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März 2011

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VORWÄRTS.DE: DAS TAGESAKTUELLE DISKUSSIONSPORTAL

€ 2.50 – A 07665

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GEGRÜNDET 1876

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100 JAHRE INTERNATIONALER FRAUENTAG

WAR’S DAS SCHON?! ILLUSTRATION: CHRISTIANE PFOHLMANN

IN DIESEM HEFT SCHREIBEN NUR FRAUEN ANDREA NAHLES / MANUELA SCHWESIG ZUR PRÄIMPLANTATIONSDIAGNOSTIK HELGA GREBING ÜBER DIE VERGESSENEN HELDINNEN DER SOZIALDEMOKRATIE

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ANZEIGE DER DEUTSCHEN POST AG

Mobilisierung durch gezielten Dialog Chancen crossmedialer Wahlkampfkommunikation im Wahljahr 2011 nutzen 2011 steht wieder im Zeichen von Wahlen. An insgesamt acht Terminen sind die Deutschen im Laufe der kommenden Monate dazu aufgerufen, ihr Kreuz auf die Stimmzettel zu setzen. Jede Wahl ist eine große Herausforderung. Dies gilt umso mehr, seit auch Politik und Parteienlandschaft durch gesamtgesellschaftliche Veränderungen einem rasanten Wandel unterliegt. Politikverdrossenheit und Vertrauensverluste auf Seiten der Bürger führten in der Vergangenheit zu hohen Nichtwähleranteilen, unberechenbarem Wahlverhalten und späten, oft emotionalen Wahlentscheidungen Politische Parteien stehen deshalb mehr denn je vor der Herausforderung, Wählerpotenziale zu lokalisieren, sie individuell anzusprechen und letztlich auch tatsächlich zu mobilisieren. In Deutschland hat sich Dialogkommunikation als probates Mittel zur Wählermobilisierung erwiesen. So zeigt beispielsweise eine überparteiliche Kampagne im Vorfeld einer Landtagswahl, wie stark eine persönliche Ansprache die Zielgruppe mobilisieren kann. Vier Wochen vor dem Wahltermin wurden 12.500 Personen über ein adressiertes Mailing mit Responseelement zu einem crossmedialen Dialog über Wahlen eingeladen. Als Diskussionsplattform diente eine ergänzende Website. Zusätzlich erhielten sie wenige Tage vor der

Wahl eine Postkarte mit dem Appell zum Urnengang. Die Kombination von On- und Offlinemedien war äußerst erfolgreich. 63 Prozent der Empfänger gaben an, das Mailing gelesen zu haben. Die Wahlbeteiligung lag im Adressatenkreis bei 76 Prozent und damit 18 Prozent über dem Landesdurchschnitt.

ten, die das politische Angebot der Parteien situativ prüfen und entweder spontan akzeptieren oder verwerfen. Der persönliche Dialog schafft Nähe und Vertrauen. Entscheidend ist, beim Wähler im richtigen Moment die richtige Botschaft zu setzen und potenzielle Wähler gezielt zu mobilisieren.

Die Herausforderungen des Wahlkampfs sind komplex. Wer einen Wahlkampf erfolgreich bestreiten möchte, muss effektiv kommunizieren. Durch Dialogkommunikation gelingt es, individuelle Wählergruppen anzusprechen, mit Botschaften, die genau auf sie zugeschnitten sind. Bekanntlicherweise interessieren sich Erstwähler für andere Dinge als Senioren. Wähler verhalten sich immer mehr wie Konsumen-

Die exklusive Kooperation der Deutschen Post AG mit dem Wahlforschungsinstitut dimap ermöglicht eine Lokalisierung von potenziellen Wählern einer Partei. Mit dem Merkmal Parteiaffinität können erstmals Adressen parteispezifisch aufgewertet und für die individuelle Ansprache nutzbar gemacht werden. Die Berechnung der Daten basiert auf der Verknüpfung soziodemographischer Daten und den tatsäch-

lichen Wahlergebnissen. Die Erhebung und Berechnung der Informationen sind datenschutzrechtlich geprüft. Nur durch den kontinuierlichen Dialog mit den Bürgern können die Parteien in Zukunft das Vertrauen in die Politik und das Interesse an der Wahl stärken. Die Deutsche Post bietet ein umfassendes Portfolio von Dialogkommunikations-Lösungen aus einer Hand. Diese reichen von der zielgenauen Selektion der gewünschten Zielgruppe, über die Anreicherung von Haushaltsadressen mit mikrogeografischen Daten und Wahlaffinitäten bis hin zur Realisierung von innovativen Ansprachekonzepten und deren adressgenauer Zustellung. Das vermeidet Streuverluste und spart Kosten.

Beispiele geeigneter Anlässe für Dialogkommunikation Wahlprogramm: Ob Konjunkturpaket, Rente ab 67 oder Gesundheitsreform – persönliche Briefe erklären den relevanten Zielgruppen die Inhalte, aber vor allem die Vor- und Nachteile von Reformen oder anderen politischen Vorhaben. Weitere Informationen und Antworten auf Bürgerfragen geben Politiker anschließend auf ihrer Website, am Telefon oder durch Zusendung einer Broschüre. Kandidatenpräsentation: Brief sind das ideale Forum, um den Kandidaten für ein politisches Amt inhaltlich und persönlich den Menschen vorzustellen, die ihn oder sie wählen sollen. Der Brief bietet idealerweise den Einstieg für einen Dialog zwischen Kandidat und Wähler.

Fundraising: Ein Wahlkampf ist teuer. Welche politischen Ziele ihre Partei verfolgt und welche Summen sie für den Wahlkampf benötigt, klären Politiker am besten durch Direktansprache der Parteimitglieder und -freunde. Erstwähler: Erstwähler sind über das Melderegister ganz einfach zu identifizieren. Ein Brief beschreibt Neuwählern den genauen Ablauf der Wahl, hebt hervor, wie wichtig die Teilnahme ist und was der Kandidat oder die Kandidatin für junge Menschen unternimmt. Eine Website, eine Hotline oder eine Broschüre stellen ein weiterführendes Informationsangebot dar.


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H RE 100 JA N TAG F R AU E

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INHALT 3

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ELKE FERNER DANKT FÜR DIE REDAKTIONELLE MITARBEIT AN DER AUSGABE DES »VORWÄRTS« ZUM 100. INTERNATIONALEN FRAUENTAG:

TERESA BÜCKER LENA DALDRUP SUSANNE DOHRN BRITTA ERFMANN ALIX FASSMANN BIRGIT GÜLL DAGMAR GÜNTHER NANCY HAUPT YVONNE HOLL MONIKA KOEPP JULIA MAAS BETTINA MARTIN KATRIN MÜNCH ANNEGRET NASSHAN VERA ROSIGKEIT

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TITEL 100 JAHRE FRAUENTAG – WAR’S DAS SCHON?! 4 5 6 6 7 8 8

Renate Faerber-Husemann MÄNNER BRAUCHEN DRUCK Tissy Bruns: DIE HÄLFTE DES HIMMELS Bascha Mika: KOMPLIZINNEN DER UNTERDRÜCKUNG Katja Tichomirowa: SCHWERE KOST Sineb El Masrar: ZWISCHEN MITLEID UND BEVORMUNDUNG Nicole Selmer: RICHTIGER FUSSBALL? RICHTIGE FRAUEN? Susanne Klingner: GLITZER DES ALLTAGS

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KOLUMNEN GLOBAL GEDACHT – Heidemarie Wieczorek-Zeul ZWISCHENRUF – Sonja Pellin, Elena Pieper, Bettina Schulze

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PARTEI LEBEN! CHEFSACHE – MANUELA DIREKT DER ABSOLUTE TRIUMPH DER SPD IN HAMBURG ASF BRAUNSCHWEIG: VORWÄRTS FRAUEN, NACH VORN! BARBARA HACKENSCHMIDT, DIE WIDERSTÄNDIGE

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KONTROVERS ANDREA NAHLES UND MANUELA SCHWESIG ZUR PID

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WIRTSCHAFT GUT GEMACHT: Nadia Qani, Der Weg zum Erfolg MEINE ARBEIT: Alexandra Behnke, Fischverkäuferin

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KULTUR MASKIERT – Werkschau Birgit Jürgenssen in Wien KULTURTIPP von Katrin Budde

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HISTORIE VERGESSENE HELDINNEN von Helga Grebing HERTA GOTTHELF – PLATZ AN DER SPITZE

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NEWS LESERBRIEFE PARLAMENT IMPRESSUM RÄTSELSEITE

ILLUSTRATIONEN: CHRISTIANE PFOHLMANN, ANSGAR LORENZ, FOTOS:DIRK BLEICKER, SEBASTIAN ZAJONZ, DPA

100 Jahre Internationaler Frauentag: War’s das schon?!

14 SPD-Triumph: Olaf Scholz jubelt, er kann Hamburg mit absoluter Mehrheit regieren.

LIEBE LESERINNEN, LIEBE LESER! War´s das schon?! 100 Jahre Frauentag, 100 Jahre Kampf für eine geschlechtergerechte Gesellschaft, und jetzt? Nochmal 100 Jahre? Klar sind Frauen heute gut ausgebildet, erfolgreich und selbstständig. Juristisch sind sie den Männern gleichgestellt. Also alles paletti? Die Lebenswirklichkeit sieht anders aus. Zu oft bestimmen Männer, wo es langgeht, werden Frauen nur als schmückendes Beiwerk gesehen. Die Männer klammern sich an ihre Macht, die Frauen greifen nicht oft genug zu, und deshalb dominieren männliches Platzhirschgehabe und Männerherrlichkeit. Grund genug, um auch den „vorwärts“ mal umzukrempeln. Herausgekommen ist eine wunderbare Ausgabe, die nur von Frauen, jedoch keineswegs nur für Frauen gemacht ist. Diese Ausgabe dreht sich nicht in erster Linie um vermeintlich typische Frauenthemen wie Vereinbarkeit von Kind und Beruf, um Kita-Ausbau oder Quoten. Es geht um eine andere Perspektive, um eine andere Sprache und um den Versuch einer neuen Herangehensweise. Nicht das fertige Ergebnis ist das Spannende an der Politik, sondern die Diskussion und der Austausch verschiedener Meinungen. Die Zeit ist reif für ein wirklich emanzipiertes Bündnis von Frauen und Männern. Vorwärts geht es nur mit Frauen. ■

Herzlichst

Redaktionsschluss 21. Februar 2011

26 Geschichtscomic: Die Frau und die SPD, von Ansgar Lorenz und Maike Rocker

VORWÄRTS-REGIONAL IM MÄRZ BAWÜ: REGION STUTTGART; BERLIN: TEMPELHOF-SCHÖNEBERG

Elke Ferner Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF)


4 TITEL

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MÄNNER BRAUCHEN DRUCK

WAR’S DAS SCHON?! Mehr Macht für Frauen bedeutet weniger Macht für Männer. Das geht nicht ohne Widerstand. Der muss überwunden werden. Das hat schonmal funktioniert Von Renate Faerber-Husemann, Fotografie Gaia Marturano

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üssen wir immer wieder die Kämpfe von gestern kämpfen? Ja, das müssen die jungen Frauen wohl, wenn sie nicht verspielen wollen, was die Generation ihrer Mütter begonnen hat: Nämlich Gleichheit nicht nur vor dem Gesetz, sondern gleiche Chancen in allen Lebensbereichen. Noch nie waren Frauen so gut ausgebildet wie heute. Sie haben häufig bessere Abschlüsse als die gleichaltrigen Männer. Niemand bestreitet ihre Qualifikation und

ihr Recht, sich ihren Lebensweg selbstbestimmt zu wählen. Sie sind ehrgeizig, selbstbewusst, haben in ihren Bewerbungsmappen beeindruckende Lebensläufe – und berufliche Pläne wie ihre männlichen Lebenspartner und Kollegen. Warum bleiben sie dennoch auf halbem Weg stecken? Warum verdienen sie immer noch für gleiche Arbeit weniger als Männer? Warum funktionieren in der Wirtschaft nach wie vor die männlichen Seilschaften? Nur 4 von 183 Vorstän-

den in Dax-30-Konzernen sind Frauen. Deutschland teilt sich laut einer McKinsey-Studie bei den Spitzenjobs die letzten Plätze mit Indien. Und dennoch sagt die Bundeskanzlerin: „Mit dieser Koalition wird es keine Quote geben!“ Die Männer werden es ihr danken. Denn damit zementiert sie eine Männerquote von rund 97 Prozent! Da passt es prächtig, dass die junge Frauenministerin Begriffe wie „Feminismus“ oder „gesetzliche Quote“ so angewidert ausspricht, als seien das Wör-


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TITEL 5

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ter aus der Gosse. Ganz naiv glaubt sie daran, dass die Männer schon freiwillig ihre Machtbastionen aufgeben, „weil die Unternehmen längst erkannt haben, dass sie Frauen an der Spitze brauchen“. In Wahrheit stößt sich der weibliche Nachwuchs wie eh und je an den „gläsernen Decken“ in den Unternehmen die Köpfe blutig. Das hat viele Gründe. Einer der wichtigsten ist, dass angesichts der desolaten Situation in der öffentlichen Kinderbetreuung Frauen sich de facto immer noch zwischen Kindern und Karriere entscheiden müssen. Das hat aber auch zu tun mit der Organisation des von Männern bestimmten Arbeitslebens, das Präsenz bis in die Abendstunden und an Wochenenden fordert. Das hat zu tun mit einem Ehegatten-Splitting, das die Rollen von Ernährer und Zuverdienerin zementiert. Das hat zu tun mit einem System, das Frauen zu Billiglöhnerinnen macht. Sind sie verheiratet und werden arbeitslos, haben sie keinen Anspruch auf Hartz IV, wenn ihr Mann verdient. Die Folge ist: Sie akzeptieren auch Hungerlöhne von 5 Euro die Stunde und weniger. Scheitert ihre „Ernährer“-Ehe irgendwann, dürfen sie sich angesichts entsprechend mieser Renten auf Altersarmut einstellen. Psychologische Gründe kommen dazu: Viele junge Frauen haben bei ihren Müttern gesehen, wie die sich zerrissen haben zwischen den Bedürfnissen von Beruf und Familie, wie erschöpft sie waren vom ewigen Improvisieren und davon, dass sie neben dem Beruf auch die

Familienarbeit weitgehend allein zu leisten hatten. Für die Töchter sind sie deshalb häufig kein Vorbild. So manche der Mütter, die einst die Frauenbewegung getragen haben, kennt den Satz: So wie Du möchte ich nicht leben. Die Folge sind promovierte Hausfrauen, die trotz glänzender Abschlüsse heute zu Hause unbezahlte Nachhilfelehrerinnen ihrer Kinder sind. Es wird also Zeit für eine neue feministische Bewegung. Damit sind nicht nur Netzwerke, Seilschaften nach männlichem Vorbild gemeint, sondern solidarisches Handeln unter Frauen. Veränderungen – gleicher Lohn für gleiche Arbeit, gesetzliche Quotierung bei Karrierejobs, partnerschaftliche Teilung von Familien- und Berufsarbeit, qualitativ hochwertige Kinderbetreuung – wird es nur geben, wenn die Frauen politisch massiv Druck machen. Das hat schon einmal funktioniert, wie der Blick zurück zeigt. Noch bis 1958 entschied in der Bundesrepublik im Streitfall der Ehe-

mann allein, ob seine Frau berufstätig sein durfte oder nicht, wo die Familie lebte, ob eine Waschmaschine angeschafft wurde, welche Schule die Kinder besuchen sollten. Stichentscheid des Ehemanns hieß das und klingt heute wie ein Märchen aus grauen Vorzeiten. Erst das Gleichberechtigungsgesetz machte damit am 1. Juli 1958 Schluss. Die gesetzliche Gleichstellung wurde durchgesetzt – gegen heftige Gegenwehr der Männer, die um ihre Macht fürchteten. Denn jeder Fortschritt für die Frauen bedeutete ja einen Machtverlust für die Männer. Und das ist heute nicht anders. Jeder Chefinnen-Platz für eine Frau ist einer weniger für einen Mann. Und wie kommen die Frauen nun an diese Fleischtöpfe? Ganz einfach, sagt die Präsidentin des Verbandes der Unternehmerinnen, Petra Ledendecker: „Unternehmen brauchen Frauen. Männer brauchen Druck.“■ Renate Faerber-Husemann ist freie Journalistin und Buchautorin.

KAUM FRAUEN IN VORSTÄNDEN LEITUNGSGREMIEN DER 200 GRÖSSTEN UNTERNEHMEN IN DEUTSCHLAND 2009 (ohne Finanzsektor)

FRAUENRECHTE IN DEN SPD-PARTEIPROGRAMMEN

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Abschaffung aller Gesetze, welche die Frau in öffentlich- und privatrechtlicher Beziehung gegenüber dem Mann benachteiligen.

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Erfurter Programm 1891

DARUNTER ALS VORSITZENDE:

812 MÄNNER 21 FRAUEN

186 MÄNNER 1 FRAU

QUELLE: DEUTSCHES INSTITUT FÜR WIRTSCHAFTSFORSCHUNG 2010

DIE HÄLFTE DES HIMMELS 100 JAHRE FRAUENTAG Egal ob man das Glas für halbvoll oder für halbleer erklärt: Der Kampf für die Frauenrechte muss weitergehen

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Gleiche Rechte und gleiche Pflichten aller, ohne Unterschied des Geschlechts.

