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VORWÄRTS.DE: DAS TAGESAKTUELLE DISKUSSIONSPORTAL

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D I E Z E I T U N G D E R D E U T S C H E N S O Z I A L D E M O K R AT I E

Juli/August 2011

GEGRÜNDET 1876

MOBIL UND FREI ILLUSTRATION: CHRISTIANE PFOHLMANN

IDEEN FÜR EINE NEUE VERKEHRSPOLITIK DIE SPD ERNEUERT SICH DEBATTE UM DIE PARTEIREFORM SPINNEN DIE? MILLIONEN FÜR DIE HOCHKULTUR

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Wir halten Kurs. Nachhaltiges Wirtschaften bleibt unser Wegweiser.

Mehr Mobilität, das bedeutet für Lufthansa auch mehr Verantwortung, unabhängig vom tagesaktuellen Geschehen. Und dieser Verantwortung stellen wir uns – indem wir zum Beispiel mit dem bisher niedrigsten spezifischen Treibstoffverbrauch unserer Flotte zur Umweltverträglichkeit des Reisens beitragen, langfristig Arbeitsplätze sichern, mit weltweiten Hilfsprojekten und schneller unbürokratischer Hilfe in Krisengebieten aktiv sind und uns gesellschaftlich engagieren. Unser Ziel ist und bleibt nachhaltiges Wirtschaften. Wir halten Kurs! Erfahren Sie mehr zu diesem Thema im aktuellen Nachhaltigkeitsbericht Balance unter www.lufthansa.com/verantwortung

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INHALT 3

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TITEL MOBIL UND FREI – IDEEN FÜR EINE NEUE VERKEHRSPOLITIK

4 Grenzen der Mobilität: Neue Ideen werden gebraucht, sollen Staus nicht die Regel werden.

14 Parteireform: Die SPD will die Gremienarbeit besser mit Familie und Beruf vereinbaren.

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FOTOS: DIRK BLEICKER (2), KAI DOERING, UWE KNÜPFER, THOMAS PFLAUM/VISUM, HOLGER HÜBNER

Jerusalem: Das Willy-Brandt-Zentrum ist ein Treffpunkt für Israelis und Palästinenser.

28 Millionen für die Hochkultur: Macht das Sinn? Hier das Konzerthaus in Dortmund

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FREI IST NUR, WER SICH BEWEGEN KANN FLATRATE FÜR BUS, BAHN UND TAXI – Susanne Dohrn BAHNPRIVATISIERUNG: KEIN THEMA – Kai Doering SO MACHT ES DIE SCHWEIZ – Yvonne Holl DAS RAD: FREI VON STAU UND STRESS – Kerstin Finkelstein BAHN: MENSCH ÄRGERE DICH NICHT – R. Faerber-Husemann NEUE ANREIZE FÜR DEN ELEKTROVERKEHR – Yvonne Holl GÜTERVERKEHR: AM PRELLBOCK – Kai Doering

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KOLUMNEN GLOBAL GEDACHT – Rafael Seligmann BERLINER TAGEBUCH – Uwe Knüpfer ZWISCHENRUF – Nils Opitz-Leifheit DAS LETZTE – Martin Kaysh

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PARTEI LEBEN! PARTEIREFORM – DIE SPD ERNEUERT SICH OV-PORTRÄT OTZBERG – ENERGIE IST IHR PROGRAMM PORTRÄT – BETTINA KÖNIG, PARLAMENTSKANDIDATIN OFFENES HAUS – DAS BRANDT-ZENTRUM IN JERUSALEM

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WIRTSCHAFT RESSOURCENSCHUTZ: Mit weniger mehr erreichen MEINE ARBEIT: Lebensmittelkontrolleurin GUT GEMACHT: Mit dem Mietbus ans Ziel

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KULTUR KULTURELLE GROSSPROJEKTE – Spinnen die? LESETIPPS – aus der Redaktion TAG DER OFFENEN TÜR – von Yvonne Holl KULTURTIPP – von Manfred Schaub

