PRIVAT

Und die schlechte Krisenbewältigung der Konservativ-Liberalen hat das Ihre getan, dass Menschen des europäischen Projekts überdrüssig sind. Dabei gilt es mehr denn je, die demokratischen Kräfte zu stärken und extremistischen Sektierern keine Chance zu geben. Schließlich zeigt auch die Lage in der Ukraine ganz aktuell, wie wichtig es ist, dass Europa mit einer Stimme spricht. Dieser „vorwärts“ hat den Schwerpunkt Europa. Wir werden auch künftig verstärkt über Europa berichten, um die Chancen aufzuzeigen, die – für uns alle – in der Europäischen Union stecken. Wir sind davon überzeugt! Herzlich, Ihre

Titel  4  Ein besseres europa schaffen – Interview mit dem Europa-Spitzenkandidaten Martin Schulz  6  Europa-konvent in Rom – »Der Beste, um den Wandel anzuführen« Stimmen für Martin Schulz  8 Starke Friedensmacht – Von Herfried Münkler  9  Grosse chance– Interview mit Udo Bullmann 10 zuwanderung – Eine Europäische Errungenschaft 11  Hilfen in der eurokrise – Von Sebastian Dullien 12  Europa beginnt im Handwerk – Junge Spanier werden in Deutschland ausgebildet 13  Schöne worte werden nicht mehr reichen – Von Außenminister Frank-Walter Steinmeier Aktuell 16  Bloss keine emanze sein – Warum der Feminismus auch heute noch gebraucht wird

Seite 6

Kolumnen 14  global gedacht – Rafael Seligmann 15  Unser Europa – Peter Riesbeck 24  Zwischenruf – Martin Dulig 30  Medienzirkus – Gitta List 34  Das Allerletzte – Martin Kaysh

Franziska Giffey: Sie unterstützt Roma-Zuwanderer. Seite 20

partei leben! 17  Gut Aufgehoben – Der Arbeitskreis Muslime 18  Wahlhilfe auf türkisch – OV und Europa 19  Dreiklang von potsdam – Die SPD-Klausur 20  sie hilft, wo sie kann – Porträt über ­Neuköllns Bezirksstadträtin Franziska Giffey 22  Die vereine sind das a und o – OV-Porträt Töging am Inn

Wirtschaft 26  Kein Kavaliersdelikt – Steuerbetrug 28  Gut gemacht – Wohnen im Nobelhotel statt auf der Straße 29  Meine Arbeit – Der Kapitän kultur 30  Künstler? Und wovon leben sie? – Die Künstlersozialkasse 31  liebe sprache – Preis der Leipziger Buchmesse historie 32  schwierige Nachbarn – Die Ständigen ­Vertretungen der beiden deutschen Staaten 33  Wer war’s? – Lothar Pollähne 14  In Kürze | 23  Parlament 24  Leserbriefe | 32  Impressum 33  Rätselseite | 34  cosmoprolet

Redaktionsschluss 03. März 2014 Karin Nink Chefredakteurin

Nach der Wahl: Martin Schulz mit Harlem Désir

Diese Ausgabe Enthält eine Anzeigen-SONDERVERÖFFENTLICHUNG ZUm Thema »Energie«

Gut gemacht: Hilfe für Wohnungslose

Seite 28

aus der redaktion Olaf Schwarzbach (OL): Das ist unser neuer Karikaturist auf der Seite „Das Allerletzte“. Er lebt und arbeitet mit seiner Frau und seinen beiden „hübschen Töchtern“ in Berlin. Wir freuen uns auf seinen Blick auf a ­ ktuelle politische Themen .


4  Titel Herr Schulz, Sie sind der erste ­Spitzenkandidat der europäischen ­Sozialdemokratie für eine Europawahl. Wie fühlt sich das an? Ich bin tief berührt davon, dass mir nicht nur die SPD, sondern auch die europäi­ schen Sozialdemokraten ihr Vertrauen schenken. Das ist in meinem Leben schon ein sehr besonderer Abschnitt. Was ist das Ziel der Sozialdemokraten? Wir wollen, dass wichtige Personalent­ scheidungen nicht mehr in Hinterzim­ mern ausgekungelt werden, sondern dass die Bürger endlich darüber entscheiden können, wer mit welchem Programm die Richtung Europas bestimmt. Das kann mit der Europawahl gelingen. Die simple Botschaft ist: Wer in Deutschland SPD wählt, der hilft dabei, dass Martin Schulz der nächste Präsident der Europäischen Kommission wird. Dann können wir an einem anderen, einem besseren Europa arbeiten, in dem es gerechter zugeht. Es gibt in der EU gewisse antideutsche Ressentiments. Wie gehen Sie damit um? Vor kurzem hat mir eine Schülerin in einer Straßburger Schule gesagt, dass ­ ich nicht für das Amt des Kommissions­ präsidenten antreten dürfe, weil ich Deutscher sei. Das wäre vor wenigen Jah­ ren noch undenkbar gewesen. Die Krise, die wir seit ein paar Jahren auf unserem Kontinent erleben, treibt die Menschen wieder gegeneinander. Ich war erschro­ cken über die Berichte, dass amtierende deutsche Politiker in einigen Ländern in NS-Uniformen dargestellt worden sind. Das habe ich aufs Schärfste verurteilt. Denn die Deutschen haben sich in der Krise sehr solidarisch gezeigt – und zwar auch aus wohlverstandenem Eigeninte­ resse, weil wir am meisten von einem sta­ bilen Euro profitieren. Aber wir müssen uns natürlich auch fragen, woher dieses schlechte Bild von Deutschland kommt... Woher kommt es? Die schwarz-gelbe Regierung hat sich manches Mal im Ton vergriffen. Da soll­ ten plötzlich Lektionen erteilt werden in einem Europa, das endlich wieder Deutsch spricht. So darf man nicht reden. Das klang dann so, als müssten alle an­ deren EU-Staaten nur deutscher werden und dann werde alles automatisch gut. Ich hingegeben hätte mir gewünscht, dass wir ehrlicher in der Debatte sind. So ist Deutschland beispielsweise gut durch die Krise gekommen, weil unsere sozial­ demokratischen Minister in der letzten großen Koalition die Abwrackprämie, die Förderung bei der energetischen Gebäu­ desanierung und die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes durchgesetzt haben. Deutschland hat also Reformen durch­ geführt, aber gleichzeitig auch investiert und etwas gegen die Arbeitslosigkeit ge­ tan. Dass die schwarz-gelbe Bundesregie­ rung dann diesen klugen Instrumenten­

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EU-Parlamentspräsident Martin Schulz: „Die Rechtspopulisten im Europaparlament haben keinen Beitrag zur Lösung irgendeines Problems geleistet, sondern sie haben ausschließlich polemisiert und provoziert.“

ein besseres ­Europa schaffen Martin schulz Der S ­ pitzenkandidat der europäischen ­Sozialdemokraten will als EU-Kommissionspräsident besonders die ­Jugendarbeitslosigkeit und die Steuerflucht bekämpfen Interview Karin Nink und Lars Haferkamp

mix den anderen EU-Staaten verbieten wollte, hat verständlicherweise für gro­ ßen Unmut gesorgt. Sie würden – wenn die Sozialdemokraten bei der Europawahl erfolgreich sind – vermutlich der erste deutsche Kommissionspräsident nach mehr als 50 Jahren. Wie könnte das die EU beeinflussen? Und was bedeutete das für Deutschland? Als erstes würde ich in der Europäischen Kommission einen Mentalitätswandel einfordern. Denn ich will, dass sich die Kommission auf die Dinge konzentriert,

bei denen der Nationalstaat allein nicht mehr handlungsfähig ist. Aber die Kom­ mission soll sich zum Beispiel raushalten bei der Frage, welchen Duschkopf wir in unserem Badezimmer benutzen. Auch in Deutschland regelt nicht alles die Bun­ desregierung, sondern die Landesregie­ rungen und die Städte und Gemeinden treffen ihre Entscheidungen oft bürger­ näher, weil sie die Probleme viel unmit­ telbarer kennen. An diesem Prinzip will ich mich orientieren und dabei hilft es mir, dass ich selbst viele Jahre Bürger­ meister war.

europa


Titel 5

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Was würde für die Menschen in Europa mit einem Kommis­sions­präsidenten Martin Schulz besser werden? Ich würde die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit ins Zentrum meiner Arbeit stellen. Denn sie ist ein Übel, das unsere Gesellschaften zerfrisst. Sie raubt den jungen Menschen, die oft sehr gut ausgebildet sind, das Vertrauen, dass sie eine gute Zukunft haben. Ich will zweitens, dass wir etwas gegen Steuerflucht tun. Es muss das simple Prinzip gelten, dass dort, wo man Gewinne erwirtschaftet, auch die Steuern fällig werden. Kein normaler Bürger kann sein Geld am Fiskus vorbeischleusen, aber einige Privatleute und Unternehmen tun das tagtäglich. Ich möchte drittens, dass wir mehr in die Zukunftsfähig-

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Ich bin tief berührt. Martin Schulz,

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Foto: Dirk Bleicker

zu seiner Kandidatur

keit Europas investieren. Wir brauchen ­eine nachhaltige Industrie- und Mittelstandspolitik, eine kluge Energiewende und Investitionen in Zukunftstechnologien. Schließlich ist mir der Bereich des Verbraucherschutzes wichtig. Ich bin es leid, dass wir alle paar Jahre Lebensmittelskandale haben, weil Kriminelle mit Gammelfleisch riesige Gewinne machen. Auch im Bereich des Datenschutzes haben wir großen Nachholbedarf und wir müssen deshalb hohe europä­ ische Grundrechtestandards etablieren und technologisch wieder auf Augenhöhe mit den USA kommen, damit wir uns effektiv verteidigen können, wenn wir ausgespäht werden. Jean-Claude Juncker will als Spitzen­kandidat der europäischen ­Konservativen gegen Sie antreten. Wie bewerten Sie diese Konkurrenz? Ich schätze Herrn Juncker als Kollegen sehr. Er ist ein fähiger Politiker und sehr sympathisch. Allerdings hat er als Luxemburger Regierungschef zu sehr auf die Interessen der Finanzmärkte und Banken geschaut. Deshalb glaube ich, dass wir eine interessante Debatte über den richtigen Weg für Europa führen werden. Ist es für Sie und Ihre Wahl ein Vor- oder ein Nachteil, dass die SPD in Deutschland in einer großen Koali­tion regiert? Wir führen den Wahlkampf getrennt, jeweils im Geleitzug mit unseren europäischen Schwesterparteien. Mein Ziel ist es, eine Mehrheit im Europäischen Parlament hinter mich zu bekommen.

Sie gelten als einer der leidenschaftlichsten Europäer. Was bedeutet für Sie Europa? Mit der europäischen Einigung haben wir in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die richtige Antwort auf die Schrecken der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gegeben. In meiner Familie, die im Dreiländereck Deutschland-Niederlande-Belgien wohnt, haben Cousins im Krieg noch gegeneinander gekämpft, weil sie auf unterschiedlichen Seiten der Grenze gewohnt haben. Das haben wir überwunden und Europa hat nach furchtbarem Leid, Rassenwahn, Krieg und Vertreibung wieder zusammengefunden und einen historisch einmaligen Wiederaufstieg erlebt. Älteren kann man erklären, dass die EU dem Kontinent Sicherheit und Frieden gebracht hat. Was sagen Sie jungen Leuten, für die diese Fragen so selbstverständlich sind, dass sie als Argument keine Rolle spielen? Gerade die jungen Leute sind viel europäischer, als wir das damals wa­ ren. Wenn man heute auf die Weltkarte schaut, dann sieht man, dass Europa im Vergleich zu anderen Weltregionen sehr klein ist. Die europäische Bevölkerung schrumpft und Deutschland wird in ein paar Jahren noch nicht einmal mehr ein Prozent der Weltbevölkerung stellen. Bei den ökonomischen Wachstumszahlen gibt es ein ähnliches Bild. Wenn wir uns europäisch zusammenschließen, können wir auch angesichts dieser Entwicklungen unsere Werte, unseren Wohlstand und unsere Sicherheit im 21. Jahrhundert bewahren. Zerlegen wir uns aber in unsere Einzelteile, dann wird ­Europa zum Spielball anderer Mächte, die nicht unsere Werte teilen. Mancher Bürger in Europa hat die ­Sorge, die EU nehme ihm seine ­nationale Identität. Wie wollen Sie diese Sorge entkräften? Niemand will einem Deutschen, einem Polen oder einem Franzosen die Identität nehmen. Ich bin Rheinländer, Nordrhein-Westfale, Deutscher und Europäer zur gleichen Zeit und möchte auf keine ­dieser Identitäten verzichten. EU-Kritiker machen als Problemfelder grenzüberschreitende Kriminalität und ungesteuerte Zuwanderung aus. Ist das rechte Propaganda oder sehen auch Sie hier Handlungsbedarf? Deutschland kann seinen Wohlstand nur durch Einwanderung sichern und deshalb zählen wir zu den großen Gewinnern der Freizügigkeit in Europa. Aber es gibt regionale Probleme etwa in Duisburg oder Dortmund und dort müssen wir konkret finanziell helfen, um Ghettoisierung zu verhindern. In beiden Städten regieren kluge sozialdemokratische Oberbürgermeister, die zu keinem Zeitpunkt die Freizügigkeit in Frage gestellt haben.

Kandidaten im Mittelpunkt Die Kampagne stimmt. Da waren sich die Kandidaten für die Europawahl einig, als sie sich am 22. Februar zu einem Konvent in Frankfurt trafen. Wahlkampfleiter Matthias Machnig stellte vor, was er im Köcher hat. Die Wahlkämpfer erhielten einen Einblick in die Kampagnenvorbereitung: Plakate, Flyer, Themen, Veranstaltungen. Neben Auftakt und Abschluss der Wahlkampftour mit Martin Schulz gibt es 15 weitere Termine, in jedem Bundesland mindestens eine Großveranstaltung und Auftritte in anderen EU-Ländern. Martin Schulz ist der Mann, der an der Spitze der EUKommission die Kraft hat, Europa anders zu denken. Das ist die Botschaft, auf der Machnig die Kampagne aufbaut. n JA Wahlkampf-Material bestellen: vertrieb@spd.de

Europawahl Termine 29. März Start der Wahlkampftour mit Martin Schulz, Hamburg 25.-27. April Europakonferenz der Jusos, Berlin 9. Mai Europatag der EU 18. Mai Europa-Matinée der SPD, Berlin 24. Mai Wahlkampfabschluss mit Martin Schulz, Aachen 25. Mai Europawahl Weitere Termine: vorwaerts.de/Europatermine

Erstmals haben in Deutschland ­anti-europäische Kräfte die Chance in das EU-Parlament einzuziehen. Wie wollen Sie dieser Gefahr begegnen? Die Populisten erzählen das Märchen, bei der Europawahl ginge es um die Frage „Bist Du für oder gegen Europa?“ Tatsache ist, dass Europa auch nach dem 25. Mai existiert. Deshalb müssen wir die Frage in den Mittelpunkt stellen, welches Europa wir wollen. Die Rechtspopulisten, die schon jetzt im Europaparlament sitzen, haben in den vergangenen Jahren keinen Beitrag zur Lösung irgendeines Problems geleistet, sondern sie haben ausschließlich polemisiert und provoziert. Ganz abgesehen davon werden sie eine kleine Minderheit im EU-Parlament sein, die keinen Einfluss auf Entscheidungen hat. Welche Auswirkungen hat das Karlsruher Urteil zur Drei-Prozent-Hürde bei der Europawahl in Deutschland? Ich nehme diese Entscheidung mit ­Res­pekt entgegen, auch wenn ich mir ein anderes Ergebnis gewünscht hätte. Jetzt kommt es darauf an, dass wir für die Europawahl im Mai so mobilisieren, dass möglichst keine extremistischen Parteien ins Europaparlament einzie­ hen. Alle demokratischen Parteien, aber vor allem wir als Sozialdemokraten, sind nun noch mehr gefordert, einen engagierten Europawahlkampf zu führen. Wie sieht der von Ihnen a ­ ngesprochene Masterplan für mehr Wachstum in E ­ uropa aus? Und geht das ohne ­Schulden? Wie wollen Sie die Jugendarbeitslosigkeit wirksam senken? Mit der Jugendgarantie haben wir einen ersten wichtigen Schritt zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit gemacht, dem aber weitere folgen müssen. Geld für gezielte Investitionen in Aus- und Weiterbildung, für Wachstum und Beschäftigung ist da – wir müssen nur endlich mit dem angesprochenen Prinzip Ernst machen, dass Unternehmen dort, wo sie Gewinne machen, auch Steuern zahlen und auch die private Steuerflucht effektiver bekämpfen. Jährlich gehen der öffentlichen Hand so Milliarden verloren. Milliarden, die fehlen, um jungen Menschen und deren Familien wieder ­eine gute Zukunft zu geben. Ganz entscheidend ist auch, dass wir die Kreditklemme in den Krisenländern überwinden. Es darf nicht sein, dass sich Banken – zum Teil übrigens mit Steuergeldern gerettet – für 0,25 Prozent Zinsen Geld bei der EZB leihen dürfen und mit diesem Geld dann spekulieren, anstatt es für Investitionen zur Verfügung zu stellen. Kleine und Mittlere Unternehmen, etwa in Griechenland oder Portugal, haben viele wunderbare Ideen, um Jobs zu schaffen. Die Pläne liegen in deren Schubladen. Allein, sie bekommen keine Kredite. Das müssen wir schleunigst ändern. n


6  Titel

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Stimmen für ­Martin Schulz

Helle ThorningSchmidt, Dänemark, Vorsitzende der Sozialdemokraten und Minister­ präsidentin

ein engagierter Visionär Martin Schulz ist ein engagierter Politiker, der seine Vision eines besseren und sozialdemokratischeren Europas ohne Unterlass verfolgt. Martin hat meine volle Unterstützung in seinen Anstrengungen, mehr und bessere Jobs in Europa zu schaffen, die Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen und eine nachhaltige Wirtschaft in Europa zu fördern. n

Martin Schulz bejubelt von Mitstreitern: Zita Gurmai (SPE-Frauen, 2.v.l.), Jean-Marc Ayrault (vorn 2.v.r.) und Sergej Stanishev (r.)

»Der Beste, um den Wandel anzuführen«

Er ist einfach der beste Mein Freund Martin Schulz sollte und wird Präsident der Europäischen Kommission werden, weil er einfach der Beste ist. Er ist ein Vollblut-Politiker, erfahren und effizient im Handeln, mit Visionen und Charisma, was heutzutage keine Selbstverständlichkeit ist. Er ist ein Politiker, der immer den Kontakt mit den Menschen sucht, der immer da­ rauf bedacht ist, für sie Politik zu machen. Wirkliche Veränderung für ein besseres Europa hat einen Namen: Martin Schulz. n

SPE-Kongress Er ist der erste gemeinsame Spitzenkandidat der ­europäischen Sozialdemokraten. 91,1 Prozent der Delegierten stimmten in Rom für Martin Schulz Von Karin Nink

S europa

Harlem Désir, Frankreich, Vorsitzender der Sozialistischen Partei

tanding Ovations, Jubel, ein Meer von roten, blauen und o ­ rangen Plakaten: „Martin Schulz President“. Und in der Tat ist Schulz an diesem Samstag in Rom seinem Ziel, EUKommissionspräsident zu werden, ein deutliches Stück näher gekommen. Denn nicht nur das hervorragende Ergebnis von 91,1 Prozent, mit dem er zum Spitzenkandidaten gekürt wurde, lässt hoffen. Auch die Begeisterung, mit der Schulz von Wahlkampfhelfern und Jugendlichen schon im Vorfeld des offiziellen Kongresses empfangen wurde, zeigt: Mit ihm an der Spitze kann es ­einen hoch motivierten Wahlkampf und ein erfolgreiches Ergebnis geben.

französischer Deutscher

»Seele Europas«

Ich kenne Martin lange genug, um überzeugt zu sein, dass er die notwendige Beharrlichkeit hat, um Europa an der Spitze der nächsten EU-Kommission zu verändern. Vor 100 Jahren hatte der Nationalismus Europa fest im Griff. Heute nährt die Austeritätspolitik den Populismus. Mit den europäischen Sozialisten und Sozialdemokraten und Martin Schulz an ihrer Spitze ist eine progressive Mehrheit möglich. Martin ist der französischste unter den Deutschen, der Europa entbürokratisieren will, um es zu demokratisieren. n

„Martin Schulz ist der beste Kandidat, um den progressiven Wandel anzuführen, den Europa so verzweifelt braucht. Er ist der wahre Kandidat des Volkes“, sagte Sergej Stanishev, Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE) und der Sozialistischen Partei in Bulgarien. Für den niederländischen Außenminister Frans Timmermans verkörpert Martin Schulz „die Seele ­Europas“. Politiker aus den verschiedensten Ländern bekannten sich wäh-

Sie ist ein Fan: KongressBesucherin in Rom.

rend der Delegiertenkonferenz öffentlich zu Schulz. Dazu gehörten auch der neue starke Mann in Italien, Matteo Renzi, der französische Premierminister Jean-Marc Ayrault, der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann, der bulgarische Premierminister Plamen Oresharski – um nur einige zu nennen. Lediglich die Briten hielten sich zurück, weil die Labour Party angesichts des antieuropäischen Kurses des konservativen Premierministers David Cameron ein Jahr vor der Parlamentswahl keine Angriffsfläche bieten will. SPD-Chef Sigmar Gabriel machte deutlich, dass die Zustimmung für einen deutschen Spitzenkandidaten nicht selbstverständlich sei, viele machten die deutsche Politik der vergangenen Jahre mitverantwortlich für die „langsame Bewältigung der europäischen Krise“. Das Votum für Schulz sei „ein Zeichen des Vertrauens in die deutsche Sozialdemokratie“. Es ist zweifellos aber auch ein enormes Vertrauen in die Person Martin Schulz. Wie kaum ein anderer ist der ehemalige Buchhändler und einstige Bürgermeister von Würselen in ganz Europa vernetzt und hat viel Vertrauen gewonnen, weil er sich seit Jahren für ein menschennahes vereintes Europa

Fotos: DIRK BLEICKER (3), dpa/Felix Kindermann, Hendrik Rauch

Leszek Miller, Polen, Vorsitzender des Bundes der demokratischen Linken (SLD), ehem. Ministerpräsident


Titel 7

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einsetzt. Gabriel bescheinigte seinem Parteifreund in Rom „die Fähigkeit, das Leben anderer aus deren Augen beurtei­ len und mit ihnen für ein besseres Le­ ben streiten zu können“. Nichts brauche ­Europa heute mehr. Schulz werde „nicht nur mit viel Verstand, sondern auch mit großem Herzen für Europa kämpfen“. Der Kongress in Rom war der Start­ schuss für einen sozialdemokratischen Wahlkampf wie es ihn für eine Europa­ wahl noch nicht gab – mit e ­ inem ge­ meinsamen Kandidaten, einem gemein­ samen Manifest und einer koordinierten Kampagne aller SPE-Parteien. Rom war ein großes sozialdemokrati­ sches Familientreffen. Schon im Vorfeld des Kongresses kämpften die ­SPE-Frauen mit einer Flashmob-Aktion auf der ­historischen Piazza di Pietra eindrucks­ voll für gleiche Bezahlung von Männern und Frauen. In der „Jugendwahlarena“ der Friedrich-Ebert-Stiftung diskutierten junge Leute mit Martin Schulz über Euro­ pa. Umgeben von Unterstützerplakaten wie „Come on Schulz make the change“ oder „A new deal for Europe“ sagte dieser: „Wir wissen nicht, was am Ende steht, aber wir müssen aufhören, in nationalen Staaten zu denken.“ Europa werde „mehr sein als ein loser Zusammenschluss ein­ zelner Staaten, aber weniger als die USA“. Auch am Samstag im Kongresszen­ trum plädierte Schulz in einer emotio­ nalen Rede für „ein anderes Europa“. Ein Europa, in dem es genügend Arbeitsplät­ ze gibt, die Finanzmärkte reguliert wer­ den, Bürgerinnen und Bürger mehr Mit­ sprache haben und Steuerbetrug hart geahndet wird. „Steuerbetrug unter­ gräbt die Solidarität zwischen Staaten und Menschen“, so Schulz. Es müsse der einfache Grundsatz gelten: „Das Land des Gewinns ist das Land der Steuer!“ Der frisch gekürte Spitzenkandidat betonte, erstmals könnten die Wähle­ rinnen und Wähler, den Kommissions­ präsidenten direkt bestimmen und damit auch entscheiden, welches Euro­ pa sie wollten. Er verwies darauf, dass nach dem Lissabon-Vertrag von 2007

Gemeinsam für Europa

das EU-Parlament ein maßgebliches Mitspracherecht bei der Ernennung des Kommissionspräsidenten habe und sag­ te: „Ich möchte der erste Kommissions­ präsident werden, der nicht durch eine Abmachung in einem Brüsseler Hinter­ zimmer ins Amt kommt, sondern demo­ kratisch gewählt wird.“

Jutta ­Urpilainen, Finnland, Vorsitzende der Sozialdemokraten (SDP), stellver­tretende Minister­ präsidentin

Bürger an erster Stelle

Schulz wird „mit großem Herzen“ für Europa kämpfen, weiß SPD-Chef Gabriel.

Neuer starker Mann: Italiens neuer Ministerpräsident Matteo Renzi.

Er war die Hauptperson in Rom: „Wir brauchen ein anderes Europa“, so Schulz.