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Görlitzer Programm 1921

Von Tissy Bruns

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ie erste Frauentagsfeier war ein Sieg, auch einer gegen die Männer in den eigenen Reihen. Theoretisch stand man hinter dem Bekenntnis der Arbeiterbewegung, wonach der gesellschaftliche Fortschritt sich exakt messen lasse an der gesellschaftlichen Stellung des schönen Geschlechts. Einschließlich der Hässlichen, hat Chauvi Karl Marx, Urheber des Zitats, gleich drangehängt – praktisch war es auch damals etwas komplizierter. Clara Zetkin würde unser Wort von der „gläsernen Decke“ spontan verstehen. Schärfer als wir Zeitgenossinnen würde sie sehen, dass keine andere soziale Bewegung die Welt mehr zum Besseren verändert und

ihren Akteurinnen mehr Freiheit, Verantwortung und Einfluss gebracht hat. Hundert Jahre danach sind Frauen überall, auch an der Macht, trotz der Dax-Vorstände, der Niederlagen, der Zwangsehen in Neukölln, der grausamen Unterdrückung in vielen Ländern. Emanzipation und Rückschritt lassen sich nicht exakt messen, und wer das Glas für halbvoll oder halbleer erklären will, verkennt, dass es nie ein Ende der Geschichte von Freiheit und Emanzipation geben wird. Die Frauenbewegung, das ist ihre schönste Tugend, hat mit den Fortschritten für sich selbst immer auch Rechte und Freiheiten für andere erkämpft. Erst als die Frauen wählen durften, fielen

auch die letzten Beschränkungen des Männerwahlrechts. Für die benachteiligten Jungen im Bildungswesen ist, verehrte Frau Frauenministerin, nichts zu erreichen, wenn Sie sich nicht mit Schwung für die wachsende Zahl ihrer allein erziehenden Mütter oder bessere Gehälter für Erzieherinnen ins Getümmel werfen. Die unwiderstehliche Macht der feministischen Idee besteht darin, dass wir nicht mehr als die Hälfte des Himmels wollen. Und dabei wissen: Der Weg ist das Ziel. Die Hälfte, die muss es darum schon sein.■ Tissy Bruns ist Journalistin und leitet das Parlamentsbüro des Berliner "Tagesspiegel".

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Die Gleichberechtigung der Frau muss rechtlich, sozial und wirtschaftlich verwirklicht werden

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Godesberger Programm 1959

ZEITLEISTE + + + 1879 »DIE FRAU UND DER SOZIALISMUS« VON AUGUST BEBEL ERSCHEINT: STANDARDWERK DER SPÄTEREN SOZIALDEMOKRATISCHEN FRAUENBEWEGUNG + + + 1891 ERFURTER PROGRAMM DER SPD ALS ERSTE DEUTSCHE PARTEI FORDERT DIE SPD DAS FRAUENWAHLRECHT + + +


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KOMPLIZINNEN DER UNTERDRÜCKUNG

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MUT ZUR MACHT Frauen müssen aufhören, die männlich dominierten Strukturen zu unterstützen. Das fordert die Autorin Bascha Mika Interview Susanne Dohrn Die „Feigheit der Frauen“, ist der Titel Ihres neuen Buches nicht unfair? Nein, er ist provokant. Frauen können alles, aber verspielen zu oft ihre Möglichkeiten – weil sie Konflikte scheuen. Ich behaupte nicht, dass Frauen schuld an ihrer Misere sind. Den Begriff Schuld benutzte ich gar nicht. Meine These ist: Wir haben männliche Strukturen. Die sind mistig. Daran zu arbeiten ist richtig, aber zuwenig, denn wir kommen voran wie eine Schnecke. Deshalb müssen wir unsere Perspektive erweitern und auch uns selbst in den Blick nehmen. Sie sagen, Frauen machen sich zu Komplizinnen ihrer Unterdrückung… In den privaten Beziehungen, in denen wir Frauen ganz viel Macht haben, unterstützen wir die männlich dominierten Strukturen. Unsere Liebesbeziehungen verhindern, dass wir weiterkommen? Nein. Aber wir Frauen vergessen, dass wir in einer Partnerschaft auf Augenhöhe leben und das – wenn nötig – gegen den Partner durchsetzen müssen, wenn wir frei, gleich und selbstbestimmt sein wollen. Verlangen Frauen zuwenig von ihren Männern? Wenn Frauen nicht in die klassische Rolle von Hausfrau, Mutter und Teilzeitarbeit gedrängt werden wollen, müssen sie sich dem Druck der Gesellschaft und dem aus ihrem unmittelbaren Umfeld widersetzen. Warum ist die klassische Frauenrolle so verlockend? Die Frau hat jemanden, der sie versorgt und sich in der Welt durchschlägt. Sie kann im häuslichen familiären Bereich sehr eigenständig handeln. Aber Frauen, die einen anderen Lebensentwurf hatten, sind irgendwann damit nicht mehr zufrieden. Selbst wenn mit Mann und Kindern alles wunderbar läuft. Meist verdienen Männer mehr. Auch deshalb bleiben sie im Beruf. Beim ersten Kind ist die Differenz meist gar nicht so groß. Wenn also erst die Frau und dann der Mann zu Hause bleiben, ist der Verdienstausfall in etwa gleich groß. Und er wird schnell wieder hereingeholt, weil auch die Frau auf gleicher Qualifikationsebene weiterarbeitet.

Warum legen Sie so großen Wert auf Erwerbsarbeit? Berufsarbeit stiftet Sinn. Sie findet im öffentlichen Raum statt, sie ermöglicht uns, Beziehungen zu knüpfen, Anerkennung zu bekommen, finanziell unabhängig zu sein. Darauf zu verzichten tut Frauen nicht gut. Und wenn gut ausgebildete Frauen nach einer Pause wieder in den Beruf einsteigen wollen, bekommen sie häufig gar nicht die Chance, ihre Qualifikationen voll einzusetzen. Bei einem Teilzeitjob sind sie meist nicht in der Lage, sich und ihre Kinder notfalls auch allein zu ernähren. ■

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Wer die menschliche Gesellschaft will, muss die männliche überwinden.

7,5%

FRANKREICH

15,8%

SPANIEN

17,6%

SCHWEDEN

17,9%

GROSSBRITANNIEN

21,1%

DEUTSCHLAND

23,0%

NIEDERLANDE

23,6%

DURCHSCHNITT EU-27*

17,4%

*VORLÄUFIGE WERTE; QUELLE: EUROSTAT 2007 © HANS-BÖCKLER-STIFTUNG 2009

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Berliner Programm 1989 und Hamburger Programm 2007

Bascha Mika ist Autorin, Journalistin und frühere Chefredakteurin der „taz“. Bascha Mika DIE FEIGHEIT DER FRAUEN Rollenfallen und Geiselmentalität – Eine Streitschrift wider den Selbstbetrug, C. Bertelsmann Verlag, München 2011, 256 Seiten, 14,99 Euro, ISBN 978-3-570-10070-7

POLEN

»Den Eiertanz um die Frauenquote finde ich skandalös.« Tina Neuhardt, Jahrgang 1951, hat in den 70er Jahren den Kampf um mehr Rechte für Frauen hautnah erlebt. Heute ist die Wahl-Berlinerin enttäuscht: »Vor allem im Arbeitsleben treten wir immer noch auf der Stelle.« Für sich persönlich hat Neuhardt mit dem Frauenkollektiv eine Nische gefunden.

SCHWERE KOST GLEICHSTELLUNGSBERICHT Er legt die Schwäche schwarzgelber Frauenpolitik offen. Für Ministerin Kristina Schröder mehr als nur unangenehm Von Katja Tichomirowa

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ass der Erste Gleichstellungsbericht der Bundesregierung ein paar unangenehme Wahrheiten enthalten würde, dürfte Ursula von der Leyen schon klar gewesen sein, als sie ihn 2008 in Auftrag gab. Schließlich wünschte sie sich „neue Antworten auf Fragen der Gleichstellungspolitik“ und „politisch verwertbare Empfehlungen“. Für ihre Nachfolgerin Kristina Schröder sind die Handlungsempfehlungen der Sachverständigenkommission indes nicht mehr nur unangenehm: Die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns, Rückführung statt Förderung sogenannter Minijobs, ein gesetzlicher Anspruch auf Entgeltgleichheit bei gleichwertiger Arbeit, Abschaffung des Ehegattensplittings, Einführung einer Geschlechterquote in Aufsichtsräten – schwer verdauliche Kost für die Familienministerin. Fortschritte in der Gleichstellung von Männern und Frauen? Gab es, stellt die Kommission fest. Allerdings vermisst sie eine klare Weichenstellung. Stattdessen biete die Gleichstellungspolitik seit Jahr und Tag Anreize für völlig unterschiedliche Lebensmodelle, was zur Folge hat, dass sich die gewünschten Effekte nicht selten gegenseitig aufheben. Was in einer Lebensphase an Unterstützung gewährt werde, bricht in der nächsten ab oder

+ + + 1906 FRAUENWAHLRECHT IN FINNLAND ERSTMALS AUF DER WELT DÜRFEN FRAUEN WÄHLEN + + + 1908 FRAU DÜRFEN NACH DEM PREUSSISCHEN VEREINSGESETZ MITGLIED EINER PARTEI WERDEN LUISE ZIETZ WIRD BIS 1917 ALS ERSTE FRAU MITGLIED IM SPD-PARTEIVORSTAND + + +


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ZWISCHEN MITLEID UND BEVORMUNDUNG MUSLIMA Die muslimische Frau gibt es nicht, genau so wenig wie die Christin, die Jüdin oder die Deutsche Von Sineb El Masrar

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führt in eine gänzlich andere Richtung. Eine Politik, die auf eine wirkliche Gleichstellung abziele, müsse Fehlanreize vermeiden, fordert die Sachverständigenkommission. Fehlanreize wie das Ehegattensplitting etwa. Es begünstigt das klassische Ernährermodell. Ist die Ehefrau dazu noch beitragsfrei in der Krankenkasse des Ehemanns mitversichert, ist dies ein deutlicher Anreiz für Frauen, entweder überhaupt nicht oder nur geringfügig beschäftigt zu sein. Ein Risiko für Frauen, warnen die Sachverständigen. Die auf Lebenszeit begründete arbeitsteilige Ehe ist ein Auslaufmodell. Sie empfehlen, die steuerlichen Vorteile des Ehegattensplittings mittelfristig zu verringern und auf lange Sicht durch eine Individualbesteuerung zu ersetzen. Es wird spannend sein, zu beobachten, was die Bundesregierung mit diesem Sachverständigenrat anfangen wird. Der große Wurf, der die Gleichstellungspolitik von ihrem grundlegenden Gebrechen befreien würde, als „Gedöns“ gehandelt zu werden, ist wohl nicht zu erwarten. An den Schröders ist er noch immer gescheitert. ■ Katja Tichomirowa ist Redakteurin der Dumont-Redaktionsgemeinschaft.(Berliner Zeitung, Frankfurter Rundschau u.a.).

»Wenn eine bekennende Feministin zur Bundesverfassungsrichterin ernannt wird, kann es so schlecht um die Rechte der Frauen in Deutschland nicht bestellt sein«. Beate Brosig, Jahrgang 1961, hat sich riesig über die Wahl von Susanne Baer gefreut. »Das wäre doch vor 20 Jahren noch nicht möglich gewesen«, glaubt die gelernte Bauzeichnerin und Dritte im Bunde des Frauenkollektivs.

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Rechtliche Gleichstellung ist noch keine tatsächliche Gleichstellung. Deshalb brauchen wir eine aktive Frauenförderung.

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Hamburger Programm 2007

ie ist in aller Munde, die junge muslimische Frau. Sie steht im Fokus einer Diskussion, die gern als Integrations- oder Islamdebatte bezeichnet wird. Ob Politik, Medien oder Stammtisch, niemand lässt es sich nehmen, über diese schleierhafte Persönlichkeit zu streiten. Das viele Reden lässt die Fragen aber nicht weniger werden. Die Antworten darauf sollen mit den eigenen eingeschränkten Erfahrungen und dem Wissensstand im Einklang stehen und dürfen keineswegs komplex sein. Warum muss eine Muslima ein Kopftuch tragen? Warum hat sie keine eigene Sexualität? Warum lebt sie nicht endlich mitten unter uns, wie wir? Ja, warum eigentlich? Und könnte es vielleicht sein, dass die muslimische Frau, von der hier immer die Rede ist, genauso wenig existiert wie die Christin, die Jüdin oder die Deutsche? Und ist es möglich, dass wir alle in einer Gesellschaft leben, die eine Aufnahme in die Mehrheitsgesellschaft aufgrund von Andersartigkeit erschwert? Viele, die sich in der Denkertradition großer Philosophen sehen, fordern am lautesten eine Aufklärung und die Befreiung der muslimischen Frau. Entgeht ihnen aber gänzlich, wie ihre bewusste oder unbewusste Ignoranz zu einer Ausgrenzung führt? Reflexionsanstöße hätte Hegels Gedanke geben können: „Aufklärung des Verstands macht zwar klüger, aber nicht besser.“ Denn wie sieht der Alltag und das Leben dieser Frauen in unserem Land aus, und wie aufrichtig ist das Interesse daran? Die muslimische Frau gibt es zwar nicht, aber was diesen muslimisch geprägten

Frauen gemein ist, das ist ein ununterbrochener Kampf, den sie an allen Fronten beinahe allein ausfechten müssen. Ob im Schulwesen, wo sie heute noch aufgrund ihrer Herkunft nicht nur schlechter bewertet werden, sondern unverblümt gesagt bekommen, dass sie als muslimisches Mädchen ohnehin keine Rechte haben. Im Berufsleben überzeugen hervorragende Noten und Abschlüsse weniger, das Tuch auf dem Kopf aber rechtfertigt Absagen. Beides Bereiche, die Unabhängigkeit und Aufstieg erst möglich machten. Daheim heißt es dagegen, Contenance bewahren und die Defizite der Eltern – meistens sprachlicher Natur – auszugleichen. Nicht selten sind sie Privatsekretärinnen und Pflegerinnen in persona. Bemerkenswert daher ihre Erfolge, sofern man sie gesellschaftlich partizipieren lässt. Sie sind Akademikerinnen, Unternehmerinnen, Angestellte und meistern den Spagat zwischen Beruf und Familie. Diese Frauen erfahren in der Mehrheit statt Unterstützung und Anerkennung für ihre Persönlichkeit und Leistung nur Mitleid und Bevormundung. Das, was sie sich hingegen wünschen, ist das Recht auf Entfaltung und Entscheidungsfreiheit. Die Lebensentscheidungen und Kleidungsform mögen einigen missfallen, doch gleiches Recht ist keine Frage des Geschmacks, das wir nur jenen zugestehen, die uns in ihrer Lebensform und Äußerlichkeit ähneln. ■ Sineb el Masrar gründete das multikulturelle Frauenmagazin Gazelle, ist Teilnehmerin der Deutschen Islamkonferenz und Buchautorin.

BERUFSWAHL: FRAUEN ALS DIENSTLEISTER – MÄNNER ALS HANDWERKER Beliebteste Ausbildungen*bei Frauen (2009)

Beliebteste Ausbildungen*bei Männern (2009) KFZ-MECHATRONIKER

KAUFFRAU IM EINZELHANDEL 7,3% VERKÄUFERIN 7,0% BÜROKAUFFRAU 6,3% MEDIZINISCHE FACHANGESTELLTE 5,8% FRISEURIN 5,7% *neu abgeschlossene Ausbildungsverträge 2009

5,4% KAUFMANN IM EINZELHANDEL 4,2% INDUSTRIEMECHANIKER 4,1% KOCH 3,6% ELEKTRONIKER 3,2% QUELLE: BUNDESINSTITUT FÜR BERUFSBILDUNG 2010

+ + + 1911 ERSTER INTERNATIONALER FRAUENTAG WIRD AUF INITIATIVE VON CLARA ZETKIN ZUR MOBILISIERUNG FÜR DAS FRAUENWAHLRECHT GENUTZT + + + 1917 SPALTUNG DER ARBEITERBEWEGUNG LUISE ZIETZ GRÜNDET DIE USPD MIT, CLARA ZETKIN TRITT 1919 IN DIE KPD EIN + + +


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RICHTIGER FUSSBALL? RICHTIGE FRAUEN? MÄNNERDOMÄNE Fußballerinnen müssen kämpfen – auch gegen viele Vorurteile Von Nicole Selmer

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rauenfußball in Deutschland – eine Erfolgsgeschichte. Für die Weltmeisterschaft 2011 werden volle Stadien erwartet, und sogar Fußballmachos wagen es kaum noch, die Existenzberechtigung dieses Sports zu hinterfragen. Und das alles „nur“ rund 40 Jahre, nachdem der Deutsche Fußball-Bund (DFB) das Verbot, Frauen in seinen Mitgliedsvereinen offiziell Fußball spielen zu lassen, aufgehoben hat. In der DDR gab es ein solches Verbot übrigens nicht, Frauenfußball wurde geduldet, als nicht-olympische Sportart allerdings nicht gefördert. Gespielt haben Frauen trotz des Verbots auch in der Bundesrepublik, und zwar schon lange vorher, eben außerhalb der Verbandsstrukturen. Die historische Aufarbeitung dieser weitgehend ungeschriebenen Geschichte kickender Frauen steht erst am Anfang. Frauenfußball hatte mit Vorurteilen zu kämpfen, die auf den Punkt gebracht so lauten: unästhetisch, ungesund, unweiblich. Richtiger Fußball sei das nicht, der werde schließlich von richtigen Männer gespielt. Zeit und Einsicht haben einige von diesen Vorurteilen zum Verschwinden gebracht: Als ungesund für Frauen, weil womöglich eine Gefahr für ihre Gebärfähigkeit, gilt Fußball heute in Deutschland nicht mehr. Und unweiblich? Hier fällt die Antwort schwerer, denn das Klischee vom Lesbensport, von „Mannweibern“ mit dicken Oberschenkeln hat weiter Bestand und ist auch nicht nur ein Klischee. Manche Fußballerinnen sind lesbisch, trainierte Oberschenkel sind dicker als untrainierte, und beides entspricht nicht dem klassischen Weiblichkeitsideal. In seiner Werbung für die WM 2011 setzt der DFB jedoch voll auf Schönheit und Weiblichkeit: „20ELF von seiner schönsten Seite“ lautet der Slogan, und der Pressetext dazu schwärmt von „hübschen Frauen und Mädchen in aller Welt“, die „dem runden Leder hinterher jagen“. Kürzlich wurden sogar zwei Barbiepuppen präsentiert, die Bundestrainerin Silvia Neid und Nationalspielerin Birgit Prinz darstellen sollten. Barbie – die Ikone weißer Weiblichkeit – spielt nun also auch den Männersport Fußball. Allerdings mit einem Barbie-Körper und dünnen Beinchen, die wohl keinen Ball ins Tor befördern könnten.