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HISTORIE HERMANN MÜLLER – SEINER ZEIT VORAUS WER WAR’S? – von Lothar Pollähne

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NEWS LESERBRIEFE PARLAMENT IMPRESSUM HISTORISCHER COMIC RÄTSELSEITE SEITWÄRTS

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Junge Israelinnen und Palästinenserinnen waren im Willy-Brandt-Haus zu Gast und voll des Lobs über die Sachkenntnis und das Engagement ihrer Gesprächpartner. Aber über eines wunderten sie sich doch sehr: dass es in der SPD-Parteizentrale keinen Platz gibt, wo sich alle mal an langen Tischen treffen; zum Essen und Klönen über Hierarchien hinweg. Wer weiß, vielleicht würden ja weniger mediale Hintergrund-Scharmützel ausgetragen, hätte die Partei solch lange Tische. An denen man sich schon mal was zurufen kann, ohne dass es morgen in der Zeitung steht. Attraktiver für Eltern, für Junge, für Kreative jeder Art wäre die Partei-„Arbeit“ dann auch. Das zu erreichen, auf allen Ebenen, darum geht es im Kern bei der Parteireform. Und eigentlich nur am Rande um Gremiengrößen und Wahlprozeduren. Politik soll Freude machen, steht in einem Papier, das nicht zufällig drei Frauen geschrieben haben. Man könnte auch sagen: Das Parteileben soll mediterraner und weiblicher werden. Willy Brandt hätte sicher seine Freude daran, wenn ihm zu Füßen im Atrium der Parteizentrale nicht nur diskutiert würde, sondern auch geklönt, gegessen, getrunken – und manchmal gesungen.

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LIEBE LESERINNEN, LIEBE LESER!

Manchmal klappt es schon ganz gut, mit der neuen Leichtigkeit. Einigen Genossen wurden die Augen feucht (allen Ernstes; es gibt Zeugen!), als sie beim Tag der Offenen Tür im Willy-Brandt-Haus den vorwärts-Liederfreunden lauschten – und gar mitsingen durften: „Ob wir Neues bauen oder Altes nur verdauen…“ ■

In diesem Sinne: vorwärts – und nicht vergessen, herzlichst

Redaktionsschluss 27. Juni 2011 32 Historie: Zum 80. Todestag von Hermann Müller, dem letzten Reichskanzler der SPD

VORWÄRTS-REGIONAL IM JULI/AUGUST BERLIN: TEMPELHOF-SCHÖNEBERG

Uwe Knüpfer Chefredakteur


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Freie Fahrt für alle Bürger? Oft geht es nicht ohne Auto, Millionen müssen zwischen Arbeitsplatz und Wohnung pendeln. Doch die automobile Gesellschaft stößt an ihre Grenzen.

FREI IST NUR, WER SICH BEWEGEN KANN MOBILITÄT

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einhard Mey sang, über den Wolken müsse die Freiheit wohl grenzenlos sein. Sozialdemokratisch ist es, auch unter den Wolken für Freiheit zu sorgen. Für geistige Freiheit, aber auch für die Freiheit, sich von A nach B bewegen zu können – auch im Zeitalter der Energiewende, neuer Armut und verstopfter Straßen. Schranken, Visumspflichten, Mauern zwängen Menschen ein, binden sie an. Wer sein Land, seine Stadt, sein Ghetto, sein Haus, gar sein Bett nicht verlassen kann, weiß sehr genau, was ihm fehlt. Politik, die Freiheit geben, gewähren und sichern will, sorgt dafür, dass sich alle Menschen so ungehemmt wie möglich bewegen können, geistig und auch körperlich. Die ersten Sozialdemokraten waren häufig Handwerksgesellen. Denn die ka-