In der abwechselnd in Englisch, Franzö­ sisch, Italienisch und Deutsch gehalte­ nen Rede nahm Schulz sich auch die harte Sparpolitik der Konservativen und Libe­ ralen vor, die Europa in den vergangenen fünf Jahren mehrheitlich regierten. Sie hätten den Menschen zu viel abverlangt, sich aber nicht um deren Bedürfnisse und die Zukunft der Jüngeren gekümmert, kritisierte er. „Qual und Pein für die Be­ völkerung, Milliarden für die Banken!“ Das sei das Motto der konservativ-libera­ len Regierungen gewesen. „Mein ­Europa ist ein Europa, in dem die Bürger an erster Stelle stehen“, setzte Schulz seine Vision eines sozialen Europas der harten Spar­ politik von Merkel & Co entgegen. Der­ zeit aber zahlten die Jungen „mit ­ihren ­Lebenschancen für e ­ine Krise, die sie nicht verursacht haben“. Viele Europäer litten unter Arbeits­ losigkeit, schlechter Gesundheitsversor­ gung und materieller Not. Das, so wet­ terte Schulz, führe zu einer Spaltung innerhalb einzelner Länder, aber auch zwischen europäischen Staaten. Eine Entwicklung, die Nationalismus und Hass nähre und von der antieuropäische Populisten profitierten. „Es trifft mich sehr, den alten Dämonen wieder zu be­ gegnen – Rassismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit“, so Schulz. „Beginnen wir heute damit, die Spal­ tung Europas zu überwinden. Europa ist mehr als die Summe seiner Institu­ tionen in Brüssel. Europa ist die Summe seiner Nationen, seiner Städte, seiner Re­ gionen, seiner 28 Mitgliedsstaaten und natürlich seiner 507 Millionen Bürge­ rinnen und Bürger", rief er. „Mein Euro­ pa wird von unten nach oben gebaut!“ n

er versteht die unterschiede innerhalb der eu Die finnische SDP unterstützt Martin Schulz als Präsidenten der Europäischen Kommission, weil er Verständnis gezeigt hat für die Entwicklung Europas als ­Ganzes. Er ist sich der Unterschiede innerhalb der EU bewusst und wird den Dialog auch im Rahmen der Nördlichen Dimension der EU aktiv fortführen. Martin unterstreicht die Notwendigkeit, zusammenzuarbeiten für mehr Jobs und Wachstum sowie für die Schaffung einer sozialen Dimension in der EU. n

Diederik Samsom, Niederlande Parteivorsitzender der Partij van de Arbeid (PVDA)

der richtige mann, um die eu-kommission zu führen Martin Schulz sollte Präsident der Europäischen Kommission werden, weil er der richtige Mann ist, um die Europäische Kommission in eine sozialdemokratischere Richtung zu führen – mit dem Fokus auf dem Kampf gegen Arbeitslosigkeit in ganz Europa und auf gute Arbeit und nachhaltiges Wachstum für alle. n

Evangelos ­Venizelos, ­Griechenland, Vorsitzender der Sozialisten (PASOK) und stellv. Minister­ präsident und Außen­minister

Fotos: DIRK BLERICKER (6), dpa/Wiktor Dabkowski, dpa/Ton Koene

er steht für solidarität Martin Schulz sollte Präsident der Europäischen Kommission werden, weil er eine sehr klare Vision von Europa hat. Er unterstützt unsere sozialdemokratische Agenda innerhalb der komplexen ökonomischen, sozialen und finanzpolitischen Struktur der EU. Sein Wille, den Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit zu seiner Priorität zu machen, wird von großem Nutzen für unser Ziel sein, den sozialen Zusammenhalt in ­Europa zu stärken. Wie kein anderer Kandidat steht er für die europäische Idee von Solidarität zwischen Generationen und Nationen auf dem europäischen Kontinent. n Mehr vorwaerts.de/Schulz-Stimmen 91,1 Prozent: Mit diesem Traum-Ergebnis wählten die Delegierten Martin Schulz zum europäischen Spitzenkandidaten.


8  Titel

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selbstbewusste und starke Friedensmacht von 1914 bis 2014 Nur wenn die Staaten Europas ­einander vertrauen, ist der Frieden auch künftig sicher Von Herfried Münkler

Der Kampf um die europäische Hege­ monie, der damals geführt wurde, ist durch die deutsch-französische Aussöh­ nung beendet. Das politisch und wirt­ schaftlich verfasste Europa als eine von mehreren Institutionen gegen eskalie­ rendes Misstrauen, das 1914 zum Ver­ hängnis wurde, funktioniert, solange die deutsch-französische Achse funktio­ niert. Einen Achsbruch zwischen Berlin und Paris jedoch würde die europäische Union kaum unbeschadet überstehen. Was 1914 der Zentralkonflikt war, muss in der europäischen Union die Zentral­ kooperation sein und bleiben. Wenn Großbritannien und Polen in diese Ko­ operation stärker eingebunden werden können, ist das gut und wünschens­ wert. Aber für die Krisenfestigkeit der EU ist das deutsch-französische Verhält­ nis ausschlaggebend.

Herfried Münkler: Der Politikwissenschaftler lehrt an der Humboldt-Universität zu Berlin. Bekannt wurde er einem breiten ­ ublikum als Buchautor. Viel Beachtung fand zuletzt sein historisches Werk „Der Große Krieg. Die Welt von 1914 bis 1918“. P

I

n diesem Jahr, da sich der Ausbruch des Ersten Weltkriegs zum hun­ dertsten Mal jährt, ist ein Rückblick auf das Jahr 1914 und die Folgen dieses Krieges für Deutschland und Europa naheliegend. Dieser Rückblick ist umso aufschlussreicher, je mehr man davon ausgeht, dass keine der europäischen Großmächte damals diesen Krieg als gro­ ßen europäischen Krieg gewollt und an­ gestrebt hat, sondern dass es ihnen, wenn sie denn auf Krieg setzten, um einen räumlich und zeitlich begrenzten Krieg ging, in dem sie ihre Stellung in der Kon­ kurrenz der Mächte verbessern wollten. In der Julikrise kam es dann zu ­einer Eskalation des gegenseitigen Miss­ trauens, und an deren Ende standen die Mobilmachungen und Kriegserklärun­ gen. Im Prinzip wussten alle Beteilig­ ten, von der politischen Linken über die ­Liberalen bis zu den Konservativen, dass ein großer Krieg in der Selbstzerstörung des Kontinents und dem Verlust seiner weltpolitischen Dominanz enden würde. Aber sie hätten einander mehr vertrauen müssen, um dieses Wissen politisch be­ dingungslos zur Geltung zu bringen.

In der Retrospektive steht fest, dass Deutschland von einem fortdauernden Frieden in Europa, zumindest von der Vermeidung eines großen Krieges, am meisten profitiert hätte. Es hätte ein deutsches Jahrhundert werden können, hat der Historiker Fritz Stern mit Blick auf diese kontrafaktische Geschichtsvor­ stellung gemeint – ein deutsches Jahr­ hundert, weil dann nicht die Waffen und der Kampf, sondern Wissenschaft und Kultur, Erfindergeist und wirtschaftli­ che Leistungsfähigkeit den Ausschlag gegeben hätten – und auf allen diesen Feldern war Deutschland damals in Eu­ ropa führend. Tatsächlich waren es aber die Deutschen, die im Sommer 1914 die räumlich voneinander getrennten und im Prinzip lokalisierbaren Konfliktherde in Europa zusammengeführt haben und die anschließend als die kräftemäßig schwächeren Akteure damit beschäftigt waren, immer weitere neue Konflikte zu eröffnen, um den Krieg doch noch zu gewinnen. Sie waren der politischen Ver­ antwortung, die ihnen durch ihre Lage in der geopolitischen Mitte des Kontinents zugefallen war, nicht gewachsen.

kriegsgefahr in der ukraine Zur aktuellen Situation in der Ukraine und auf der Krim berichten wir ausführlich auf vorwaerts.de, unter anderem mit Beiträgen unseres Autors Jörg Hafkemeyer.

Texte unter vorwaerts.de/ Politik/Ausland

Der Rückblick auf das Verhängnis von 1914 zeigt aber auch, dass der Krieg nicht im europäischen Zentrum, sondern an der Peripherie, auf dem Balkan seinen An­ fang genommen hat. Die immer schneller aufeinander folgenden Balkankrisen erst haben die anderen Konflikte, die latent waren, scharf gemacht. Das ist die zweite Lehre, die sich aus dem Kriegsausbruch von 1914 ziehen lässt: dass es nicht nur eines robusten Vertrauens der Akteure im Zentrum bedarf, sondern auch einer krisenüberwindenden und konfliktbe­ grenzenden Strategie für die heiklen Teile der Peripherie. Dass das möglich ist, ha­ ben die Europäer in den jugoslawischen Zerfallskriegen der 1990er Jahre gezeigt, und seitdem verwenden sie erhebliche Anstrengungen auf die Stabilisierung des Balkans: von Polizei- und Militärpräsenz über Wirtschaftshilfen bis zur Aussicht auf einen Beitritt zur EU. Man kann das als eine Strategie des Gewaltabkaufs be­ zeichnen. Aber der Balkan ist schon lange nicht mehr der einzige Raum, in dem eine solche Strategie vonnöten ist: Von der Ukraine über den Nahen Osten bis zum östlichen Teil der Europa gegenüberlie­ genden Mittelmeerküste ist eine instabi­ le Peripherie mit erhöhtem Gewaltpoten­ zial entstanden, die zu pazifizieren die Aufgabe der Europäer sein wird, zumal dann, wenn die Amerikaner ihr Enga­ gement im mediterranen Raum weiter reduzieren. Um diese Herausforderung zu bestehen, bedarf es eines starken und selbstbewussten Europas. Eine Politik des Zuwartens und Heraushaltens wird nicht genügen, weil die Konflikte, und sei es nur in der Form von Flüchtlingsströmen, dann auf Europa übergreifen werden. Deutschland, um auf die Parallelen von 1914 und 2014 zurückzukommen, wird umso besser dastehen, je mehr es in die Stabilität Europas investiert.n

Fotos: Marcus Hoehn/laif, dpa/AP Photo/Darko Vojinovic

Erst der Balkan, jetzt die Ukraine


Titel 9

03/2014 vorwärts

»Das ist eine grosse chance für uns«

Foto: Udo-Bullmann.de

Udo Bullmann Der Chef der SPD-Gruppe im EU-Parlament über die Kandidatur von Martin Schulz Interview Lars Haferkamp Herr Bullmann, was bedeutet die Spitzenkandidatur von Martin Schulz für die SPD? Das ist eine große Chance für uns, weil wir zeigen können, dass wir nicht nur die besseren politischen Inhalte, sondern auch eine klare personelle Alternative anbieten können. Mit der Nominierung von Martin Schulz für das Amt des ­EU-Kommissionspräsidenten stellen wir jemanden auf, der unsere politischen Ziele in die Praxis umsetzen soll. Stärkt diese Kandidatur das politische Gewicht der SPD in Europa? Auf jeden Fall. Die anderen sozialdemokratischen Parteien wollen unser Engagement und sie unterstützen uns. In manchen EU-Ländern wird e ­ ine angebliche deutsche Dominanz

Udo Bullmann: „Wir brauchen keine Abnicker, sondern politische Führungspersönlichkeiten in Europa.“

­ ritisiert. Dort könnte man sich durch k die Kandidatur von Martin Schulz bestätigt sehen. Das ist keine Kritik an den Deutschen, sondern an der letzten schwarz-gelben Bundesregierung. Es gab den berechtigten Vorwurf der Besserwisserei und der Nein-Sagerei. Damit muss Schluss sein. Die Menschen erwarten, dass Deutschland mithilft, Lösungen zu suchen , statt auf der Bremse zu stehen. Welche Rolle spielt die Nationalität des Spitzenkandidaten? Martin Schulz wird in Europa als der „andere Deutsche“ wahrgenommen: Als einer, der zuhört, der Einfühlungsvermögen zeigt und die Menschen mitnimmt. Einer, der vernünftige Kompromisse sucht. Ist die Spitzenkandidatur die ­Vorentscheidung über die künftige Präsidentschaft der EU-Kommission? Die Staats- und Regierungschefs werden an dem Ergebnis der Europawahl nicht mehr vorbei kommen. Erst recht, wenn wir die entsprechenden Mehrheiten im Europäischen Parlament bilden können. Im EU-Vertrag heißt es aber nur vage, dass die Staats- und Regierungschefs bei der Wahl des Kommissions­

präsidenten „das Wahlergebnis ­berücksichtigen“. Entscheidend ist: Der künftige Kommissionspräsident muss zwei Abstimmungen im Europäischen Parlament gewinnen. Erstens die Zustimmung der Volksvertreter zu seiner Person. Zweitens die über sein gesamtes Team, der zukünftigen EU-Kommission. Daran führt kein Weg vorbei. Die Union wirft der SPD vor, im ­Europawahlkampf zu sehr auf die ­Person von Martin Schulz zu setzen. „Es geht nicht darum, ob Schulz irgendetwas in Europa wird“, sagt der CDU-Generalsekretär. Da spricht der Neid, dass wir uns früh und einvernehmlich auf einen Spitzenkandidaten geeinigt haben. Damit hatten und haben die ­Konservativen sichtlich ihre Mühe. Frau Merkel möchte ja am liebsten gar keinen Spitzenkandidaten, damit sie auch in Zukunft weitgehend allein bestimmen kann. Aber die Zeiten sind vorbei. Wir brauchen keine Abnicker, sondern politische Führungspersönlichkeiten in Europa. Das ist die große Herausforderung der Kandidatur von Martin Schulz. n ANZEIGE

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Zuwanderung aus ­Südosteuropa

170 Europäische Errungenschaft Zuwanderung Die Freizügigkeit für ­EU-Bürger ist politisch ausdrücklich gewollt – und eine H ­ erausforderung für die Mitgliedstaaten Von Yvonne Holl

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ir müssen gegen Missbrauch kämpfen. Aber wir müssen an unseren Grundrechten festhalten“, sagt EUJustiz­kommissarin Viviane Reding. Ihr Thema: Die politisch ausdrücklich gewollte Freizügigkeit innerhalb der EUMitgliedstaaten. Angesichts des wirtschaftlichen Gefälles in der EU stellt sie die Staatengemeinschaft, die Nationalstaaten, einzelne Kommunen aber auch Arbeitnehmer vor Herausforderungen. Verankert ist die Freizügigkeit in Artikel 45 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Demnach steht es EU-Bürgern zu, „in einem anderen Mitgliedsland Arbeit zu suchen, dort ohne gesonderte Arbeitserlaubnis zu arbeiten und zu diesem Zweck auch dort zu wohnen“. Dabei gilt eine Gleichbehandlung hinsichtlich ­Zugang zu Beschäftigung, Arbeitsbedingungen und allen anderen Sozialleistungen und Steuervorteilen. Die Medaille hat mehr als zwei Seiten, das macht das Thema so schwierig und sorgt auch für manche emotionale Diskussion. Über allem steht der große europäische Gedanke: Der Präsident des EU-Parlaments und Spitzenkandidat für die Europawahl Martin Schulz formuliert es so: „Der freie Verkehr von Personen, Waren und Dienstleistungen in der EU ist eine Errungenschaft, die nicht zur Debatte steht und von der wir alle

profitieren.“ Des Weiteren hat der demografische Wandel in Deutschland das Bewusstsein geschaffen, dass ausländische Arbeitskräfte nötig sind, damit die hiesige Wirtschaft auch in Zukunft funktionieren und stark sein kann.

Tausend Bulgaren und ­Rumänen arbeiten derzeit in Deutschland.

0,6

Prozent der ­Gesamtausgaben für Hartz IV gehen an arbeitslose Menschen aus Rumänien und Bulgarien.

593 Rumänen und Bulgaren wandern 2014 monatlich nach Duisburg zu. QuelleN: IZA, Bundesagentur für arbeit, Stadt Duisburg

Missbrauch durch Arbeitgeber Einzelne Branchen, wie etwa der Gesundheitssektor sind heute schon abhängig von zugezogenen Fachleuten. Ärzte, Alten- und Krankenpfleger: Der Mangel wäre noch größer ohne Männer und Frauen insbesondere aus Polen und Bulgarien. Ähnlich sieht es in der Baubranche aus, sowohl was Arbeiter aber auch Ingenieure betrifft. Missbrauch erfolgt hier häufiger von Seiten der Arbeitgeber, die etwa Beschäftigten der Fleischindustrie oder Altenpflegern zu wenig bezahlen oder sie hinsichtlich ­A rbeitszeit und Unterbringung ausbeuten. Der DGB berät Betroffene im Rahmen des Projekts „Faire Mobilität“ (der „vorwärts“ berichtete). Die meisten Zuzügler aus Osteuropa stammen übrigens aus Polen, nicht aus Bulgarien und Rumänien. Diese beiden Länder sind aber nicht zuletzt deshalb im Fokus, weil die volle Freizügigkeit für sie erst seit Januar dieses Jahres gilt. Und weil es die beiden ärmsten Länder Europas sind. Armut in der Heimat, einhergehend mit sinkenden Beschäftigungschancen ist von jeher ein Grund für

Neue Heimat in Bad Berka: Assistenzarzt Horia ­Chiorean kommt aus ­Rumänien. Er ist einer von 715 aus­ ländischen Medizinern im vom Ärztemangel geplagten Thüringen.

Menschen gewesen, sich einen n ­ euen Wohnort zu suchen. Sei es auf Zeit oder auf Dauer. Ziel ist dabei selbstverständlich die Verbesserung der persönlichen Situation. Arbeit ist ein wichtiges ­K riterium. 170  000 Bulgaren und Rumänen arbeiten derzeit in Deutschland, so Zahlen des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn. 70 Prozent dieser Personen z­ ahlen regelmäßig in hiesige Sozialsysteme ein. „Deutschland pro­ fitiert von der Zuwanderung aus Osteuropa“, so IZA-Direktor Klaus F. Zimmermann. Von einer massenhaften Zuwanderung aus Armut könne keine Rede sein. SPD-Chef Sigmar Gabriel mahnt: „Wir brauchen weder pauschale Diskriminierungen von Rumänen und Bulgaren, noch dürfen wie die Probleme einiger Großstädte übersehen.“

Zuzug hat sich verzehnfacht Duisburg ist so eine Stadt. Fast 600 Südosteuropäer, meist Roma, kommen derzeit monatlich in die Ruhrgebietsstadt. Zum Vergleich: 2011 waren es noch rund 50 Menschen monatlich. Und nach Duisburg kommen eher nicht die gut ausgebildeten Arbeitssuchenden, sondern gering oder gar nicht Qualifizierte. Der hohe Wohnraum-Leerstand ist eine Ursache. Im Prinzip ist die Stadt gut vorbereitet, hat in kurzer Zeit ein stimmiges Konzept aus Integrations- und Hilfsmaßnahmen aufgestellt. Allein, die Kosten übersteigen längst die Möglichkeiten der dauerklammen Kommune. 2013 wurde eine Million an Sondermitteln bereitgestellt. „Das schaffen wir nicht ein zweites Mal“, sagt OB Sören Link (SPD). Duisburg hat sich mit anderen Städten in ähnlicher Situation, darunter Frankfurt, Mannheim und Dortmund, zusammen getan und Alarm geschlagen. Inzwischen gibt es Hilfen der Länder und eine Zusage von Bundesbau­ ministerin Barbara Hendricks (SPD), die Städtebau-Förderung enorm aufzustocken, von 455 auf 700 Millionen Euro. n

Fotos: Stephan Eickershoff/WAZ FotoPool, Jens-Ulrich Koch/dapd

EU-Sozialkommissar Laszlo Andor (m.) zu Besuch bei der Gesellschaft für Beschäftigungsförderung in Duisburg-Hochfeld: mit dabei OB Sören Link (l.) und NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (r.)


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Hilfe aus Eigennutz Euro-Krise Es ist richtig, dass Deutschland Krisenländer mit Hilfskrediten ­unterstützt. Der einstige »kranke Mann« Europas profitiert wirtschaftlich von der Währungsunion und kann sich der Solidarität der EU-Staaten sicher sein

Europa Daten und Fakten

Von Sebastian Dullien

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eit Ausbruch der Euro-Krise ist in Deutschland immer wieder kontrovers diskutiert worden, ob es richtig ist, den Krisenländern finanziell unter die Arme zu greifen. Immer wieder wurde argumentiert, dass man vielleicht lieber zuerst die Infrastruktur zu Hause, die maroden Straßen und Schulen, sanieren solle, bevor man ­M illiarden an Hilfskrediten überweist. Doch so einleuchtend dieses Argument auf den ersten Blick ist, so falsch ist es auch. Zuerst einmal ist die Wahrnehmung falsch, die Hilfskredite seien für Deutschland verlorenes Geld. Die Bundesrepublik hat bislang mitnichten den Krisenländern Geld geschenkt. Die Zahlungsströme Deutschlands an die Rettungsfonds sind vielmehr lediglich als Kredite vergeben worden. Auf Kredite werden Zinsen gezahlt, und Kredite werden zurückgezahlt. Mit Irland hat sich das erste Land aus der Abhängigkeit des Hilfsfond ESM gelöst, und es bestehen derzeit kaum Zweifel, dass das Land die Schulden gegenüber den EUPartnern zurückzahlen wird. Doch selbst, wenn Deutschland am Ende nicht alle Hilfskredite zurück­ erhält, waren diese dennoch richtig. Nicht nur die Idee europäischer Solidarität, sondern auch purer deutscher ­Eigennutz spricht für finanzielle Hilfen an die Partner.

Fotos: dpa/AP Photo/Andres Kudacki, Hendrik Rauch

Keine Einbahnstraße Auch wenn es heute von national-chauvinistischen Kräften gern anders dargestellt wird: Europäische Solidarität ist keine Einbahnstraße. Solidarität bedeutet, dass die Partner einander in schwerer Krise helfen. Hilfen heute für Spanien oder Irland bedeuten auch, dass Deutschland selbst Hilfe erwarten kann, wenn es einmal eine tiefe Krise durchlebt. Dies mag schneller kommen, als viele heute annehmen. Nicht einmal ein Jahrzehnt ist es her, als Deutschland der „kranke Mann“ Europas war, mit mauem Wachstum und Rekorddefiziten. Eine Immobilienblase in Deutschland könnte unser Land innerhalb weniger Jahre dorthin bringen, wo Spanien heute steht. Europäische Solidarität ist da vonnöten, wo sich Länder aus eigener Kraft nicht mehr aus einer dramatischen Lage

EU-Mitglieds­l änder nach ­B eitrittsjahren Die Mitglieder des EUParlaments werden für jeden Mitgliedstaat getrennt gewählt. Das bedeutet: Der deutsche Wähler entscheidet ausschließlich über die Verteilung der 96 deutschen Mandate im EU-Parlament auf die in Deutschland antretenden Parteien. Auch das Wahlsystem wird national bestimmt. Das heißt, für bestimmte Sperrklauseln, das Wahlalter oder auch den Wahltag gilt nationales Recht. in Klammern die Sitze im EU-Parlament pro Land nach der Wahl 2014 1952 Belgien (21) Deutschland (96) Frankreich (74) Italien (73) Luxemburg (6) Niederlande (26) 1973 Dänemark (13) Irland (11) Großbritannien (73) Alltag für Millionen Spanier: Warten in der Schlange vor dem Arbeitsamt, wie hier in Madrid.

befreien können. Was anderes soll das sein, als wenn die Finanzmärkte plötzlich einem Land den Zugang zu Krediten abschneiden oder eine Finanzkrise das Bankensystem an den Rand des Zusammenbruchs bringt? Doch auch jenseits des Solidaritäts­ arguments muss Deutschland ein zentrales Interesse daran haben, mit Hilfskrediten die Krisenländer zu stützen. Die EU macht immer noch fast 60 Prozent des deutschen Exportmarktes aus, die EuroZone zwei Drittel davon. Damit verdient die deutsche Wirtschaft viel Geld. Und ohne die europäische Integration und die Währungsunion hätte Deutschland heute kaum jene global führenden Industrien, die es stark machen. Nur dank des Wegfalls von Wechselkursrisiken konnte der heutige Grad an Handelsintegration in Europa erreicht werden. Die deutschen Firmen profitieren doppelt: Zum einen haben Sie Zulieferketten über den Kontinent gespannt, die es ihnen erlauben,

höchst wettbewerbsfähig zu produzieren. Zum anderen hat die EU ihnen einen großen Heimatmarkt beschert, auf dem sie ihre neuen Innovationen testen können. Ohne die EU etwa hätte Deutschland wohl kaum eine Autoindustrie der Weltklasse hervorbringen können, weil der heimische Markt mit gerade einmal 80 Millionen Einwohnern viel zu klein wäre. Das alles darf nicht heißen, dass Deutschland bedingungslos die Taschen öffnen und ohne Grenzen Geschenke an die Krisenländer verteilen sollte. Doch ein kategorisches Nein zur Unterstützung wäre falsch – für Europa, aber auch für Deutschland selbst. n Sebastian Dullien ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin und Senior Policy Fellow am European Council for Foreign Relations.

1981 Griechenland (21) 1986 Portugal (21) Spanien (54) 1995 Finnland (13) Schweden (20) Österreich (18) 2004 Estland (6) Lettland (8) Litauen (11) Malta (6) Polen (51) Slowakei (13) Slowenien (8) Tschechien (21) Ungarn (21) Zypern (6) 2007 Bulgarien (17) Rumänien (32) 2013 Kroatien (11)


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aufgaben helfen. Kümmern heißt auch, einmal die Woche ein Gespräch mit dem Jugendlichen führen – Aug in Aug, in der Kammer oder im Betrieb, damit aus kleinen Missverständnissen gar nicht erst grundsätzliche Konflikte entstehen. Wie schnell das geschehen kann, zeigt das Beispiel Sprachkurse. „Plötzlich hieß es, da geh ich nicht mehr hin“, erzählt Patschull. Die Begründung lautete: „Ist doof da.“ Frau Patschull und die für die Betreuung der Spanier zuständige Kollegin bohrten nach und fanden heraus: „Doof“ waren die Rollenspiele im Unterricht, mit denen die Lehrerin ihre Schüler zum Reden bringen wollte. Die an Frontalunterricht gewöhnten ­Spanier empfanden das als Kinderkram und fühlten sich nicht ernst genommen. Sie wollten eine „strenge Lehrerin“ und „schwierige Grammatik“, ein Wunsch, der sich leicht erfüllen ließ.