Fast noch wichtiger als Barbies Maße ist jedoch, dass sie nicht Fußball spielt, sondern eben Frauenfußball. Denn die Grundlage für die Aufmerksamkeit und Anerkennung, die dem Sport der Frauen zuteil wird, ist der Konsens, dass es sich um eine andere Sportart handelt. Frauenfußball gilt, um es in der Werbesprache zu sagen, als „eigenständige Marke“. Frauenfußball, so heißt es, habe besondere Qualitäten wie etwa mehr Technik und weniger Fouls, die ihn vom „echten“ Fußball unterscheiden. Der nämlich wird weiterhin von den Männern gespielt. Das drückt sich auch in den offiziellen Bezeichnungen der Weltmeisterschaften aus: 2006 fand die „Fifa Fußball-Weltmeisterschaft“ in Deutschland statt, 2011 die „Fifa Frauen-Weltmeisterschaft“. Der Fußball ist aus diesem Namen verschwunden, angetreten wird anscheinend in der Disziplin „Frauen“. ■ Nicole Selmer schreibt in Büchern, Zeitungen und Blogs über (Frauen-)fußball.

»Es fehlen Frauen, die vorneweg gehen«. Karin Erben, Jahrgang 1958, fragt sich, wo die junge Generation ihre Vorbilder hernehmen soll. »Vorgelebt wird doch noch immer ein Rollenverständnis wie im Wilden Westen«, ärgert sie sich. Nicht um Vorstandsetagen und Ministerposten geht es der gelernten Tischlerin, sondern um den Alltag »normaler« Frauen.

vorwärts.de HINTERGRUND

100 Jahre

Internationaler Frauentag MITREDEN & BLOGGEN: vorwärts.de/frauentag

GLITZER DES ALLTAGS FRAUENZEITSCHRIFTEN Für wie doof halten die uns? Von Susanne Klingner

W

ie jeder Mensch muss auch ich manchmal zum Arzt – wo ich im Wartezimmer durch Frauenzeitschriften blättere. Beim Lesen denke ich, ich könnte ja wirklich mal wieder zum Friseur gehen, und ich sollte doch endlich mal eine Creme mit Collagen ausprobieren. Von Seite zu Seite bin ich mir sicherer: Ich könnte mit ein bisschen mehr Konsum ein besseres Leben führen, eines mit mehr Glitzer drauf. Später lache ich mich aus, weil ich so billig zu manipulieren bin. Und finde Frauenzeitschriften so doof wie vorher. Dabei hätten wir kein größeres Problem miteinander, würden sie allesamt Mode- oder Beautymagazine heißen. Aber sie nennen sich „Frauenmagazine“ und behaupten somit, ein Frauenleben werde vor allem durch die Koordinaten Mode, Schminke, Sex und Diäten bestimmt. Bei Anzeigenkunden mag diese Mischung Jubel auslösen. Dass die Leserinnen sich nicht beschweren, so massiv unterschätzt zu werden, wundert mich. Frauenzeitschriften sollen Traumwelten sein? Entschuldigung: Das letzte, wovon ich träume, ist unterschätzt zu werden. Das passiert mir schon im echten Leben oft genug. Gerade weil ich eine Frau bin. Eine „Frauenzeitschrift“, die diesen Namen auch verdient und die ich auch außerhalb des Wartezimmers lesen würde, müsste mich vor allem ernst nehmen. Klar interessieren mich auch die neuesten Trends in der Mode. Aber eben nicht nur. Sondern auch, was im Bundestag besprochen wird oder welche Entwicklungen es im Wirtschaftsleben gibt. Und nicht zuletzt ganz einfach der Alltag von Frauen: Wie leben sie heute? Was interessiert sie? Was bringt sie zum Lachen, zum Weinen? Ein solcher Themenmix würde das ganze Konzept dieser Hefte umkehren. Sie würden mir nicht länger vermitteln: Hey, dein Alltag ist so langweilig und grau, wir stellen dir mal die neuesten „aufregenden“ Handtaschen-Trends vor, damit du was zu lachen hast. So ein Heft wäre kreativ, neugierig, lebensbejahend. Und es würde mich und all die anderen Frauen nicht nur als Konsumentin ernst nehmen, sondern als komplexes Individuum. ■ Susanne Klingner schreibt unter anderem für taz, Süddeutsche Zeitung, Nido und den feministischen Blog maedchenmannschaft.net. vorwärts.de/Frauenzeitschriften

+ + + 1919 FRAUENWAHLRECHT IN DEUTSCHLAND ERSTMALS AM 19. JANUAR 1919 BEI DEN WAHLEN ZUR NATIONALVERSAMMLUNG, GLEICHBERECHTIGUNG BEKOMMT VERFASSUNGSRANG + + + 1920 ERSTES MUTTERSCHUTZGESETZ AUF INITIATVE VON LOUISE SCHRÖDER + + +


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NEWS 9

vorwärts

HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH

EIN BLENDER STÜRZT AB

www.vorwärts.de

KARL-THEODOR ZU GUTTENBERG Vom Hoffnungsträger zum Lügenbaron – der »große Kommunikator« der CSU versagt in eigener Sache

FRAUEN-MEINUNGEN „Ist der 100. Internationale Frauentag eher ein Grund zu feiern oder zu trauern?“, fragt vorwärts-Bloggerin Nadine Adam. Sie und viele andere haben sich auf vorwärts.de Gedanken über die Stellung der Frau im 21. Jahrhundert gemacht. Die Redaktion hat sie in einem Schwerpunkt zusammengefasst. Nadine Adam beantwortet die Frage mit einem klaren Weder-Noch. Angesichts von Alltagsstress habe frau keine Zeit – weder zum Feiern, noch zum Trauern. ■ SW vorwärts.de/frauentag

VON DEN USA LERNEN Der Frauenanteil in der Führungsebene amerikanischer Unternehmen und Universitäten ist deutlich höher als in Deutschland. In ihrem Komentar erklärt Sabine Lang von der „University of Washington“, warum das so ist und was sich hierzulande ändern muss. ■ SW vorwärts.de/lang

Ilse Walz Stuttgart zum 100. Geburtstag Alfred Meininghaus ehem. MdB Friedel Schirmer ehem. MdB Hermann Schueler ehem. Vorwärts-Chefredakteur zum 85. Geburtstag Klaus Lohmann ehem. MdB Jürgen Meyer ehem. MdB zum 75. Geburtstag Günter Schlatter ehem. MdB zum 70. Geburtstag

K

arl-Theodor zu Guttenberg hat seinen Doktortitel abgelegt. Viele Teile seiner 2006 eingereichten Dissertationsschrift stammen von fremden Autoren. Nach Tagen des Zögerns sprach der Bundesverteidigungsminister von „Blödsinn, den ich geschrieben habe”. Ob er den „Blödsinn” tatsächlich selbst geschrieben hat, blieb einstweilen offen. Ein Rezensent der Zeitschrift „Kritische Justiz” hat den Skandal aufgedeckt. Das Medienecho war für den Freiherrn aus Bayern verheerend. Die FAZ: „Wer hier am Werk war, wusste, was er tat, und dass es nicht gestattet ist.” Die Universität Bayreuth, die Guttenbergs Dissertation mit der Bestnote „summa cum laude” bewertet hat, sah sich bloßgestellt. Guttenbergs angeblich glänzende Arbeit enthält nach Meinung neutraler Gutachter kaum originelle Gedanken. Was hat die Professores verleitet, das Machwerk dennoch mit höchsten akademischen Weihen zu versehen? Die Beziehung zwischen baye-

rischen Staatshochschulen und der selbsternannten Staatspartei CSU sieht sich jetzt einer kritischen Prüfung ausgesetzt. Sogar die Einleitung der Arbeit entpuppte sich als Fremdprodukt. Die Passauer Politikwissenschaftlerin Barbara Zehnpfennig, bei der Guttenberg seine vermeintlichen Zentralgedanken abgekupfert hat, sprach von einem Verstoß „gegen alle Regeln wissenschaftlichen Arbeitens”. (Mehr dazu im Internet unter guttenplag.wikia.com) Statt Fehler zuzugeben und Demut zu zeigen, ging Guttenberg zunächst seine Kritiker an – und Fragen aus dem Weg. Er bot, in den Worten der FAZ, „die toten Soldaten in Afghanistan” auf, „um den Verdacht einer Täuschung mit anschließender Lüge als Petitesse darzustellen.” Die Süddeutsche Zeitung nannte das Krisenmanagement des SelbstVerteidigungsministers „täppisch”. ■ RED Im nächsten Heft lesen Sie an dieser Stelle wieder die „Berliner Notizen“ von Uwe Knüpfer. ANZEIGE


10 NEWS

vorwärts 03/2011

Reiseangebote für vorwärts - Leser

All Inclusive : Flussreise mit MS Switzerland

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Reisetermine: 07.05.-14.05.2011 04.06.-11.06.2011 11.06.-18.06.2011 10.07.-17.07.2011 24.07.-31.07.2011 14.08.-21.08.2011 21.08.-28.08.2011 27.09.-04.10.2011

Frankfurt – Mainz – Zell – Bernkastel-Kues – Trier – Cochem – Koblenz - Rüdesheim – Frankfurt * 2-Bett Außenkabine pro Person ab ` 999,-

WESTFALEN IM HERZEN Es war keine einfache Aufgabe, doch Hannelore Kraft meisterte sie mit Bravour. „Westfalen – Stiefkind oder Stärke in NRW?“ lautete die Frage, zu der die Ministerpräsidentin im westfälischen Dortmund Stellung beziehen sollte. Kraft, selbst Rheinländerin, fand eine diplomatische Antwort: Natürlich werde keiner der beiden Landesteile bevorzugt oder benachteiligt. Und ansonsten gelte: „Wir haben Westfalen im Blick und im Herzen.“ ■ SW

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Stoppen Sie mit uns die Ferkelkastration ohne Betäubung ! Tiere leiden wie wir.

NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft

SONNEN-ORDEN Der „Orden der aufgehenden Sonne“ ist die höchste Auszeichnung, die einem Ausländer in Japan verliehen werden kann. Die frühere schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis gehört seit kurzem zu den Trägern. Der japanische Kaiser Akihito würdigte mit dem Orden Simonis’ Verdienste „zur Förderung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen Japan und Deutschland“. Simonis lebte einige Zeit in Japan und setzte sich als Ministerpräsidentin u.a. für Schulpartnerschaften ein. Den Orden mit dem klangvollen Namen nahm sie in Kiel aus den Händen von Generalkonsul Seisume Narumiya entgegen – und bedankte sich natürlich auf japanisch. ■ SW

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THEODOR-HEUSS-PREIS Es ist eine Auszeichung für sein Lebenswerk. Der Physiker, Ökologe und SPDPolitiker Ernst Ulrich von Weizsäcker erhält „für seine wegweisenden Beiträge zum Klimawandel und Umweltschutz“ den diesjährigen Theodor-Heuss-Preis. Die Ehrung wird seit 1965 für Vorbilder demokratischen Verhaltens und freiheitlicher Gestaltung des Zusammenlebens verliehen. Die diesjährige Verleihung findet am 9. April im „Weißen Saal“ des Neuen Schlosses in Stuttgart statt. Die Laudatio hält der Europaabgeordnete Sven Giegold. ■ SW Für ein neues Tierschutzgesetz. www.tierschutzbund.de

GLOBAL GEDACHT Von Heidemarie Wieczorek-Zeul Ich bin froh, dass ich als Entwicklungsministerin mit denen zusammenarbeiten konnte, die in den arabischen Ländern frühzeitig für Frauen- und Menschenrechte und Zugang der Frauen zu Bildung eintraten. Sie haben ihre Forderungen seit rund einem Jahrzehnt zum Beispiel im „UN-Bericht zur menschlichen Entwicklung in den arabischen Ländern“ publiziert. Ihre Forderung nach Gleichstellung der Frauen sahen sie als Frage der Demokratie, aber auch als wichtige Voraussetzung, um die wirtschaftliche Stagnation ihrer Länder zu überwinden. Jetzt trägt ihr Engagement Früchte: Die Frauen in den arabischen Ländern sind ein treibender Teil der Demokratiebewegung und der Demokratieprozesse in ihren Ländern. Die Frauen wissen – wie in jeder revolutionären Bewegung – dass die notwendigen Veränderungen ihrer Gesellschaften auch ihre Rolle positiv verändern werden. Sie werden sich nicht mehr zurückdrängen lassen. Das ist auch für unser Verständnis in den europäischen Ländern wichtig: Gleichberechtigung der Frauen, Demokratie und Islam können zusammengehen. Darüber werden wir nicht vergessen, dass es in vielen konservativen arabischen Ländern massiver gesetzlicher, aber auch gesellschaftlicher Veränderungen bedarf, um die Gleichberechtigung von Frauen voranzubringen. Angefangen von der Überwindung autoritärer patriarchaler Strukturen und der Gewalt gegen Frauen über ihre volle rechtliche Gleichstellung und Änderung des Familienrechtes, über ihre Vertretung in den politischen Entscheidungsgremien und ihre Beteiligung am öffentlichen Leben bis zum Kampf gegen Frühverheiratung und für ihre sexuelle Selbstbestimmung. Der 100. Geburtstag des Internationalen Frauentages ist uns Anlass zu erinnern: Wer die menschliche Gesellschaft will, muss die männliche Gesellschaft überwinden – gerade auch in arabischen Ländern. ■ Heidemarie Wieczorek-Zeul, ist Bundesentwicklungsministerin a.D. und MdB In der nächsten Ausgabe „Global gedacht“ wieder von Rafael Seligmann

+ + + 1925 UNVERBINDLICHE FRAUENQUOTE IM HEIDELBERGER PROGRAMM ÄMTER UND MANDATE SOLLEN DEM MITGLIEDERANTEIL ENTSPRECHEN + + +

FOTOS: DIRK BLEICKER, BÜRO WIECZOREK-ZEUL

Mosel-Impressionen


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MEINUNG 11

vorwärts

»ZWISCHENRUF«

BEST OF BLOGS LESERBRIEFE UNS GLAUBT KEINER DIE VORREITERROLLE

WIR WOLLEN MEHR ALS NUR EINE ROSE SONJA PELLIN, ELENA PIEPER, BETTINA SCHULZE Frauen haben genug von den Sonntagsreden der Männer. Sie wollen Taten und Gesetze, die mehr Gleichberechtigung schaffen

FOTOS: JULIA MAAS MARTIN, SCHMELZER

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aum eine Frau weiß wirklich, warum sie am Internationalen Frauentag eine Rose bekommt. Gerade den jüngeren, und dazu würden wir uns zählen, ist das Motto des 75. Internationalen Frauentages „Wir wollen Brot und Rosen“ gar nicht mehr präsent. Eher fragen wir uns: Ist die Rose nun als Entschuldigung gemeint? Als Entschuldigung für die ungerechte Rollenverteilung? Die geringeren Karrierechancen von Frauen? Den geringeren Verdienst? Oder vielleicht als Dankeschön? Danke dafür, dass wir den Hauptteil der Hausarbeit erledigen? Dass wir die Kinder nicht nur austragen, sondern auch noch erziehen und dafür zu Hause bleiben? Dass wir den Männern nicht die Führungspositionen streitig machen? Dass sogar ein Teil von uns noch nicht mal möchte, dass sich an der komfortablen Situation der Männer – mehr Verdienst, mehr Macht, mehr Prestige – etwas ändert? Wir müssen ganz ehrlich sagen, wir wollen mehr als nur eine Rose. Wir wollen, dass endlich Männer und Frauen aufstehen und gegen die noch immer währende Diskriminierung von Frauen kämpfen. Gemeinsam und nicht gegeneinander. Wir wollen, dass gesetzliche Regelungen zu Quoten in Aufsichtsräten, zum gleichen Lohn von Frauen und Männern, gegen Sexismus und Diskriminierung unsere berechtigten Anliegen unterstützen. Wir wollen, dass das, was wir tun – gute Abschlüsse machen zum Beispiel –, endlich auch honoriert wird. Wir wollen nicht mehr bevormundet werden, was wir tun sollen – Kar-

riere machen und Mutter sein, am besten mit sieben Kindern – , wie wir uns geben sollen – dann doch nicht so weiblich oder doch im Minirock. Wir wollen einfach wir selbst sein können, abseits von Klischees, Reduzierungen und Rollenerwartungen. Wir wollen, dass vor allem die Vertreter des männlichen Geschlechts nicht nur mit Verbalradikalismus, in Sonntagsreden oder im allgemeinen Wahlkampfgetöse für mehr Gleichberechtigung werben, sondern sich ehrlich und kontinuierlich für Gleichberechtigung stark machen. Dass sie aufhören, hinter verschlossenen Türen den Chauvi zu spielen, und bei jeder informellen Machtverteilung die Gleichberechtigung komplett zu vergessen. Männer, ihr profitiert doch auch von Gleichberechtigung und mehr Freiheit! Und Frauen, die ihr euch noch immer dem Fortschritt des Feminismus verschließt, hört doch auf mit der Lüge von wegen wir sind so toll, wir können alles! Wir sind so toll, ja, aber es gibt eben noch viele Hindernisse, in den Köpfen, in der Gesellschaft. Da müssen wir ran. Deswegen lautet unser Motto für 100 Jahre Frauentag „Taten und Gesetze“. ■