men herum. Sie kannten etwas von der Welt. Sie bewegten sich durch Landschaften, Städte, Gesellschaftsschichten. Das erweiterte den Horizont und weckte die Sehnsucht nach einer Welt ohne Grenzen. Es weckte die Lust auf Freiheit. In vordemokratischen Zeiten waren nur die Mächtigen mobil. Ihre Untertanen konnten und durften nicht reisen. Dafür sorgten Ausweispflichten und Grenzkontrollen. Die Sozialdemokratie entstand, als neue Industrien Mobilität erforderlich machten. Erst ging es nur darum, Erze, Kohle und Güter schneller, verlässlicher und preiswerter zu transportieren. Dafür wurden Kanäle und Eisenbahntrassen gebaut, Grenzen geschleift. Bald ging es auch darum, dass Menschen dorthin reisen konnten, wo Arbeit war. Und schon nahmen sie sich die Freiheit zu gehen,

wohin sie wollten. Die Mächtigen hätten dieses Privileg gern weiter für sich selbst reserviert. Sozialdemokraten hingegen wollten Beweglichkeit für alle. Kein anderes Verkehrsmittel symbolisiert die individuelle Freiheit so vollkommen wie das zu Recht so genannte Automobil. Das Auto machte aus zu bewegenden Massen sich bewegende Individuen. Wer entlegen lebt, aber ein Auto hat, ist nicht mehr im Dorf gefangen. Es führt ein gerader Weg von den wandernden sozialdemokratischen Gesellen des 19. Jahrhunderts zu „LeberPlan“ und „Autokanzler“. Der sozialdemokratische Bundesverkehrsminister Georg Leber wollte, dass überall in der Bundesrepublik der Weg zur nächsten Autobahn kurz war. Das wurde damals von einigen belächelt und später von vielen kritisiert – als ein dichtes Straßen-

FOTO/MONTAGE:DIRK BLEICKER

VERKEHRSPOLITIK Wenn Autofahren immer teurer wird und öffentliche Verkehrsangebote immer mehr ausgedünnt werden, entstehen neue Barrieren für Normal- und Geringverdiener und neue Privilegien für Begüterte. Die SPD muss diese neue Spaltung der Gesellschaft verhindern


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und Autobahnnetz schon so selbstverständlich wirkte wie die Kanalisation und allgegenwärtige Steckdosen. Heute ist die automobile Gesellschaft erkennbar an ihre Grenzen gestoßen. Wer das letzte Öl in Otto- und Dieselmotoren verbrennen wollte, schüfe nicht mehr Freiheit, sondern nähme Mensch und Natur die Luft zum Atmen. Die Sehnsucht nach Freiheit und der Wille, die Natur zu bewahren, scheinen sich zu widersprechen. Dafür stehen symbolhaft Bilder von Staus auf achtspurigen Autobahnen, die sich wie Kraken um Los Angeles oder São Paulo legen. Sozialdemokratisch ist es, diesen Widerspruch aufzulösen. Nach neuen Techniken, Antriebsarten und Treibstoffen zu suchen, die es allen Menschen erlauben, auch im 21. Jahrhundert mobil zu bleiben. Nach intelligenten Verkehrsleitsystemen, nach städtebaulichen Ideen, die um den Menschen und seine Sehnsucht nach Freiheit, Kommunikation

und Emanzipation kreisen. Auch um die Wünsche von Menschen, die zu jung oder zu alt sind, sich ohne Hilfe frei zu bewegen, oder die behindert sind oder krank. Sozialdemokratische Politik sorgt für barrierefreie Innenstädte und macht es möglich, in Städten auch ohne Auto jedes Ziel zu erreichen. Sozialdemokratische Verkehrspolitik im 21. Jahrhundert muss einen neuen Blick auf alte Verkehrsmittel wie die Bahn und das Fahrrad werfen und die Entwicklung womöglich ganz neuer Verkehrsmittel und -wege fördern. Sie muss dafür sorgen, dass Mobilität nicht wieder für einen wachsenden Teil der Bevölkerung unbezahlbar wird. Wo Parken in der Stadt ein Vermögen kostet und öffentliche Verkehrsmittel entweder nicht zur Verfügung stehen oder nur selten fahren oder zu teuer sind, werden Menschen daran gehindert, sich zu entfalten. Dort entstehen neue Schranken und Privilegien. ■ UK

FLATRATE FÜR BUS, BAHN UND TAXI

BAHNPRIVATISIERUNG

ZURZEIT KEIN THEMA Einst heiß umkämpft, könnte sie Wahlkampfthema werden von Kai Doering

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Die Finanzkrise hat deutlich gezeigt, dass ein Börsengang für die Bahn kein Allheilmittel ist.