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europa beginnt im Handwerk zuwanderung In Spanien arbeitslos, in Lübeck Auszubildender – das ist eine große Chance, aber auch ein schwieriger Weg. Vor allem, wenn man erst einmal Deutsch lernen muss Von Susanne Dohrn

Alle Azubis sind noch da Monika Patschull, die Abteilungsleiterin Internationale Projekte der Handwerkskammer Lübeck, zählt auf: Einer ging zurück, weil der Vater schwer erkrankte. Einer hatte zuviel Unsinn im Kopf und erhielt nach dem Praktikum keinen Ausbildungsplatz. Zwei kehrten aus Heimweh zurück, aber einer davon kommt im Sommer wieder. Sie fügt hinzu: „Von den 18, die im August ihre Ausbildung begonnen haben, sind alle noch da.“ Trotz Heimweh, Kälte, Dunkelheit und Verständigungsschwierigkeiten. „Von selbst kommt das nicht“, fügt Patschull hinzu und nennt auch gleich das Zauberwort: „begöschen“. Das ist Niederdeutsch und bedeutet sich kümmern, trösten, beruhigen. Trösten, wenn das Heimweh nagt. Beruhigen, wenn sich die Angst breit macht, die Erwartungen in Betrieb und Berufsschule nicht zu erfüllen. Kümmern, wenn es um Behördengänge geht oder darum, Paten zu organisieren, die bei den Haus-

1 | Francisco Franco García (20) aus Murcia in Spanien 2 | Monika Patschull von der Handwerkskammer Lübeck betreut die Spanier. 3 | Joachim Sauerbier (63) und Francisco Franco García vor der Seebrücke in Niendorf

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Extraklassen für die Spanier Schwieriger war es beim Thema Berufsschule, weil die Deutschkenntnisse der Spanier nicht reichten, um dem Unterricht zu folgen. Kurzerhand wurden für die Elektriker und Anlagenbauer Spanisch sprechende Klassen eingerichtet. Die Köche haben eine Lehrerin, die ihre Aufgaben im Vorfeld übersetzt und hinterher mit den Auszubildenden aufarbeitet. Ab dem zweiten Lehrjahr müssen die Spanier jedoch genug Deutsch können, um den normalen Unterricht zu besuchen. Deshalb haben sie auch weiterhin Deutschunterricht: mittwochs abends zwei Stunden nach der Arbeit und samstags von 9 bis 12 Uhr. Für die jungen Leute ist das hart. „Immer hören, hören“, stöhnt Francisco. „Verben konjugieren, Sätze machen.“ Am schlimmsten sei das Schreiben. So schwierig habe er sich das nicht vorgestellt. „Ich bin immer wieder begeistert von Leuten, die was wollen“, sagt Marcus Groß, Franciscos Chef. Der Geschäftsführer des Elektrounternehmens ist überzeugt: „Wer es auf sich nimmt und nach Deutschland kommt, um hier eine Ausbildung zu absolvieren, ist ein klasse Mann.“ Francisco sei jemand, „der ehrgeizig ist und Willen zeigt“. Er hoffe, dass Francisco bleibt und er ihn als Gesellen übernehmen kann. Das deckt sich mit Franciscos Zukunftsplänen. Fünf, 10, 15 Jahre will er in Deutschland bleiben, sagt er. Und Spanien? „Später“, sagt Francisco. Im Juni dieses Jahres kommt übrigens eine zweite Gruppe aus Murcia, die in Lübeck eine Ausbildung beginnen will. Die meisten Betriebe machen wieder mit, sagt Monika Patschull. Auch Marcus Groß kann sich das vorstellen, nicht nur weil er Auszubildende braucht. „Ich bin Europäer“, sagt er mit Nachdruck. n

Fotos: Dirk Bleicker

wei Männer, zweimal Europa: Der eine, ein eher wortkarger Schleswig-Holsteiner: Joachim Sauerbier, 63 Jahre alt und 47 Jahre im gleichen Betrieb. Der andere, klein, kompakt, munter, 20 Jahre alt: Francisco Franco García, Spanier. Vor neun Monaten ist er aus Murcia nach Lübeck gekommen, um eine Ausbildung als Elektriker zu beginnen. Nun ziehen sie gemeinsam auf der neuen Seebrücke in Niendorf an der Ostsee Kabel für die Handlaufbeleuchtung ein. Sauerbier hat als Geselle schon Generationen von jungen Leuten das Elektrohandwerk beigebracht, aber noch nie jemandem aus Spanien. „Ich musste mich erstmal dran gewöhnen, weil Francisco kaum Deutsch sprechen konnte“, sagt er. Zuerst hätten sie sich mit Händen und Füßen verständigt, inzwischen könnten sie sich schon ein bisschen unterhalten, sagt er und fügt hinzu: „Wir sind sehr zufrieden mit ihm.“ Francisco strahlt. Das Lob hat er verstanden. Als er im Juni 2013 mit 22 anderen Spaniern nach Lübeck kam, um in der Stadt eine Ausbildung zu beginnen, verstand er ein bisschen etwas von Elektrik, aber null Deutsch. „Ich wollte arbeiten. In Spanien ist das Problem: keine Arbeit“, sagt er. Moin España, das Programm der Handwerkskammer Lübeck, ist für ihn und die anderen die Chance, ihrem Leben doch noch eine Perspektive zu geben. Gleichzeitig ermöglicht Moin España Lübecker Handwerksbetrieben, freie Ausbildungsplätze zu besetzen. Im Sommer 2013 hat der „vorwärts“ darüber berichtet. Jetzt waren wir wieder da, um zu hören was aus den 22 jungen Spaniern geworden ist, die damals hoffnungsvoll in Lübeck eingetroffen waren.


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03/2014 vorwärts

schöne worte werden nicht mehr reichen Jugend Die EU muss verlorenes Vertrauen bei jungen Menschen zurückgewinnen – indem sie Arbeitslosigkeit und Armut wirksam bekämpft Von Frank-Walter Steinmeier, Bundesaußenminister

Lebensbedingungen junger Menschen eingehen und Antworten auf ihre Fragen liefern. Wir brauchen deshalb ein Europa, das Verstand und Herz anspricht. Den Verstand spricht die Europäische Union an, wenn sie in der Lage ist, die Herausforderungen für unsere Zukunft zu meistern und Antworten auf die drängenden Probleme unseres Kontinents zu finden. Konkret bedeutet dies derzeit vor allem, dass europäische Politik solidarische Lösungen zur Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit und Jugendarmut finden muss. Wie sollen junge Menschen ihre Zukunft in Europa sehen, wenn dieses Europa gleichzeitig zulässt, dass in manchen Mitgliedstaaten jeder zweite Jugendliche keinen Arbeitsplatz findet? Eine „verlorene Generation“, wie sie manche bereits ausgerufen haben, kann sich Europa nicht leisten!

Nationalistische Verführung

Zuhause in Europa: angehende Studenten der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) am Willkommenstag der Uni

Foto: dpa/Patrick Pleul

K

aum zu glauben: Im August 1914 brach vielerorts Begeisterung aus als die Nachricht vom aufziehenden Krieg die Runde machte. Viele junge Menschen, die im damaligen Deutschen Reich noch nie einen Krieg erlebt hatten, zogen mit glühendem Eifer an die Front. Von der nahenden Tragödie mit 17 Millionen Toten ahnten sie noch nichts. Heute, hundert Jahre später, sind die ­Europäer in der EU bereits zum achten Mal aufgerufen, Ende Mai ein Europäisches Parlament zu wählen. Kann man sich auf demselben Kontinent einen größeren Gegensatz vorstellen als zwischen dem Aufbruch in die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ und der Wahl zu einer gemeinsamen Volksvertretung? Europa hat einen beeindruckenden Weg zurückgelegt. Schon seit 70 Jahren leben wir in Frieden und Wohlstand. Binnenmarkt und Währungsunion haben zusammen mit Freizügigkeit und Reisefreiheit zu einer Verflechtung unserer Volkswirtschaften und Kulturen geführt, die in der europäischen Geschichte ohne Beispiel ist. Wer heute seine Lehre abschließt oder das Abitur macht, hat die europäische Teilung durch den Eisernen

Vorhang schon nicht mehr miterlebt. Zu unserem großen Glück ist ein Krieg zwischen den Ländern der Europäischen Union unvorstellbar geworden.

europa

Problemlöser oder -verursacher? Trotzdem: Wir müssen uns davor hüten, dies alles als Selbstverständlichkeit zu nehmen. Seien wir ehrlich: Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat zu einem immensen Vertrauensverlust in das Projekt der europäischen Einigung geführt. Das Aufkeimen vieler europaskeptischer und nationalistischer Parteien in ganz Europa spricht eine deutliche Sprache. Wenn aber junge Menschen die Europäische Union nicht als Problemlöser, sondern als Problemverursacher wahrnehmen, werden die Erfolge der Vergangenheit nicht ausreichen, um auch die jüngere Generation vom Wert Europas für ihre eigene Zukunft zu überzeugen. Damit dürfen wir uns nicht abfinden! Wir alle müssen hart daran arbeiten, verlorenes Vertrauen in unser gemeinsames europäisches Projekt zurückzugewinnen. Dabei werden schöne Worte nicht reichen. Die Europäische Union muss auf die Bedürfnisse und

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Die EU muss auf die Lebensbedingungen und Bedürfnisse junger Menschen eingehen und Antworten auf ihre Fragen liefern.

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Frank-Walter Steinmeier

Aber Europa muss auch unsere Herzensangelegenheit sein. Nur so wird es junge Menschen wirklich erreichen. Das Gefühl des inneren Zusammenhalts in unseren Gesellschaften und zwischen den Ländern Europas sollte genauso im Mittelpunkt unseres europäischen Projekts stehen wie das Gefühl, in einer Gemeinschaft der Werte und der Lebensverhältnisse in Europa zusammenzugehören. Das gelingt immer dann am besten, wenn sich Menschen, ganz gleich ob jung oder alt, in Europa begegnen. Wer in einer Wohngemeinschaft zusammen mit Italienern, Dänen oder Polen gelebt, einen Schüleraustausch in Großbritannien oder ein Praktikum in einem französischen Unternehmen gemacht hat, wird vielleicht nicht ­ automatisch zum glühenden Europäer. Er wird aber begreifen, welches Potenzial im Austausch über die Grenzen steckt und wie viel Freude dieser machen kann. Vor allem aber wird er jenen, die Nationalismus und Abschottung das Wort reden, nicht mehr so leicht auf den Leim gehen. Ich glaube nicht an die vielbeschworene Politikverdrossenheit unserer Jugend. Junge Menschen sind nicht verdrossen und sie begnügen sich nicht damit, sich auf den Erfolgen ihrer Mütter und Väter auszuruhen. Im Gegenteil: Sie wollen mitreden und ihre Zukunft selbst gestalten. Wenn eine bürgernahe und demokratische EU ihnen die Möglichkeit dazu gibt, dann werden sie diese auch nutzen. Und dann muss uns auch nicht bange sein um ein dynamisches und lebendiges Europa. Der Glaube junger Menschen an ihre eigenen Zukunftschancen in einem geeinten Europa ist vielleicht der beste Garant dafür, dass die Europäische Union auch morgen noch für eine Zukunft in Frieden und Wohlstand auf unserem Kontinent steht. n


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Weiter gefestigt Progressive Alliance In Tunis fand die dritte Konferenz des globalen Netzwerks statt Global gedacht Von Rafael Seligmann

Vertreterin der SPD: Die frühere Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wiecorek-Zeul reiste nach Tunis.

Gut informiert Gute Noten für das Mitgliedervotum der SPD: Mehr als 90 Prozent der Genossen halten es für eine sehr gute Idee, dass sie über den Eintritt in die große Koalition entscheiden konnten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Befragung des Instituts für Demokratieforschung. Das deutliche Ja sei eher auf tatktische Erwägungen als auf tiefe Überzeugung zurückzuführen. Und: Die Informationspolitik der Parteiführung wird von den meisten positiv bewertet. Fast drei Viertel gaben an, sich über den „vorwärts“ ihre Meinung zum Koalitionsvertrag gebildet zu haben. n JO

uns manches erspart geblieben“, sagte Sigmar Gabriel später. Nach seinem Rückzug aus der aktiven Politik 2012 ist Beck seit 2013 Vorsitzender der FriedrichEbert-Stiftung, die zu seinem Geburtstag eine Festschrift veröffentlicht hat. n KD Becks Karriere in Bildern: vorwaerts.de/115366

Der Arzt von Aleppo

Klaus Immer ehem. MdB zum 90. Geburtstag Jutta Limbach Senatorin in Berlin a.D. Franz-Josef Mertens ehem. MdB zum 80. Geburtstag

Die Studie unter demokratie-goettingen.de

König Kurt feierte 65. Verlässlich, aufrecht und volksnah – so charakterisierte SPD-Chef Sigmar ­Gabriel seinen Vor-Vorgänger Kurt Beck zu dessen 65. Geburtstag am 5. Februar. Seit 1972 ist Kurt Beck Partei-Mitglied. Von 1993 bis 2012 war er SPD-Vorsitzender in Rheinland-Pfalz, von 1994 bis 2013 Ministerpräsident. Wegen seiner Popularität wurde Beck von vielen „König Kurt“ genannt. Nicht gleichermaßen erfolgreich verlief Becks Ausflug in die Bundespolitik: Den SPD-Vorsitz gab er nach gut zwei Jahren im September 2008 auf, „nach gezielten Indeskritionen aus der Partei“, so Beck damals. „Hätten wir damals schon auf ihn gehört, wäre

Herzlichen Glückwunsch

Im Februar sind die Friedensverhandlungen zwischen syrischer Regierung und Opposition gescheitert. Nun droht die zweitgrößte Stadt des Landes Aleppo (Foto) in Schutt und Asche zu versinken. Präsident Assad müsse auf niemanden mehr Rücksicht nehmen, mutmaßt Ammar Zakaria. Er leistet als Arzt in Aleppo Übermenschliches, um das Leid der Bevölkerung zumindest etwas zu lindern. Jörg Armbruster hat ihn getroffen und fürchtet: In Syrien haben sich Assad und Al Kaida verbündet. n KD Zum Artikel: vorwaerts.de/terror_in_syrien

Manfred Dammeyer ehem. Europaminister in NRW Dieter Maaß ehem. MdB Hartmut Soell ehem. MdB Martin Pfaff ehem. MdB zum 75. Geburtstag Dieter Döhla ehem. OB in Hof Uwe Holtz ehem. MdB Klaus Lennartz ehem. MdB Christine Wischer Senatorin in Bremen a.D. zum 70. Geburtstag Helga Fahrenbach St. Ottilien/Eschenstruth zum 60. Parteijubiläum

Fotos: DPA/ Anadolu Agency/Ahmed Hasan Ubeyd, Progressive Alliance

Die USA haben Deutschland entscheidend auf dem Weg in die Demokratie, die Freiheit, den Wohlstand und die staatliche Einheit geholfen. Dies geschah unter anderem durch den Sieg über die Nazis, den Marshall-Plan, die Unterstützung der Wiedervereinigung. Doch vergan­ gene Verdienste sind keine Gewähr für fortlaufendes Wohlverhalten. Präsident Barack Obama wollte a lles besser machen als sein Vor­ gänger George W. Bush. Im Kampf gegen die Erderwärmung sollten die USA führend sein. Die Landkriege in ­Asien sollten beendet werden. Vor allem aber wollte Washington ein fairer Partner in der Weltpolitik sein. Die Perspektive einer trans­ atlantischen Partnerschaft für Handel und Wirtschaft wurden von der US-Administration gepriesen. Doch die hohen Erwartungen wurden enttäuscht. Die Vereinigten Staaten betreiben weiterhin eine egoistische Umweltpolitik. In ­ A fghanistan und Irak brauen sich trotz des Abzugs der US-Truppen und ihrer Verbündeten, unter i hnen Deutschland, Bürgerkriege ­ zusammen. Vor allem aber werden Deutschland und die EU-Staaten Kontinentaleuropas nicht als gleichberechtigte Partner behandelt. Auch nach der Aufdeckung der raumgreifenden Spionagetätigkeit durch die NSA und andere Dienste gegen deutsche Bürger, Unternehmen, Politiker hört das Abhören nicht auf. Statt einer Entschuldigung wird ungehindert weiter spioniert. Die Bundeskanzlerin wird nun in Ruhe gelassen, so heißt es. Umso heftiger werden die übrigen Regierungsmitglieder und wohl auch deutsche Unternehmen abgehört. Berlin will Washington nicht vorführen. Doch der amerikanischen Regierung muss freundlich, aber bestimmt deutlich gemacht werden, dass mit der Spionage unter Verbündeten Schluss sein muss. Nur so kann Vertrauen entstehen, das die Grundlage jeder Partnerschaft ist. Auch der transatlantischen – von der beide Seiten profitieren würden, falls sie einander trauen können. n

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er Ort war kein Zufall. Am 21. und 22. Februar kam die „Progressive Alliance“, das internationale Netzwerk von rund 100 sozialdemokratischen und progressiven Parteien, in Tunis zu ihrer dritten Konferenz zusammen. In Tunesien hatte vor drei Jahren der „Arabische Frühling“ begonnen. Die „Progressive Alliance“ hat sich in Tunis weiter gefestigt. So gibt es nun einen Vorstand bestehend aus 25 Parteien – darunter auch der SPD. Auch ein Arbeitsprogramm bis Frühjahr 2015 haben sich die Vertreter der mehr als 60 in Tunis anwesenden Parteien gegeben. Im Mittelpunkt stehen soziale Sicherheit als Menschenrecht und eine Stabilisierung der Verhältnisse in der arabischen Welt. Für die SPD war die frühere ­Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul nach Tunis gereist. Die „Progressive Alliance“ war im Mai vergangenen Jahres auf Betreiben von SPD-Chef Sigmar Gabriel gegründet worden. Die sozialdemokratischen Parteien reagier­ten damit auf den fehlenden Reformwillen bei der Sozialistischen Internationale. n KD


In Kürze 15

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Schröder wusste es Es ist das erste Buch nach seinen Memoiren. Am 14. Februar hat Gerhard Schröder seinen Band „Klare Worte“ in Berlin vorgestellt. Er spricht darin mit dem Journalisten Georg Meck über die große Koalition, Wladimir Putin und die Agenda 2010. „Wir haben den Menschen damals eine Menge zugemutet“, räumte Schröder ein. Martin Schulz lobte den Altkanzler bei der Buchvorstellung: „Er war nie ein naiver Europäer.“ Vieles, was zur Krise führte, habe Schröder vorhergesehen. n KD Wir verlosen drei signierte Exemplare des Buches „Klare Worte“. Unter dem Stichwort „Schröder“ E-Mail an redaktion@vorwaerts.de

Macht-Worte Wie wird durch Sprache Macht aus­ geübt? Wie können politische Diskurse verstanden und geführt werden? Diesen Fragen widmet sich das Buch „Sprache. Macht. Denken.“ Das „Denkwerk D ­ emokratie“ hat es aufgelegt, um „politisch Aktiven und Interessierten Rüstzeug an die Hand zu geben“, wie Geschäftsführer Benjamin Mikfeld betont. Zu Wort kommen in dem Band politische Praktiker, Politikberater und Wissenschaftler. Am 3. März wurde das Buch mit SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi in Berlin vorgestellt. n KD

Unser Europa

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Sein Handeln ist unvereinbar mit der ­ Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag und passt nicht zur SPD.

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Sigmar Gabriel

SPD-Vorsitzender, über ­Sebastian Edathy, der ­verdächtigt wird, Fotos von unbekleideten Kindern ­erworben zu haben

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Bis an die Grenze Bayerns ja. Jenseits bin ich nicht sicher.

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Gerhard Schröder, Altkanzler, auf die Frage, ob jemals eine Stromtrasse aus Nord- nach Süddeutschland verlaufen wird

Am 16.März wählt München einen neuen Oberbürgermeister. Erwartet wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Ihnen und dem CSU-Kandidaten. Bleibt München rot? Ich werde alles dafür tun, dass München auch künftig so­ zialdemokratisch regiert wird. München ist ­ eine wunderbare Stadt, wirtschaftlich stark, weltoffen, tolerant und sozial. Das wird auch so bleiben, da bin ich zuversichtlich. Ein roter Oberbürgermeister und eine rote Stadtratsmehrheit sind unser Ziel. Warum sollten die Münchner das ändern? Sie haben in den letzten Jahren beste Erfahrung damit gemacht. Sie treten mit dem Slogan „Damit München München bleibt“ an. Was macht die Stadt aus? Die Verbindung zwischen Moderne und Tradition gelingt in München besonders gut. Der soziale Friede, die Wirtschaftskraft, die Toleranz der Münchner. Unsere Bildungseinrichtungen, die besser ausgestattet sind, als die Schulen im Freistaat. Ja, und die kulturelle Vielfalt. Die Liste der Superlative könnte beliebig fortgesetzt werden. Unser Oktoberfest und un-

Drei Fragen an

Dieter Reiter

Schweizer Warnung Wenn Europa weiter als Projekt von und für Eliten wahrgenommen wird, bekommt es große Probleme Von Peter Riesbeck

Fotos: Konrad Fersterer, Berliner Zeitung/Mike Froehling

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ie Schweiz hat entschieden. Das Land will den Zuzug von EU-Bürgern begrenzen. Die italienische Servicekraft im Tessiner Hotel und der deutsche Arzt in der Berner ­K linik müssen künftig draußen bleiben. Das ist nicht das Einzige, was Europa beunruhigt. Die Freizügigkeit von Arbeitnehmern ist ein ehernes Grundprinzip der EU. Deshalb muss Europa dies verteidigen. Vorsichtig wird jetzt versucht, die Lage zu sondieren. Die Schweiz will ein Abkommen mit dem EU-Neumitglied Kroatien erst gar nicht unterzeichnen, die EU schließt im Gegenzug die Schweiz vom Studierendenaustauschprogramm Erasmus aus. Geben und Nehmen, ein Grundprinzip der Diplomatie. Schade nur, dass es mit den Studierenden gerade die Jungen und Schwächeren der Gesellschaft trifft.

Das Abkommen über die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist Teil eines großen Vertragspaketes. Darin ist nicht nur der freie Zuzug von EU-Bürgern geregelt, sondern auch der Lkw-Transport durch die Schweizer Alpen. Fällt eine dieser Regelungen, kippt das ganze Paket. Doch ist das nur das technische Problem, das bis 2017 zu lösen ist. Bis dahin muss die Schweizer Regierung das Ergebnis des Votums umsetzen. Wichtiger ist die symbolische Bedeutung, die hinter der Volksabstimmung steht. Die Schweiz ist zwar kein M itglied der Europäischen Union, ­ erstmals aber hat ein mit der EU eng verbundenes Land einen wichtigen europäischen Vertrag aufgekündigt. ­ Europa ist nicht mehr selbstverständlich, Verträge sind nicht mehr unantastbar. Das entfaltet eine kräftige

sere Fußballmannschaften gehören auch dazu. Die Münchner sind zu Recht stolz auf ihre Stadt. Wir werden das enorme Wachstum und den Zuzug sozialdemokratisch gestalten, damit München so bleiben kann wie es ist. Amtsinhaber Christian Ude setzt auf starke Unternehmen im Besitz der Stadt — etwa bei der Versorgung mit Strom und Trinkwasser. Werden Sie daran festhalten? Es zeichnet die Münchner SPD aus, dass wir im Gegensatz zu anderen großen Städten unsere Betriebe nicht privatisiert haben. Dabei bleibt es – versprochen! Übrigens: Wir haben nicht nur die Stadtwerke im Besitz der Münchner behalten, sondern auch die Krankenhäuser und die Pflegeheime, die übrigens eine hervorragende Arbeit machen. Wir leisten uns städtische Schulen und nicht zuletzt befinden sich mehr als 60 000 Wohnungen in städtischem Besitz. Keine Privatisierungen der Daseinsvorsorge heißt unser politisches Geschäftsmodell und wir ­ sind gut damit gefahren. n KD

Peter Riesbeck: Die EU sollte aus dem Schweizer Votum lernen.

Dieter Reiter (55) ist Leiter des Referats für Arbeit und Wirtschaft der Stadt München und Oberbürgermeisterkandidat der SPD.

Wirkung – auch mit Blick auf das Referendum über den Verbleib in der EU in Großbritannien, das in drei Jahren ansteht. Es geht also nicht allein um die Schweiz, sondern auch um Europa. Entscheidend ist, wo Europa die Menschen verloren hat. Die Schweiz schottet sich nicht von armen Flüchtlingen ab, sondern von Managern, Ärzten, Professoren. Den Besserverdienenden. Schon sprechen Sozialforscher von e ­ inem ­neuen Problem: dem Wohlstands-Chauvinismus. Irgendetwas ist passiert auf dem Weg durch die Krise und in die globalisierte Welt. Ein feines Band ist zerrissen, der Erfolg von oben kommt nicht mehr unten an. Das spürt längst auch die Mittelschicht. Es geht in der Schweiz mehr als um Weltabgewandtheit. Der Bewohner auf dem Dorf stellt plötzlich fest, dass sich das eigene Kind das Bauen nicht mehr leisten kann, weil es mit den Eliten aus der EU konkurriert. Dann also lieber Rückzug. Es steckt in dem Schweizer Ergebnis auch eine Warnung: Vor der strikten Durchökonomisierung der Gesellschaft. Und an Europa und seine soziale Agenda. n


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bloss keine emanze sein Feminismus Er hat ein Image-Problem – gilt als altmodisch und ­überholt, gerade unter jungen Frauen. Zu Unrecht, denn Feminismus wird heute immer noch gebraucht Von Julia Korbik

nimmt. Klingt doch toll! Weniger toll sind die folgenden Fakten. So machen Frauen zwar die besseren Abschlüsse, verdienen im B ­ erufsleben aber deutlich weniger als Männer: durchschnittlich 22 Prozent. Deutschland hat außerdem eine im e ­uropäischen Vergleich sehr niedrige Müttererwerbsquote – v ­iele Mütter geben also ihren Job auf, um beim Nachwuchs bleiben zu können. Kind und Karriere? Von wegen. Jeden Tag werden Frauen Opfer sexueller oder körperlicher Gewalt. Frauen wird eingeredet, sie seien zu dick, zu laut, zu fordernd. Frauen erscheinen halbnackt im Fernsehen, in Magazinen und auf Plakatwänden. Frauen sind immer entweder Schlampe oder Opfer.