Sonja Pellin, Elena Pieper und Bettina Schulze gehören dem Juso-Bundesvorstand an. MITREDEN & BLOGGEN: vorwärts.de/zwischenruf-spd-frauen

VON NADINE ADAM

SO SEHEN UNS UNSERE LESER 02/2011 Das neue Konzept für den „vorwärts“ ist richtig. Diese Zeitung muss über den Parteiapparat hinaus, im Prinzip auch am Zeitungskiosk verkaufbar sein. Sigurd Schmidt, Bad Homburg v.d.H. Die Ausgabe Februar 2011 ist für mich derart gut gelungen und informativ, dass ich die gesamte Redaktion dazu beglückwünschen möchte. Darin haben mich auch die zustimmenden Meinungen anderer Genossen bestärkt. So haben wir uns den „vorwärts“ schon lange gewünscht. Günter Meyer, Sulzbach/ Saar Ich bin seit knapp 61 Jahren SPD-Mitglied. Ich kann den „vorwärts“ daher gut beurteilen und ich schätze ihn sehr gut ein. Besonders gut finde ich die Seite „Parteileben“. Ich kann den „vorwärts“ daher nur empfehlen. Otto Schupp, Schwäbisch Gmünd NEUER FORTSCHRITT – ABER WIE? 02/2011 In der aktuellen Fortschrittsdebatte listet der „vorwärts“ Beispiele aus der Vergangenheit der SPD auf. Völlig außen vor lässt er allerdings die Reformen der Agenda 2010. Auch diese Reformen standen und stehen für den Fortschritt der Sozialdemokratie. Dirk Wiese, Brilon ERHARD EPPLER – NACH DER MARKTRADIKALEN WENDE 02/2011 Der Begriff des ehrbaren Kaufmanns sollte wieder Leitbild werden. Nicht das Kapital als solches ist der Übeltäter, sondern der Missbrauch der mit dem Besitz von Kapital verbundenen Macht durch manche Zeitgenossen. Karl-Viktor Daub, Essen

Selbst in der SPD ist die Frauenfrage häufig nur noch eine Randfrage. Natürlich haben wir viele und gute Frauen. Doch meist sind sie nur eine Randgruppe von vielen, neben Jusos, Schwusos, AG 60 plus etc., die mal wieder zu Gehör kommt, wenn in Stammtischmanier über Sinn oder Unsinn der Quote diskutiert wird. Irgendwie lästig – aber man muss die Listen ja voll kriegen. Im letzten Wahlkampf habe ich mir am Stand den Mund fusselig geredet. Aber keine der Passantinnen schien mehr an die Vorreiterrolle der SPD in Sachen Frau zu glauben. Ja, schaut euch die CDU mit Merkel an, die bringen ihre Frauen groß raus, und die Grünen erst, die haben Frauen. Auch die Frauenthemen besetzen mittlerweile die anderen Parteien. Aber woran liegt das? Klauen die anderen uns nur geschickt die Themen, oder sind die wirklich emanzipierter als wir? vorwärts.de/frauentag

WAS IST IN UNSERER REGIERUNGSZEIT PASSIERT? VON GISELA TEUCHERT-BENKER

Solange ich in der SPD bin, reden wir über Frauenpolitik. Gut, es hat sich ja was getan. Aber immer noch nicht genug. Da wurde auch in der Zeit, in der wir „was zu sagen hatten“ nicht genug getan. Wir hatten einen Kanzler mit den besten Drähten zur Wirtschaft. Was ist in der Zeit passiert? Und da hilft es gar nicht, dass sich einige Frauen, auch die AsF, anstrengen ohne Ende. Es muss einfach mal ernst genommen werden, das Thema „Frauen“ und „Gleichstellung“. vorwärts.de/frauentag

KEINE POLITIK FÜR VERKÄUFERINNEN UND UNGELERNTE VON RALF WÜNSCHE

Weshalb werden in der SPD-Frauenpolitik Frauen unter SGB II und die, die im Niedriglohnsektor arbeiten, gar nicht beachtet? Macht man nur Frauenpolitik für Mittelstandsfrauen, z.B. Lehrerinnen? Kennt man das Los der Ungelernten oder der Verkäuferinnen nicht mehr? vorwärts.de/frauentag

+ + + 1926 REFORM §218 NACH LIBERALISIERUNG BEI ABTREIBUNG »NUR NOCH« DREI JAHRE GEFÄNGNIS STATT ZUCHTHAUS + + + 1933 MACHTÜBERNAHME DER NAZIS FRAUEN VERLIEREN DAS PASSIVE WAHLRECHT, ALLE DEMOKRATISCHEN POLITIKERINNEN WERDEN VERFOLGT + + +


12 MEINUNG

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UNSERE EUROPÄISCHEN NACHBARN MACHEN ES VOR BIRGIT SIPPEL

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Lesen was gesund macht.

Es gibt positive Beispiele in einigen europäischen Staaten. Sowohl die sozialdemokratische Regierung in Spanien als auch die konservative französische Regierung haben Gleichstellungsquoten verpflichtend eingeführt. In Frankreich wurde dies sogar in der Verfassung verankert. Auch die skandinavischen Länder fördern die Gleichstellung von Männern und Frauen und können sich über die höchste Beschäftigungsquote von Frauen, eine höhere Anzahl von Frauen in Führungspositionen und eine hohe Geburtenrate freuen. Das belegt, dass Beruf und Familie unter entsprechenden Rahmenbedingungen durchaus vereinbar sind! Am 8. März wird der Internationale Frauentag begangen – dieses Jahr zum 100. Mal. Ein guter Zeitpunkt, um endlich dafür zu sorgen, dass Frauen tatsächlich mit ihren männlichen Kollegen gleichgestellt werden. Doch ohne verpflichtende Quote wird es wohl weiterhin dabei bleiben, dass Frauen deutlich besser qualifiziert sein müssen, um ähnliche Positionen zu erreichen wie Männer. vorwärts.de/frauentag

SCHWESTERLICHKEIT STATT KONKURRENZ

Weitere Themen:

ANDREA HARENBROCK

3 Lipödem: Wie unförmige, schmerzende Beine effektiv behandelt werden

Wenn zur Zeit 55 Prozent der Abiturienten Mädchen sind, frage ich mich, wo sind sie? In Deutschlands Chefetagen sind sie jedenfalls nicht! Warum nicht? Sind Frauen, so wie man manchmal hört, nicht ehrgeizig genug? Liegt es an dem Naturell der Frau, dass sie lieber nicht sofort um den nächst höheren Posten mit den männlichen Kollegen wetteifern? Man sollte Mädchen selbstbewusst, engagiert und vor allem gleichberechtigt erziehen, damit sie auch vor männlichen Kollegen selbstbewusst und engagiert auftreten können. Sie sollten nicht schon früh wetteifern müssen um ihr Aussehen, die schönsten Haare, Nägel, das Gesicht und so weiter. Ich denke, dass der Begriff der Schwesterlichkeit eingeführt werden sollte. Brüderlichkeit gibt es schon länger.

3 Zwangserkrankungen: Warum eine frühzeitige Therapie so wichtig ist 3 Fettleber: Welche Gefahren drohen und wie Sie vorbeugen können 3 Chiropraktik: Wie die manuelle Therapie Ihrem Rücken helfen kann 3 Richtig joggen: Wertvolle Tipps, wie Sie sich vor Verletzungen schützen

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PA RTE I L E B E N ! CHEFSACHE

FOTOS: DIRK BLEICKER, SONJA WAGNER

MANUELA DIREKT Wie kann die Stellung von Frauen im Niedriglohnsektor gestärkt werden? Viele Frauen arbeiten in Bereichen, in denen Niedriglöhne gezahlt werden. Deshalb ist gerade für sie unsere Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn so wichtig. Hier sind wir in den Verhandlungen um die Hartz-IV-Reform mit Mindestlöhnen in drei zusätzlichen Branchen einen guten Schritt vorangekommen. Außerdem geht es uns darum, die für Frauen typischen Berufe aufzuwerten. Warum wird Hartz IV nicht abgeschafft und durch ein bedingungsloses Grundeinkommen ersetzt? Ich sehe das bedingungslose Grundeinkommen für Erwachsene kritisch. Denn ich bin der Meinung, dass Einkommen grundsätzlich erarbeitet werden muss. Sympathie habe ich für die Kindergrundsicherung. Die Ungerechtigkeiten im System des Familienleistungsausgleichs wollen wir beseitigen. Alle Kinder müssen dem Staat gleichviel wert sein. In der Zukunftswerkstatt Familie prüfen wir derzeit gemeinsam mit Experten, ob und in welcher Form dieser Weg möglich ist. Welche Akzente setzt die SPD für Schwule und Lesben? Mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz haben wir klargestellt: Wir dulden keine Diskriminierung in unserem Land. Wir fordern Respekt vor der Vielfalt von Lebensentwürfen. Mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz sind wir der Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Paaren ein gutes Stück näher gekommen. Unser Ziel ist es nun, die eingetragene Lebenspartnerschaft vollständig mit der Ehe gleichzustellen. ■ Bis SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles aus der Baby-Pause zurückkehrt, beantwortet SPDVize Manuela Schwesig die Fragen der Leser. Selbst fragen: vorwärts.de/schwesigfrage

LINKS 2011 „Gemeinsam verändern“ – unter diesem Motto findet vom 1. bis 3. April in Berlin der Juso-Kongress „Links 2011“ statt. Gemeinsam mit Vertretern von Gewerkschaften und anderen Jugendorganisationen wollen die Jungsozialisten Ideen für die gerechte Gesellschaft von morgen entwickeln. Die Themen reichen von der Gleichstellung der Geschlechter über Bildungsgerechtigkeit bis zu neuen Formen der Beteiligung im Internet. ■ SW links2011.de

INHALT WAHLSIEGER Olaf Scholz und die SPD triumphieren in Hamburg

AN DER BASIS ASF Braunschweig: Frauen nach vorn

PORTRÄT Barbara Hackenschmidt: Die Widerständige

NACHRICHTEN OV-Aktionen Termine

Einigkeit macht stark: 700 Arbeitnehmervertreter kamen zur Konferenz in den „Rosengarten“

DAS BAND WIEDER STÄRKEN BETRIEBSRÄTEKONFERENZ In Mannheim sucht die SPD den Schulterschluss mit den Gewerkschaften Von Sonja Wagner

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as Ziel gab August Bebel vor. „Wir wollen vor allem Frieden und Eintracht zwischen Partei und Gewerkschaft herbeiführen“, sagte der Vorsitzende der SPD auf dem Parteitag 1906. Er fand in Mannheim statt, im so genannten Rosengarten. Am Ende beschlossen die Delegierten das „Mannheimer Abkommen“, das vorsah, dass politische Aktionen ohne aktiven Rückhalt in den Gewerkschaften keine Aussicht auf Erfolg haben könnten. „Wir wollen das Band zwischen SPD und Gewerkschaftsbewegung wieder stärken“, sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel am 15. Februar, ebenfalls in Mannheim, ebenfalls im „Rosengarten“. Die SPD hatte zur Betriebsräte- und Gewerkschafterkonferenz eingeladen und rund 700 Arbeitnehmervertreter waren der Einladung gefolgt. Es ging um den Schulterschluss mit den Gewerkschaften. Nach einer Betriebsrätekonferenz im vergangenen Jahr in Bochum war die fünfstündige Veranstaltung in Mannheim ein weiterer Schritt auf diesem Weg. Bereits einen Tag zuvor

hatte das SPD-Präsidium die „Mannheimer Erklärung“ beschlossen. Die Parteispitze fordert darin u.a. eine „gesetzlich verbindliche Frauenquote von 40 Prozent für Aufsichtsräte und Vorstände“ sowie einen Mindestlohn von 8,50 Euro. Dass all dies nur mit Hilfe der Gewerkschaften erreicht werden kann, machte SPD-Chef Sigmar Gabriel in Mannheim klar: „Wie sollen wir gute Politik machen, wenn uns die Gewerkschaften nicht sagen, wie es in der Arbeitswelt zugeht?“, fragte er. Dafür müsse seine Partei wieder besser zuhören. Dass das auch umgekehrt gilt, machte Michael Sommer klar. „Wir brauchen die Macht der Politik, um Veränderungen durchzusetzen“, sagte der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB). Die Menschen erwarteten von den Gewerkschaften nicht, dass sie der verlängerte Arm der SPD im Betrieb seien. „Aber sie erwarten von uns allen, dass wir gemeinsam stetig dafür arbeiten, ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen in kleinen Schritten zu verbessern.“■

+ + + 1945 INTERNATIONALER FRAUENTAG VOM ÜBERPARTEILICHEN FRAUENAUSSCHUSS PROKLAMIERT, IN DER BUNDERRESPUBLIK BIS IN DIE 70ER JAHRE ALS „KOMMUNISTISCH“ ABGELEHNT + + + 1946 ERSTE DEUTSCHE MINISTERIN WIRD MARTHA FUCHS IM LAND BRAUNSCHWEIG + + +


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PA RT E I L E B E N !

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lassen. So ist es bereits aus allen Teilen von CDU und CSU zu hören. Auch die Grünen erkennen, dass sie mit schwarz-grünen Experimenten keinen Blumentopf gewinnen, sondern ihre Anhänger vergraulen. In ihrer einstigen Hochburg Hamburg bekamen sie nur noch halb so viele Stimmen, wie ihnen bundesweit manche Umfrage prognostiziert. Ein deutliches Warnzeichen. Und für die Linkspartei gilt: Die besten Tage liegen hinter ihr. Die Linke konnte weder vom Absturz der Union, noch von der Schwäche der Grünen profitieren. Sie hat weiter Wähler verloren.

Olaf Scholz – hier am Wahlabend mit seiner Frau Britta Ernst – sieht im Wahlsieg vor allem eine Verpflichtung zu gutem Regieren.

DER ABSOLUTE TRIUMPH DER SPD HAMBURG Der Erdrutschsieg der Sozialdemokratie verändert die politische Landschaft in Deutschland Von Alix Fassmann

SO WÄHLTE HAMBURG: BÜRGERSCHAFTSWAHL VOM 20. FEBRUAR 2011 (Stand 21. Februar 2011) SPD 48,3 % CDU 21,9 % GAL 11,2 % DIE LINKE 6,4 % FDP 6,6 % Sonstige 5,6 % QUELLE: LANDESWAHLLEITER HH

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ie Zeiten der absoluten Mehrheiten sind vorbei – für die CDU, und selbst für die CSU in Bayern. Nicht aber für die SPD. Nach Kurt Beck in Rheinland-Pfalz wird Olaf Scholz nun der zweite Sozialdemokrat sein, der ein Bundesland mit absoluter Mehrheit regiert. 48,3 Prozent bei der Hamburger Bürgerschaftswahl, ein Traumergebnis, mit dem die SPD um satte 14,2 Prozent deutlich stärker zulegte, als ihr die Umfragen vorhersagten. Damit stellt die SPD künftig wieder in allen Millionenstädten Deutschlands den Bürgermeister: in Berlin, Hamburg, München und Köln. Ein Erfolg mit Signalwirkung für die Rückeroberung der kommunalen Machtbasis der SPD in den großen Städten.

Vor allem aber bedeutet die HamburgWahl einen Superstart in das Superwahljahr 2011, wie die SPD ihn sich besser nicht wünschen konnte. Kräftiger Rückenwind für die wahlkämpfenden Genossen, besonders in Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, wo bereits im März gewählt wird.