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Martin Burkert, MdB

STADTVERKEHR Wie könnte das Verkehrssystem der Zukunft aussehen? Verkehrsexperte Heiner Monheim entwickelt Ideen

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reizeitmenschen sind wir, Einkaufs-, Besorgungs- und Gelegenheitsmenschen. Zur Arbeit fahren findet sich weiter hinten auf der Liste der häufigsten „Wegezwecke“ unserer alternden Gesellschaft. Das ist die Diagnose von Heiner Monheim. Er muss es wissen. Monheim ist Verkehrsexperte, Geograf und Professor an der Universität Trier. Weniger Autos, mehr Fahrrad, Bus und Bahn, dafür setzt er sich seit 40 Jahren ein. Immer mehr Menschen wechseln in der Wahl ihrer Verkehrsmittel sehr flexibel zwischen den verschiedenen Optionen, so Monheim. Verkehrspolitik „durch die Windschutzscheibenperspektive“ gehe an ihren Bedürfnissen vorbei und verbaue die Zukunft. Sollten die Treibstoffpreise wegen einer Krise in den Ölförderländern einen Sprung machen, sei das öffentliche Verkehrssystem nicht vorbereitet. Monheim fordert deshalb:

Intelligenz statt Beton Statt in neue Straßen und Großprojekte wie „Stuttgart 21“ sollte konsequent in Information und Vernetzung investiert werden. Jede Haltestelle müsse jederzeit darüber informieren, wann der nächste Bus oder die nächste Bahn kommt. Dazu feste Abfahrzeiten, die jeder sich merken kann sowie Mobilitätszentralen. Die fassen alle lokalen oder regionalen Angebote – Liniennetze, Fahrpläne, Mitfahrgelegenhei-

ten, Last-Taxis – über eine zentrale Webadresse und Telefonnummer zusammen.

BUCHTIPP Kurze Wege, viele Haltestellen Kundennähe ist entscheidend. „Wir brauchen tausende neue Haltestellen“, fordert Monheim. Nur weil sie die Zahl ihrer Haltestellen verzehnfacht haben, oft sogar auf Zuruf halten, seien viele kleinstädtische Stadtbussysteme so erfolgreich. Gerade in einer älter werdenden Gesellschaft seien lange Wege ein Problem. Deshalb müssen die Nahverkehrsnetze wieder wachsen.

Systemgeschwindigkeit statt Schnellstrecken „Wenn die nächste Bahn erst 50 Minuten später fährt, nützt es wenig, wenn man vorher 300 Kilometer schnell gerast ist“, so Monheim. „Schnell bedeutet kurze Wege, wenig Wartezeiten, dichtes Netz und dichter Takt.“ Dazu Leihfahrräder an jeder Haltestelle.

Eine Fahrkarte für alles Keine Suche nach Kleingeld, kein Kampf mit den Automaten, stattdessen: einsteigen und losfahren. Monheims Vision ist eine Flatrate für alle Verkehrsmittel in Deutschland – von Bus, Bahn bis zum Taxi. Sie wird einmal im Jahr gekauft. Weil die meisten Deutschen sie nutzen, ist sie bezahlbar. ■ sus