Kinder und Karriere – Frauen können beides. Was wollen sie denn noch? Sie wollen echte Gleichheit, unabhängig vom Geschlecht.

v

or nicht allzu langer Zeit saß ich in geselliger Runde mit ein paar Leuten zusammen. Es wurde ­gegessen, getrunken und dabei kam das Gespräch irgendwie auf Kinder. Sie wolle, so eine Bekannte, auf jeden Fall Kinder, aber das sei schwierig mit dem Job unter einen Hut zu bekommen. Ob der Vater in spe sich an der Erziehung beteiligen würde sei ja auch nicht garantiert und das ganze System generell eine Katastrophe. Ich nickte die ganze Zeit mit dem Kopf, bis die Bekannte ein „Also, ich bin jetzt aber keine Feministin oder so!“ hinterherschob. Feministin sein, das wollen junge Frauen heute garantiert nicht. Feminismus ist in etwa so angesagt wie Markus Lanz oder Wanderschuhe. Die Alleinschuld daran wird gerne und oft Alice Schwarzer zugeschoben, doch damit macht man es sich zu einfach: Feministinnen waren noch nie angesehene Mitglieder der Gesellschaft. Schon die Suffragetten, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts für das Frauenwahlrecht kämpften, wurden als „Mannweiber“ beschimpft. Feminismus hat also ein Image-Problem und

»

Das größte ­Problem des Feminismus ist, dass er scheinbar nicht mehr gebraucht wird.

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Julia Korbik,

veröffentlicht im Mai ihr Buch „Stand Up – Feminismus für Anfänger und Fortgeschrittene“ (Verlag Rogner&Bernhard)

Interview mit der Juso-Vorsitzenden Johanna Uekermann zum Internationalen Frauentag vorwaerts.de/uekermann

das nicht nur in Deutschland. Lila Latzhosen und hysterisch kreischende, unrasierte „Emanzen“ spuken immer noch in vielen Köpfen herum. Diese Klischees sind aber nicht das größte Problem, das der Feminismus als Bewegung heute hat. Nein, sein größtes Problem ist, dass er scheinbar nicht mehr gebraucht wird. So bezeichnet sich Yahoo-Chefin Marissa Mayer, die ihren Job hochschwanger antrat, nicht als Feministin, weil sie das mit Militanz verbindet und schließlich gäbe es überall auf der Welt „tolle Möglichkeiten für Frauen“.

Entweder Schlampe oder Opfer Viele junge Frauen würden diese Aussage wahrscheinlich direkt unterschreiben. Denn ganz ehrlich, was wollen wir denn noch? Deutschland wird von einer Frau regiert und auch die deutschen Truppen hören neuerdings auf weibliches Kommando. Frauen dürfen wählen, machen die besseren Uni-Abschlüsse und müssen sich nicht mehr zwischen Kind und Karriere entscheiden. Nebenbei können sie noch One-Night-Stands haben, ohne dass jemand daran Anstoß

Nun ist es nicht einmal so, dass junge Frauen diese Tatsachen nicht kennen. Sie finden es sogar ziemlich nervig, wenn ein Eis mal wieder mit einer lüstern l­ eckenden Bikini-Frau beworben wird. Und klar, Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen sind total ungerecht. Aber mit Feminismus hat das Ganze für sie nichts zu tun. Mit ihnen selbst schon gar nicht. Das könnte einerseits daran liegen, dass sie zwar kleine und große Ungleichheiten mitbekommen – aber sie gekonnt ignorieren und denken, es handle sich um Einzelphänomene. Bloß nicht hysterisch werden! Andererseits wissen viele einfach nicht so genau, was Feminismus überhaupt bedeutet. Und wer will sich schon mit etwas identifizieren, das so schwammig wirkt? Dabei ist es ganz einfach: Feminismus ist eine politische Bewegung, die nach gesellschaftlicher Veränderung strebt und sich dabei an den Bedürfnissen von Mädchen und Frauen orientiert. Er möchte Chancengleichheit und das unabhängig vom Geschlecht, von Geschlechternormen und -zuweisungen. Diese Anliegen sind nach wie vor aktuell. Feminismus ist in diesem Sinne auch eine Überlebensstrategie: Er macht uns bewusst, dass etwas in unserer ­Gesellschaft im Argen liegt und nicht Frauen das Problem sind, sondern dass es um etwas Größeres geht. Feminismus zeigt, dass das Private politisch ist. Und geht somit jede(n) etwas an. n

Julia Korbik (geb. 1988) wuchs im ­Ruhrgebiet auf. Sie studierte European Studies und Kommunikationswissenschaft in Deutschland und Frankreich. In Berlin arbeitet sie als Redakteurin für das Debattenmagazin „The European“, wo sie eine feministische Kolumne schreibt.

Fotos: plainpicture/Torff, Lars Mensel

Frauen sind nicht das Problem


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Partei leben! inhalt Grenzenlos Ortsvereine und ihre europäischen Partnerschaften

Kurz & Knapp

Leserfragen an die Generalsekretärin

Fotos: Hendrik Rauch, privat

Yasmin direkt Wie wollen Sie die Mitgliederzahl der SPD wieder erhöhen? Mit dem Mitgliedervotum 2013 haben wir gezeigt, dass es sich lohnt, Mitglied der SPD zu sein. Wir werden deshalb die Möglichkeiten, in der SPD mitzuentscheiden weiter verbessern. Wichtig ist: Wir dürfen unsere Politik nicht von den Rändern her denken, sondern müssen die Bedürfnisse der gesellschaftlichen Mitte aufgreifen. Und: Für Mitgliederwerbung tragen alle Verantwortung. Deshalb sprich deine Nachbarn und Kollegen an! Im Frühjahr werden die Betriebsräte neu gewählt. Warum sollte man sich an den Wahlen beteiligen? Wir brauchen starke und durchsetzungsfähige Betriebsräte. Die Beschäftigten brauchen sie, die Betriebe brauchen sie, die Gesellschaft braucht sie. Ich freue mich, dass sich die betriebliche Mit­ bestimmung auch unter der B ­ elegschaft so großer Beliebtheit erfreut. Gemeinsam wollen wir den Wert der Arbeit bewahren, gerade auch unter den Bedingungen der modernen Arbeitswelt. Daher muss die Mitbestimmung in Zukunft auch ausgebaut werden. Warum läuft ein Parteiordnungs­ verfahren gegen Sebastian Edathy? Der SPD-Parteivorstand hat in Sachen Sebastian Edathy das Ruhen aller Rechte aus der Mitgliedschaft angeordnet. Wir sind der Überzeugung, dass das bereits eingeräumte Verhalten nicht vereinbar ist mit unseren Grundwerten. Die Anordnung gilt nach unserer Satzung gleichzeitig als Antrag auf Durchführung eines Parteiordnungsverfahrens. Die Entscheidung, ob gegen ein Mitglied eine Ordnungsmaßnahme beschlossen wird oder nicht, wird bei uns in der SPD aus guten Gründen in gewählten, unabhängigen Schieds­ kommissionen getroffen. n

Nachrichten aus den Gliederungen

Beteiligend Der Parteivorstand will die Mitglieder mehr einbinden.

Hilfreich Stadträtin Franziska Giffey in Berlin-Neukölln

Erfolgreich Die SPD in Töging regiert mit absoluter Mehrheit.

Geburtsstunde im Willy-Brandt-Haus: Aydan Özoguz mit den Sprechern des Arbeitskreises Muslime Tuba Isik, Selma Yildiz Ilkhan, Mohamed Ibrahim, Lydia Nofal und Atila Ülger (v.l.)

Gut Aufgehoben »Darum Bin ich   in der SPD…«

Arbeitskreis Muslime Seit Februar befasst sich ein neues ­SPD-Gremium mit allem, was die Muslime in Deutschland bewegt Von Kai Doering

E Hasan Alay ist 22 Jahre alt und macht eine Ausbildung zum Fremdsprachenkorrespondenten. Er ist Mitglied im OV München-Untergiesing. Ich bin in die SPD eingetre­ ten, weil sie die doppelte Staatsbürgerschaft ein­ führen will. Meine Eltern sind Gastarbeiter der ers­ ten Generation. Ich wurde in Deutschland geboren. Auch die Kanzlerkandidatur von Peer Steinbrück und das 150-jährige Bestehen der SPD hatten einen ­Einfluss auf meinen Eintritt in die Partei. n Warum seid Ihr gerade jetzt SPD-Mitglied geworden? Schreibt uns an parteileben@vorwaerts.de

s gibt in der SPD einen etwas süffisanten Spruch, der in schwierigen Situationen immer mal wieder benutzt wird. Er lautet: „Wenn du nicht mehr weiter weißt, gründe einen Arbeitskreis.“ Seit Mitte Februar hat die Partei einen Arbeitskreis mehr – doch Verzweiflung war sicher kein Grund, ihn zu gründen. Ganz im Gegenteil. Der „AKMS“, der Arbeitskreis Muslime in der SPD, „will sich dafür einsetzen, dass die SPD als politische Heimat für Muslime wahrgenommen wird und will eine sozialdemokratische Stimme sein, um unseren muslimischen Mitmenschen sozialdemokratische Inhalte und Themen zugänglich zu machen“. So beschrieb ­Aydan Özoguz das Ziel des ­neuen Gremiums. Die SPD-Vizevorsitzende ist ­ so etwas wie dessen Geburtshelferin, betonte aber bei einer Podiumsdiskussion anlässlich der Gründung, dass sich der Arbeitskreis selbst „von unten“ gegründet habe und nicht von der Parteiführung „von oben“ übergestülpt worden sei. Auch die offizielle Anerkennung durch den Parteivorstand steht noch aus. „Wir werden über alles sprechen, was die Muslime in Deutschland betrifft“,

betonte Tuba Isik. Sie ist eine der fünf Sprecherinnen und Sprecher des Arbeitskreises, die für zwei Jahre gewählt wurden. Unterstützt wird sie von Mohamed Ibrahim, Lydia Nofal, Atila Ülger und Selma Yildiz Ilkhan. Alle fünf sind SPDMitglieder, doch der Arbeitskreis steht über die Partei hinaus Interessierten ausdrücklich offen. „Religionsfragen sind in Parteien gut aufgehoben“, sagte Mathias Rohe bei der Gründungsveranstaltung. Der Jurist ist Experte für die rechtliche Stellung des Islams in Deutschland und betonte: ­„Säkularität bedeutet nicht die Trennung von Religion und Politik.“ Die Menschen müssten selbst entscheiden, wieviel Religion sie in ihrem Alltag wollten. Der Arbeitskreis Muslime ist der dritte, der sich mit religiösen Fragen aus­ einandersetzt. Bislang gibt es bereits den Arbeitskreis der Christen in der SPD ­sowie den der jüdischen Sozialdemokraten. „Wir Sozialdemokraten haben ein sehr eigenes Verhältnis zur Religion“, betonte Aydan Özoguz. Und: „Es ist kein Geheimnis, dass alles, was mit Religion zu tun hat, auch in der Partei zu heftigen Diskussionen führt.“ n


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Partei L ebe n !

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zung stimmt, zeigt das Engagement der SPD-AG Euroregion Elbe-Labe in Sachsen. Die AG, die seit 1996 mit tschechischen Sozialdemokraten zusammenarbeitet, ermöglicht mit ihren Spenden Ferienlager für Kinder aus sozial schwachen und Roma-Familien in Tschechien und unterstützt das Roma-Zentrum in Pirnas Partnerstadt Decin, erzählt Klaus Fiedler, Koordinator des Arbeitskreises. „Accord de Partenariat“, „Partnerschaftsvereinbarung“ – mit einer Urkunde auf Deutsch und Französisch haben die SPD in Berlin-Mitte und die Parti Socialiste (PS) des 12. Arrondissements in Paris ihre Freundschaft am 2. November 2007 in Berlin besiegelt. 20 bis 30 Genossinnen und Genossen fahren seitdem Jahr für Jahr in die französische Hauptstadt, etwa gleich viele kommen aus Frankreich nach Berlin. Man besucht Schulen und Kindergärten, studiert Verkehrskonzepte und hilft sich im Wahlkampf. „Das schärft das europäische Bewusstsein“, ist Organisator Peter Schuster überzeugt.

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SCHWEDISCHE WAHLHILFE AUF TÜRKISCH OV und Europa Regelmäßiger Austausch mit Genossinnen und Genossen aus den Nachbarländern zahlt sich im Wahlkampf aus Von Susanne Dohrn

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uropa – das ist selbstverständlich, seit die Grenzen offen sind und mit Euros bezahlt wird. Früher war das anders. 1953 fuhr Günter Bitterberg zum ersten Mal nach England. Ein Pastor in der Nähe von Bolton hatte junge Leute aus Deutschland eingeladen. Das Ziel: Versöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg. Als SPD-Vorsitzender in Paderborn startete Bitterberg selbst einen Austausch. Seit 1976 treffen sich deutsche und englische Genossen abwechselnd in Bolton und in Paderborn. Inzwischen haben Jüngere den Stab übernommen. „Weil man sich so lange kennt, ist das Programm halb politisch, halb touristisch“, erklärt Ulrich Koch, Schriftführer im OV, der heute den A ­ ustausch organisiert. Helfen solche Kontakte bei der Mobilisierung für

die Europawahl? Koch überlegt. „Beim Erzählen im Freundes- und Bekanntenkreis nützt es mit Sicherheit“, sagt er.

Ferienlager für Roma-Kinder „Mladí sociální demokraté“ heißen die Jungsozialisten in Tschechien, mit denen sich die sächsischen Jusos seit zwei Jahren austauschen, z.B. über das Thema Energie. „Wir Jusos wollen 100 Prozent Erneuerbare und keine Atomkraft, die tschechischen Jusos sind auch für Erneuerbare, aber mit Atomkraft als Übergang“, sagt Benjamin Göhler, Sprecher des Arbeitskreises Europa der Jusos Sachsen. Einigen konnten sie sich nicht, aber sie haben jetzt mehr Verständnis füreinander, so Göhler. Er hofft, dass internationale Kontakte das Engagement für Europa fördern. Dass diese Einschät-

1 | Genossen der SPD Berlin Mitte zu­sammen mit ­französischen Genossen am PS-Info-Stand beim Kommunalwahlkampf 2008 in Paris. 2 | Ferienlager mit RomaKindern in Stara Oleska, das die SPD-Region Elbe-Labe unterstützt. 3 | Genossen aus Malmö und Kiel diskutieren über ­Migrationspolitik. 4 | Barbara Geilich aus ­Münster macht in Lille Wahlkampf für ­François Hollande. 5 | Paderborner Genossen zu Besuch in Bolton.

„Durch die internationale Zusammenarbeit bekommt man ein Gefühl dafür, dass Europa ganz konkret mit Menschen zu tun hat“, bestätigt Jürgen Weber, Landtagsabgeordneter und SPD-Chef in Kiel. Seit 2013 kooperieren die Kieler Genossen mit der „Sveriges socialdemokratiska arbetareparti“ in Malmö. Im Bundestagswahlkampf reisten 13 Genossen aus Malmö nach Kiel. In lebhafter Erinnerung ist Weber die Wahlkampfhilfe der Schweden auf einem Kieler Wochenmarkt. Einige der Schweden sprachen Türkisch und diskutierten mit türkischen Standinhabern und Kunden. Im Herbst, vor den Reichstags- und Kommunalwahlen in Schweden, wollen die Kieler Genossen sich in Malmö für die Wahlkampfhilfe revanchieren. „Europa beginnt vor unserer Haustür und spielt sich in unseren Familien ab. Deshalb ist es wichtig, dass Europapolitik auch vor Ort formuliert, diskutiert und beeinflusst wird“, sagt Andrea Arcais. Der Münsteraner mit italienischen Wurzeln ist die ­treibende Kraft hinter der „Initiative Europa Sozial&Demokratisch“ in seiner Stadt. Das Ziel: „Die Türen und Fenster auch für Nicht-Mitglieder weit öffnen.“ Die Initiative organisiert Feste, politische Diskussionen, Kulturveranstaltungen, kooperiert mit Genossen in den Niederlanden und Frankreich. Die SPD Münster und die PS Lille haben sogar gemeinsam einen Flyer zur Finanztransaktionssteuer verfasst. „Im Wahlkampf hilft das total“, sagt Arcais. „Wir lagen bei der letzten Europawahl etwas über dem Bundestrend und hoffen, dass wir dieses Mal ordentlich zulegen können.“ n

Fotos: SPD Berlin, SPD Elbe-Labe, SPD Kiel, SPD Münster, SPD Paderborn

Über dem Trend


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Konferenz

Edathy vor Partei-ausschluss?

Spuren hinterlassen

100 Jahre Jusos „Oh bella, ciao! bella, ciao! bella, ciao, ciao, ciao!“ hallte es am 3. Februar durch die alte Kongresshalle in München. Mit dem italienischen Partisanenlied brachten sich die Jusos aus der bayerischen Landeshauptstadt selbst ein Ständchen zum ihrem 100. Gründungsjubiläum – auf der Gitarre begleitet von OB-Kandidat Dieter Reiter (2.v.r.). 250 Gäste aus dem eigenen Verband, der SPD München, der Stadtgesellschaft und befreundeten Jugendorganisationen nahmen teil. Cornelius Müller, der Vorsitzende der Jusos München, zeigte sich stolz über die politische Arbeit seines Verbands und bedankte sich für die Anerkennung, die diesem auch hundert Jahre, nachdem Felix Fechenbach ihn gegründet hatte, entgegengebracht wird. n JO

Fotos: Jusos München, dpa/Fritz Fischer, Dirk Bleicker

D

ie SPD regiert selbstbewusst. Die SPD denkt strategisch weiter. Die SPD will eine Modernisierung ihrer eigenen Strukturen vornehmen.“ Mit diesem „Dreiklang“ geht die Partei ins Jahr 2014. So beschrieb es Generalsekretärin Yasmin Fahimi nach der SPD-Klausurtagung am 2. und 3. Februar in Potsdam. Zwei Tage lang diskutierten der Parteivorstand und die Vertreter der ­ Landesverbände über die Ergebnisse der vergangenen zwei Bundestagswahlen sowie über kommende Herausforderungen. Der Philosoph Jürgen Habermas schaute vorbei, um darüber zu sprechen, wie sich die Europäische Union in den kommenden Jahren weiterentwickeln soll. Habermas‘ Besuch sei eine „große Ehre“ , betonte der SPD-Vorsitzende ­Sigmar Gabriel. Während der zweitägigen Klausur verabschiedete der Parteivorstand auch sein Arbeitsprogramm für 2014. „Wir leben zunehmend in einer gespaltenen Demokratie“, was auch eine sinkende Wahlbeteiligung zur Folge habe, nannte Yasmin Fahimi eine der Erkenntnisse des Treffens und kündigte an: „Wir ­wollen dieser Entwicklung mit eigenen Modernisierungsprojekten begegnen.“ So will die SPD die so genannte Nachbarschaftskampagne fortsetzen, die mit den Tür-zu-Tür-Aktionen im Bundestagswahlkampf bereits erfolgreich war.

Die SPD trauert um den am 10. Februar in Hamburg im Alter von 86 Jahren verstorbenen früheren Bundestagsabgeordneten Claus Arndt, einen ihrer führenden Rechtsexperten. Er wirkte an zahlreichen politischen Vorhaben wie der Notstandsverfassung, den Ostverträgen und dem Transsexuellengesetz entscheidend mit und war langjähriges Mitglied der G10-Kommission und der SPD-Bundesschiedskommission. Den Rechten von Minderheiten und Verfolgten galt auch außerhalb des Parlaments sein Einsatz, schon 1962 als Mitbegründer der deutschen Sektion von amnesty international. Claus Arndt hat wahrlich „Spuren in der Zeit“ – so der Titel seiner 1991 erschienenen Erinnerungen – Der Parlamentarier: Claus Arndt 1974 hinterlassen. n

Kommunen in der Energiewende Am 28. und 29. März lädt die Bundes-SGK zur Fachkonferenz „Kommunen in der Energiewende“ nach Bonn ein. Mit dieser ­Veranstaltung will sie eine Diskussions­plattform über wichtige aktuelle Fragen der Energiepolitik bieten und versuchen aufzuzeigen, mit welchen Mitteln sich die Energie­wende in der Kommunal­politik befördern lässt. Zentrale T ­ hemen der Fachkonferenz sind u.a.: Gestaltung der Energie­ märkte, Rolle der Stadtwerke und Bürger­beteiligung in der Energiewende. n Weitere Informationen: bundes-sgk.de/ FK_Energiewende

Ein Nachruf unter vorwaerts.de/116120

Der Dreiklang von Potsdam

Klausurtagung Die SPD geht selbstbewusst ins neue Jahr und will Beteiligungsmöglichkeiten ausbauen Von Kai Doering

Von seinem Bundestagsmandat ist er bereits zurückgetreten. Nun droht Sebastian Edathy auch der Ausschluss aus der SPD. Der Parteivorstand hat am 17. Februar das Ruhen aller Rechte aus der Mitgliedschaft angeordnet. „Dieser Beschluss gilt gleichzeitig als Antrag auf Durchführung eines Parteiordnungsverfahrens“, stellte SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi noch einmal im Anschluss an die Sitzung des Präsidiums am 24. Februar fest. Über den Antrag ent­ scheidet die Bezirksschiedskommission in Hannover. Diese ist parteirechtlich für den Niedersachsen Edathy zuständig. Edathy hatte Anfang Februar eingeräumt, Bilder unbekleideter Minderjähriger erworben zu haben – allerdings betont, nichts Strafbares getan zu haben. SPD-Chef Sigmar Gabriel fand dennoch klare Worte: „Unabhängig von der strafrechtlichen Relevanz sind Präsidium und Parteivorstand entsetzt und fassungslos über diese Handlungen Sebastian Edathys.“ Laut einer Emnid-Umfrage sind 65 Prozent der SPD-Anhänger für einen Parteiausschluss Edathys. n KD

der Partei zu nehmen, gestärkt werden. „Wir verfolgen eine Strategie der mittelfristigen Bindung“ der Bürger und der Mitglieder, sagte Yasmin Fahimi. Dazu gehört, die Leistungen der SPD in Regierungsverantwortung heraus­ zustellen – im Bund genauso wie in den Ländern und Kommunen. Am 6. April wird deshalb eine Konferenz unter dem Titel „Gutes Regieren“ in Berlin statt­ finden. Und ab August sollen die Mitglieder die Möglichkeit bekommen, bei 16 bundesweiten Regionalkonferenzen aktuelle Fragen der Regierungspolitik zu diskutieren.

Themenlabore für neue Ideen

Eine Vielzahl von Nichtwählern konnte auf diese Weise aktiviert werden. Auch der „Bürgerdialog“, über den auch NichtMitglieder Einfluss auf das Programm für die Bundestagswahl nehmen konnten, soll fortgeführt werden. Zudem sollen die Möglichkeiten der SPD-Mitglieder, direkt Einfluss auf Entscheidungen

Ehrengast: Der Philosoph Jürgen Habermas (r.) besuchte die SPD bei ihrer Klausurtagung in Potsdam.

Der Blick ist dabei durchaus auch schon auf die Bundestagswahl 2017 gerichtet. Um diese inhaltlich vorzubereiten, hat der Parteivorstand so genannte Themenlabore eingerichtet. „Damit schaffen wir Freiräume für neue Ideen, jenseit der Sachzwänge der Regierungsarbeit“, sagte Generalsekretäin Yasmin Fahimi. Wie die vier Themenlabore zu den Bereichen „Neues Wachstum“, „Gute Arbeit“, „Kommunales“ und „Digitales“ genau arbeiten werden, wird Fahimi im Frühjahr bekannt geben. Ihr Ziel steht dagegen schon jetzt fest: „Wir wollen als Sozialdemokraten wieder zur bestimmenden politischen Bewegung der Demokratie und der Zivilgesellschaft werden.“ n


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„Es schmerzt mich, wenn europaskeptische Haltungen an Zulauf gewinnen“, sagt Franziska Giffey. Reisefreiheit und Freizügigkeit sind ihr wichtig.

sie hilft, wo sie kann

Franziska Giffey Die Bezirksstadträtin von Berlin-Neukölln ist überzeugte Europäerin. Sie will ­Zuwanderern aus Rumänien und Bulgarien eine Zukunftsperspektive geben. Leicht ist das nicht

F

ranziska Giffey spricht schnell, das Thema bewegt sie. „Viele Kinder gehen uns verloren, wenn wir nichts unternehmen.“ Giffey ist Bezirksstadträtin für Bildung, Schule, Kultur und Sport in Berlin-Neukölln. Das ist ein Stadtteil, der besonders stark von sogenannter Armutszuwanderung aus Südosteuropa betroffen ist. Mehr als 10 000 Rumänen und Bulgaren wohnen nach Schätzungen des Bezirks dort. ­ I hnen will die 35-jährige Sozialdemokratin eine Perspektive geben, auf Bildung, Arbeit und ein besseres Leben. Es ist ein Kraftakt. Denn die osteuropäischen Zuwanderer, die nach Berlin-Neukölln kommen, stammen zum Großteil aus prekären Verhältnissen und sprechen kaum Deutsch. Viele gehören zur Ethnie

Porträt

der Roma. Sie fliehen auch vor der Diskriminierung in ihrer Heimat.

Europa fasziniert sie Reisefreiheit und Freizügigkeit sind Giffey wichtig, die Idee eines vereinten Europas fasziniert sie. Dies liege auch an ihrer Herkunft aus der DDR, erklärt die gebürtige Brandenburgerin. Als die Mauer fiel, war sie 11 Jahre alt. Diese Erfahrung prägte sie. „Möglichkeiten, ins Ausland zu kommen, habe ich immer genutzt, denn ich wollte die Welt kennenlernen“, sagt sie. Nach ihrem Studium als Verwaltungswirtin arbeitete Giffey acht Jahre lang als Europabeauftragte von Neukölln und holte die Fördermittel der EU in den Bezirk. Parallel dazu absolvierte sie Praktika in

der Berliner Landesvertretung der EU in Brüssel und bei der Parlamentarischen Versammlung des Europarates in Straßburg. „Es schmerzt mich, wenn jetzt europaskeptische Haltungen an Zulauf gewinnen und man alles in Frage stellt“, sagt sie. Dass die Zuwanderung ihren Bezirk auch vor Probleme stellt, spricht sie dennoch offen an. „Es bringt nichts, das totzuschweigen.“ Die Chancen der meisten Rumänen und Bulgaren in Neukölln, hier eine gute Arbeitsstelle zu finden, sind gering. Viele arbeiten im Baugewerbe oder als Putzkräfte für Dumpinglöhne, die zum Leben nicht reichen. Auch auf dem Wohnungsmarkt machen sich windige Geschäftsleute die Unkenntnis der Rumänen und Bulgaren zunutze.