Die Träume von Schwarz-Grün sind erst einmal ausgeträumt Für die Bundespolitik bedeutet der triumphale SPD-Sieg, Schwarz-Gelb gerät weiter in die Defensive. Im Bundesrat fehlen Merkel nun vier Stimmen zur eigenen Mehrheit, vor der Hamburg-Wahl war es nur eine Stimme. Das Regieren im Bund dürfte noch schwieriger, noch unangenehmer für Union und FDP werden. Geschwächt ist auch die Kanzlerin ganz persönlich: Sie hatte sich in ihrer Geburtsstadt Hamburg mit besonderem Engagement in den Wahlkampf eingebracht. Mit einem verheerenden Ergebnis: Ein Minus von 20,7 Prozent, der größte Verlust, den die Union jemals bei einer Landtagswahl erlitten hat. Mit 21,9 Prozent für die CDU das schlechteste Ergebnis , das sie jemals in Hamburg hatte. Ein weiterer Schlag für die Union: Ihre Machtoption Schwarz-Grün ist erst einmal zerstört. Nach dieser desaströsen Premiere von Schwarz-Grün im ersten Bundesland wird die Union auf absehbare Zeit die Finger von dieser Konstellation

Kein Wunder also, dass die SPD zur Zeit glänzender Stimmung ist. Auf Bundesebene und in den Ländern, die in diesem Jahr wählen, vor allem aber in Hamburg selbst. So wollen der Jubel und das Lachen an diesem Wahlabend kein Ende nehmen. Rund 1200 Leute sind zur ersten Wahlprognose um 18 Uhr in die „Fabrik“ im Hamburger Stadtteil Altona gekommen. Unbändiger Jubel brandet auf, als wenige Sekunden nach 18 Uhr der rote SPD-Balken auf den Bildschirmen in die Höhe schießt und klar wird: Das ist die absolute Mehrheit. Etwa vierzig Minuten nach der ersten Prognose erreicht Olaf Scholz die ehemalige Maschinenfabrik, blitzende Lichter und Kamera-Scheinwerfer zeichnen seinen Weg durch die Menge bis zur Bühne. „O-laf, O-laf“, schallt es von allen Seiten. „Das ist ein beeindruckendes Wahlergebnis“, sagt Scholz und der Jubel entlädt sich in einem Sturm. Hamburgs künftiger Erster Bürgermeister bündelt seine Freude in einem Lächeln. „Alle, die SPD gewählt haben, verbinden damit große Erwartungen. Wir werden das, was wir versprochen haben, auch nach der Wahl tun.“ Die Stimmung ist ausgelassen. Fast jeder, der auf ein Bier bleiben wollte, bleibt auf mehr. „Das ist einfach überwältigend“, sagt Nicholas Gildemeister, Vorsitzender der Hamburger Jusos. „Das ist ein riesiger Vertrauensvorschuss. Die SPD steht nun in der Bringschuld.“ Ob nun Elbvertiefung, Kita-Gebühren, Haushaltskonsolidierung oder sozialer Wohnungsbau, Olaf Scholz nennt es den „Ernst des Lebens“, der nun beginnt. Ein paar Leute haben Wunderkerzen angezündet. Ein Wunder ist dieser Wahlsieg allerdings nicht. „Wir sehen, dass die SPD erfolgreich ist, wenn sie bei den Menschen ist und sich nicht um Prestigeprojekte kümmert“, analysiert der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel den Wahlsieg. ■

+ + + 1949 GLEICHBERECHTIGUNG DER FRAU BEKOMMT VERFASSUNGSRANG IN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND UND IN DER DDR + + +

FOTO: PICTURE ALLIANCE/DPA

Die SPD ist erfolgreich, wenn sie bei den Menschen ist


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FRAUEN, NACH VORN! BEZIRK BRAUNSCHWEIG ASF macht Frauen Mut und Lust auf Kommunalpolitik Von Nathalie Sopacua weiblichen Mitglieder an und lud zum Austausch ein. „Wir konnten viele Frauen aktivieren, die sonst nicht mitmachen“, berichtet Ihbe. Die ASF in Braunschweig will auch jungen Frauen Mut machen, in der Politik mitzumischen. Einen ersten Eindruck davon sollen sie in der „Sommerakademie“ gewinnen, wo politisch interessierte Frauen einen Tag lang eine Bundestagsabgeordnete bei ihrer Arbeit begleiten und so die Gelegenheit bekommen, ihre Fragen los zu werden. Es sind die weiblichen Vorbilder, die den jungen Frauen Lust auf Politik machen sollen. Andere Projekte befinden sich noch in der Planungsphase wie etwa ein Mentoring-Programm, das den weiblichen Nachwuchs fit für die Politik machen

Zeitreise: Die ASF Braunschweig untersuchte das Frauenbild in Deutschland.

OV-PORTRÄT

Mehr: vorwärts.de/asf-braunschweig

soll. Hier sollen die jungen Frauen von einer politikerfahrenen Mentorin oder einem Mentor lernen, wie Parteiarbeit funktioniert und wie man sich innerhalb der Partei vernetzt. Nach dem Internationalen Frauentag am 8. März lädt die ASF erneut zu einem offenen Treffen ein. Dann wollen die Frauen des Bezirks Braunschweig nachhaken: Wie habt Ihr Eure Listenplätze besetzt? Und für den Fall, dass das Ergebnis nicht zufriedenstellend ausfällt: Was ist noch zu tun? ■

+ + + 1958 GLEICHBERECHTIGUNGSGESETZ FRAUEN DÜRFEN IN DER BUNDESREPUBLIK AUCH OHNE ZUSTIMMUNG DES EHEMANNES ARBEITEN + + + 1972 ERSTE BUNDESTAGSPRÄSIDENTIN WIRD ANNEMARIE RENGER, IN DER DDR GILT DIE FRISTENREGELUNG BEI ABTREIBUNGEN + + + ANZEIGE

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FOTO: ASF BRAUNSCHWEIG

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ir sind die Räte im Bezirk Braunschweig entschieden zu männlich“, sagt Annegret Ihbe, ASF-Vorsitzende in Braunschweig. Nicht ohne Stolz weist die 59-Jährige darauf hin, dass der SPD-Bezirk das Reißverschlussverfahren, nach dem kommunale Wahllisten abwechselnd mit Frauen und Männern besetzt werden, verbindlich in seine Satzung aufgenommen hat. Dass die Vorgabe Früchte trägt, zeigt die Zusammensetzung ihrer Ratsfraktion: Sieben der insgesamt 15 Ratsmitglieder sind Frauen. Und doch will Ihbe noch mehr Frauen für die Kommunalpolitik gewinnen. Deshalb hat die Braunschweiger ASF ein Bündel von einzelnen Projekten geschnürt. So schrieb sie im vergangenen Jahr alle

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ten Tag. Mal sehen, ob er mich noch kennt. Er wusste das noch und die Jungs haben gestaunt.“ Wenn Frauen eine Lücke lassen, grätscht ein Mann hinein. Deshalb lässt sie keine Lücken mehr. Die Männer hätten inzwischen gemerkt, dass sie an ihr nicht vorbeikommen. „Das halte ich für einen großen Sieg.“ Als Mentorin für junge Politikerinnen versucht sie, ihre Erfahrungen weiterzugeben. Ein bisschen Lob: „Toll, wie du das machst!“ Ein paar Wünsche: „Kannst du das auch übernehmen?“ Und schon, kritisiert Hackenschmidt, fühlen sich viele junge Frauen gebauchpinselt, ackern und hoffen, ihr Fleiß werde weiter oben bemerkt. Wird er vermutlich nicht, warnt die erfahrene Politikerin: „Eine gefährliche Schiene“ sei das. Sie rät: „Konzentriere dich. Frage dich: Ist es wirklich das, was ich will? Sag auch mal Nein.“ Und vor allem: „Vergiss über der Politik nicht deinen Beruf, denn er garantiert dir Unabhängigkeit.“

Barbara Hackenschmidt rät einer jungen Frau: „Vergiss über der Politik nicht deinen Beruf, denn er garantiert dir Unabhängigkeit.“

DIE WIDERSTÄNDIGE BARBARA HACKENSCHMIDT Sie weiß, was sie will. Sie setzt sich durch. Von der Landtagsabgeordneten aus Brandenburg können angehende Politikerinnen einiges lernen Von Susanne Dohrn

I

ch wollte nie Quotenfrau sein. Ich wollte nie Frauenpolitik machen.“ Dass es doch so gekommen ist, sei das Lehrstück einer Politik, die Frauen ausblende, wie Barbara Hackenschmidt sagt. Sie hat es selbst erfahren. Dabei ist die 55-Jährige wahrlich kein Mäuschen. Mit tönender Stimme und Temperament – „Wenn ick platze, dann richtig.“ – verschafft sie sich Gehör, ob im Brandenburger Landtag, wo sie Abgeordnete ist, oder in der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF), wo sie von den drei stellvertretenden Vorsitzenden die einzige Ostfrau ist. Den Knigge lasse sie in der Politik zu Hause, sagt sie. Denn mit höflicher Zurückhaltung lassen sich Männernetzwerke nicht knacken. Das war für sie ein Lernprozess. Sie sei immer eine fleißige Politikerin gewesen, schon als Kreistagsabgeordnete überall hingefahren, ständig unterwegs gewesen. Irgendwann dann die Erkenntnis: „Keiner hat das mitgekriegt.“ Danach habe sie ihre Strategie komplett geändert. „Ich sitze bei Veranstaltungen

PORTRÄT

STATIONEN 1955 Geboren in Betten in Brandenburg 1973-78 Studium der Pädagogik und Polytechnik, danach Lehrerin 1995-2000 Büroleiterin von Regine Hildebrandt, Sozialministerin in Brandenburg seit 2002 Stellvertretende ASF-Bundesvorsitzende seit 2004 Landtagsabgeordnete in Brandenburg

in der ersten Reihe, habe meistens eine rote Jacke an, trage eine auffällige Kette oder einen roten Schal. Wenn die Debatte beginnt, melde ich mich gleich am Anfang und sage etwas. Das wird wahrgenommen.“ Ihr Rat an die Frauen: „Seid mutig! Sagt eure Meinung! Denkt nicht darüber nach, ob das den Zuhörern gefällt oder nicht.“

Als Frau auch mal Nein sagen Männer gehen Bündnisse ein, sagt sie. Sie netzwerken. Sie erzählt von einem Kirchentag. Auch diese Szene ist ein Lehrstück für Frauen und ein Abschnitt auf dem Weg ihrer eigenen Emanzipation. Man wartete auf Wolfgang Thierse. „Ich hab mich gewundert, warum einige junge Männer drei Stehtische am Eingang zusammenrückten und sich da versammelten. Bis mir klar war: Die stehen da wegen Thierse.“ Sie selbst hatte ein halbes Jahr zuvor mit ihm für Regine Hildebrandt Wahlkampf gemacht und Thierse dabei kennengelernt. „Also hatte ich die Tür im Auge und mir vorgenommen: Wenn er kommt, sage ich ihm gu-

„Kein Wunder, dass die so selbstbewusst ist, die kommt ja auch aus dem Osten.“ Barbara Hackenschmidt kennt den Satz. Aber so einfach ist das nicht. Drei Kinder hat sie. Das Erste kam während des Studiums. In der DDR war das kein Problem, Kinderbetreuung selbstverständlich. Trotzdem war es eine „Scheinemanzipation“, sagt sie. Zwar konnten Frauen jeden Beruf lernen. Aber im Alltag trugen sie die Hauptlast. Barbara Hackenschmidt erklärt das mit einem Bild: Eine junge Frau, zwei kleine Kinder an der einen Hand, die Einkaufstasche in der anderen, über der Schulter die Arbeitstasche: „Wie sollten solche Frauen gegen ihre Lage aufbegehren oder Flugblätter drucken – sie hatten doch keine Hand frei!“ Barbara Hackenschmidt, die engagierte Christin, ist seit Anfang 2010 Präses des evangelischen Kirchenkreises Niederlausitz. Sie ist eine Christin aus der DDR, in der Schwangerschaftsabbruch erlaubt war. Sie hat selbst einen hinter sich. Als der § 218 nach der Wende reformiert wurde, kämpfte sie gegen seine Verschärfung. Sie spricht sich, anders als die ASF, für Präimplantationsdiagnostik aus, mit der künstlich befruchtete Eizellen vor dem Einsetzen in die Gebärmutter auf schwere Erbkrankheiten untersucht werden können. Barbara Hackenschmidt: „Ich finde es verantwortungslos, die Eizellen nicht zu untersuchen und damit das Risiko einer späteren Abtreibung einzugehen.“ Sie sage das als Christin und Pazifistin, betont sie. Als Ostfrau bringe sie einen anderen Blick in den ASF-Vorstand und das sei wichtig: „Ich kann ja unterliegen, aber vorher müssen wir diskutieren.“ ■

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Sie war die erste Ministerpräsidentin Deutschlands. Ihr Sturz nach zwölf Jahren im Amt war eine persönliche wie politische Tragödie. „Aufstieg und Fall“ von Heide Simonis hat die Politikwissenschaftlerin Bettina Munimus untersucht. Charakteristisch für Simonis’ Aufstieg sei, dass sie sich durchgebissen habe: „Kesse Sprüche und verbale Authentizität waren kennzeichnend für sie.“ Umso tragischer ist ihre missglückte Wiederwahl 2005 trotz sicher geglaubter Landtagsmehrheit zu bewerten. Munimus sei es gelungen, „ein Porträt von Heide Simonis zu zeichnen, das ihr in vielem gerecht wird“, schreibt Schleswig-Holsteins SPD-Vorsitzender Ralf Stegner auf vorwärts.de. ■ SW Bettina Munimus HEIDE SIMONIS ibidem Verlag 2010 192 Seiten 24,90 Euro ISBN 978-3-8382-0170-2

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28. Februar Diskussion „100 Jahre Frauentag 19112011“, Willy-Brandt-Haus Berlin, 18 Uhr, Anmeldung: anmeldung.spd.de/v/10173 1.März Ausstellung „100 Jahre Internationaler Frauentag“, Eröffnung, Berlin, ver.di Bundesverwaltung, 18 Uhr, www.frauen.verdi.de 3. März Buchvorstellung Olivier Guez: „Heimkehr der Unerwünschten. Eine Geschichte der Juden in Deutschland nach 1945“, WillyBrandt-Haus Berlin, 19.30 Uhr 7. März Diskussion „100 Jahre Frauentag = 100 Prozent Gleichberechtigung?“, Friedrich-Ebert-Stiftung, Leipzig, Burgstr. 25, 18 Uhr

SPD-Chef Sigmar Gabriel war tief beeindruckt. Er habe „selten so ein erfolgreiches und gutes Projekt wie ,SPD ve biz’ gesehen“. Dahinter verbirgt sich eine Gruppe, die in Baden-Württemberg bei Deutsch-Türken für die SPD wirbt. 500 von ihnen nahmen Mitte Februar an einer Großveranstaltung in Stuttgart teil. Landtagsspitzenkandidat Nils Schmid versprach, einen Integrationsminister zu benennen, sobald er Ministerpräsident sei. ■ SW

der eine große Gefahr ausgehe. Gerade über Musik mit volksverhetzenden Inhalten sollen Schüler geködert werden. Damit es den Rechten nicht gelingt, ihre Ideologie zu verbreiten, unterstützt die SPD im Landkreis Landshut auch die Arbeit des „Runden Tisches gegen Rechts“. ■ BG

MEHR MITGLIEDER, MEHR SPD

GEGEN RECHTS Die SPD im Landkreis Landshut engagiert sich gegen Rechtsextremismus. Ruth Müller, die SPD-Vorsitzende des Kreisverbandes, ist auch im niederbayerischen Arbeitskreis gegen Rechts aktiv, und betont, dass die SPD ein Zeichen für Toleranz und Demokratie setze. So vermittelte er die Wanderausstellung „Rechtsradikalismus in Bayern“ bereits an viele Schulen. Die junge Generation müsse aufgeklärt werden. Ruth Müller betont, dass die Rechtsradikalen eine tückische Jugendszene aufgebaut hätten, von

Mit dieser Postkarte wirbt die niedersächsische SPD neue Mitglieder. Unterbezirke und Ortsvereine können die Karten mit unterschiedlichen Motiven beim Landesverband bestellen. Denn dessen Motto heißt: „Mehr Mitglieder – Mehr SPD“. ■ BG

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FOTOS: IBIDEM VERLAG, SPD NIEDERSACHSEN

DIE MINISTERPRÄSIDENTIN


02/2007

PARLAMENT 19

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FRAUEN GEHEN LEER AUS GLEICHSTELLUNG Mit Schwarz-Gelb bewegt sich nichts Von Christel Humme und Caren Marks

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rauen, die nichts fordern, werden beim Wort genommen. Sie bekommen nichts“, schrieb schon Simone de Beauvoir. So wird es kommen mit Schwarz-Gelb. Denn diese Bundesregierung setzt weiter unbeirrt auf Freiwilligkeit, unverbindliche Programme und befristete Projekte. Und die Kanzlerin? Sie hat ein Machtwort gegen die Frauen gesprochen. Sie lehnt die gesetzliche Quote ab. Wir in der SPD-Bundestagsfraktion wollen, dass es mit der Gleichstellung vorangeht: Wir fordern: eine gesetzliche Quote von mindestens 40 Prozent für Aufsichtsräte und Vorstände. Zehn Jahre freiwillige Vereinbarungen mit der Wirtschaft haben keine Fortschritte gebracht. Frauen in Führungspositionen

DAS QUOTENTAGEBUCH Komödie, Drama, Krimi, oder doch nur Schmierentheater? Für die Frauen jedenfalls ist es ein Trauerspiel 26. JANUAR: Nachrichtenmeldung 5.00 Uhr morgens. Bundesfrauenministerin Kristina Schröder (CDU) kündigt an, einen Stufenplan zur Erhöhung des Frauenanteils in Vorständen und Aufsichtsräten im Familienausschuss des Bundestages vorzulegen. Familienausschuss 11-12 Uhr. Die Frauenministerin erläutert ihre Pläne für 2011 – keine Rede vom Stufenplan. 28. JANUAR: Kristina Schröder stellt ihre „Flexiquote“

sind nach wie vor mit der Lupe zu suchen. Das Potenzial gut ausgebildeter Frauen darf jedoch nicht länger ungenutzt bleiben. Auch bei der Beseitigung der Entgeltungleichheit zwischen Männern und Frauen handelt die Bundesregierung nicht entschlossen. Sie setzt nur auf freiwillige Lohnmessverfahren. Wir fordern: gesetzliche Regelungen zur Durchsetzung von Entgeltgleichheit. Männer bekommen in Deutschland nach wie vor 23 Prozent mehr Lohn. Die SPDBundestagsfraktion will nicht länger tatenlos zusehen. Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit muss endlich durchgesetzt werden. Wir wollen Unternehmen verpflichten, ihre Entgeltstrukturen zu messen und die darin enthaltenen Ungerechtigkeiten zu beseiti-

in einem Presseartikel vor: Jedes Unternehmen darf sich selbst eine Quote setzen, je nach Anteil der männlichen bzw. weiblichen Beschäftigten. Sind das 2 Prozent, 4 Prozent, 10 Prozent? Oder darf es auch etwas mehr sein? Rätselraten. 30. JANUAR: Die ehemalige Frauenministerin und jetzige Arbeitsministerin von der Leyen (CDU) fordert eine 30-Prozent-Quote per Gesetz. Und was sagt die FDP? Sie lässt von der Leyen auflaufen, lehnt die Quote kategorisch ab und beschwört die unternehmerische Freiheit. Bundeswirtschaftsminister Brüderle (FDP) will keinem Quotengesetz zustimmen, „weil Frauen so gut sind, dass sie so was nicht brauchen“. Die CSU hatte gerade die Einführung der Quote für ihre Partei verkraftet – eine Quote für die Wirtschaft, das geht ihr zu weit!