Das Auto ist out. Gefragt sind Bus, Fahrrad und Elektroroller. Michael Adler spürt der „neuen Lust an einer anderen Mobilität“ nach und erklärt, wie sich Stadtplanung und Verkehrspolitik für den Verkehr der Zukunft ändern müssen. Michael Adler GENERATION MIETWAGEN oekom-Verlag 122 Seiten, 12,95 Euro ISBN 978-3-865-81238-4

m Ende musste der Parteichef sein ganzes politisches Gewicht in die Wagschale werfen. Eineinhalb Stunden hatten die Delegierten des SPD-Parteitags 2007 in Hamburg bereits diskutiert. Schließlich trat Kurt Beck ans Mikrofon, um – unterbrochen von wütenden Zwischenrufen – einen Kompromissvorschlag zu verkünden. Eine Teilprivatisierung der Bahn werde es mit der SPD nur im Rahmen einer so genannten Volksaktie geben, deren Halter zwar am Gewinn des Unternehmens beteiligt würden, nicht aber über die Geschicke der Bahn bestimmen dürften. Zeichne sich in den Verhandlungen ab, dass solch ein Modell mit dem Koalitionspartner CDU nicht zu machen sei, werde die Parteiführung einen Sonderparteitag einberufen, um erneut die Basis zu befragen. Mit seinem Parforceritt rettete Beck damals den Parteitag – und vorerst auch die Pläne der damaligen Bundesregierung, die Bahn schrittweise an die Börse zu bringen. Schließlich sorgten die weltweite Finanzkrise und der Kursverfall an den globalen Börsen dafür, dass die Große Koalition ihre Privatisierungspläne im Oktober 2008 vorerst zurückstellte. Die Rahmenbedingungen des Marktes seien für einen Börsengang nicht geeignet. Doch während CDU/CSU und FDP in ihrem Koalitionsvertrag im Herbst 2009 festschrieben, eine „schrittweise, ertragsoptimierte Privatisierung der Transport- und Logistiksparten“ einleiten zu wollen, „sobald der Kapitalmarkt dies zulässt“, hat sich die SPD mittlerweile von allen Börsenplänen verabschiedet. „Die Bahnprivatisierung ist zurzeit kein Thema“, sagt der Bahnbeauftragte der Sozialdemokraten, Martin Burkert. Er gibt damit auch die derzeitige Beschlusslage der SPD wieder, die auf ihrem Parteitag in Dresden 2009 entschied, eine Privatisierung der Deutschen Bahn kategorisch auszuschließen. Die neu gewählte Parteiführung war auch damals nicht begeistert, akzeptierte den Beschluss aber klaglos. „Die Finanzkrise hat deutlich gezeigt, dass ein Börsengang kein Allheilmittel ist“, betont Martin Burkert. „Vielmehr brauchen wir eine solide und gute finanzielle Ausstattung der Infrastruktur.“ Ein klares Bekenntnis zur Staatsbahn könnte den Sozialdemokraten schließlich auch bei ihrer Profilierung helfen. Burkert ist überzeugt: „Spätestens im nächsten Bundestagswahlkampf werden sich die Parteien klar positionieren müssen, wie sie zu einem Börsengang stehen.“ ■


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bahnhof ab, dort immer zur vollen Stunde. Der Begriff Stoßzeiten bekommt hier eine ganz neue Bedeutung. Ein weiterer Baustein im ZVV-System ist das Konzept „Ein Ticket für alles“. Der Satz ist ernst gemeint. Wer mit dem Fernzug in Zürich ankommt, dessen Bahnticket gilt auch im kompletten Stadt- und Regionalverkehr, S- und U-Bahn, Bus, Tram – und sogar im Schiffsverkehr. Ob auf dem Zürich-See oder für die Taxischiffe, die auf dem Fluss Limmat verkehren – eine Karte genügt. 946 Millionen Franken kostet der öffentliche Verkehr im Kanton Zürich 2011, das sind rund 790 Millionen Euro. Rund 464 Millionen Euro erwirtschaftet der ZVV selbst, durch den Ticketverkauf und Werbeeinnahmen. 325 Millionen Euro sind Zuschüsse, jeweils zur Hälfte vom Kanton und von den Gemeinden. Letztere werden beteiligt, je nachdem, wie viele Haltestellen in ihrem Gebiet liegen.

Der Hauptbahnhof in Zürich: Zur Hauptverkehrszeit fahren 60 Prozent der Einwohner mit Bus und Bahn.