Foto: Dirk Bleicker

Von Carl-Friedrich Höck


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30 große Wohnhäuser mit Matratzenlagern gebe es in Neukölln, sagt Giffey, oft in miserablem Zustand. Für einen Schlafplatz müssten die Bewohner bis zu 300 Euro zahlen. Mietverträge gebe es oft nicht.

Nachdem Giffey 2010 mit gerade einmal 32 Jahren zur Bezirksstadträtin ernannt wurde, initiierte sie die Gründung einer Arbeitsgemeinschaft „Roma / Zuzüge aus Südosteuropa“. Dort treffen sich Vertreter der Schulen und der Schulaufsicht, des Gesundheits- und Jugendamtes, der Polizei und des Jobcenters, um Erfahrungen auszutauschen und die Integrationsarbeit zu koordinieren. Der Senat hat Gelder für Sprach- und Kulturmittler bereitgestellt. Sie sollen die Neu-Neuköllner beraten, etwa beim Mietrecht und bei Bildungs- und Gesundheitsfragen. Zudem bemüht sich Giffey darum, den Kindern der Zuwanderer einen Aufstieg in Deutschland zu ermöglichen. Wie wichtig hierfür ­eine gute Bildung ist, weiß sie, die einst selbst Lehrerin werden wollte. Für ihre eigene Bildung hat sie hart gearbeitet. Die wenige Freizeit, die ihr in ihrer Zeit

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Eigentlich ­müssten wir uns über jedes Kind freuen. Franziska Giffey,

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Bezirksstadträtin in ­Berlin-Neukölln

Franziska Giffey: Um die andere Seite kennenzulernen, besuchte sie Rumänien.

Deutsch lernen, bevor sie in den Regelklassen beschult werden. „Wenn man den demografischen Wandel betrachtet, müssten wir uns eigentlich über jedes Kind freuen, das hierher kommt“, sagt Giffey, die mit einem Tiermediziner verheiratet und selbst Mutter eines vierjährigen Sohnes ist. Rund 800 Kinder aus Osteuropa wurden seit 2010 in Neukölln eingeschult. Darunter auch ­ Zwölfjährige, die in ihrem Leben noch nie eine Schule von innen gesehen ­haben. Sie auf das Berufsleben vorzubereiten, bringe den Bezirk an seine finanziellen Grenzen, sagt Giffey. Im vergangenen Jahr reiste sie selbst nach Rumänien, in das Dorf Fântânele, aus dem viele Neu-Neuköllner stammen. „Ich wollte die andere Seite des Puzzles kennenlernen“, sagt sie. Sie erfuhr, dass Rumänien unter der Abwanderungswelle leidet, mit der auch die Fachkräfte das Land verlassen. ­Beeindruckt hat sie der Besuch in der örtlichen Schule, in der viele Klassen nur noch zur Hälfte besetzt waren, weil die anderen Kinder bereits in Neukölln sind. „Schauen Sie sich diese Kinder genau an“, sagte Fântâneles Bürgermeister zu ihr. „Sie werden sie bald wiedersehen.“ n ANZEIGEN

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Land zum Leben – Grund zur Hoffnung

02 MÄRZ

4(.(A05 -l9 2644<5(37630;02

2014

Gesundheit in den Kommunen

Damit spielt man nicht!

Mit Landes-SGK Extra

Die Berliner vorwärts Verlagsgesellschaft mbH sucht zum 1. August 2014 eine(n)

RedakteuR(in) für eine elternzeitvertretung. er oder sie soll in der Berliner vorwärts-Redaktion vor allem die themen energie und umwelt sowie das Ressort „Parteileben“ bearbeiten. dauer: zunächst für 9 Monate

CUBA, 14 Tage Badeurlaub in Varadero, vom 13. 11.–28. 11. 2014. Mit Marathon, Halbmarathon und 10 km am 16. 11. 2014 in Havanna (2 Tage). Info und Anmeldung: Manfred Köhn, Schlehenweg 25, 53177 Bonn, Tel.: (02 28) 32 41 05, mobil 0172/2 43 57 30

Kommunalpolitik besser machen

Neue Herausforderungen erfordern moderne Kommunalpolitik.

Lesen Sie mehr in der DEMO 02/2014

Titel

Gesundheit in den Kommunen Damit spielt man nicht!

SGK-Regionalbeilagen: Einzelpreis 6,00 Euro | 66. JG. | A 02125

Foto: Dirk Bleicker

Wichtiger Erfahrungsaustausch

als Europabeauftragte blieb, nutzte sie für ein Masterstudium „Europäisches Verwaltungsmanagement“ und für eine politikwissenschaftliche Dissertation über die Europäische Kommis­ sion. „Man muss selbst etwas erreichen, wenn man andere dazu bringen will, etwas zu leisten“, sagt sie. Giffey hat Willkommensklassen einrichten lassen, in der rumänische und bulgarische Kinder in kleinen Gruppen

Infos der SGK-Landesverbände

Kostenloses Probeheft: Berliner vorwärts Verlagsges. mbH, Stresemannstraße 30, 10963 Berlin, Tel.: (0 30) 2 55 94-130, Fax: (0 30) 2 55 94-199, E-Mail: vertrieb@demo-online.de, www.demo-online.de

Voraussetzungen: 3 abgeschlossenes Hochschulstudium und journalistische ausbildung, möglichst auch Volontariat, Berufserfahrung 3 überdurchschnittliches interesse am politischen Zeitgeschehen und an der deutschen Sozialdemokratie 3 erfahrungen und sehr gute kenntnisse im Online-Journalismus und in Social Media 3 teamfähig und engagiert 3 aufgeschlossen und neugierig, sich auf neue berufliche Herausforderungen einzulassen Bewerbungen mit Lebenslauf bis 1. Mai 2014 bitte an: Berliner vorwärts Verlagsgesellschaft mbH Frau karin nink (Chefredaktion) Stresemannstraße 30, 10963 Berlin www.vorwaerts.de


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03/2014 vorwärts

Bürgermeisterkandidat Werner Noske: Er will nach den bayerischen Kommunalwahlen im März die Tradition sozialdemokratischer Stadtoberhäupter in Töging am Inn fortsetzen.

OV Töging Seit fast 50 Jahren stellt die SPD in der bayerischen Stadt ohne Unterbrechung den Bürgermeister. Was ist ihr Erfolgsgeheimnis? Von Thomas Horsmann

A

uf dem Land ist Bayern schwarz und fest in der Hand der CSU – ein Klischee, das naturgemäß so nicht stimmt. Bestes Beispiel ist die Stadt Töging im erzkatholischen Landkreis Altötting. In dem 9100-Seelen-Ort regiert die SPD seit den 1960er Jahren mit einer Unterbrechung mit absoluter Mehrheit. Und auch bei Landtags- und Bundestagswahlen schneidet die SPD hier regelmäßig deutlich besser ab als im Umland. Das ist das Verdienst des rührigen SPD-Ortsvereins. „In den 20er Jahren war Töging eine typische Arbeiterstadt, in der jede Familie mit dem großen Aluminiumwerk oder dem Inn-Kraftwerk zu tun hatte“, berichtet Werner Bauer, der seit 30 Jahren SPD-Stadtrat ist. Der Aluminium­ betrieb sei gewerkschaftlich gut durchorganisiert gewesen und im Ort habe es die AWO gegeben, die Arbeiterjugend, die Naturfreunde und viele andere Arbeitervereine, so dass die SPD ein sehr starkes Umfeld gehabt habe, so Bauer weiter.

Seit 1965 SPD-Bürgermeister Wie stark die SPD in Töging war, zeigte sich nach dem Zweiten Weltkrieg. Mit Franz Förg, Gründungsmitglied des Ortsvereins, wurde gleich ein Sozialdemokrat

OV-Porträt

Horst Krebes: Nach 18 Dienstjahren scheidet der 1. Bürgermeister aus Altersgründen im März aus dem Amt.

Bürgermeister. Nach seinem Tod 1953 kamen für zwölf Jahre die Freien Wähler zum Zug, doch seit 1965 ist die SPD in Töging wieder spitze und stellt seither durchgängig den Bürgermeister. 30 Jahre führte Max Saalfrank die Geschicke der Stadt, von 1996 bis heute war Horst Krebes 1. Bürgermeister. Im März darf er jedoch nicht mehr kandidieren, weil er die Altersgrenze von 65 Jahren erreicht hat. Stattdessen schickt die Töginger SPD Werner Noske ins Rennen. Der ist langjähriger Vorsitzender des Turn- und Sportvereins Töging, des größten Vereins der Stadt, und rechnet sich gute Chancen aus, den Chefsessel im Rathaus zu erobern. Die meisten SPD-Kandidaten für den Stadtrat sind ebenfalls in den Vereinen engagiert. Diese enge Verknüpfung ist eines der Geheimnisse des Erfolgs des Ortsvereins. Ein weiteres verrät der OVVorsitzende und 2. Bürgermeister Bastian Höcketstaller auch noch: „Wir können mit Personen überzeugen. Der Bürgermeister wird ja direkt gewählt, und auch auf der Liste für den Stadtrat haben wir lauter starke Leute.“ Früher sei es einfacher gewesen, Kandidaten für den Stadtrat zu finden, da sind sich ­Höcketstaller, Bauer und Krebes einig. „Da hat der Bürgermeister sich bei den Vereinen und

Lange Liste von Leistungen Dass Töging weiter von der SPD regiert wird, „dafür tun wir auch einiges“, sagt der scheidende Bürgermeister Krebes. So organisiere die SPD zahlreiche Veranstaltungen, um mit den Bürgern im Gespräch zu bleiben. Zudem besuche der Bürgermeister die Vereine, zu denen er eingeladen werde. Da sei man nah am Bürger, das sei jeden Monat Wahlkampf pur. „Dafür hört man viel, auf das man reagieren kann“, erzählt Krebes weiter. Die Liste der Leistungen der SPD in Töging kann sich sehen lassen, ein Rettungszentrum, ein Kulturzentrum, ­ das neue Rathaus, die Turnhalle, um nur einiges zu nennen, was Bürgern und Vereinen zugute kommt. Besonders stolz ist die Partei jedoch, dass es gelungen ist, auf dem Gelände der ehemaligen A luminiumwerke neue Unternehmen ­ und ein Gründerzentrum anzusiedeln. Klassisches Arbeitermilieu ist das jedoch nicht mehr. Um die Kommunalwahlen im März sorgen sich die Genossen jedoch nicht: „Wir sind optimistisch!“ n

Fotos: Jörg Koch (2)

Die Vereine sind das A und O

in den Stadtteilen umgeschaut, wer zu uns passt, und hat geeignete Leute angesprochen“, sagt Bauer. Heute gibt es die ­A luminiumwerke nicht mehr und viele Töginger arbeiten auswärts, da fehle dann die Zeit für Partei und Vereine. Diesen Trend merkt man auch an den Mitgliederzahlen des Ortsvereins. Zu den Hochzeiten in den 1990er Jahren waren es 250 Mitglieder, heute sind es noch 143, berichtet Höcketstaller. So manches ­Mitglied sei aus Verärgerung über Berlin ausgetreten. Und an die Stelle etwa der Falken seien die Vereine getreten, von dort käme nun der Nachwuchs der Partei. Derzeit seien 25 Prozent der Ortsvereins-Mitglieder erst 25 bis 40 Jahre alt, berichtet Höcketstaller.


23 Verlags-sonderveröffentlichung-03-2014

Die SPD-Bundestagsfraktion will die Vereinbarungen des Koalitionsvertrages ­ schnell umsetzen. Bereits in den kommenden Wochen und Monaten wird sich das Parlament mit einer ganzen Reihe von Vorhaben befassen. Dadurch solle „das ­Leben der Menschen in Deutschland besser und gerechter“ werden, sagt der SPD-Frak­ tionsvorsitzende Thomas Oppermann. Bereits im Januar hat Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel Eckpunkte für eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) vorgelegt. Der Anteil des produzierten Stroms aus Erneuerbaren Energien soll in den kommenden zehn Jahren auf 40 bis 45 Prozent gesteigert werden. Gleichzeitig sollen der Anstieg der Strompreise gebremst und Überförderung bei der Einspeisevergütung abgebaut werden. Die Reform sei „notwendig, um die Energiewende endlich wieder auf Erfolgskurs zu bringen“, sagt der SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil. Mit diesem Gesetz wird sich der Bundestag im Frühjahr befassen, was auch für das Rentenpaket von Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles gilt. Es sieht unter anderem vor: Wer 45 Jahre lang Rentenbeiträge bezahlt hat, soll künftig ohne Abzüge mit 63 Jahren in Rente gehen können. Anschließend soll die Altersgrenze schrittweise auf 65 Jahre steigen. „Das Rentenpaket schließt Gerechtigkeitslücken“, ist SPD-Fraktionsvizin Carola ­Reimann überzeugt. Doch das ist nur der Anfang. Ein weiteres Gesetzesvorhaben der Regierung in diesem Jahr ist die Einführung einer

Oppositionsrechte gestärkt

Ein Windrad wird aufgerichtet. Die SPD-Fraktion will die Energiewende auf Erfolgskurs bringen.

An die Arbeit! Die SPD-Bundestagsfraktion will Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag rasch umsetzen Mietpreisbremse, die den teils rasanten Anstieg von Wohnungsmieten begrenzen soll. „Wir helfen damit vielen Menschen in den Ballungszentren und Großstädten, eine bezahlbare Wohnung zu finden“, ­ ­erklärt die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Eva Högl. Schnell eingeführt werden soll auch ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde. Er soll am 1. Januar 2015 in Kraft treten. Zudem soll es leich-

ter werden, Tarifverträge für allgemeinverbindlich zu erklären. Ab 2016 soll in Aufsichtsräten von voll mitbestimmungspflichtigen und börsennotierten Unternehmen eine Frauenquote von 30 Prozent gelten. Familienministerin Manuela Schwesig hat zudem Eckpunkte für ein „Entgeltgleichheitsgesetz“ angekündigt, mit dem der unterschiedlichen Bezahlung von Männern und Frauen entgegengewirkt werden soll. n CFH

Fotos: action pres/ Jochen Zick, Thomas Imo/photothek.net, Gerrit Sievert

SPD-Fraktion lehnt Gen-Mais ab

Abgeordnetenbestechung ist nun endlich ein Straftatbestand.

Neues Gesetz gegen Bestechung Der Bundestag hat einem Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD zugestimmt, der die Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung neu regelt. Bisher war Bestechung und Bestechlichkeit von Mandatsträgern nur strafbar, wenn es sich um den Kauf oder Verkauf einer Stimme bei einer Wahl oder Abstimmung handelte. Andere strafwürdige Verhaltensweisen wurden nicht erfasst. Mit dem neuen Gesetz wird künftig bestraft, wer für eine Gegenleistung einen „ungerechtfertigten Vorteil“ bietet oder annimmt. Die SPDBundestagsfraktion hatte auf die Gesetzesänderung gedrängt, damit Deutschland endlich die 2003 unterzeichnete UN-Konvention gegen Korruption ratifizieren kann. n CFH

Seit der Bildung der großen Koalition ist die Opposition im Deutschen Bundestag stark geschrumpft. Grüne und Linke haben zusam­ men nicht mehr genügend Stimmen, um beispiels­ weise Untersuchungsaus­ schüsse einsetzen oder eine Sitzung des Bundestages einberufen zu können. Die Koalitionsfraktionen haben deshalb einen Antrag zur Änderung der Geschäfts­ ordnung vorgelegt, der die Rechte der Opposition stärken soll. Damit kann etwa ein Untersuchungs­ ausschuss auf Antrag aller Mitglieder der Opposi­ tionsfraktionen eingesetzt werden. Auch erhält die Opposition längere Rede­ zeiten. n CFH

Deutschland hat sich im Februar bei der Abstimmung der EU-Mitgliedstaaten über die Zulassung der gentechnisch veränderten (GVO) Maissorte „Dupont 1507“ enthalten. Die SPD-geführten Ministerien (Wirtschaft, Umwelt, Justiz) sprachen sich im Kabinett gemeinsam mit dem CSU-geführten Landwirtschaftsministerium gegen die Zulassung aus. Die CDU-geführten Ministerien (Forschung und Gesundheit) und die Bundeskanzlerin befürworteten den Anbau von „Dupont 1507“. Wenn innerhalb der Bundesregierung keine Einigkeit herrscht, ist es üblich, sich auf EU-Ebene zu enthalten. Auf EU-Ebene wurde bei der Abstimmung weder ein klares ­Votum der Mitgliedstaaten für noch gegen die Zulassung der Maissorte erreicht. Nun muss die EU-Kommission entscheiden. „Die SPD-Bundestagsfraktion lehnt den Anbau von GVO-Pflanzen in Deutschland weiterhin ab“, betont SPD-Fraktionsvizin Ute Vogt. Die SPD-Bundestagsfraktion prüft nun, welche Möglichkeiten Deutschland im Fall einer EU-Zulassung von „Dupont 1507“ hat, um den Anbau hierzulande zu verhindern. Mehr als 80 Prozent der Bevölkerung in Deutschland wollen keine genveränderten Pflanzen auf deutschen Feldern und auf ihren Tellern. Dies ergaben Umfragen von Greenpeace und vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Auch das Europäische Parlament hat sich im Januar bei einer Abstimmung mit breiter Mehrheit gegen grüne Gentechnik und die Zulassung von „Dupont 1507“ ausgesprochen. n CFH

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Der Koalitions­ vertrag ist eine Errungen­ schaft, die wir verteidigen.

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Thomas Oppermann, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Bundestag

Impressum Verlags-Sonder­ veröffentlichung Herausgeber: SPD-Bundestagsfraktion Petra Ernstberger, MdB Parl. Geschäftsführerin V.i.S.d.P. Anschrift: SPD-Bundestagsfraktion Platz der Republik 1 11011 Berlin


24  Meinung

vorwärts 03/2014

­ Zwischenruf

Leserbriefe

So geht es nicht noch einmal! Martin Dulig Die SPD muss die Besonderheiten der ostdeutschen Landesverbände besser nutzen

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ie SPD ist gemessen an ihren geringen Mitgliederzahlen und schwachen Parteistrukturen in den ostdeutschen Bundes­ ländern sehr erfolgreich. Aktuell sind wir außer in Sachsen überall an der Regierung beteiligt und stellen in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern die Ministerpräsidenten. Auch in Sachsen hat die SPD erfolgreich regiert und wird das auch wieder tun. Bei allen Erfolgen müssen wir aber nüchtern feststellen, dass die SPD in den fünf neuen Bundesländern ein Baum mit schwachen Wurzeln ist. Die organisatorischen Voraussetzungen, mit denen wir arbeiten müssen, sind mit denen in vielen Teilen ­Westdeutschlands nicht vergleichbar. Andererseits führt das aber auch zu einer höheren Dynamik: unsere SPD ist im Schnitt jünger, politische Talente kommen schneller in Verantwortung, und beherzte Ehrenamtliche fangen viele Strukturnachteile auf. Wir haben zusätzlich unsere Strukturen geöffnet, um Nichtmitglieder in die Arbeit einzubinden. Das macht uns unfreiwillig zu Vorreitern. Der Mitgliederschwund in den westdeutschen Verbänden macht die Strukturen dort mit unseren immer vergleichbarer. Manche strukturschwache Region im Westen sieht sich jetzt mit den Problemen konfrontiert, die wir schon seit 20 Jahren haben. Unsere Erfahrungen können da nützlich sein. Machtpolitisch hatte und hat diese Situation für uns allerdings gravierende Konsequenzen. In der SPD ist die Mitgliederzahl Gesetz. Auf den Osten kommt es bei wichtigen parteiinternen Entscheidungen im Ernstfall

nicht an. Im fragilen Machtgeflecht unserer Partei entscheiden oft andere Kriterien als die vielfach beschworene innerparteiliche Solidarität. Deutlich geworden ist das zuletzt, als wir die Bundesliste für die Europawahl aufgestellt haben. Das Fingerspitzengefühl, das wir alle brauchen, um eine gute Liste für das gesamte Land zusammenzustellen, habe ich vermisst. Ich hätte mir an dieser Stelle, wo sie praktische Konsequenzen gehabt hätte, wirkliche Solidarität gewünscht, mehr Mitdenken auch für die kleinen Landesverbände und weniger Eigeninteresse der großen Landesverbände. Bei einem schlechten Wahlergebnis nimmt es die SPD damit in Kauf, dass es wenige oder keine Abgeordnete aus den fünf ­neuen Bundesländern geben wird. Wir alle kämpfen jetzt gemeinsam für ein gutes Ergebnis. Ich bin da sehr optimistisch, gerade weil wir Martin Schulz als Spitzenkandidaten nominiert haben. Aber wir müssen Konsequenzen aus der Listenaufstellung ziehen. So wie dieses Mal geht es nicht noch einmal! n

Martin Dulig ist seit 2009 Vorsitzender der SPD Sachsen. Der Vater von sechs Kindern führt die Partei als Spitzenkandidat in die Landtagswahl in diesem Jahr.

2013 war Willy-Jahr. Am 18. Dezember wäre Brandt 100 Jahre alt geworden. ­„Dieses runde Datum hat mich veranlasst, eine Druckgrafik des Ex-Kanzlers anzufertigen“, schrieb uns Wolfgang L‘Hoest. Er hat sie „in einer kleinen Auflage von Hand von der Druckplatte abgezogen“. Beim Neujahrsempfang seines Ortsvereins in Mönchengladbach sei die Willy-Grafik gut angekommen. Und auch das vorwärtsExtra-Heft erfreut sich weiterhin großer Beliebtheit. Im Februar stieg die Zahl der Bestellungen noch einmal an. Brandts Wahl zum SPD-Vorsitzenden am 16. Februar vor 50 Jahren mag einen Anteil daran gehabt haben. n vorwaerts.de/willy-brandt-100

02/2014

Sigmar Gabriel hat im jüngsten „vorwärts“ auf die herausragende Bedeutung der Europawahl im Mai hingewiesen. Leider hat aber in der deutschen Bevölkerung – und auch in anderen EU-Ländern – eine gewisse Europa-Skepsis Einzug gehalten, die es durch Überzeugungsarbeit unbedingt zu überwinden gilt.

Gewonnen Zehn Ersttagsblätter mit der Sonder­briefmarke „Willy Brandt“ gehen an: Martin Müller-Holzgrebe 31134 Hildesheim David Horn 06114 Halle (Saale) Anton Schmatz 93309 Kelheim Inge Neubert 50735 Köln-Riehl Onno Meyer 10715 Berlin Christoph Beeck 24107 Kiel Romana Danz 60385 Frankfurt

Andreas Gabler 92363 Breitenbrunn Christian Schneemann 08606 Oelsnitz

Sigurd Schmidt, Bad Homburg v.d.H.

Man kann m.E. nur dann vorwiegend seine Arbeit selbstbewusst tun, wenn man das tut, was man vorher versprochen hat. Dass es in einer Koalition Kompromisse geben muss, weiß bereits mein Enkel mit 13 Jahren. Was aber nicht sein darf ist, dass Wahlgeschenke zu Lasten der Rentenkassen finanziert werden und so ein Kernpunkt von vor der Wahl – die Reichensteuer – ad absurdum geführt wird.

Pia Marie Buckemüller 59755 Arnsberg

Mitreden & bloggen: vorwärts.de/zwischenruf

Interview mit Sigmar Gabriel

Volker Finken, Duisburg

„Wir sind die Gestalter“ titeln Sie für Gabriel. Wenn ich an das R ­ entenpaket denke, welches M ­ inisterin Nahles auf den Weg gebracht hat, dann sehe ich in der Ansage vom ­Gestalten eher eine Drohung. Die überaus teuren Rentengeschenke sind sozial ­berechtigt, doch nur mittelfristig gegenfinanziert und das ist in meinen Augen ganz übel.

Wolfgang Kellner, Lüneburg

„Wir können stolz auf unsere SPD und ihre Mitglieder sein.“ Ich freue mich r­ iesig über dieses Lob für das ­M itgliedervotum von Sigmar ­Gabriel. Herzlichen Dank dafür. Ich freue mich immer auf den „vorwärts“: stets sehr interessante, aktuelle Berichte, ­Neuigkeiten mit guten Fotos, großes Kompliment für diese Gestaltung.

Uta Fritzsche, Mönchengladbach

Der Start der SPD in der Koalition ist gut. Wir müssen permanent als Motor wirken und die durchgesetzten Vereinbarungen öffentlich wirksam darstellen, um bei den Bürgern zu punkten. ... Es gibt noch viele Probleme, die gelöst werden müssen, zum Beispiel die Straflosigkeit bei Steuerhinterziehung oder eine Bankenregulierung, die wirkt.

Rudolf Minks, Pfronten

Inhaltlich finde ich das Interview mit unserem Parteivorsitzenden sehr gut. Gestört hat mich die Anrede „Sie“. Der

Fotos: Dominik Butzmann, Karl-Wolfgang L‘Hoest

Willy von Hand


Meinung 25

03/2014 vorwärts

vorwärts

gen mit, und sie wird ihre Arbeit sicherlich sehr gut machen. Ich wünsche ihr viel Glück und gutes Gelingen.

App+

Angela Prandtke, Soltau

… Mehr lesen!

seitwärts: Fackellauf 02/2014

Natürlich darf eine Satire übertreiben, doch würde ich Sie bitten, in Zukunft zu prüfen, ob die Aussage von Herrn Füleki wirklich in eine sozialdemokratische Zeitung gehört. Haben Sie Rassenhass jetzt durch Russenhass ersetzt? Was soll die Diffamierung von russischen Sicherheitskräften gegen die reale Gefahr durch Terroristen?.