gen. Die Bundesregierung lehnt nach wie vor den flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn ab. Wir fordern: einen solchen Mindestlohn, denn vor allem Frauen würden von ihm profitieren. Wir sehen, die Erwerbsarbeit hat sich zu Lasten von Frauen gewandelt: Der Anteil der klassischen Normalarbeitsverhältnisse (Vollzeit, unbefristet, sozialversicherungspflichtig) geht zurück. Befristete Beschäftigung, Teilzeit, Minijobs und Leiharbeit prägen zunehmend die Arbeitswelt der Frauen. Infolge prekärer Beschäftigungsverhältnisse können Frauen von ihrer Arbeit nicht leben und sind deshalb auf zusätzliche Transferleistungen oder auf Partnereinkommen angewiesen. Eine eigenständige Lebensplanung ist so unmöglich und es droht Altersarmut. Die Bundesregierung hält an der Einführung eines Betreuungsgeldes als „Zuhausebleibprämie“ nach wie vor fest. Wir fordern: eine wirkliche partnerschaftliche Ausgestaltung des Elterngeldes, die es beiden Partnern gleichermaßen ermöglicht, Beruf und Familie zu vereinbaren. Das Fernhalten von Frauen vom Arbeitsmarkt durch ein Betreuungsgeld trägt dazu nicht bei. Tatsächliche Gleichstellung im Erwerbsleben braucht gesetzliche Regelungen. Der Beweis, dass Freiwilligkeit keinen Fortschritt bringt, ist bereits erbracht. ■

IM BLICKPUNKT

HARTZ IV: ERFOLG DER SPD „Kompromisse tun immer weh“, sagt Anette Kramme über die Einigung im HartzIV-Streit. Als bittere Pille bezeichnet die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, dass SchwarzGelb bei den Regelsätzen nicht den Hauch von Einsicht gezeigt habe. Durchgesetzt hat die SPD dagegen die Einführung von Mindestlöhnen in der Leih- und Zeitarbeit und die Ausweitung des Bildungspakets. Für Kramme ist klar: „Es ist ein Erfolg der SPD, dass aus dem Päckchen der Regierung ein echtes Paket wurde.“■

Christel Humme, MdB, ist Sprecherin der Arbeitsgruppe Gleichstellungspolitik. Caren Marks, MdB, ist Sprecherin der Arbeitsgruppe für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Interview zur Quote mit Christel Humme vorwärts.de/humme

Wo ist die Frauenunion? – zwei Ministerinnen, zwei Meinungen. Was nun? 2. FEBRUAR Die Kanzlerin spricht ein Machtwort – gegen die Frauen: Es gibt keine gesetzliche Quote und Schluss. Die Arbeitsministerin ist kaltgestellt, die Kanzlerin vor der FDP eingeknickt. Eiskalte Machtpolitik – denn Merkel weiß, Streit schadet bei den anstehenden Landtagswahlen. Parallel zu diesem Hickhack hat eine unabhängige Kommission ein Gutachten für den ersten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung an die Frauenministerin Kristina Schröder übergeben. Die Handlungsempfehlungen: Eine gesetzliche Quote für Frauen in Führungspositionen. Wir dürfen auf die Stellungnahme der Bundesregierung zu diesem Gutachten gespannt sein. ■ CH

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Was in Frankreich, den USA, in China und Brasilien möglich ist, muss auch in Deutschland möglich sein.

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Dagmar Ziegler, SPD-Fraktionsvize über eine gesetzliche Frauenquote in Vorständen und Aufsichtsräten von Unternehmen

+ + + 1973 ARBEITSGEMEINSCHAFT SOZIALDEMOKRATISCHER FRAUEN GEGRÜNDET, ERSTE VORSITZENDE ELFRIEDE EILERS +++ 1975 INTERNATIONALES JAHR DER FRAU DURCH DIE VEREINTEN NATIONEN (UN) PROKLAMIERT, INTERNATIONALER FRAUENTAG WIRD 1977 OFFIZIELLER TAG DER UN + + +


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EINE SCHWERE ENTSCHEIDUNG PRÄIMPLANTATIONSDIAGNOSTIK Darf bei künstlicher Befruchtung der Embryo vor Einpflanzung in die Gebärmutter auf Erbkrankheiten untersucht werden? Oder soll das verboten werden? Darüber debattiert der Bundestag. Und die SPD

Pro Manuela Schwesig, stellvertretende SPD-Parteivorsitzende

WORUM GEHT ES?

Manuela Schwesig

ch traue es unserer Gesellschaft zu, mit dem Fortschritt in der Bio-Medizin verantwortungsvoll umzugehen. Die Politik muss dafür den Rahmen setzen und angesichts der rasanten Entwicklung ihn – wenn nötig – auch anpassen. Vor diesem Hintergrund halte ich eine Zulassung der PID in strikt geregelten Ausnahmefällen für vertretbar. Die Entscheidung soll in jedem Einzelfall eine Ethikkommission fällen. Ich kenne die Leidensgeschichten von Paaren, die das genetische Risiko tragen, ein möglicherweise nicht lebensfähiges Kind zu zeugen. Diesen Menschen die medizinische Möglichkeit vorzuenthalten, das Leid zu vermeiden, ist für mich

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höchst problematisch. Wie sollte man ihnen das absolute Verbot der PID erklären, wenn es gleichzeitig rechtlich möglich ist, bei schweren Behinderungen des Embryos eine Schwangerschaft im fortgeschrittenen Stadium abzubrechen? Keine Frau entscheidet sich leichtfertig für eine PID. Sie setzt eine künstliche Befruchtung voraus und ist mit hohen Belastungen verbunden. In Deutschland sind jährlich 100 - 200 Paare betroffen. Die Angst, dass die PID dafür missbraucht werden könnte, Eltern den perfekten Sprössling zu garantieren, halte ich auch deshalb für. Paare, die eine PID anwenden müssen, haben einen langen Leidensweg hinter sich. Sie handeln nicht leitfertig.

Die PID wird europaweit in rund 60 Zentren praktiziert. Schon heute gibt es einen grenzüberschreitenden PID-Tourismus. Wir sollten deshalb in Deutschland kontrollierte Möglichkeiten für Einzelfälle eröffnen. Auch weil es ungerecht ist, wenn sich wohlhabende Paare den Zugang zur PID in anderen Ländern erkaufen, während sich andere dies nicht leisten können. Ich wünsche mir, dass wir diese wichtige Diskussion ohne Zeitdruck und mit der gebotenen Sorgfalt führen. Denn es wird nicht das letzte Mal sein, dass uns der medizinische Fortschritt schwierige ethische Fragen aufgibt.■

Warum erregt die Präimplantationsdiagnostik (PID) derart die Gemüter? PID ist ein diagnostisches Verfahren an befruchteten Eizellen außerhalb des Körpers der Mutter. Bei erblich vorbelasteten Paaren sollen genetisch vererbbare Krankheiten damit bereits in der Eizelle diagnostiziert werden. Das ist je-

doch keine rein diagnostische oder medizinische Frage. Es geht um eine genetische Beurteilung von Leben, also eine zutiefst ethische Frage. Erst 2002 hatte der Bundestag ein Verbot der PID beschlossen. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes muss nun neu entschieden werden.

Drei Gruppen von Abgeordneten haben über Parteigrenzen hinweg Gesetzentwürfe vorgelegt. Eine Gruppe steht für eine weitgehende Freigabe der PID. Eine andere will sie in streng begrenzten Ausnahmefällen zulassen. Die dritte will die Beibehaltung des Verbotes. ■

»Wenn etwas möglich ist, wird es nicht nur

gemacht, sondern es wird unterschwellig zur neuen Norm.

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Contra Andrea Nahles, Generalsekretärin der SPD

anche Frauen fragen mich verärgert oder verzweifelt, warum ich mich öffentlich für ein Verbot der PID ausspreche. Ich müsse doch verstehen, wie bedeutsam der Wunsch nach einem gesunden Kind sei. Weiß Gott, das lässt mich nicht unberührt. Lasst mich meine Haltung an einem Beispiel verdeutlichen: Eine Freundin von mir hat ein Kind mit einer kleinen Fehlbildung. Der Kleine ist ansonsten putzmunter. Als ihr zweites Kind nun dieselbe Fehlbildung aufwies, fragte die Ärztin sie: Haben Sie sich denn nicht genetisch beraten lassen? Das zeigt mir: Wenn etwas möglich ist,

wird es nicht nur gemacht, sondern es wird unterschwellig zur neuen Norm. Und das darf meiner tiefen Überzeugung zufolge nicht sein: Dass wir die Grenzen dessen, was wir als lebenswertes Leben erachten, immer weiter verschieben. Zudem gibt es einfach zu viele Fragezeichen. Derzeit können 120 Erbkrankheiten unterschiedlicher Schwere nachgewiesen werden. Aber ob eine solche Erbkrankheit im späteren Leben tatsächlich ausbricht, ist in vielen Fällen völlig offen. Wir wissen es schlichtweg nicht, wenn wir im Labor darüber entscheiden. Können wir uns trotzdem über die Zweifel hinwegsetzen? Ich be-

«

Andrea Nahles

fürchte, dass uns ein „Dammbruch“ droht. Denn letztlich steht die Frage im Raum: Welches Leben ist lebenswert? Und wer entscheidet das? Kann ich mit diesen Abwägungen auf das Leid der betroffenen Menschen eine zufriedenstellende Antwort geben? Nein. Aber wir müssen auch die Frage beantworten, ob wir es einzelnen Frauen und Familien überlassen wollen, welches Leben lebenswert ist. Und meine Antwort darauf ist: Wir sollten in aller Freiheit des aufgeklärten Geistes die ethischen Grenzen des menschlichen Handelns anerkennen. ■

+ + + 1976 § 218 INDIKATIONSREGELUNG STRAFFREIHEIT NUR NACH BESTIMMTEN INDIKATIONEN, ZWANGSBERATUNG UND BEDENKZEIT + + + 1977 EHERECHTSREFORM LEITBILD DER HAUSFRAUENEHE WIRD ABGESCHAFFT, RECHTSGLEICHHEIT VON MANN UND FRAU IN DER EHE + + +

FOTOS: DIRK BLEICKER

»Keine Frau entscheidet sich leichtfertig für eine PID.«


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PREKÄRE BESCHÄFTIGUNG Immer mehr Frauen arbeiten in Minijobs. Das macht sie abhängig, warnt ArbeitsmarktExpertin Dorothea Voss-Dahm Interview Yvonne Holl

Feingefühl und Menschlichkeit sind gefragt: Die Frankfurter Pflegedienst-Chefin Nadia Qani kennt alle ihre 52 Patienten persönlich.

DER WEG ZUM ERFOLG INTEGRIERT Nadia Qani floh aus Afghanistan nach Deutschland. Sie arbeitete sich von der Putzfrau zur Unternehmerin hoch Von Sabine Balk

FOTO: MONIKA MÜLLER

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er sich bei Nadia Qani bewirbt, muss nicht unbedingt eine Ausbildung oder einen geradlinigen Lebenslauf vorweisen. Die 50-Jährige ist Chefin des Ambulanten Häuslichen Pflegedienstes AHP in Frankfurt, der sich auf die Pflege von Menschen mit Migrationshintergrund spezialisiert hat. Die ehemalige Asylbewerberin hat selbst keine geradlinige Biografie. Sie arbeitete in Deutschland jahrelang als Putzfrau und Kassiererin. Bei der Selfmade-Unternehmerin bekommen diejenigen eine Chance, die Einsatzbereitschaft und Menschlichkeit im Umgang mit den Patienten zeigen und dem harten Job einer ambulanten Pflegekraft gewachsen sind. Und sie müssen mit Feingefühl auf die religiösen und kulturellen Besonderheiten der Patienten eingehen. 58 Frauen und Männer aus 24 Nationen arbeiten für AHP. Sie sprechen 38 Sprachen, am häufigsten Türkisch und Iranisch. Alle Mitarbeiter müssen Deutsch lernen. „Ich erwarte, dass sie das aus eigener Initiative tun, aber ich unterstütze sie, indem ich ihnen zwei Mal die Woche für einen Deutschkurs frei gebe“, so Qani. Als sie selbst 1980 mit 19 Jahren aus Afghanistan nach Deutschland floh, konnte sie kein Wort Deutsch. “Ich habe die Sprache gepaukt und beinahe bis

zum Umfallen gearbeitet”, erinnert sich die Mutter zweier Söhne. Anfang der 1990er Jahre putzte sie bei einem ambulanten Pflegedienst und lernte eine Patientin kennen, die sie unbedingt als Betreuerin haben wollte. “Das war der erste Schritt zu meinem Pflegedienst.” Nadia Qani ist keine examinierte Pflegekraft, in Afghanistan arbeitete sie im Wirtschaftsministerium und als Lehrerin. Ihr betriebswirtschaftliches Wissen half ihr, ein erfolgreiches Unternehmen aufzubauen. Seit sie in Deutschland ist, engagiert sie sich auch für die Rechte und Gleichstellung von Frauen etwa in ihrem Verein Zan (persisch: Frau). Für ihr Engagement wurde Nadia Qani vielfach ausgezeichnet, darunter als „Best!agers – Unternehmen mit Weitblick“ und „Bester Arbeitgeber im Gesundheitswesen“. Das Bundesverdienstkreuz am Bande erhielt sie für ihre Verdienste um die Ausbildung und Integration von Frauen mit Migrationshintergrund. Ihr Engagement stößt nicht nur auf Zustimmung. Sie erhält seit Monaten Drohbriefe von Rechtsradikalen und bekommt Personenschutz. Vielen ihrer afghanischen Landsleute in Deutschland ist Nadia Qani – seit 1999 eingebürgert, seit 2005 SPD-Mitglied – zu deutsch. “Ich habe zwar Angst, aber ich lasse mir den Mund nicht verbieten”, sagt Qani. ■

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GUT GEMACHT

PFLEGEDIENST IN FRANKFURT AM MAIN

BUCH-TIPP: Nadia Qani ICH BIN EINE DEUTSCHE AUS AFGHANISTAN Von der Drachenläuferin zur Unternehmerin Krüger Verlag, 272 Seiten, 19,95 Euro ISBN: 978-3810515278

Frauen arbeiten immer häufiger in „prekären Beschäftigungsverhältnissen“. Was genau ist damit gemeint? Unter prekärer Beschäftigung verstehen wir Arbeitsverhältnisse, die deutlich unter dem allgemeingültigen Standard des Einkommens, des Schutzniveaus und des sozialen Integrationsniveaus liegen. Können Sie ein Beispiel nennen? Mit Blick auf Frauen ist der Minijob zu nennen. In Deutschland arbeiten inzwischen mehr Frauen in Minijobs als in sozialversicherungspflichtiger Teilzeit. Was bedeutet das für die Frauen? Sie haben keinen eigenen Zugang zu sozialen Sicherungssystemen, also keine Absicherung in der Krankenversicherung, der Pflege- und Arbeitslosenversicherung, sowie nur ganz geringe Rentenansprüche. Wie gering sind die? Wer ein ganzes Jahr im Minijob arbeitet und 400 Euro bezieht, baut Rentenansprüche in Höhe von 3,20 Euro pro Jahr auf. In 30 Jahren erwirbt man sich so einen Anspruch von 96 Euro im Monat. Das führt zu Abhängigkeit? Ja, sie sind auf den Partner oder die Grundsicherung im Alter angewiesen. Wie kann das besser werden? Der Minijob gehört eigentlich nicht mehr in eine moderne Arbeitsgesellschaft. Es sollte also nur sozialversicherungspflichtige Jobs geben? Ja. Hinzu kommt das niedrige Lohnniveau, gerade bei Minijobbern. Befürworter sagen, ein Minijob ist besser als gar kein Job. Die Rechnung geht nicht auf. Im Handel ist jeder dritte Beschäftigte ein Minijobber, im Reinigungsgewerbe ist es jeder zweite. Die Jobs gibt es also. In beiden Branchen werden kurzzeitig viele Hände benötigt. Wenn mit kurzer Teilzeitbeschäftigung einhergeht, dass die Menschen sozial nicht abgesichert sind und geringe Rentenansprüche haben, ist das nicht mehr Flexibilität, sondern strukturelle Benachteiligung – in der Regel von Frauen. ■ Dorothea Voss-Dahm forscht am Institut Arbeit und Qualifikation der Universität DuisburgEssen u.a. zum Wandel in der Arbeitswelt.