SO MACHT ES DIE SCHWEIZ NAHVERKEHR Mit einem Ticket den Fernzug nutzen, die Tram und das Ausflugsschiff: Das geht in Zürich. Die Stadt gilt bei öffentlichen Verkehrsmitteln europaweit als vorbildlich Von Yvonne Holl

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nderswo sagen die Kinder zuerst Mama oder Papa, bei uns in der Schweiz ist das erste Wort Eisenbahningenieur.“ Dieser stolze Satz wird Moritz Leuenberger zugeschrieben, dem früheren sozialdemokratischen Verkehrsminister der Schweiz. Der flapsige Ausspruch spiegelt ein Phänomen wider: Die meisten Schweizer lieben ihre Bahn. Sie fahren auch viel Bahn. Fernbahn, Regionalbahn, Stadtbahn. Der öffentliche Verkehr der Stadt Zürich beispielsweise gilt europaweit als vorbildlich. Immerhin 37 Prozent ihrer Wege legen die Einwohner mit Bus und Bahn zurück, in Hauptverkehrszeiten steigt der Wert auf 60 Prozent. Zum Vergleich: Spitzenreiter in Deutschland ist laut Umweltbundesamt Frankfurt am Main mit 25 Prozent. Was machen die Eidgenossen besonders gut? Ein Ortsbesuch im Alpenstaat: Beatrice Henes leitet die Kommunikationsabteilung des Zürcher Verkehrsverbunds (ZVV). Eine einfache Antwort, was die Züricher besser machen als andere, hat sie nicht. Aber in ihrem Büro am Bahnhof Oerlikon, einem Knotenpunkt der Stadt, wird ein Baukasten sichtbar: Mit vielen Bausteinen, die, richtig zusammengesetzt, zum vorbildlichen Verkehr führen. Los geht es schon mit Henes’ Arbeitgeber. „Der ZVV organisiert den öffentlichen Verkehr für den ganzen Kanton Zürich aus einer Hand“,

erklärt Henes. Der Verbund bestimmt, wo Strecken ausgebaut werden, wo neue Bahnhöfe entstehen, aber auch, was Bus und Bahn kosten dürfen und wie häufig sie fahren. Organisatorisch ist der 1990 gegründete ZVV eine Anstalt des öffentlichen Rechts. Acht regionale Anbieter setzen seine Vorgaben als Dienstleister im Kanton um. Die zentrale Planung macht es möglich, dass alle Verkehrssysteme aufeinander abgestimmt sind. „Die S-Bahn-Fahrpläne passen zu den Fernverkehrszügen und die Busse und Trams sind auf die S-Bahn abgestimmt. Unser Ziel ist es, dass die Reisenden möglichst gute Reiseketten haben“ so Beatrice Henes. Keine langen Wartezeiten also beim Umsteigen.

ZÜRCHER PENDLER FAHREN AM LIEBSTEN ÖFFENTLICH

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System aus Knotenbahnhöfen Die sechs Verkehrsplaner des ZVV haben ein komplexes System aus so genannten Knotenbahnhöfen entwickelt, das einen schnellen Wechsel der Verkehrsmittel ermöglicht. Wetzikon ist so ein Knoten, 20 S-Bahn-Minuten vom Hauptbahnhof Zürich entfernt. Zweimal in jeder Stunde ist dort die so genannte Umsteigespinne zu beobachten. 8.15 Uhr am Wetzikon: Ein Tross Busse wartet schon, dann kommen die S-Bahnen an. S3, 5, 14 und 15. Pendler schwärmen wie ein Bienenschwarm aus, streben ihrer Buslinie zu. Alle rein, Bustüren zu. Ruhe am Wetzikon. Ähnliches spielt sich am Haupt-