„vorwärts“ wird von der SPD herausgegeben (Yasmin Fahimi). Der Vizekanzler und Wirtschaftsminister, der in schwierigen Zeiten unser Parteivorsitzender wurde und für das Erreichte in der SPD verantwortlich ist, ist einer von uns und daher wäre das „Du“ unter Genossen angemessen. Zum guten Interview gehören Inhalt und Form. Peter Senft, Berlin

Meint ihr, dass der Beitrag zur Völkerverständigung beiträgt? ... Was haben uns diese Menschen angetan, dass nun auch die SPD anfängt, wie in den 30er Jahren, schon die Kinder gegen a ­ ndere Länder aufzuhetzen. Muss sich nun auch der „vorwärts“ an den täglichen Tiraden der Medien und Politiker gegen Russland beteiligen oder gehört es i­ nzwischen zum guten Ton mit den W ­ ölfen zu heulen.

Interview mit Yasmin Fahimi 02/2014

Ich begrüße das Interview mit unserer neuen Generalsekretärin. Es tut der Gleichberechtigung sehr gut, dass dieses Amt wieder durch eine Frau repräsentiert und ausgefüllt wird. Yasmin Fahimi bringt sehr gute Voraussetzun-

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26  Wirtschaft

vorwärts 03/2014

Nicht nur die Berge, auch das Bankgeheimnis locken Menschen in die Schweiz.

Kein Kavaliersdelikt

zusammen 941 Millionen Mehreinnahmen. „Steuerhinterziehung hat in weiten Teilen sein KavaliersdeliktMäntelchen verloren“, sagt WalterBorjans, der schon viele Spitznamen hatte, von „Robin Hood“ bis „Rächer der ehrlichen Steuerzahler“. Der 61-jährige Diplom-Volkswirt hat nichts dagegen. In der Gesellschaft nimmt er einen Wandel wahr: Gerade jüngere Leute sähen in Steuerbetrug zunehmend „das, was es ist: Unrecht gegenüber der Gemeinschaft der ehrlichen Steuerzahler“.

Steuerbetrug Dem Staat entgehen Millionen, weil Vermögende Geld ins Ausland schaffen. ­Verschärfungen bei Selbstanzeige sind gefordert Von Yvonne Holl

Welle von Selbstanzeigen Es geht um viel Geld: Beispielsweise hatte ein Unternehmer aus Trier auf einem Luxemburger Konto 700 000 Euro deponiert. Die Steuerfahndung kam ihm auf die Schliche, weil sein Name auf einer aufgekauften CD auftauchte. Die Beamten rechnen mit rund 60 000 Euro hinterzogenen Steuern. Der Geschäftsmann ging vor Gericht, mit der Begründung, Ankauf und Verwertung der CD hätten sein Recht auf ein faires Verfahren verletzt. Der rheinland-­ pfälzische Verfassungsgerichtshof, dem der Fall nun vorlag, erklärte den CD-Ankauf für rechtmäßig. Begründung: Das Inte-

resse einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege überwiege. Lediglich ein automatisches Aufkaufen aller angebotenen Steuer-CDs sei pro­blematisch, da es zum Datenklau animieren könne. Die Richter wiesen darauf hin, dass der Staat den Daten-Ankauf auch schlicht durch ein Gesetz legitimieren könne. Das wäre sicher im Sinne von ­Finanzminister Walter-Borjans. Trotz Strafanzeigen gegen ihn wegen der CDAnkäufe – die allerdings folgenlos blieben – und anderer Anwürfe ist er ein Verfechter des Vorgehens. Er verweist auf die konkreten Mehreinnahmen – bundesweit sind es sogar schon über drei Milliarden Euro – und auf den Effekt, den immer neue Enthüllungen haben. Jeder neue CD-Ankauf bringt eine Welle von Selbstanzeigen mit sich. Rund 60 000 Personen bundesweit haben bislang Selbstanzeige erstattet oder wurden durch Datenträger überführt. Walter-Borjans rechnet vor: Acht CDs hat NRW bislang gekauft und dafür insgesamt zwölf Millionen Euro bezahlt. 84 Millionen Euro nahm NRW durch die direkte Auswertung der CDs ein – also etwa nachzuzahlende Steuern auf Zinsen plus Strafen. 207 Millionen Euro waren Geldbußen von Bankhäusern wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung und andere Bußgelder. Und der größte Batzen, nämlich 650 Millionen Euro, summierten sich aus Selbstanzeigen, also als indirekte Folge der CD-Ankäufe. Macht

Verjährung auf dem Prüfstand

Steuerparadiese Die einen machen dort Urlaub, die anderen bunkern dort Geld an der Steuer vorbei: Die Schweiz, ­Luxemburg, Hong Kong, die karibischen Cayman Islands und Singapur sind die ­beliebtesten Steueroasen.

Dies gelte besonders auch für die prominenten Fälle wie etwa die Enthüllungen über Selbstanzeigen von Fußballmanager Uli Hoeneß oder der Publizistin Alice Schwarzer. „Die Steuerbehörden haben das Steuergeheimnis zu wahren, egal ob der Fall prominent ist oder nicht, und das tun sie auch“, stellt Walter-Borjans klar. Für die teils empörten Reaktionen ertappter Promis zeigt der Finanzminister jedoch wenig Verständnis: „Es gehört sicher zum menschlichen Verhalten, nach Erklärungen und Entschuldigungen für das eigene Fehlverhalten zu suchen.“ Aber gerade Menschen, die im Rampenlicht stehen, „stehen auch im besonderen Maße für ihre Ausflüchte in der Verantwortung. Dafür haben die Menschen im P ublikum ein feines Gespür. Das ­ gilt besonders, wenn der Steuer­ betrug im krassen Gegensatz zu dem steht, wie man sich vorher gerne ­dargestellt hat.“ Die Möglichkeit zur Selbstanzeige will Walter-Borjans erhalten, er tritt aber für eine Verschärfung der Bedingungen ein. „Steuerhinterzieher dürfen nicht mehr damit kalkulieren, dass i­ hre Steuerschuld verjährt, wenn sie ihre Selbstanzeige nur lang genug hinauszögern.“ Noch im März will die Finanzministerkonferenz einen Beschluss zur Verjährungsfrist fassen. Details sind aber noch nicht bekannt. n

Fotos: DPA (1), postcrossing.com (4); Montage: Vorwärts/Dirk bleicker

W

as kann ein Land mit rund 940 Millionen Euro anfangen? Norbert Walter-Borjans hat die Antwort parat: „Man kann für ein Jahr 18 800 zusätzliche Lehrerstellen finanzieren“, weiß der Finanzminister von Nordrhein-Westfalen. „Oder 8300 Meter Straße bauen oder 11 750 Kinder in Obhut nehmen und ein Jahr lang versorgen.“ 940 Millionen Euro. So viel hat das Bundesland direkt und indirekt durch den Erwerb von Steuer-CDs eingenommen. Von Datenträgern, auf denen die Namen und Kontodaten von Bundesbürgern gespeichert sind, die Geld im Ausland und nicht korrekt versteuert haben. Die Konten befinden sich in der Schweiz, der Karibik oder Singapur. ­Diese Daten wurden gestohlen, deshalb ist der Erwerb der CDs umstritten.


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28  Wirtschaft

vorwärts 03/2014

Energiewende

Kooperation mit Frankreich

Hat wieder Lebensmut ­gefasst: Rentner Heinz Roock

Hat sich vom Schubladendenken befreit: Hotelchefin Beate Fernengel

Wohnen im Nobelhotel statt auf der StraSSe ABSTIEGSBREMSE Freie Unterkunft gegen Mitarbeit im Hotel. Mit dieser ­einfachen Formel hat das »Arcona« in Potsdam gut ein Dutzend M ­ enschen vor der Obdachlosigkeit bewahrt Von Markus Münch-Pauli

Firmenporträt Arcona Hotel am ­Havelufer

Gut Gemacht

Studie

Krankenpfleger dringend gesucht Sie sind besonders begehrt: Mecha­ troniker, Elektriker und Ingenieure für Luft- und Raumfahrttechnik. ­Fachkräfte fehlen aber auch im ­Gesundheitsbereich. Dort werden Alten- und Krankenpfleger ebenso wie Ärzte gesucht Wer in einem dieser Berufe qualifiziert ist, sollte derzeit keine Probleme bei der Jobsuche haben. Schwierigkeiten haben dagegen die Unternehmen. Denn die können immer häufiger offene Stellen auch über längere Zeiträume nicht besetzen. Das hat eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln ergeben. Auftraggeber war das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung, eine Initia­tive des ­Bundeswirtschaftsministeriums. Demnach besteht bei 106 Berufen schon seit rund zwei Jahren ein deutlicher Mangel an Bewerbern. Am stärksten betroffen sind die so genannten MINTBranchen: Mathematik, Informatik, ­Naturwissenschaft und Technik. n YH

Geschäftsfeld Vier-Sterne-Hotel mit 123 Zimmern und fünf ­Veranstaltungsräumen für bis zu 200 Personen. Zum Haus gehört eine ­Weinwirtschaft und eine eigene Strandbar. Firmensitz Potsdam Gegründet 1996, seit 2010 zur Arcona-Gruppe gehörend Beschäftigte 27 bis 30

Weitere Porträts der Serie: vorwaerts.de/Gut_gemacht

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otsdam ist reich: an Kultur und Geschichte, an wunderbarer Architektur. Und an Nobelhotels: Fünfzehn Häuser tragen vier Sterne. Eines davon liegt direkt am Havelufer. Selbst in der kalten Jahreszeit besticht hier der Blick über den breiten Fluss in die üppige Natur der Flusslandschaft. Beate Fernengel ist die Direktorin des „Arcona-Hotels“ und immer in Aktion. Ist das Haus mal nicht ausgebucht, hält sie ein Kongress auf Trab. Oder es treibt sie eine Idee um. So wie im Winter 2012. „Das war ein sehr kalter Winter“, erinnert sich die Managerin. Wie jedes Jahr wurde über Obdachlose berichtet, die auf der Straße erfrieren. Und im Nobelhotel an der Havel standen Zimmer leer. „Ich habe mit den Behörden und ­anderen gesprochen und Hilfe angeboten“, sagt Fernengel, die als Vizepräsidentin der IHK in Potsdam gut vernetzt ist. Klar war, dass das Hotel kein großes Notquartier werden konnte. Aber einzelnen Menschen im entscheidenden Moment die richtige Unterstützung zu bieten, das konnte klappen.

Obdach mit vier Sternen Kurze Zeit später hatte das „Arcona“ ­einen Gast, der weder zahlen, noch eine Heimatadresse angeben konnte. Dafür war seine Mitarbeit gefragt. „Der Gedanke war, eine Wiedereingliederung ins Berufsleben zu starten“, sagt ­Fernengel, die weiß, dass Arbeit auch Wertschätzung bedeutet. Seit dem ersten wohnungslosen Gast haben gut ein Dutzend Menschen in der Vier-Sterne-Herberge für ein paar Wochen ein Obdach gefunden. Oft

waren es die entscheidenden Wochen ­ihres Lebens. So wie bei Heinz Roock. Der 60-Jährige ist mittlerweile in Rente und hat wieder eine eigene Wohnung. Obst- und Gemüsebauer war er vor der Wende. Dass er danach nur insgesamt sechs Monate arbeitslos war, darauf ist er stolz. Doch dann schlug das Schicksal zu, und er wurde krank, musste eine schwere Operation überstehen. Danach hätte er wieder arbeiten können – doch niemand wollte ihn. Ohne Job kein Geld für die Miete. Der Rauswurf stand schon fest, das Obdachlosenheim wäre die nächste Adresse gewesen. Doch es wurde das „Arcona“ an der Havel.

Die Arbeit gab ihm neuen Mut „Das war schon komisch, auf einmal darin zu wohnen“, sagt Heinz Roock. Das Hotel kannte er: Bei der Errichtung des Neubaus vor Jahren hatte er Kernbohrer durch den Beton getrieben. Nun konnte er sich wieder nützlich machen. Er übernahm vor allem Hausmeister-­ Tätigkeiten, etwa Reparaturen, verstopfte Abflüsse reinigen und ähnliches. Auch heute hilft Roock noch aus und weiß, dass seine Mitarbeit geschätzt wird, auch von den Kollegen. Vor zwei Jahren hat ihm die Arbeit neuen Mut ­gegeben und den Absturz verhindert. Von allen Seiten gibt es Lob für das Projekt im „Arcona“ – nur Nachahmer fehlen. „Dafür muss man sich erstmal vom Schubladendenken befreien“, so Fernengel. Auch sie selbst musste zunächst das Klischee eines Obdachlosen beiseite schieben, um die realen Schicksale zu begreifen. „Und dann“, sagt die Hoteldirektorin, „setzt so ein Helfersyndrom ein.“ n

Fotos: Hendrik Rauch

„Es ist höchste Zeit, die Energiewende gesamteuropäisch anzupacken“, ist Stephan Kohler, Chef der Deutschen Energie-Agentur (dena), überzeugt. Die Impulse dafür sollen von einer neuen deutsch-französischen EnergiewendePlattform kommen. Eine solche Plattform bereitet die dena gemeinsam mit ihrem französischen Pendant, der Agence de l´Environnement (ADEME) vor. Die Gründung soll im Laufe des ­Jahres vollzogen werden. Ziel ist die Entwicklung von Kooperationsprojekten für eine nachhaltige Energieversorgung. Dabei sollen In­ dustrie, Investoren und Verwaltungseinrichtungen aus beiden Ländern einbezogen werden. Geplante Schwerpunkte sind eine gemeinsame Strategie der Nachbarstaaten zur Bewältigung der Energiewende, der Ausbau der ­Netzinfrastruktur und die Integration regenerativer Energieträger. Die Partnerschaft zwischen Deutschland und Frankreich soll nur der Anfang sein. Innerhalb der Projekte sollen baldmöglichst weitere Länder eingebunden werden, beispielsweise die Niederlande und Italien bei der Entwicklung eines europäischen Verbundnetzes. „So kommen wir einen wichtigen Schritt weiter“, ist Kohler überzeugt: „Von einem Europa, das reguliert, zu einem Europa, das investiert und gestaltet.“ n YH


Wirtschaft 29

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meine Arbeit

Kapitän ein Leben lang »Ohne Wasser unter den Füßen möchte ich nicht leben.«

I

ch bin am glücklichsten, wenn ich Wasser und ein Schiff unter den Füßen habe, das fährt. So wird es mein Leben lang bleiben. Deshalb freue ich mich jeden Sommer aufs Neue, wenn ich hinterm Ruder unserer „Dollard“ stehe. Früher bin ich als Kapitän auf großer Fahrt gewesen. Ich fuhr Küstenmotorschiffe ebenso wie große Frachter und Passagierschiffe. Angefangen habe ich als „Moses“ auf einem kleinen Frachter. „Moses“ – so wurden früher die Schiffsjungen genannt, die die Seefahrt von der Pike auf lernten. 1998 bin ich als ­Kapitän in Rente gegangen. „Inoffiziell aufgehört“ haben wir es damals genannt: Ich bin zwar nicht mehr regulär gefahren, habe aber Urlaubs- und Krankheitsvertretungen für meine Reederei übernommen. 2010 wurde ich gefragt, ob ich nicht mit einem Kollegen in der Saison das Fahrgastschiff übernehmen möchte. Ich habe natürlich sofort Ja gesagt.

Foto: Ulf Buschmann

Auf europäischem Radweg Seitdem habe ich endlich wieder regelmäßig Wasser unter den Füßen: Jedes Jahr von Ostern bis September fahre ich Passagiere – meist Touristen – über unsere Meeresbucht. Die heißt Dollart (international: Dollard) und stand Pate für den Namen unseres Fahrgastschiffes.

Kapitän Rudolf Pommer

(links im Bild)

71 Jahre, lebt in Rhauderfehn / Ostfriesland Ausbildung

Matrosenausbildung, 18 Monate Seefahrtschule zum Steuermann, mehrere Jahre zur See und K ­ apitänsschule für Patent für große Fahrt

Status

Angestellter einer Reederei

Gehalt

Vollzeitkapitäne erhalten laut Tarifvertrag je nach Schiffsgröße 6070 bis 6574 Euro brutto inkl. Zulagen

Arbeitszeit

in der Saison zwei Tage die Woche

Die Überfahrt ist Teil – vielleicht sogar Herzstück – des grenzüberschreitenden Radwanderrundweges zwischen Deutschland und den Niederlanden – ganz im Sinne des europäischen Gedankens. Wir pendeln zwischen Ditzum, Emden und dem niederländischen Delfzijl. Die Saison beginnt Ende April, spätestens Ostern. Ab Mai fahren wir zweimal wöchentlich: mittwochs und samstags. Um 8.30 Uhr machen wir das erste Mal in Ditzum die Leinen los, doch mein Tag beginnt schon viel eher.

Um 5.15 Uhr muss ich aufstehen. Um 7.20 Uhr bin ich dann mit meinem Kollegen, den ich in Bingum aufpicke, in Ditzum. Dann muss ich die Maschine startklar machen und das Fahrtenbuch vorbereiten, das wir führen müssen. Jetzt könnten wir schon zum Außenhafen tuckern, doch ohne eine Tasse Kaffee geht es bei uns an Bord nicht. Von Ditzum aus steuern wir Emden an. Das ist laut Fahrplan um 9.10 Uhr. Zehn Minuten später machen wir los und es geht in Richtung Delfzijl. Für diese

­Strecke einmal über den Dollart benötigen wir eine Stunde und 20 Minuten. Um 10.50 Uhr geht es retour. Und nachmittags, nach eineinhalb Stunden Mittagspause, noch einmal nach Delfzijl. Feierabend ist gegen 19 Uhr. Das hängt immer vom Wetter und den Gezeiten ab. Wenn wir gegen die Strömung fahren müssen, dauert es natürlich länger. Bevor wir aber in den Hafen einfahren können, drehen wir das Schiff, um morgens vorwärts rauszukommen. Das ist gar nicht so einfach, denn der Ditzumer Hafen ist klein und eng. Und wenn dann auch noch Niedrigwasser ist, haben wir nicht viel Platz unter dem Kiel.

Lange Ausbildung zum Kapitän Verschiedene Patente wie früher, für große oder mittlere Fahrt, gibt es nicht mehr. Die Ausbildung wurde vereinheitlicht: Um Kapitän zu werden, ist min­destens ein Realschulabschluss nötig. Meist schlagen Abiturienten die Laufbahn ein. Sie benötigen eine Ausbildung zum Schiffsmechaniker und ein Jahr Seefahrtzeit als nautischer Offiziersassistent. Es folgt das dreijährige Fachhochschulstudium Nautik mit dem Bachelorabschluss, Realschüler gehen zur zweijährigen Berufsfachschule Nautik. Auf dem Weg zum Kapitänspatent müssen die Bachelor-Absolventen jetzt mindestens drei Jahre als Wachoffizier zur See fahren. Ehemalige Realschüler verbringen mindestens ein Jahr auf See als Wachoffizier, dürfen sich dann Erster Nautischer Offizier nennen und fahren unter diesem Titel ein weiteres Jahr über die Meere. n Aufgezeichnet von Ulf Buschmann vorwaerts.de/meine_arbeit ANZEIGE

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30  Kultur

Von Gitta List Bild-Chef Kai Diekmann und sein Zentralorgan des deutschen Boulevard­ journalismus’ haben erstaunlich viele Talente. „Wir sind Papst“, dichtete er, als Josef Ratzinger zum Pontifex gewählt wurde. „Wir sind APO“, verkündete er kürzlich vollmundig in Richtung der großen Koalition, der er versprach, ihr „bei jeder Gelegenheit auf die Finger zu hauen. Hart. Schmerzvoll. Und ohne Gnade.“ Und ohne jede Spur von Selbstbescheidung. Die ist ihm, sollte er je etwas davon besessen haben, wohl im sonnigen Silicon Valley abhanden gekommen, wohin er sich letzten Sommer begeben hatte um herauszufinden, was gegen die notorisch sinkenden Auflagen­ zahlen seines Blatts zu tun sei. Zurückgekehrt ist der journalistische Hansdampf als Tausendsassa, der weiß, „was gut ist für Deutschland“: Herr Diekmann kann nicht nur Klerus, er kann auch Justiz (am besten kann er Schnellverfahren), er kann einfach alles; nach seiner Vorstellung ist die Bild-Zeitung politische Kraft, sie ist die vierte Gewalt und zugleich die dritte. Wer ihm dieses Mandat erteilt hat? Nun, der selbsternannte Anführer der „neuen Außerparlamentarischen Opposition“ braucht kein Mandat, er braucht Auflage. Und die lässt sich nach Auffassung des neuerdings auf Nerd getrimmten Sonnenkönigs der Kioske nach wie vor am besten durch Aufregung herstellen. Dieser Tage fordert er in gewohnt schriller Manier den SPD-Fraktionsvorsitzenden Oppermann zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung auf. „Thomas Oppermann: Haben Sie Friedrich ans Messer geliefert?“ Gegenfrage, Herr Diekmann: Wissen Sie, worin die vornehme und vornehmliche Aufgabe eines seriösen Journalismus’ besteht? Im Prinzip ja, ist Ihnen aber wurscht? Nun, das war uns schon aufgefallen. Und wissen Sie denn auch, was Amtsanmaßung ist? Ist ­ Ihnen ebenfalls egal? Lassen Sie sich mit Ernst Jandl antworten: „manche meinen lechts und rinks kann man nicht velwechsern werch ein illtum!“ n

Künstler? UNd wovon ­l eben Sie?

Soziale Sicherung von Kulturschaffenden

Künstlersozialkasse Die soziale Absicherung von ­Kulturschaffenden muss s­ tabilisiert werden Von Birgit Güll

Tariflohn für Schauspieler Gerade wurden die Oscars vergeben. Auf dem roten Teppich tummelten sich Stars in teuren Kleidern, reich geschmückt und berühmt. Doch das ist nur ein kleiner Ausschnitt der Filmszene. Von Gagen wie Hollywoodstars können die meisten Schauspieler nur träumen. 2011 befragte die Universität Münster Schauspieler hierzulande zu ihrer finanziellen Situation. Die Hälfte der Befragten lebte von einem jährlichen Bruttolohn von 20 000 Euro oder weniger. Seit 1. Januar 2014 gilt nun ein Tarifvertrag für Schauspielerinnen und Schauspieler bei Dreharbeiten. Vereinbart haben ihn der Bundesverband der Film- und Fernsehschauspieler (BFFS) sowie die ver.di FilmUnion auf der einen und die Allianz deutscher Produzenten auf der anderen Seite. Gagenuntergrenzen sind nun tariflich festgelegt. Burkhard Blienert, der filmpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, betont, neben der Stärkung der Künstlersozialkasse seien neue Regelungen zum Bezug von Arbeitslosengeld I für die in der Regel stets kurz und befristet beschäftigten Schauspieler nötig. n BG

Zum Leben zu wenig: Viele Kulturschaffende leben am Existenzminimum.

K

unst ist schön, macht aber viel Arbeit“, hat der Kabarettkünstler Karl Valentin einmal gesagt. Von ihrer vielen Arbeit zu leben, fällt Kulturschaffenden häufig schwer. Ihr Jahreseinkommen liegt laut Künstlersozialkasse (KSK) bei durchschnittlich 14 557 Euro. Da sind die Gutverdiener mit eingerechnet. Im Schnitt bleiben also gut 1000 Euro im Monat, mit denen die Künstlerinnen und Künstler über die Runden kommen müssen. Von denen zahlen sie nicht nur Miete und Einkäufe, sondern finanzieren auch ihre Kunst: Farben und Pinsel kosten ebenso Geld wie die Produktion von Tonaufnahmen, der Kauf eines Computers zum Schreiben von Texten oder die Utensilien für eine Zaubershow. Viele Künstler leben in prekären Verhältnissen. Deshalb ist es wichtig, einen der zentralen Mechanismen der sozia­ len Absicherung von Kulturschaffenden wieder auf ein solides Fundament zu stellen: die Künstlersozialkasse (KSK). Diese 1983 eingeführte SPD-Erfindung ist einzigartig in Europa. Sie ermöglicht selbstständigen Künstlern und Publizisten den Zugang zur gesetzlichen Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung. Sie zahlen 50 Prozent der Kosten, die andere Hälfte teilen sich der Bund (20 Prozent) und die sogenannten Verwerter (30 Prozent). Also jene Unternehmen, die Aufträge an freie Künstler und P ­ ublizisten

vergeben und mit deren Leistungen Geld verdienen. Sie entrichten eine KSK-Abgabe auf die gezahlten Honorare.