+ + + 1982 »GEWALT GEGEN FRAUEN HAT VIELE GESICHTER« HEISST DAS MOTTO DES ASF-AUFRUFES ZUM FRAUENTAG MIT ALICE SCHWARZER + + + 1988 40%-FRAUENQUOTE I N DER SPD BEI ÄMTERN UN D MAN DATEN WURDEN VOM SPD-PARTEITAG I N MÜNSTER BESCH LOSSEN + + +


22 WIRTSCHAFT

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NACHTS UM 2 KLINGELT DER WECKER Ich verkaufe Fisch. Mein Arbeitstag hat oft zwölf Stunden

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bwohl ich 150 Bewerbungen geschrieben habe, fand ich nach dem Realschulabschluss 1994 keine Lehrstelle. Meine Eltern haben einen Fischfeinkosthandel. Meine Mutter sagte: „Nicht arbeiten ist nicht. Dann kommst Du erstmal ein Jahr zu uns.” Aus einem Jahr sind 16 geworden. Dienstags und donnerstags sind die kurzen Tage. Wir fangen um 5.30 Uhr an und bereiten die Salate: schneiden den Fisch, putzen das Gemüse, pellen die Kartoffeln. Das geht bis 15 Uhr mit einer Stunde Frühstückspause. Die langen Tage sind die Markttage: Mittwoch und Samstag in Elmshorn, Freitag in Uetersen. Da stehe ich um 2 Uhr auf, füttere meinen Hund und gehe mit ihm kurz

FISCHVERKÄUFERIN ALEXANDRA BEHNKE 35 Jahre, lebt in Schleswig-Holstein Ausbildung Status Gehalt Arbeitszeit

angelernt angestellt im Familienbetrieb keine Angabe, Tarif für Verkäuferinnen in SchleswigHolstein bis 1840 Euro brutto (ungelernt 1360 Euro) in Spitzenzeiten bis zu 50 Stunden

raus. Um halb vier fangen wir an. Während mein Vater vom Hamburger Großmarkt den frischen Fisch holt, fahre ich mit zwei Kollegen zum Markt und wir bauen

den Stand auf. Zwischen sechs und sieben treffen die Verkäuferinnen ein, um sieben beginnt der Verkauf. Das ist stressig. Wir müssen schnell sein, zu hundert Pro-

zent konzentriert und immer eine positive Ausstrahlung haben, egal wie es uns geht. Wir haben ja nur die paar Stunden, um unser Geschäft zu machen. Mittwochs dauert der Markt bis 12 Uhr, freitags und samstags bis 13 Uhr. Danach packen wir alles ein, machen sauber und bauen den Stand ab. Ich fahre in die Firma, und wir bereiten den kommenden Tag vor. Zwischen 15 und 15.30 Uhr habe auch ich Schluss. Die Arbeit ist körperlich sehr anstrengend: Sehr früh anfangen, zwölf Stunden und länger auf den Beinen sein, Kisten schleppen – das ist eine Belastung für die Füße, für den Rücken, für die Schultern. Trotzdem liebe ich meine Arbeit. Ich liebe es, im Team zu arbeiten, zu verkaufen. In den zwei Minuten, in denen man miteinander zu tun hat, erfährt man viel von den Menschen: wie es ihnen und ihrer Familie geht, ob sie krank waren. Von den meisten kenne ich die Namen. Zum Ausgleich mache ich abends Yoga bei der Volkshochschule. Da treffe ich viele Kundinnen wieder. Dann klönen wir ausführlicher. Sonntag und Montag habe ich frei. ■ Aufgezeichnet von Susanne Dohrn

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FOTO:HANNAH SCHUH

MEINE ARBEIT


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KULTUR 23

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BIS ZUR KENNTLICHKEIT MASKIERT

Spielerisch, verführerisch und kampfbereit

FEMINISTISCHE KUNST Mit Hilfe von Verhüllung legt Birgit Jürgenssen offen, welche Rollen Frauen zugewiesen werden. Die erste posthume Retrospektive in Wien zeigt, wie vielschichtig ihr Werk ist Von Birgit Güll

FOTO: SAMMLUNG VERBUND, WIEN/VBK, WIEN, 2010

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in Fuchsfell bedeckt Augen und Nase der jungen Frau. Ihre roten Lippen sind gespitzt, der Kopf leicht gesenkt. Es hat etwas Verführerisches, wie Birgit Jürgenssen sich in der Fotografie „Ohne Titel (Selbst mit Fellchen)“ 1974 präsentiert. Doch das ist kein Selbstzweck. Die Künstlerin zeigt sich so, wie Frauen gerne gesehen werden. Sie ist das Wildtier mit sinnlicher Seite. Sie trägt Pelz – wenn auch anders, als es sonst für Frauen üblich ist. Birgit Jürgenssen hält der Gesellschaft einen Spiegel vor. Die 1949 Geborene gehört zu den wichtigsten Vertreterinnen der feministischen Kunst. In einer ersten posthumen Retrospektive präsentieren das „Bank Austria Kunstforum“ und die Sammlung „Verbund“ das Werk der 2003 Verstorbenen in seiner ganzen Bandbreite. Die Wiener Schau zeigt ein

Werk, das im doppelten Sinne reich ist: Es ist ideenreich und facettenreich. Die experimentierfreudige Künstlerin arbeitet in verschiedenen Genres – ihre größte Leidenschaft gehört Fotografie und Zeichnung, das hält sie aber nicht davon ab, Plastiken und Installationen zu schaffen. Leichtfüßig übertritt sie auch die Grenzen zwischen den Genres. Und Jürgenssen schreckt nicht davor zurück, sich in unterschiedlichen Stilen auszuprobieren.

Der eigene Körper als Projektionsfläche Vielleicht ist das der Grund dafür, dass sie zu Lebzeiten keine großen kommerziellen Erfolge feierte. Es gibt ihn nicht, den charakteristischen Jürgenssen-Stil. Doch es gibt ein Jürgenssen-Thema, das sich durch ihr Werk zieht und es zusammenhält: „Ich wollte die gängigen Vorurteile und Rollenbilder, die Frauen in der Gesell-

schaft zugewiesen werden und mit denen ich immer konfrontiert war, aufzeigen und die Missverständnisse des Alltags darstellen“, sagt sie. Sie tut das, indem sie den Blick – häufig über ihre Fotokamera – auf sich selbst richtet. Birgit Jürgenssen nimmt die Zuschreibungen, die von außen auf sie einprasseln, an und projiziert sie zurück. Sie zeigt sich, wie sie als Frau gesehen wird. Ihr Körper ist ihr dabei Medium und – häufig im wahrsten Sinne des Wortes – Projektionsfläche. Virtuos nutzt sie die Mittel von Rollenspiel und Verkleidung, um ihre Botschaft zu vermitteln. „Ich würde es nicht Tarnung nennen. Es ist bei mir eher eine surreale Praxis, durch Verschleiern sichtbar machen. Ich maskiere mich allerdings, weil es weniger um mich als um die Situationen geht, in denen ich mich darstelle“, so Jürgenssen. 1974 fordert sie den DuMont-Verlag auf, einen Sammelband über Künstlerinnen zu veröffentlichen: „So oft ist die Frau Kunstobjekt, selten und ungern lässt man sie selbst zu Wort oder Bild kommen.“ Ein Vorschlag, der abgelehnt wird.

Ohne Titel (Selbst mit Fellchen), 1974/77

RETROSPEKTIVE

BIRGIT JÜRGENSSEN noch bis 6. März 2011 Kuratiert von Gabriele Schor und Heike Eipeldauer Bank Austria Kunstforum Freyung 8, 1010 Wien bankaustria-kunstforum.at

Birgit Jürgenssen inszeniert sich nicht in männlichen Macho-Posen, sie ist nicht aggressiv oder provokativ. Jürgenssen schockt den Betrachter nicht, vielmehr lädt sie ihn ein. Ihr Werk ist spielerisch und verführerisch, zugleich ist es tief und hintergründig. Und es ist humorvoll. Da wächst eine Brust an der Stelle eines Bizepses aus dem angespannten Oberarm. Die tragische Frauenfigur Gretchen aus Goethes „Faust“ wird bei Birgit Jürgenssen zu „Gretchen von Faust“. Kampfbereit und unübersehbar ist die weibliche Faust ins Bild gestreckt. Auf dem Handrücken ragt der goldene Absatz eines Damenschuhs steil nach oben. Es ist die Umkehrung der Gretchen-Tragödie, die die Künstlerin uns zeigt. Auf einem Foto von 1976 presst sich eine adrett gekämmte Frau mit strahlend weißem Blusenkragen gegen eine Glasscheibe, vielleicht ist es auch eine Wand aus Glas. Darauf steht, erst auf den zweiten Blick sichtbar, „Ich möchte hier raus!“. Mal serviert Jürgenssen ihre Botschaft auf dem Silbertablett, mal gilt es, sie in der Tiefe ihrer Werke zu suchen. „Für mich war es immer reizvoll, über die Abbildung hinaus etwas Fiktives, Irritierendes zu machen“, formuliert Jürgenssen. Egal welches Werk man in der beeindruckenden Schau betrachtet: Es gibt diesen Reichtum, der dazu verlockt länger hinzusehen, und dieses Mehr, das Jürgenssens Kunst auszeichnet, zu erkennen. ■

+ + + 1989 FRIEDLICHE REVOLUTION IN DER DDR DER INTERNATIONALE FRAUENTAG WIRD IN DEUTSCHLAND WIEDER GEMEINSAM BEGANGEN + + + 1991 ERSTE BUNDESSCHATZMEISTERIN DER SPD WIRD INGE WETTIG-DANIELMEIER, ZUGLEICH BUNDESVORSITZENDE DER ASF BIS 2007 + + +


24 KULTUR

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LEIPZIGER BUCHMESSE 17.-20. MÄRZ

IMMER MÜSSEN DIE ÄLTEREN NÖRGELN

FRAUENBÜCHER

ELISABETH BADINTER Die französische Philosophin beklagt die mangelnde Emanzipation jüngerer Frauen Von Tanja Dückers

MEIN KULTUR-TIPP Katrin Budde, SPD-Vorsitzende, Fraktionschefin in Sachsen-Anhalt

„Der Konflikt. Die Frau und die Mutter“ ist leider vor allem Zeugnis eines anderen Konflikts: des von Frauen untereinander. Es ist bedauerlich, dass die ältere Generation von Feministinnen seit Jahren in den Modus des Dauernörgelns an der jüngeren Generation von Frauen verfallen ist. Ob diese sich nun anders kleiden, länger stillen oder eine längere Babypause nehmen: alles wird mit Argusaugen von den Älteren bewacht. Elisabeth Badinter, Mitte Sechzig, die Alice

H BUC N EN I NS O e REZE

rts.d ä w r vo ktuell! …a

PUPPEN FÜR ERWACHSENE Wer Puppentheater hört, denkt im ersten Moment an Kasper, Wolf und Märchenwald, schöne Geschichten für Kinder und verträumte Weihnachtsinszenierungen. Dass Puppenspiel auch etwas für Erwachsene ist, beweist hingegen das bundesweit renommierte Magdeburger Puppentheater mit ebenso innovativen wie gesellschaftskritischen Inszenierungen. Mein Highlight der vergangenen Monate war „Marleni – Preußische Diven blond wie Stahl“. Was geschieht, wenn des Führers Muse Riefenstahl den blonden Engel Marlene Dietrich zu einem letzten und nun gemeinsamen Film zu überreden sucht, werden sich nur wenige gefragt haben. Fasziniert hat der gnadenlose Dialog über Schuld und Unschuld, über das Altern, die Unsterblichkeit und die Männer viele – ein schonungsloser Blick auf das

Tanja Dückers ist Schriftstellerin und Journalistin.

Elisabeth Badinter: DER KONFLIKT. DIE FRAU UND DIE MUTTER C. H. Beck Verlag, München, 2010, 222 Seiten, 17,95 Euro, ISBN 978-3-406-60801-8

teilt, entzieht sich Moritz dem Vollzug durch Selbstmord. Doch wie kann das sein in einem perfekten System, für das DNA-Analysen die eherne Grundlage der Rechtsprechung bilden? Eine moderne Hexenjagd beginnt, deren Grundkonflikt vertraut sein dürfte: System versus Individuum, Sicherheit versus Freiheit. Ein Puppenspiel für Erwachsene eben. Es lohnt sich. ■ Kein Kinderkram: Puppentheater für Große

vergangene Jahrhundert inklusive. Nun wagen sich die Puppenkünstler mit „Corpus delicti“ in Orwellsche Dimensionen. Sie führen uns ins Deutschland des Jahres 2057. Mit Kaffee- und Rauchverbot, Sportpflicht und Toilettensensoren zur Urinüberwachung hat der Staat die Methode entwickelt, das schlimmste Übel der Menschheit zu überwinden: die Krankheit. In dieser Gesundheitsdiktatur gerät Mia ins Visier der Behörden. Ihre Schlafund Ernährungsberichte liegen nicht vor, ihr e-Steckbrief verzeichnet einen Einbruch im sportlichen Profil. Mias Grund: Ihr Bruder Moritz wurde der Vergewaltigung und des Mordes angeklagt. Trotz Beteuerung seiner Unschuld zum Einfrieren auf unbestimmte Zeit verur-

Puppentheater Magdeburg Warschauer Straße 25 39104 Magdeburg Tel: 0391 – 540 3310 www.puppentheater-magdeburg.de

ZU GEWINNEN! 2 x 2 Theatergutscheine für das Magdeburger Puppentheater E-Mail an: redaktion@vorwaerts.de Stichwort : „Puppentheater“ Einsendeschluss: 10. März 2011 HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH! Zu gewinnen waren 3 x das Buch „Vom Glück nur ein Schatten“ von Uwe-Karsten Heye, Andre Hanf, 01156 Dresden Donata Gußmann, 35396 Gießen Udo Käser, 90471 Nürnberg

+ + + 1993 ERSTE DEUTSCHE MINISTERPRÄSIDENTIN WIRD HEIDE SIMONIS IN SCHLESWIG-HOLSTEIN, BIS 2005 + + + 1994 ERGÄNZUNG DES GRUNDGESETZES GEMÄSS EINIGUNGSVERTRAG: DER STAAT FÖRDERT DIE DURCHSETZUNG DER GLEICHBERECHTIGUNG VON FRAUEN UND MÄNNERN + + +

FOTOS: DIRK BLEICKER (2), PETER FRISCHMUTH/ARGUS, JESKO DÖRING

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adinters „Der Konflikt. Die Frau und die Mutter“ beschreibt einen neuen „Zurück-zur-Natur“Zeitgeist, der Müttern – wieder – mehr Engagement für ihr Kind (Stillen, lange Betreuung) abverlangt und implizit Leitlinien von „perfekter Mutterschaft“ formuliert. Soweit Badinter Kritik an einem modischen „Differenzfeminismus“ übt, der aus Frauen gern die „von Natur aus“ besseren Kinderbetreuerinnen macht, stimmt man ihr gern zu. Aber

Die Buchmesse öffnet ihre Pforten. Der „vorwärts“ wirft zum Frauentag einen Blick auf die weibliche Literatur: von Feminismus-Debatten bis hin zum Putzen unter deutschen Betten. Neues von Inge Wettig-Danielmeier, Gesellschaftskritisches von Katherine Ann Porter, Enthüllungen von Justyna Polanska und mehr auf vorwärts.de/buecherschau

Schwarzer Frankreichs, reagiert gereizt auf den angeblich fehlenden feministischen Impetus der Jüngeren. Statt die Hindernisse, die sich Frauen oft nach Schwangerschaft und Mutterschutz beim Versuch des beruflichen Wiedereinstiegs in den Weg stellen, auf arbeitsmarktstrukturelle und politische Defizite hin zu untersuchen, wird die Wirkung des nicht-so-neuen Öko-Zeitgeistes überschätzt und die jüngere Generation von Frauen selbst pauschal für diese Missstände verantwortlich gemacht. Badinters Kritik an normativen Vorstellungen, was eine „gute Mutter“ zu sein hat, hat ihre Berechtigung, aber der Unterton: Wir Feministinnen-Mütter mit RevolteVergangenheit haben damals alles besser gemacht, stört doch sehr. ■


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HISTORIE 25

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FOTOS: ULLSTEINBILD (2), ADSD (4)

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on Rosa Luxemburg wissen wir viel und von Clara Zetkin ebenfalls nicht wenig. Diese Heldinnen der sozialdemokratischen Frauengeschichte erreichen manchmal schon den Status von Heiligen. Von vielen anderen durchaus bedeutenden SPD-Politikerinnen wissen wir zwar einiges, aber immer noch nicht genug: von Emma Ihrer, Mitglied der Generalkommission der Gewerkschaften seit 1890, von Luise Zietz, Mitglied des Parteivorstandes der SPD seit 1908, von den SPD-Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik Toni Sender, Toni Pfülf und Louise Schroeder, oder von Elisabeth Selbert, Mitglied des Parlamentarischen Rates – um nur einige zu nennen. Von tausenden streitbaren Sozialdemokratinnen wissen wir rein gar nichts. Einige von ihnen begegnen uns höchstens einmal als „tapfere Frau an seiner Seite“. Damit kann Julie Bebel gemeint sein, die aber eine erfolgreiche Geschäftsfrau wurde, oder Louise Ebert, die eine aktive Gewerkschafterin war. Oder sogar Julia von Vollmar, die reiche schwedische Unternehmerin, oder Luise Kautsky, die Tochter eines Wiener Konditormeisters und enge Freundin Rosa Luxemburgs, die einen breiten Familien- und Freundeskreis dauerhaft an die SPD band. Ich denke aber vielmehr an die halbwegs bekannten Frauen, die sich in der Revolution 1918/19 einen Namen gemacht haben und inzwischen beinahe vergessen sind: Erna Halbe-Lang in Hamburg, Rose Wolfstein, spätere Frölich, und Lore Agnes in Düsseldorf, Minna Fasshauer in Braunschweig. Vor allem aber meine ich die ungezählten unbekannt gebliebenen Frauen, die es verdient haben, aus der Geschichtslosigkeit geholt zu werden. Helene Zirkel zum Beispiel, die am 9. November 1918 auf dem Berliner Polizeipräsidium die rote Fahne hisste, oder Hilde Steinbrink aus Neukölln, die das letzte Maschinengewehr bediente, mit dem sich am 11. Ja-