Solidarische Finanzierung Sukzessive stiegen die Höhe der Abgabe und die Zahl der Versicherten. 2007 wurde eine Reform beschlossen: Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) sollte prüfen, ob Unternehmen ihrer Abgabepflicht nachkamen. Knapp zwei Jahre später hatte die DRV zusätzliche 62 Millionen Euro eingetrieben – dabei hatte sie nur zehn Prozent der Unternehmen geprüft. Doch die DRV hat ihre Überprüfungen reduziert, die Zahlen sehen schlechter aus, die KSK wurde wieder in Frage gestellt. Die schwarzgelbe Bundesregierung lehnte eine gesetzliche Regelung zur Überprüfung aller Unternehmen durch die DRV ab. Die SPD schlägt seit langem Alarm. Nun ist die Sanierung im schwarz-roten ­Koalitionsvertrag festgeschrieben: „Wir werden die Künstlersozialkasse erhalten und durch eine regelmäßige Überprüfung der Unternehmen auf ihre Abgabepflicht hin dauerhaft stabilisieren.“ Ein effizientes Prüfverfahren muss her. Denn nur, wenn all jene, die mit Kulturschaffenden Geld verdienen, entsprechende Abgaben zahlen, ist die solidarische Finanzierung der KSK möglich. Als Arbeitsministerin wird Andrea Nahles (SPD) sich nun darum kümmern. n

Foto: bobsairport/Django Knoth

Medienzirkus

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Kultur 31

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m 13. März wird der Preis der Leipziger Buchmesse verliehen. In der Kategorie Belletristik sind in diesem Jahr gleich drei Debüts nominiert: Fabian Hischmanns „Am Ende schmeißen wir mit Gold“ (Berlin Verlag), Per Leos „Flut und Boden“ (KlettCotta) und Katja Petrowskajas „Viel­ leicht Esther“ (Suhrkamp Verlag). Sie ist die einzige Frau in der Kategorie. Und sie ist eine von zwei Nominierten – das ist vielleicht noch bemerkenswerter als der Reigen der Debütanten – deren Mutter­ sprache nicht Deutsch ist. Petrowskaja ist 1970 in Kiew gebo­ ren, seit 15 Jahren lebt sie in Deutsch­ land. Mit der Lesung aus dem Manu­ skript von „Vielleicht Esther“ hat sie im letzten Jahr den Ingeborg-BachmannPreis gewonnen. „Wundervoll, kraftvoll und leicht gewebt“, lautete das Urteil der Jury über den Text der Ukrainerin. Sie sei „noch minderjährig“ in der Deutschen Sprache sagt Petrowskaja über sich und schreibt dabei so leichtfüßig und poe­ tisch, dass die Wucht ihrer Worte umso schwerer wiegt. Petrowskaja erzählt von einer ­Reise in die eigene Familiengeschichte. E ­ine Frau begibt sich auf die Spuren ihrer Ur­ großmutter, die vielleicht Esther hieß, vielleicht auch nicht. Sie ist eine Nach­ geborene, die sich mit Bruchstücken von Information aufmacht, die Geschichte ihrer Familie zu erkunden, die auch die Geschichte der Vernichtung der ost­ europäischen Juden durch die National­ sozialisten ist. „Geschichte ist, wenn es plötzlich keine Menschen mehr gibt, die man fragen kann, sondern nur noch Quellen“, heißt es in dem Buch. Die ­Autorin bewegt sich mit der „auf die Zun­ ge geklebten deutschen Sprache“ durch den „Baumüll der Geschichte“ und zeigt,

vorwärts.de Rezensionen

Die Favoriten der Leser im internet

Zum zehnten Mal wird der Preis der Leipziger Buchmesse verliehen: Aus mehr als 400 Titeln wählt die Jury die Gewinner der Kategorien Belletristik, Sachbuch/Essayistik und Übersetzung.

Liebe Sprache Preis der Leipziger Buchmesse Debütanten und Nicht-Muttersprachler sorgen für Spannung Von Birgit Güll wie Erinnerung sich verändert, wenn die letzten Zeitzeugen verschwunden sind.

Die Fremdsprache als Werkzeug Der zweite Autor, für den Deutsch nicht die Muttersprache ist, ist Saša Stanišic´. 1978 in Bosnien-Herzegowina geboren, kam er als 14-Jähriger mit seinen El­ tern nach Deutschland. 2006 erschien sein Debütroman „Wie der Soldat das Grammofon repariert“, ein eindringli­ ches Buch über den Jugoslawienkrieg, gefärbt von persönlicher Erfahrung. Das Buch ist inzwischen in 30 Spra­ chen übersetzt und Stanišic´ legt mit „Vor dem Fest“ (Luchterhand) seinen

Familienbande

DIE Benjamins Die Geschichte der Familie Walter Benjamins ist zugleich deutsche Geschichte Von Jörg Hafkemeyer

Foto: Marion Blomeyer/bobsairport

E

s ist ein Geschichtsbuch mit dem Titel „Die Benjamins. Eine deut­ sche Familie“. Geschrieben hat es Uwe-Karsten Heye. Es ist ein Buch, das in jede deutsche Schulklasse als Pflicht­ lektüre gehört. Unter anderem weil es so viele deutsche Welten zeigt, auch weil es hervorragend geschrieben ist und weil es beeindruckend durch die Geschichte Deutschlands nach dem Zweiten Welt­ krieg führt. Dabei räumt es mit vor allem im Westen bis heute gepflegten Mythen gründlich auf. Es ist also ein politisch spannendes Buch geworden über die Geschwister

Uwe-Karsten Heye Die Benjamins Eine deutsche Familie Aufbau Verlag 361 Seiten, 22,99 Euro, ISBN 978-3-351-03562-4

zweiten Roman vor. Der spielt im ucker­ märkischen Dorf Fürstenfelde, in der Nacht vor einem traditionellen Fest. Die­ se Nacht verdichtet Stanišic´ zu einem farbsatten Gemälde der Bewohner und der Gegend. Stanišic´ ist ein genauer, ein liebevoller Beobachter. Vier Jahre hat er an dem Buch gearbeitet. Die zweite, die später erlernte Sprache ist sein Werk­ zeug. „Das Deutsche ist eine sehr flexi­ ble, formbare Sprache“, sagt Stanišic´. Nominiert ist neben den vier Genann­ ten der arrivierte Autor Martin Mose­ bach mit seinem Roman „Das Blutbu­ chenfest“ (Hanser). In wenigen Tagen stehen der oder die Gewinnerin fest. n

Walter, Georg und Dora, über die Eltern Emil und Pauline. Über die Zeit zu Be­ ginn des vergangenen Jahrhunderts über die Jahre vor 1933 und über das „Dritte Reich“. „Das Geburtsjahr von Walter Ben­ jamin war 1892,“ schreibt der Autor zu Beginn, „das Todesjahr seiner Schwäge­ rin Hilde Benjamin 1989. Ein deutsches Jahrhundert, von einer Blutspur durch­ zogen, die mit kolonialen Eroberungen des Hohenzollernclans in Afrika vor 1914 begann und mit dem Massensterben in beiden Weltkriegen vorerst endete. Für beide Kriege gibt es eine unübersehbare Verantwortung der Deutschen, die sich in den Schicksalen der Geschwister und in ihren Prägungen spiegelt.“

Deutsche Geschichte ganz privat Genau das ist es, was dieses Buch so interessant macht: Die Verknüpfung der Familiengeschichte mit den Ereig­

Helmut Schmidt Mein Europa. Reden und Aufsätze Verlag Hoffmann und Campe Hamburg 2013, 367 Seiten, 22,99 Euro ISBN 978-3-455-50315-9

Frederick Taylor Inflation. Der Untergang des Geldes in der Weimarer Republik und die Geburt eines deutschen Traumas Siedler Verlag Hamburg 2013, 400 Seiten, 24,99 Euro ISBN 978-3-8275-0011-3

Norbert Bicher, Alfons Pieper Zeitung unter Druck: Plädoyer für ein Kulturgut epubli GmbH, Berlin 2013 288 Seiten, 12,90 Euro ISBN 978-3844272932

nissen. Nur zwei der Akteure überle­ ben das „Dritte Reich“: Hilde Benjamin und ihr Sohn Michael. Ehemann Georg ist von den Nazis umgebracht worden, Walter auf der Flucht ins Exil gestorben. Die Eltern haben das Jahr der „Macht­ ergreifung“ Hitlers nicht mehr erlebt und damit den Untergang ihrer Welt. Die Nationalsozialisten und ihre Millio­ nen Mitläufer richten Deutschland und ­Europa zwölf Jahre lang hin. 1945 ist das nach einem schreckli­ chen Krieg, Millionen Gefallener und Ermordeter vorbei. Der Kalte Krieg be­ ginnt: „Im Westen Deutschlands sorgten die in ihren Ämtern verbliebenen Funk­ tionseliten der Nazis für den gleichen antibolschewistischen Gestus, der zuvor zwölf Jahre lang eingeübt worden war“, schreibt Heye. Der Nationalsozialismus und die eigene Mitschuld an ihm werden in der Bundesrepublik verdrängt. n


32  Historie

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Die DDR war kein Ausland Die Verhandlungen von Gaus und Nier waren allerdings langwierig und hart gewesen. Die Errichtung „Ständiger Vertretungen“ am jeweiligen Sitz der Regierung – also in Bonn und Ost-Berlin – waren bereits im Artikel 8 des Grundlagenvertrags zwischen der DDR und der Bundesrepu­ blik vom 21. Dezember 1972 vereinbart worden. Auf diese Sprachregelung hatte man sich geeinigt, weil die Bundesrepublik jeden Anschein von diplomatischen Beziehungen, wie sie normale Staaten untereinander unterhalten, vermeiden wollte. Die DDR war zwar im Grundlagenvertrag staatsrechtlich als selbstständiger Staat anerkannt worden, nicht jedoch völkerrechtlich. Denn laut Grundgesetz konnte die DDR kein Ausland sein. Nach dem Inkrafttreten des Vertrags am 21. Juni 1973 war Staatssekretär Günter Gaus zum Ständigen Vertreter ernannt worden. Am 28. November 1973 trafen sich die beiden Delegationen zum ersten Mal, um das Zusatzprotokoll zu verhandeln, das die Details des Artikels 8 klären sollte. Die Voraussetzungen wa-

ren schlecht: Die DDR hatte gerade den Zwangsumtausch verdoppelt und damit Besuche in der DDR weiter erschwert. So sollte die Abgrenzung zur Bundesrepublik weiter vorangetrieben werden. Die Bundesregierung hatte ihrerseits angekündigt, das neue Bundesamt für Umweltschutz in Berlin einzurichten, was Ost-Berlin und Moskau als unzulässige Ausweitung der Präsenz der Bundesrepublik in Berlin betrachteten. Zudem waren die Ziele der beiden Verhandlungsführer prinzipiell nicht vereinbar. Gaus sollte „besondere Beziehungen“ zur DDR aufbauen, während Nier „normale zwischenstaatliche Beziehungen“ anstreben sollte.

Verhandeln im Kalten Krieg

Hoffen auf Freiheit: DDR-Flüchtlinge im Garten der Bonner Vertretung in Berlin

schwierige Nachbarschaft Vor 40 Jahren In Bonn wird das Protokoll über die Errichtung Ständiger Vertretungen der Bundesrepublik und der DDR unterzeichnet Von Thomas Horsmann

14. März 1974 in Bonn: Staatssekretär Gaus und Vizeminister Nier unterschreiben.

Klaus Bölling 1981: Ständiger Vertreter in Ost-Berlin

So zeigte sich die DDR bis in den Januar 1974 hinein unnachgiebig. Die Verhandlungen bissen sich an Punkten fest, die eigentlich bereits im Grundlagenvertrag geregelt waren, und immer wieder standen sie kurz vor dem Abbruch. Das wäre fatal für Willy Brandts Entspannungspolitik gewesen, die die Teilung Deutschlands und Europas überwinden sollte. Ein Scheitern der Verhandlungen hätte eine allgemeine Verschlechterung der Beziehungen zwischen West und Ost bedeutet. Daran hatten weder die Sowjetunion noch die USA ein Interesse. Schließlich gibt die DDR doch nach. Am 7. März werden sich Gaus und Nier ­einig. Das Protokoll ist keine Vereinbarung zwischen ausländischen Staaten. Die Ständigen Vertretungen werden nicht Botschaften genannt. Die „Leiter der Ständigen Vertretung“ – nicht Botschafter – akkreditieren sich beim jeweiligen Staatsoberhaupt. Die Angehörigen der Ständigen Vertretungen haben dieselben Rechte wie andere Botschaftsangehörige – ohne tatsächlich Diplomaten zu sein. Schriftlich fixiert wird zudem, dass die Ständige Vertretung in Ost-Berlin die Interessen der West-Berliner vertritt. Am 2. Mai 1974 kann die Ständige Vertretung in Ost-Berlin in der Hannoverschen Straße ihre Arbeit aufnehmen. n

vorwärts-Impressum Die Zeitung der deutschen Sozialdemokratie gegründet 1876 von W. Hasenclever und W. Liebknecht Herausgeberin: Yasmin Fahimi Redaktionsadresse: Berliner vorwärts Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 610322, 10925 Berlin; Tel. 030/25594-100, Fax 030/25594-192, E-Mail: redaktion@vorwaerts.de Chefredakteurin: Karin Nink (V.i.S.d.P.) Redaktion: Lars Haferkamp (Textchef); Dagmar Günther (CvD); Hendrik Rauch (Bildred.); Kai Doering, Carl-Friedrich Höck, Yvonne Holl (Reportage); Vera Rosigkeit (Online); Dr. Susanne Dohrn und Birgit Güll (redaktionelle Mitarbeit); Sarah Kohlhauer (­ Volontärin) Fotografie und Titelgestaltung: Dirk Bleicker Layout: Jana Schulze Korrespondenten: Jörg Hafkemeyer (Berlin), Renate Faerber-Husemann (Bonn), Lutz Hermann (Paris) Geschäftsführung: Guido Schmitz Anzeigen: Nicole Stelzner (Leitung strategische Unternehmensentwicklung und Verkauf); Nele Herrmann Valente, ­Simone Roch, Carlo Schöll und Johann Kleene (Verkauf) Gültige Anzeigenpreisliste: Nr. 37 vom 1.1.2014 Verlags-Sonderseiten: verantw. Guido Schmitz Vertrieb: Stefanie Martin, Tel. 030/25594-130, Fax 030/25594-199 Herstellung: metagate Berlin GmbH Druck: Frankenpost Verlag GmbH, Poststraße 9/11, 95028 Hof Abonnement: IPS Datenservice GmbH, Postfach 1331, 53335 ­Meckenheim; Tel. 02225/7085-366, Fax -399; bei Bestellung Inland: Jahresabopreis 22,– Euro; für Schüler/Studenten 18,– Euro; alle Preise inkl. Versandkosten und 7 Prozent MwSt.; Ausland: Jahresabopreis 22,– Euro zzgl. Versandkosten. Das Abo verlängert sich um ein Jahr, wenn nicht spätestens drei Monate vor Ablauf schriftlich gekündigt wird. Für SPD-Mitglieder ist der Bezugspreis im Mitgliedsbeitrag enthalten (bei Änderungen bitte an den SPD-UB wenden). Bankverbindung: SEB Berlin, BLZ 100 101 11, Konto-Nummer 174 813 69 00 Bei Nichterscheinen der Zeitung oder Nichtlieferung ohne Verschulden des Verlages im Falle höherer Gewalt besteht kein Anspruch auf Leistung, Schadensersatz oder Minderung des Bezugspreises. Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos und Zeichnungen wird keine Haftung übernommen. Mitteilung nach § 7a Berliner Pressegesetz: Alleinige Gesellschafterin der Berliner vorwärts Verlagsgesellschaft mbH ist die Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft mbH, Berlin, deren Gesellschafter sind Herr Dietmar Nietan (94,67 Prozent) und die Solidarität Verwaltungs- und Treuhandgesellschaft mbH, Bonn (5,33 Prozent).

Fotos: dpa/Rainer Klostermeier, dpa /Alfred Hennig, imago/Sven Simon

m 14. März 1974 treffen sich im Bonner Kanzleramt die Delegationen der DDR und der Bundesrepublik, angeführt von den Verhandlungsführern Staatsekretär Günter Gaus und Kurt Nier, Stellvertreter des Außenministers der DDR. Auf dem großen Holztisch liegen zwei Schreibunterlagen, daneben stehen zwei Löschpapierroller und zwei Füllfederhalter bereit. Journalisten, Pressefotografen und Kamerateams warten bereits, als Gaus und Nier am Tisch Platz nehmen und ihre Mitarbeiter sich hinter ihnen versammeln. Dann unterzeichnen die beiden Chefunterhändler das „Protokoll zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der DDR über die Errichtung der Ständigen Vertretungen“. Die Annäherung beider deutscher Staaten im Rahmen der Entspannungspolitik von Bundeskanzler Willy Brandt ist wieder einen Schritt vorangekommen.


Rätsel 33

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kreuzworträtsel Die Fragen und das Kreuzworträtsel darunter ergeben die Lösung.

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Schon in jungen Jahren... trat die engagierte Naturwissenschaftlerin in die Gewerkschaft ein und bekleidete dort verschiedene wichtige Positionen. Vor kurzem wurde sie in eines der höchsten Parteiämter gewählt. Ihr Nachname? 2

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Wer war’s?

Foto: imago/teutopress

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r gilt als einer der klügsten Köpfe der späten Bonner Republik, aber 1987 irrt er gewaltig. Er verkündet das Ende der Grünen auf Bundesebene und sieht die FDP am parlamentarischen Abgrund. Beides geschieht nachweislich nicht und so machte er seinem Nymbus alle Ehre, dass er sehr schnell publiziere und manchmal noch schneller rede. Diese Schnelligkeit sieht der 1939 im heutigen Cheb geborene Böhme als Stärke. 1945 flieht er mit seinen Eltern nach Franken. Zur Schule geht er in Bayreuth und Hannover, wo er 1959 die Reifeprüfung ablegt. Er studiert Zeitungswissenschaften und hat 1968 mit dem Thema „Buchkritik in deutschen Zeitungen“ promoviert. Bereits 1961 wird er Mitglied der SPD um „nicht in die Mitläuferfalle zu tappen, in der sich meine Eltern gefangen hatten“. 1970 rückt er für den Wahlkreis Fürstenfeldbruck in den Bayerischen Landtag ein, aber bereits zwei Jahre später zieht es ihn in den Deutschen Bundestag. 1974 ist er Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft. 1981 wird der „intellektuelle Generalist“, von dem „Der Spiegel“ behauptet, er habe seiner Partei „nie besonders nahe gestanden“, zum Bundesgeschäftsführer ebendieser Partei gewählt. Stimmig an dieser Einschätzung ist nur die Tat­sache, dass er rote Pullover, Bierzelte und Bergmannskapellen nicht mag. Mit gewohnt flinker Zunge verspottet er Gerhard Schröder als „jungen John Wayne der deutschen Politik“, unterstützt aber später dessen Agenda 2010. Nach schwerer Krankheit stirbt der „vernünftige Böhme“ am 25. August 2005 in Zürich. n Unter allen Einsendern verlosen wir eine vorwärts-Tasche. Bitte schicken Sie das Lösungswort mit dem Stichwort „Wer war’s“ bis 21. März 2014 per Post oder per E-Mail an: redaktion@vorwaerts.de

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Dagmar Jander, 42799 Leichlingen

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Historisches Bilder-Rätsel Die Lösung des Bilder-Rätsels aus der vergangenen Ausgabe lautet: Luise Albertz Die vorwärts-Tasche hat gewonnen:

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Es gibt zwei Wege, das Preisrätsel zu lösen: Ratefüchse beantworten zuerst die beiden Fragen. Die ersten drei Buchstaben des ersten ­Lösungswortes sowie der dritte und siebte Buchstabe des zweiten Lösungswortes ergeben in der richtigen Reihenfolge die Lösung. Es geht aber auch einfacher: Die grauen Felder im Kreuzwort­ rätsel e ­ rgeben in der ­richtigen Reihenfolge das Lösungswort. Die Lösung ist ein rechteckiges, in unserem Fall rot-weißes Vorzeigeobjekt.

Als intellektueller Kopf der SPD galt er in den 1980er Jahren. So schnell wie er dachte, konnte er auch reden Von Lothar Pollähne

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Die Hauptstadt... des zweitgrößten Bundeslandes liegt an einem wichtigen Flussübergang, war Residenz einer alten deutschen Dynastie und beherbergt heute die weltweit wichtigste Messe für Informationstechnologien. 1

Gemeinsamer Auftritt 1986 im niedersächsischen Landtagswahlkampf: der Gesuchte mit Johannes Rau, Gerhard Schröder und Wolfgang Clement (v.l.)

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Die Lösung des jüngsten Preisrätsels lautet: AULA Gesucht wurden außerdem: SCHULZ und AACHEN Jeweils ein Buch gewannen: Eva Bentivoglio, 58454 Witten Peter Jakob , 50767 Köln Albert Eidenschink , 94368 Perkam Hildegard Spitzer, 34123 Kassel Werner Blum, 77793 Gutach Sonja Jürgensen, 25866 Mildstedt Hans-Joachim Nemitz, 03222 Lübbenau Ursula Kulla, 90469 Nürnberg Gertrud Lüdiger, 32547 Bad Oeynhausen Casim Willmer, 76571 Gaggenau

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WAAGERECHT 1 Gießgefäß für ein Heißgetränk 9 US-Bürger (ugs.) 10 Kleiderverschluss 12 winterliche Gefahr für den Verkehr 14 heftiger Windstoß 15 großer schwarzer Vogel 16 Fahrt mit einem Segelboot 18 höchste Spielkarte 19 Eskimoboot; Sportpaddelboot 20 Brauch, Sitte (lat.) 22 trockene Halme des

Getreides 25 französischer Philosoph (Jean-Jacques)

SENKRECHT

2 Verfügung 3 kleines, ärmliches Haus 28 niedersächs. Hafen 4 Dienststelle; 30 Schnittblumengefäß Behörde 31 mit den Augen 5 zu keiner Zeit wahrnehmen 6 Begeisterung, 32 italienische GeigenVerzückung bauerfamilie 7 Abendkleid 34 Einfall, Gedanke 8 Vorrichtung zum 36 Augendeckel Heizen, Kochen 37 Schneiderbedarf oder Backen 39 Kurzhalsgiraffe 11 Postgebühr 40 seemännisch: 12 enthülstes Gersten-, Windschattenseite Weizenkorn 41 abwarten (sich ...) 13 widersinnig

17 Buchformat 21 Stadt in NRW 23 Staat in Zentralafrika 24 bewachen 26 verschiedener Ansicht 27 Abenteurer des Meeres 29 Gebärden- und Mienenspiel 32 Affodillgewächs, Heilpflanze 33 bibl. Stammvater 34 Stacheltier 35 Nachlassempfänger 38 getrocknetes Gras

Die richtige Lösung schicken Sie bitte bis zum 21. März 2014 per Post an vorwärts, Postfach 610322, 10925 Berlin oder per E-Mail an raetsel@vorwaerts.de. Bitte Absender nicht vergessen und ausreichend frankieren! Unter den richtigen Einsendungen verlosen wir zehn Bücher.


34  Das Allerletzte

vorwärts 03/2014

EU-Wahl Für die Teilhabe an der europäischen Idee riskieren Menschen ihr Leben. So schlecht kann Europa also nicht sein. Allein deshalb sollten wir wählen Von Martin Kaysh

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as Lied klingt heute, als wolle man ein besonders sanftes Pudelshampoo b ­ ewerben. Auch die Frisuren der jungen Menschen im dazu gehörigen Video scheinen diesem Zweck zu dienen. Aber dann singen die Geföhnten dieser Erde knirschreimend: „Pack an, bevor die Nordsee stirbt und auch der Wald verdirbt.“ Das ist 25 Jahre her, das Lied hieß „Wir sind ­Europa“, wurde produziert von Diether Dehm und veröffentlicht von der SPD. Die holte mit dem Song 37,3 Prozent bei der dazugehörigen Wahl. Bei der zweiten großen euro­ päischen Veranstaltung hätte man so noch besser abgeschnitten, beim Grand Prix d´Eurovision. Ich rief, das mag man heute gegen mich verwenden, im Unterbezirk an und forderte von verblüfften Genossen die sofortige CD-Veröffentlichung. Das Lied war mal

endlich weder kohlianische Bräsigkeit noch EU-Verordnungsgeschwätz auf mittlerem Beamtenniveau. Das Ding war cool, obwohl man damals als ­cooler Mensch noch „geil“ sagte. Das war 1989, kurz vor dem Mauerfall. Seither hat sich viel ­ geändert, nicht nur der Name des ­ Sangeswettstreits. Heute verfasst Diether Dehm zunehmend dehmlichere Texte (dieser Kalauer ist allein dieser Qualität geschuldet) und eiert mit der Linken um Europa herum. Die SPD träumt von dem 89er Ergebnis und scheint manchmal die letzte europäische Bewegung in Deutschland zu sein. Und ich lese immer noch keine Wahlprogramme, bevor ich mein ­Europakreuzchen mache. Ich wähle, allen Ernstes, nach Gefühl. Denn es ist ein schönes Gefühl, wenn im Mai Millionen Menschen

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Ich lese ­immer noch keine Wahl­ programme. Ich ­wähle, ­allen ­Ernstes, nach ­Gefühl. Martin Kaysh

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Von Kiew bis Lampedusa Die kann übrigens so schlecht nicht sein. Wir wissen schon lange, dass unsere tollen deutschen Autos o ­ hne europäische Unterstützung, ohne Lieferungen aus Rumänien, Belgien oder Italien bestenfalls als Seifenkiste den Berg runterrollen würden. Wobei Seifenkisten dann auch keine Familie ernähren. Aber wenn man hinschaut, wie Staaten sich um eine EU-Mitgliedschaft bemühen, in Kiew Menschen für Teilhabe an der europäischen Idee ihr Leben riskieren, wie für ihren Traum von Europa Menschen vor Lampedusa ersaufen, dann kann Europa so schlecht nicht sein. Wir sollten allein deshalb schon wählen, damit Europa so toll wird, wie andere von außen es finden. n

Martin Kaysh ist Kabarettist, Alternativkarnevalist („Geierabend“) und ­Blogger. Er lebt im Ruhrgebiet, freiwillig.

Illustration: christina Bretschneider; Foto: Standout

Mehr als Coole Lieder und ein schöner traum

mit mir europaweit dasselbe tun. Hat man sich früher auf diesem Kontinent meistens getroffen, um sich gegenseitig umzubringen, stimmt man jetzt grenzüberschreitend für eine zart wachsende Demokratie.


Anzeigen-Sonder veröf fentlichung

03-2014

Energiewende 2.0 Foto: Q.pictures/pixelio

Über grüne Energie, staatliche Förderung und die Reform des Erneuerbare-EnergienGesetzes. Ein Themenspezial


Energie

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Bezahlbarer Strom und grüne Energie Die Kosten der Energiewende senken, den Ausbau der Erneuerbaren Energien weiter vorantreiben: die geplante EEG-Reform im Überblick

Verbindliche Ausbaukorridore Mit seinen vom Kabinett beschlossenen Eckpunkten für eine EEG-Reform will ­Gabriel diesen Kostenanstieg eindämmen. Das Ziel der Reform: Sie soll die Energiewende für die Bürgerinnen und Bürger sowie die Industrie günstiger machen. Gleichzeitig soll sie den Ausbau der Er­ neuerbaren Energien konsequent vorantreiben. „Das, was bei uns unter der Überschrift Energiewende debattiert wird, hat nach wie vor das Potenzial zu einem ­ großen wirtschaftlichen, ökologischen und auch sozialen Erfolg“, sagt Sigmar ­Gabriel. Die

Erneuerbaren Energien seien auf dem Weg von einer Nischentechnologie zu einer bestimmenden Technologie, sagt er. Im Umkehrschluss bedeutet das für den Minister: Die Anschubfinanzierung ist gelungen, die Erneuerbaren Energien haben ein Stadium erreicht, in dem sie nicht mehr wie eine Nischentechnologie gefördert werden können. Künftig will Gabriel deshalb verbindlich festschreiben, wie viele neue Wind-, Solar- und Biomasse­ anlangen jährlich gebaut bzw. gefördert werden: Bei der Wind­ energie auf See sollen bis zum Jahr 2020 Anlagen mit einer Gesamtleistung von 6500 Megawatt ans Netz gehen. An Land werden jährlich Windräder mit einer Gesamt-

leistung von maximal 2500 Megawatt gefördert. Dieselbe Maximalleistung gilt für Solaranlagen. Für Bioenergie bleibt ein jährlicher Ausbau von 100 Megawatt. Diese Ausbaukorridore sollen sicherstellen, dass bis 2025 40 bis 45 Prozent unseres Stroms aus Erneuerbaren Energien kommen, die Kosten aber begrenzt bleiben.

EEG-Novelle zum 1. ­August Auch die Fördersätze will der ­ undeswirtschaftsminister senken. B Von bisher durchschnittlich 17 Cent je Kilowattstunde für Windräder, Solar- und Biogasanlagen soll die Vergütung im Jahr 2015 auf im Schnitt nur noch zwölf Cent pro Kilowattstunde sinken. Zudem steigt der marktwirtschaftliche Druck auf die Ökostrom-Erzeuger. B ­ etreiber von größeren Neuanlagen ab ­einer Leistung von 500 Kilowatt müssen ihren Strom künftig selbst vermarkten. Bis 2017 soll diese Pflicht zur Direktvermarktung auch für neue Anlagen ab 100 Kilowatt Leistung gelten. Im Grundsatz festhalten will Gabriel ­ daran, energie­ intensive Unternehmen von der EEG-Umlage zu befreien. Die Ausnahmen sollen dabei auf Unternehmen ­ beschränkt werden, die aufgrund ihrer Wett­ bewerbssituation darauf angewiesen sind. Die Bundesregierung will die EEGNovelle noch vor der parlamentarischen Sommerpause beschließen. Sie soll zum 1. August 2014 in Kraft treten. n

Die Wende hin zu grüner Energie ist geglückt. Doch sie hat die Strompreise steigen lassen. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) will diese Entwicklung mit einer Reform des EEG in den Griff kriegen.

Foto: canstock

Geht es nach den Zahlen, ist das Erneuer­ bare-Energien-Gesetzes (EEG) bisher ein Erfolg. Mit seiner Einführung im Jahr 2000 hat die damalige rot-grüne Bundesregierung die Grundlage für den Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland geschaffen. Mittlerweile sind die Erneuer­baren zu einer tragenden Säule der deutschen Stromversorgung geworden. ­ Ein Viertel des hierzulande produzierten Stroms ist Ökostrom. Über 300 000 neue Arbeitsplätze sind in der Branche ent­ standen. Gleichzeitig treibt dieser Erfolg die Stromkosten in die Höhe. Die Erzeuger von Ökostrom bekommen einen auf 20 ­Jahre garantierten Abnahmepreis für ihren Strom. Dieser liegt jedoch weit über den Preisen an der Strombörse. Die Differenz zahlen die Stromkunden in Form der EEGUmlage. Sie ist seit der Einführung des EEG konsequent gestiegen. Knapp 20 Milliarden Euro haben die Stromkunden im Jahr 2013 für die Umlage bezahlt. „Die Energiekosten haben für private wie gewerbliche Konsumenten mittlerweile die Schmerzgrenze überschritten“, sagt Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD).


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Energie

Erneuerbare Energien im Überblick Die grüne Wende ist in vollem Gang. Wie viel von unserem Strombedarf decken die Erneuerbaren schon ab? Wie sehen die Ziele für die Zukunft aus? Ein Blick auf die Zahlen

Geplanter Ausbau der Erneuerbaren Energien

23,4 %

(Anteil an der Stromversorgung)

in Prozent

220 € So viel zahlt eine vierköpfige Familie durchschnittlich jedes Jahr für die EEG-Umlage

So hoch war der Anteil der ­Erneuerbaren Energien an der Bruttostromerzeugung im Jahr 2013

80

55 – 60 60

380  000

40 – 45 40

25

So viele Arbeitsplätze sind in Deutschland im Bereich der Erneuerbaren Energien entstanden QuelleN: BMWI, Tagesschau

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2013

2025

All unsere Energie für die Zukunft

2035 Quelle: BMWi

Bruttostromerzeugung in Deutschland 2013 in Prozent n n n n n n n

1,1

Erneuerbare Energien Braunkohle Kernenergie Steinkohle Erdgas Mineralöl Sonstige

4,1

10,5

23,4

ERneuerbare EnergieN

Hausmüll *

3,4 4,5 Infografiken: Jana Schulze

15,4

25,8

in Prozent 0,8

19,7

Tradition und Innovation – beides gehört für uns von jeher zusammen. Aus ihnen schöpfen wir unsere Energie für die Zukunft. Schon seit Jahrzehnten setzen wir uns für die effiziente Nutzung von Flüssiggas ein. Gleichzeitig treiben wir neue Technologien in diesem Bereich voran: Kraft-Wärme-Kopplung, Wärmepumpe, die Kombination von Flüssiggas und Solarenergie, um nur drei Beispiele zu nennen. Und als einer der ersten Anbieter haben wir 2011 mit PROGAS biosfair ein klimaneutrales Flüssiggas auf den Markt gebracht. Denn wir wollen unseren Beitrag leisten zu einer nachhaltigen Energiezukunft. Dafür steht PROGAS. Und dafür stehen wir ganz persönlich.

6,8 7,9 *regenerativer Anteil

Wasserkraft * Photovoltaik Biomasse

Achim Rehfeldt, Geschäftsführer

Windkraft Quelle: AG Energiebilanzen, Dezember 2013

www.progas.de

Michael Feld, Geschäftsführer


Energie

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Nach Jahren des Laissez-faire kommt Bewegung in die Energiepolitik. Es geht um nichts weniger als einen notwendigen Neustart. Die IG BCE unterstützt den Bundeswirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel in dem Bemühen, offensichtliche Fehlentwicklungen in der Energiewende zu korrigieren. Der Strukturwandel hin zu den Erneuer­ baren Energien ist zügig voran gekommen – und das ist auch gut so. Allerdings sind die ökonomischen, beschäftigungspoliti­ schen und sozialen Dimensionen eines solchen tiefgreifenden Prozesses nicht gleichrangig beachtet worden.

Die Förderkosten bewegen sich in astronomische Höhen

Der Anstieg der Strompreise verlangt eine Trendumkehr Die IG BCE hält es für notwendig, insbesondere den Anstieg der Strompreise zu reduzieren. Wir erwarten, dass alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, eine zusätzliche Belastung der privaten ­ Verbraucher und der energieintensiven Unternehmen zu vermeiden. Die dramatische Preiserhöhung der vergangenen Jahre ­erfordert eine Trendumkehr. Wir werden die Bundesregierung auf diesem Weg ­konstruktiv begleiten. Die SPD kann Strukturwandel. Sie hat dies zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen gezeigt. Das Ruhrgebiet ist heute ein pulsierendes, lebendiges Wirtschafts­ ­ zentrum von hoher Innovationskraft. Trotz aller Schwierigkeiten: Keine andere Mon-

Energiewende flankieren: Steinkohle-Verstromung kann die Versorgung sichern und die Stromkosten im Zaum halten.

Klimaschutz und Strukturwandel Der Umstieg auf Erneuerbare Energien muss sozial gerecht ablaufen. Ein Beitrag von Michael Vassiliadis, Vorsitzender IG BCE tanregion hat den Strukturwandel besser verkraftet. Auch mit ein wenig Stolz sei festgehalten: Daran hat auch die IG BCE ihren Anteil. Auf die an der Ruhr gemachten Erfahrungen kann heute zurückgegriffen werden. Im Kern ging es dabei immer darum, für eine Balance unterschiedlicher Interessen zu sorgen und zugleich Härten im Wandel zu minimieren.

Strukturwandel ohne soziale Verwerfungen Zum Anspruch meiner Gewerkschaft gehört, Lösungen für offensichtliche Probleme der Energiewende zu erarbeiten. Dazu ein Beispiel. Es liegt geradezu auf der Hand, dass der Markt der SteinkohleVerstromung neu geordnet werden muss. Ziel wäre es, in der Energiewende für eine sichere Stromversorgung zu sorgen

Michael Vassiliadis ist Vorsitzender der IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE)

und zugleich gute Arbeitsplätze in erfolgreichen Unternehmen mit ökologischem Fortschritt zu verbinden. Ökonomische und ökologische Effizienz sind keine Gegensätze, vielmehr bedingen sie einander. Die IG BCE hält es für sinnvoll, die bestehenden Steinkohle-Kraftwerke in eine „Deutsche Steinkohle-Verstromungs-Gesellschaft“ einzubringen. Der Auftrag einer solchen Gesellschaft wäre eine möglichst effi­ ziente und kostengünstige Flankierung der Energiewende und eine gesicherte Stromversorgung. Wir wollen den Erfolg der Energie­ wende, deshalb streiten wir für höhere ökonomische und ökologische Effizienz und mehr soziale Gerechtigkeit. Wir wollen e ­ inen Beitrag leisten für einen Strukturwandel ohne soziale Verwerfungen. n

Fotos: Daniel Reinhardt/dpa, Helge Krückeberg

Schwarz-Gelb hat es versäumt, wichtige Weichenstellungen vorzunehmen und die Dinge einfach laufen lassen. Aus sich selbst heraus jedoch kann die Energie­ wende nicht gelingen. Politische Begleitung ist unerlässlich, der Staat kann nicht außen vor bleiben. Die Impulssubventionen in der Anfangsphase waren richtig und sinnvoll. Mittlerweile ist klar, dass dies so nicht weitergehen kann. Die Förderkosten bewegen sich in astronomischen Höhen. Das ganze System gerät in Schieflage, es drohen ökonomische und soziale Verwerfungen. Am Ende gerät so auch das Ziel eines erfolgreichen Klima- und Umweltschutzes selbst in Gefahr. In der Umweltszene scheint immer noch die Auffassung vorzuherrschen, das alte Förderregime sei auf ewig sakrosankt. Doch der Blick zurück auf die Goldgräberzeiten des Erneuerbare-Energien-Gesetzes kann offenkundigen Veränderungsbedarf nicht ersetzen. Sozialdemokratie und Gewerkschaften haben stets ausgezeichnet, die wirtschaftliche und soziale Realität nicht aus dem Blick zu verlieren. Das gehört zu unserem gemeinsamen Fundus. Dieser Maßstab gilt weiter, jetzt geht es darum, die Energiewende ins Lot zu bringen.


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Energie

„Die Verursacher des Klimaproblems belasten, nicht die Klimaschützer“

Foto: Gerd Engelsmann

Carsten Körnig vom Bundesverband Solarwirtschaft kritisiert die Pläne zur Reformierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes Die Bundesregierung will mit der Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) den Anstieg der Stromkosten eindämmen, dabei aber weiterhin den Ausbau der Erneuerbaren Energien vorantreiben. Der Bundesverband Solarwirtschaft kritisiert die Pläne. Warum? Wir werden die Energiekosten dann stabilisieren, wenn wir Erneuerbare Energien weiter beherzt ausbauen und die noch immer milliardenschweren Subventionen fossiler Energieträger zurückfahren. Anders die Pläne zur EEG-Novelle: Die Energiewende soll gedrosselt, Kosten kaum gespart werden. Die vom Bürger zu tragenden Umwelt- und Folgekosten würden weiter steigen. Was für uns gänzlich unbegreiflich ist: ­Solaranlagen-Betreiber – also Klimaschützer – sollen zukünftig mit einer EEG-Umla-

ge von 4,4 Cent je Kilowattstunde belastet werden. Verursacher des Klimaproblems wie der Kohlebergbau sollen hingegen von der Abgabe weitgehend befreit bleiben. Wenn Bürger und Unternehmer auf eigene Kosten bei der Energiewende mitmachen, sollen sie dafür doch bitte nicht auch noch bestraft werden! Die Photovoltaik-Branche wurde in der Vergangenheit massiv gefördert. Der Ausbau von Solaranlagen ist auch durch diese Anschubfinanzierung inzwischen relativ kostengünstig geworden. Ist es nicht an der Zeit, die staatlich garantierte Förderung zurückzufahren? Allein in der letzten Legislaturperiode konnten die Kosten für schlüsselfertige Solarstromanlagen halbiert werden. Da die Fördersätze von Schwarz-Gelb jedoch

Carsten Körnig ist Haupt­ geschäftsführer des Bundes­ verbandes Solarwirtschaft.

gleichzeitig um 70 Prozent gekappt wurden, ist die Photovoltaik-Nachfrage allein 2013 um mehr als die Hälfte eingebrochen. Der Verlust weiterer zehntausender Arbeitsplätze in der Solarbranche droht, wenn die nächsten Schritte in die Wettbewerbsfähigkeit jetzt nicht mit mehr ­Augenmaß politisch flankiert werden. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, selbst tragende Geschäftsmodelle solarer ­Eigen- und Nahstromversorgung z.B. in der ­Wohnungswirtschaft zu etablieren. Eine EEG-Umlage auf Eigenverbrauch würde diesen Weg jedoch verbauen und die ­Förderabhängigkeit erheblich verlängern. Die Strompreise sind durch die EEG-­ Umlage in den letzen Jahren extrem gestiegen. Welches Rezept haben Sie, um diese Entwicklung einzudämmen? Ein neu installiertes Gigawatt Photovoltaik erhöht den Strompreis nur noch um 0,02 Cent je Kilowattstunde. 75 Prozent unseres deutschen Stroms werden noch aus fossiler Energie erzeugt und vom ­Steuerzahler mit rund 10 Cent je Kilowattstunde über versteckte Abgaben subventioniert. Das sind immerhin 40 Milliarden Euro im Jahr und zeigt, meine ich, wo gespart werden sollte. n ANZEIGE

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03-2014-Anzeigen-sonderveröffentlichung

Von Energie-Reform, Bahnen und Fahrpreisen Die Schienenbahnen sollen künftig mehr zur Finanzierung der Energiewende beitragen. Diese Pläne stoßen auf Kritik Die geplante Reform des ErneuerbareEnergien-Gesetzes (EEG) wird sich auf die Schienenbahnen auswirken. Sie sollen künftig stärker an den Kosten der Energiewende beteiligt werden. Bisher zahlen die Schienenunternehmen bis zu einem Stromverbrauch von 10 Gigawattstunden EEG-Umlage. Alles was sie darüber hinaus an Strom verbrauchen, ist fast vollständig von der Umlage befreit. Das begünstigt große Verkehrsunternehmen wie die Deutsche Bahn und benachteiligt kleine, deren Verbrauch nicht so hoch ist, dass sie von der Befreiung profitieren können.

vermieden“, heißt es im Eckpunkte-Papier. Diesen letzten Punkt begrüßt der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Ansonsten übt er scharfe Kritik an den Plänen von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). „Es ist völlig absurd, dass die Schienenbahnen in Summe mehr bezahlen sollen. Hier würde eine Branche belastet, die nicht jährlich Rekordgewinne erwirtschaftet, sondern täglich umweltfreundlich Menschen und Güter ans Ziel bringt“, so VDV-Präsident Jürgen Fenske. Der VDV kritisiert, dass Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, auch weiterhin von der EEG-Umlage befreit blieben. Schienenbahnen, so die Argumentation des Verbandes, stünden zwar nicht im internationalen Wettbewerb, müssten sich aber gegen Auto und Flugzeug behaupten. Das gilt für den Individual- und den Güterverkehr. Als umweltfreundliche Alternative müssten die Schienenbahnen auch preislich konkurrieren können, argumentiert die Branche.

Kosten für Verbraucher?

Änderung der Ausnahmeregelung Das soll sich ändern. Ab 2015 sollen Schienenbahnen ab 10 Gigawattstunden nicht mehr von der EEG-Umlage befreit sein: Sie sollen 15 Prozent der Umlage bezahlen, bis 2018 wird dieser Prozentsatz schrittweise auf 30 Prozent ansteigen. Dafür wird der volle Umlage-Satz, der bisher bis zu einem Verbrauch von 10 Gigawattstunden gezahlt wird, nur noch bis 3 Gigawattstunden gezahlt. Das wiederum begünstigt kleinere Bahnen. „Dadurch werden Wettbewerbsverzerrungen zwischen verschiedenen Schienenbahnen

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Schienenbahnen sollen stärker an den Kosten der Energiewende beteiligt werden.

Die geplante Reform würde bei den großen Schienenunternehmen Mehrkosten verursachen. Der VDV rechnet in einer ersten Schätzung mit insgesamt 150 Millionen Euro zusätzlich im Jahr 2018. Diese Zusatzkosten würden die Schienenunternehmen wohl über die Ticketpreise auf die Verbraucher umlegen. Der VDV merkt an, dass die Pläne auch die Kommunen belasten könnten. Wenn sie dafür sorgen müssten, dass die Ticketpreise des ÖPNV im Rahmen und die Leistung – also auch die Intervalle von Zügen – aufrecht erhalten bleiben, könnte das die kommunalen Haushalte belasten. n

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Anzeigen-sonderveröffentlichung-03-2014

Bei der Diskussion um die Energie­ wende geht es derzeit vor allem um die ­Strompreise. Welche Rolle spielt der Wärmemarkt? Die meisten Bürger unterschätzen die Menge an Energie, die sie für ihre Heizung brauchen. Gemeinsam mit dem Auto ist die Heizung der größte Energieverbraucher. Die Haushalte geben ungefähr 40 Prozent ihre Energiebudgets dafür aus. Bei der Heizung kann man einerseits CO2 und andererseits Geld einsparen. Die Bundesregierung hat für die ­„Wärmewende“ ehrgeizige Ziele gesteckt, sie will über energetische ­Sanierungen einen nahezu klima­ neutralen Gebäudebestand bis 2050 erreichen. Sie haben gerade eine Studie mit dem Titel „Sanierungs­ fahrpläne für den ­Wärmemarkt“ ­veröffentlicht. Sind die Ziele der Bundes­ regierung realistisch? Sie gehen in die richtige Richtung. Allerdings wird nicht erklärt, wie die Ziele erreicht werden sollen. Deshalb fragen wir in der Studie, wie weit die privaten Hausbesitzer mit ihren verfügbaren Haushaltsmitteln und dem heutigen Technik­ angebot kommen. Wir haben die Hausbesitzer dafür nach ihrer Finanzstärke in drei Kategorien eingeteilt. Was haben Sie herausgefunden? Die oberen Einkommensgruppen kommen den Zielen der Bundesregierung schon sehr nahe. Sie können den CO2-Ausstoß bis 2050 um 80 Prozent reduzieren. Die mittleren Einkommensgruppen kommen dem Ziel annähernd entgegen. Sorgen machen müssen wir uns um die unteren Einkommensgruppen mit einem durchschnittlichen Haushaltseinkommen von 1400 Euro. Diese Gruppe kann keine energeti-

Energie

„Die Heizung ist der größte ­ nergieverbraucher“ E Dr. Timm Kehler, Vorstand des erdgas ­ mobil e. V. im Interview über die Bedeutung des W ­ ärmemarktes für die Energiewende schen Komplettsanierungen ihrer Häuser vornehmen. Zudem handelt es sich oft um Rentner, die auch keinen Zugang zu Finanzierungskrediten haben. Sind die Ziele zu hoch gesteckt? Wir haben festgestellt, dass wir mit dem vorhandenen Budget der Hausbesitzer die Ziele nicht komplett erreichen können. Deshalb muss der Staat hier an bestimmten Punkten eingreifen, zum Beispiel durch eine direkte Förderung.

„Individuelle CO2 Einspar­ziele sind nötig“, sagt Dr. Timm Kehler, Vorstand des erdgas ­mobil e. V. So leiste jeder seinen Anteil zum Erreichen eines ­über­geordneten Klimaschutzzieles.

Kann denn die untere Einkommens­ gruppe überhaupt etwas in Richtung Sanierung unternehmen? Wir gehen davon aus, dass jeder Haushalt dazu in der Lage ist, für den Erhalt seines Eigentums etwas zur Seite zu legen. Die einen mehr, die anderen weniger. Auch der Austausch einer alten Heizung gegen eine neue, der ohnehin gemacht werden muss, ist eine energetische Sanierung. Zudem bringt zum Beispiel der Austausch der alten Ölheizung neben bis zu 40 Prozent CO2-Ersparnis langfristig auch finanzielle Vorteile. Aber wie bringt man jemanden mit 1400 Euro monatlich dazu, sein Haus zu sanieren? Der Gesetzgeber kann diese Hausbesitzer durch ein klares CO2-Einsparziel anregen. Also eine Verpflichtung zur Sanierung? Ja, aber jeder hat eine unterschiedliche Ausgangsposition mit seinem Haus und seinen Mitteln und braucht deshalb ein individuelles Einsparziel. Für den einen ist die effiziente Heizung schon der erste Schritt in eine Wärmewende, der andere hat schon viel gemacht. Bei ihm geht es zum Beispiel um die Dämmung seines Hauses. Das ist ein sozial gerechter Ansatz: Jeder leistet seinen Anteil zum Erreichen eines übergeordneten Klimaschutzzieles. Der Staat gibt das Ziel vor, jeder wählt seinen Weg dahin? Wir haben in der Studie etliche hundert verschiedene Optionen nebeneinander gelegt und sie nach Kosten bewertet. Wichtig ist: Es gibt nicht den einen Fahrplan zur Sanierung, sondern jeder Hausbesitzer muss sich seinen Weg individuell suchen können, denn es geht ja auch um sein Geld, das er möglichst effizient einsetzen soll. Das ist eine Sache, die der Gesetz­ geber ihm nicht abnehmen sollte. n ANZEIGE

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Wind of Change – Windenergie heute Die Windenergie nimmt den ersten Platz unter den Erneuerbaren Energien ein. Sie soll auch weiter gefördert werden – aber anders Sie gehören zur Menschheitsgeschichte wie das Rad oder der Pflug: Windmühlen. Seit Jahrtausenden setzt der Mensch sie ein, zum Beispiel als Mahlwerk für Getreide. Das Prinzip ist so einfach wie genial: Der Wind ist da, er muss nur in Energie umgewandelt werden. Heute sind Windmühlen nur noch dem Namen nach Mühlen. In der Regel mahlen sie kein Getreide mehr, sondern produzieren grünen Strom. Als Windräder erleben sie in Zeiten der Energiewende ein Comeback. Windenergie ist ein zentraler Baustein der Energiewende. 36,5 Prozent unseres grünen Stroms kommen aus der Windkraft – das ist Platz Eins unter den Erneuerbaren Energien. Im Jahr 2011 waren etwa 100 000 Menschen in der Windindustrie beschäftigt.

Fotos: luise/pixelio.de, Dieter Schütz/pixelio.de

Ohne energieintensive Grundstoffe wie Aluminium, Kupfer, Zink, Blei, Nickel, Magnesium und andere Metalle wird kein Kraftwerk gebaut, kein Stromnetz betrieben, kein Strom aus Erneuerbaren produziert und kein Speicher hergestellt.

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Energie

Kritik an Reformplänen Die Pläne für eine Novellierung des Erneuer­bare-Energien-Gesetzes sehen nun vor, den Ausbau – und damit die Förderkosten – von grüner Energie festzuschreiben, um einen weiteren Anstieg der Stromkosten zu vermeiden. So genannte Ausbaukorridore bestimmen, wie viele neue Anlagen gefördert werden. Die Reformpläne für die Windenergie sehen so aus: Windräder an Land sollen bis zu einer maximalen Gesamtleistung von 2500 Megawatt pro Jahr gefördert werden. Wird diese Gesamtleistung erreicht, soll die Vergütung sinken. Im letzten Jahr gingen laut Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) an Land Windräder mit einer Gesamtleistung von exakt 2500 Megawatt ans Netz. Nur einmal in den letzten zehn Jahren waren es mehr.

Trotzdem stoßen die Pläne von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) auf Kritik. „Insgesamt ist eine Deckelung der kostengünstigsten Erneuerbaren Energie Wind an Land volkswirtschaftlich un­ sinnig“, heißt es in einem Positionspapier des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Torsten Albig (SPD). Auch die Chefs der Länder Baden-Württemberg (Winfried Kretschmann, Grüne), Hessen (Volker Bouffier, CDU) und Rheinland-Pfalz (Malu Dreyer, SPD) betonten, dass Windenergie an Land die kostengünstigste Erneuerbare Energie sei, deren Ausbaupotenzial genutzt werden müsse.

Windräder auf See: Sie sollen in Zukunft zur Stromversorgung beitragen.

Zur Stromversorgung der Zukunft sollen auch Offshore-Windparks, also Windräder auf See, beitragen. Dort weht der Wind doppelt so kräftig wie auf dem Land. Allerdings steckt die Offshore-Windkraft noch in den Kinderschuhen. Das liegt auch daran, dass die Installation von Anlagen auf dem Meer komplexer ist als auf dem Land. Außerdem fehlt es an Stromtrassen, die den Strom dorthin transportieren, wo er gebraucht wird. Die Pläne des Wirtschaftsministers sehen vor, bis zum Jahr 2020 eine Offshore-Gesamtleistung von 6500 Megawatt zu erreichen. n

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Weht der Wind, drehen sich die Räder: 36, 5 Prozent ­unseres grünen Stroms ­kommen aus der Windkraft.

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Das Hanseatische Wein & Sekt Kontor ist Versandhändler des Jahres 2013

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11.02.14 14:37


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