Louise Schroeder (1887-1957)

Luise Zietz (1865-1922)

AUF DER SUCHE NACH DEN VERGESSENEN SPD-FRAUEN Die spannenden Biografien tausender, noch unentdeckter Sozialdemokratinnen sollten endlich erforscht werden Von Helga Grebing

Julie Bebel (1843-1910)

Emma Ihrer (1857-1911)

Luise Kautsky (1864-1944)

Louise Ebert (1873-1955)

nuar 1919 die roten Besetzer des Vorwärts-Gebäudes gegen die weißen Freikorps wehrten. Oder die 5000 weiblichen Angestellten der Berliner Wertheim-Warenhäuser, die am 13. Dezember 1918 für höhere Löhne streikten, oder auch die Frauen unter den Märzgefallenen des Jahres 1848 oder, oder…

Sozialismus fängt zu Hause an Es geht nicht nur darum, die unbekannten Heldinnen auszugraben, sondern auch darum, Antworten zu finden auf die Frage, warum so viele kampffähige Frauen sich nach dem ersten Anlauf in die Politik wieder ins Heim und an den Herd zurückzogen, nicht nur 1918, sondern auch nach 1945. Man würde es sich zu einfach machen, dahinter nur die Tat der Männer zu vermuten. Frauen wissen im allgemeinen ganz gut über sich Bescheid. So fragte die USPD-Delegierte Elvira Rosenberg aus Mariendorf bei Berlin 1919: „Ja, wie sollen wir denn politisch selbständig werden, wenn wir im Hause fast nichts zu sagen haben?“ und sie forderte deshalb: „Der Sozialismus muss zuerst im Hause anfangen.“ Sie fand es auch gar nicht schlimm, dass, wenn die Frau der verdienende Teil der Familie war, der Mann das Hauswesen betreute „und das Gemüse fertig kochen ließe“. Es gibt inzwischen viel biografische Einzelforschung, aber so mancher vielversprechende Anfang musste abgebrochen werden wegen des ständigen Mangels an Quellen. Proletarier hinterlassen selten Tagebücher und Erinnerungen schriftlicher Art. Aber das heißt doch nicht, dass den Geschichtsforschern auch die Neugier verloren gehen muss und die Fantasie abhanden kommt, neue Wege zu finden. Immer wieder suchen, verknüpfen, verbinden – Familiengeschichte ist gerade en vogue, warum nicht auch die der Arbeiterinnen. ■ Hinweise zu den Biografien von SPD-Frauen nimmt die Redaktion gerne entgegen.

+ + + 1995 NEUFASSUNG § 218 STRAFFREIHEIT NACH BERATUNG, BEDENKZEIT UND BESTIMMTEN INDIKATIONEN IN DEN ERSTEN DREI MONATEN + + + 2005 ERSTE DEUTSCHE BUNDESKANZLERIN WIRD IN DER GROSSEN KOALITION AUS UNION UND SPD DIE CDU-CHEFIN ANGELA MERKEL + + + VORWÄRTS-IMPRESSUM Die Sozialdemokratische Zeitung gegründet 1876 von W. Hasenclever und W. Liebknecht Herausgeberin: Andrea Nahles Redaktionsadresse: Berliner vorwärts Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 610322, 10925 Berlin; Tel. 030/25594-320, Fax -390, E-Mail redaktion@vorwaerts.de Chefredakteur: Uwe Knüpfer (V.i.S.d.P.) Redaktion: Lars Haferkamp (Textchef); Dagmar Günther (CvD); Monika Koepp (Bildred.); Kai Doering, Yvonne Holl, Vera Rosigkeit und Karsten Wenzlaff (Redaktion); Dr. Susanne Dohrn und Werner Loewe (redaktionelle Mitarbeit); Birgit Güll und Gero Fischer (Volontäre) Art Director und Fotografie: Dirk Bleicker Korrespondenten: Jörg Hafkemeyer (Berlin), Renate Faerber-Husemann (Bonn), Lutz Hermann (Paris) Geschäftsführung: Guido Schmitz Anzeigen: Nicole Stelzner (Leitung strategische Unternehmensentwicklung und Verkauf); Michael Blum (Leitung strategische Unternehmenskooperation und Key Account Anzeigen); Nele Herrmann-Valente, Marcus Hochheimer, Manfred Köhn, Carlo Schöll und Ralph Zachrau (Verkauf) Gültige Anzeigenpreisliste: Nr. 34 vom 1.1.2011 Verlags-Sonderseiten: verantw. Guido Schmitz Vertrieb: Stefanie Martin, Tel. 030/25594-130, Fax 030/25594-199 Herstellung: Projektdesign Druck: Frankenpost Verlag GmbH, Poststraße 9/11, 95028 Hof Abonnement: IPS Datenservice GmbH, Postfach 1331, 53335 Meckenheim; Tel. 02225/7085-366, Fax -399; bei Bestellung Inland: Jahresabopreis 22,– Euro; für Schüler/Studenten 18,– Euro; alle Preise inkl. Versandkosten und 7 Prozent MwSt.; Ausland: Jahresabopreis 22,– Euro zzgl. Versandkosten. Das Abo verlängert sich um ein Jahr, wenn nicht spätestens drei Monate vor Ablauf schriftlich gekündigt wird. Für SPD-Mitglieder ist der Bezugspreis im Mitgliedsbeitrag enthalten (pro Haushalt gibt es ein Exemplar, bei Änderungen bitte an den SPD-UB wenden). Bankverbindung: SEB Berlin, BLZ 100 101 11, Konto-Nummer 174 813 69 00 Bei Nichterscheinen der Zeitung oder Nichtlieferung ohne Verschulden des Verlages im Falle höherer Gewalt besteht kein Anspruch auf Leistung, Schadensersatz oder Minderung des Bezugspreises. Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos und Zeichnungen wird keine Haftung übernommen. .


26 HISTORIE

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PLATZ AN DER SPITZE HERTA GOTTHELF Frauensekretärin der SPD Von Karin Gille-Linne

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SEIN ERSTER ELEFANT ANSGAR LORENZ Seine Mutter stellt den neuen vorwärtsGeschichts-Zeichner vor Sie ordnet gerade ihren Schreibtisch, als das Telefon klingelt. Doch die Ablenkung ist willkommen. Helgard Lorenz soll von ihrem Sohn Ansgar erzählen. Der ist nämlich mit dieser Ausgabe neuer vorwärtsIllustrator. Und weil er wie jeder Sohn ein Mann ist, in dieser Ausgabe aber nur Frauen zu Wort kommen sollen, hat hier seine Mutter das Wort. Sie will wirklich nicht eine dieser Angeber-Mütter sein, aber es stimme nun mal, dass Ansgar schon sehr früh sein Talent zeigte. „Mit Anderthalb zeichnete er die erste Maus. Mit drei Jahren einen Elefanten“, erzählt die Grundschullehrerin. „Wie detailgetreu er das machte, war

Kämpferisch: Herta Gotthelf (1902-1963)

die Demonstrationen am internationalen Frauentag dienten diesen Zielen. Genau wie 1911, als Clara Zetkin zu einer machtvollen Demonstration für das Frauenwahlrecht aufrief und damit vor 100 Jahren den ersten sozialdemokratischen Frauentag ins Leben rief. Frauenwahlrecht hieß schon damals: Frauen sollten in die Parlamente und Regierungen, als Repräsentantinnen des Volkes. Dass für die gleichberechtigte Wahrnehmung dieses passiven Wahlrechts – das mit dem Attribut passiv eigentlich nicht sehr treffend beschrieben ist – noch viel zu tun war, das wusste Clara Zetkin, das wusste Herta Gotthelf und das wissen ebenso diejenigen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, die heute in der SPD dafür streiten – nicht nur am Frauentag. ■

verblüffend.“ Von ihr habe er diese Begabung nicht. Das ist rund 30 Jahre her und Ansgar hat inzwischen den Dickhäuter perfektioniert. Er habe zwar nach dem Abi noch zwischen Journalismus und Grafikdesign geschwankt, sich dann aber doch für Letzteres entschieden – Schwerpunkt: Illustration. Zum Studieren ging er nach Leipzig und Münster, heute lebt und arbeitet er in Berlin. „Klar war mir bewusst, dass dieser Bereich ein ganz hartes Pflaster ist, um Geld zu verdienen“, sagt die 56-Jährige, unterstützt habe sie ihn jedoch immer. „Es ist toll, wenn ich Ansgar fragen kann, ob er mir ein paar Zeichnungen für meine Schüler macht.“ Auch wenn die Kinderbuchillustrationen „super ankommen“, findet sie die politischen Karikaturen „spannender“. Dass ihr Sohn nun für den „vorwärts“ zeichnet, sei „absolut in Ordnung“. ■ ALIX FASSMANN

+ + + 2010 ERSTE BUNDESRATSPRÄSIDENTIN WIRD HANNELORE KRAFT, DIE MINISTERPRÄSIDENTIN DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN + + +

FOTO:ADSD

n der Seite des Mannes ist der Platz der Frau! Mit diesem Slogan warb die SPD nach 1945 für die Gleichberechtigung. Mit diesem Slogan bekräftigten Sozialdemokratinnen ihren Anspruch auf Teilhabe an der Macht, allen voran Herta Gotthelf (1902-1963), gewählte und hauptamtliche Frauensekretärin des SPD-Parteivorstands (PV). Der Platz an der Seite des Mannes war das erklärte Ziel. Auch wenn damals nicht alle männlichen Funktionäre einsahen, dass ihr Platz im Gegenzug nun der Platz neben der Frau statt vor der Frau war. Und dass dies bedeutete, dass einige von ihnen ihren Platz wohl oder übel räumen mussten, da bekanntlich der Platz an der Spitze von Wahllisten nun mal nicht größer wird. So kritisierte auf der SPD-Frauenkonferenz in Wuppertal 1948 eine Sozialdemokratin die Genossen „ … die zwar von der Gleichberechtigung immer gern sprechen, wenn es um die Gleichberechtigung der anderen Frauen geht – aber nicht der eigenen.“ Herta Gotthelf war sich bewusst, dass die Position der Frauen stark von ihrer Mitgliederzahl abhing. Je mehr weibliche SPD-Mitglieder, umso einfacher würde es, Frauen auf aussichtsreiche Listenplätze zu bringen. Frauenwerbung war daher ein zentrales Aufgabengebiet des „Ausschusses für Frauenfragen“ beim PV, dem Funktionärinnen und auch einige männliche Funktionäre angehörten. Auch


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RÄTSELSEITE 27

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KREUZWORTRÄTSEL

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Die Fragen und das Kreuzworträtsel darunter ergeben die Lösung. Ihr Lebensweg... führte sie von Russland nach Polen, in die Schweiz, schließlich nach Deutschland, wo sie schon vor dem Krieg zu einer entschlossenen Exponentin des linken Flügels der SPD wurde und nach dem Krieg eine politische Organisation gründete, die nach einem römischen Sklaven benannt war. Ihr Nachname?

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Ihr Lebensmittelpunkt... war eine Stadt, die einige Zeit Hauptstadt eines Königreichs, dann eines Kaiserreichs war, bevor sie nach schweren Zerstörungen nach einem unseligen Zwischenspiel einen Sonderstatus erlangte und erst vor zwanzig Jahren zur Hauptstadt einer Republik wurde.

1 Gemeinsam in der Jury: Die Gesuchte und der Sexualaufklärer Oswald Kolle votieren bei der Miss-Germany-Wahl 1969 in München.

WER WAR'S? Sexuelle Aufklärung war ihr ein Herzensanliegen. Und die Politik war ihr viel zu wichtig, um sie allein den Männern zu überlassen

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ES GIBT ZWEI WEGE, DAS PREISRÄTSEL ZU LÖSEN: Ratefüchse beantworten zuerst die beiden Fragen. Der vierte, vorletzte und letzte Buchstabe des ersten Lösungswortes sowie der zweite, dritte und letzte Buchstabe des zweiten Lösungswortes ergeben in der richtigen Reihenfolge die Lösung. Es geht aber auch einfacher: Die grauen Felder im Kreuzworträtsel ergeben in der richtigen Reihenfolge das Lösungswort. Gesucht wird die erste Präsidentin des Deutschen Bundestags (ihr Nachname). 2

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Von Martha Schatz

FOTO: ULLSTEIN/GELPKE

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ls sie 1968 den Filmpreis “Goldene Leinwand” entgegennimmt, ist dies eine kleine Revolution im Jahr der Revolte. Als Bundesministerin für Gesundheit hatte sie den „Informationsfilm über die sexuelle Aufklärung Jugendlicher und die Unterweisung werdender Mütter“ über die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung finanziert. Fünf Millionen Zuschauer sehen den filmischen Angriff auf den Mief der Adenauer-Jahre im ersten Jahr, viele mit begleitender Hilfe des Roten Kreuzes, da etliche Zuschauer angesichts der im Film gezeigten Geburt in Ohnmacht gefallen waren. Dieser Film und die Herausgabe des SexualkundeAtlas sind ihre spektakulärsten Taten, aber nicht ihre wichtigsten. Aus einer sozialdemokratischen Familie stammend, kommt sie früh zur SPD. Nach Krieg und faschistischer Repression – ihr Mann Hans wird für zweieinhalb Jahre im KZ Dachau interniert – engagiert sie sich beim Wiederaufbau der Partei in Franken. 1949 wird sie in den Bundestag gewählt, dem sie bis 1972 angehört. Als Mitglied des Bundesvorstands der SPD nimmt sie maßgeblichen Einfluss auf die programmatische Entwicklung der Partei. Dabei macht sie sich nicht überall beliebt. „Politik ist eine viel zu ernste Sache, als dass man sie alllein den Männern überlassen könnte“, lautet ihr politischer Grundsatz. Ihre Hinterlassenschaft umfasst das Arzneimittelgesetz, das BaFöG und die Gründung der Stiftung Warentest. Am 26. März 1996 ist sie in ihrer Geburtsstadt Nürnberg gestorben. Bis heute ist sie die einzige Ehrenbürgerin der Frankenmetropole. ■

HISTORISCHES BILDERRÄTSEL

Unter allen Einsendern verlosen wir eine vorwärts-Tasche. Bitte schicken Sie das Lösungswort mit dem Stichwort „Wer war’s“ bis 8. März 2011 per Post oder Mail: redaktion@vorwaerts.de

Margret Kuhrts-Bösche, 20099 Hamburg

Die Lösung des Bilderrätsels aus der vergangenen Ausgabe lautet: RUDOLF HILFERDING

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3 Eine vorwärts-Tasche hat gewonnen: Katharina Kottrup, 31693 Hespe

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GEWINNER

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Die Lösung des jüngsten Preisrätsels lautete LEGO. Gesucht wurden außerdem: VOGEL und GOETTINGEN. Jeweils ein Buch gewannen:

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Werner Junger, 95168 Marktleuthen Hanspeter Riechers, 60594 Frankfurt Patrick Kirschner, 34305 Niedenstein Elke Scherer, 86505 Münsterhausen Kerstin Beckert, 73734 Esslingen Helmut Kroschel, 12526 Berlin

35

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1 6 40

WAAGERECHT 26 Apparat, Hilfsmittel 1 männlicher Vorfahr 28 Gaststätte 8 sich leicht ferdernd 29 aufgebrühtes bewegen Heißgetränk 11 nach oben 30 Linderung, Wohltag 14 norwegische Hauptstadt 15 Grazie 16 Früchte einbringen 18 langschwänziger Papagei 19 starker innerer Antrieb 21 Prachtstraße 24 Sieger, Bester

Annegret Trumpf, 74080 Heilbronn

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Florian Harmsen, 24536 Neumünster Edith Renfordt, 57518 Betzdorf

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33 römischer Kaiser 36 Nachtvogel 37 Sonnenschutzdach 39 Blechblasinstrument 40 aktueller Preis für eine Wiederbeschaffung

SENKRECHT 1 frühere schwedische Popgruppe 2 Regel, Richtschnur 3 Haushaltsplan 4 rissig, uneben 5 Abhandlung 6 Form des Sauerstoffs 7 Unterarmknochen 9 eine Baltin 10 Klosterfrau 12 Eingang; Vorspeise (französisch) 13 Staat in Westafrika

17 franz. Komponist 20 Vorname der Garbo 22 Sinnlichkeit 23 ein Planet 25 Gewichte heben 26 Zwiesprache (Gott) 27 Fensterabdunklung 31 menschliche Ausstrahlung 32 Fremdwortteil: halb (lateinisch) 33 anhänglich, loyal 34 Steigen und Fallen des Wassers 35 Schaumwein 38 griechische Göttin

Die richtige Lösung schicken Sie bitte bis zum 08. März 2011 per Post an vorwärts, Postfach 322, 10925 Berlin oder per E-Mail an raetsel@vorwaerts.de. Bitte Absender nicht vergessen und ausreichend frankieren! Unter den richtigen Einsendungen verlosen wir zehn Bücher. In der nächsten Ausgabe gibt es am gewohnten Platz auch wieder „Das Letzte“ von Martin Kaysh


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