■ ZU FUSS/FAHRRAD ■ AUTO/MOTORRAD ■ ÖFFENTLICHER VERKEHR

QUELLE: BUNDESAMT FÜR STATISTIK, EIDG. VOLKSZÄHLUNG 2000

Eine der umfangreichsten Investitionen der letzten Jahre war der Bau der 13 Kilometer langen Glattalbahn. In drei Etappen wurde ab 2006 eine TramLinie gebaut, die nicht nur den (vorher nur per S-Bahn erreichbaren) Flughafen anbindet, sondern auch ein Neubaugebiet. Eine der Zielvorgaben des ZVV ist es, allen Bewohnern des Kantons eine gute Anbindung zu gewährleisten, natürlich auch dort, wo neu gesiedelt wird. Wie eben im Glattal. Dort setzte ein erfreulicher Effekt ein: Nachdem bekannt wurde, dass der ZVV das bis dahin recht kleine Wohngebiet anbindet, zogen Investoren nach und siedelten sich auch große Firmen an. Derzeit gilt das Glattal als eine der vielversprechendsten Wachstumsregionen rund um Zürich. Ein weiterer Baustein in Henes´ Kasten für einen guten Nahverkehr ist die Kundenzufriedenheit: beim ZVV sogar ein fest definiertes Firmenziel mit hoher Priorität. Wie auch anderswo gab es in der Vergangenheit Defizite insbesondere bei Sauberkeit, Pünktlichkeit und Information bei Störfällen. Ein Bonus-Malus-System, das der ZVV mit dem S-Bahn-Betreiber, den Schweizerischen Bundesbahnen, abgeschlossen hat, schafft seit 2006 Abhilfe. Kommen beispielsweise die S-Bahnen häufiger als vereinbart zu spät, müssen die SBB einen Malus zahlen, 2010 waren es 500 000 Euro. „Noch wirksamer als die finanzielle Einbuße ist nach unserer Erfahrung der Marketingeffekt: Wenn alle Medien berichten, dass die S-Bahn wegen Unpünktlichkeit zahlen muss, stehen die SBB schlecht da“, sagt Henes. Der Plan ging auf, die Pünktlichkeit hat sich stark verbessert. ■

FOTO: DPA

Gute Anbindung ist Zielvorgabe


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FREI VON STAU, LÄRM UND STRESS RADVERKEHR Immer mehr Menschen verzichten auf einen PKW. Und steigen um: auf das Fahrrad Von Kerstin E. Finkelstein

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em Auto, das dieser Tage seinen 125. Geburtstag feierte, gebührt größter Dank! Denn ohne Auto keine Mobilität. Der Fußweg zum Parkplatz, das Gehirnjogging im Stau, die Koordinationsübungen von Kupplungs- und Gasfuß – wir verdanken sie dem PKW. Auch von außen betrachtet, sind Autos schön. Sie stehen an jedem Wegesrand, wo sonst allenfalls ein Baum oder eine Parkbank unseren Blick irritieren würde, sie zeigen uns durch ihren dauerhaften Lärm, dass wir nicht allein auf der Welt sind und bescheren uns eine Luft, die jede Landpartie zum Eldorado werden lässt – schließlich genießt man doppelt, was man oft entbehrt. Nun sind 125 Jahre aber ein stolzes Alter, und dem Auto geht es wie jedem Menschen – irgendwann neigen sich die Kräfte dem Ende zu. Unser PKW leidet unter absehbarer Blutarmut: Erdöl ist endlich. Bald werden wir nicht mehr mobil sein können, uns in unsere Wohnungen und Häuser zurückziehen – so wie unsere Vorfahren, und uns auf ein virtuelles Chat-Leben beschränken. Oder?

Neuer Trend Elektrofahrrad

FOTO: DIEK BLEICKER

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Oder wir werden einfach wieder im Wortsinne mobil. Bewegen uns selbst und fahren Rad. Wir gewinnen Gesundheit, frische Luft und Platz für Parks statt Parkplätze. Mehr als die Hälfte aller Deutschen besitzt bereits kein Auto mehr, in Großstädten wie Berlin sind es sogar fast zwei Drittel. In stinkenden Tonnen durch die Gegend rollen, sich von der Umwelt abschirmen, aber sie nicht respektieren, ist out. In hingegen ist Freiheit: frei zu sein von Staus, von Lärm, von Stress. Schon heute besitzen Menschen unter 25 lieber ein iPhone, als einen PKW – logisch, das Auto steht durchschnittlich ja ohnehin 23 Stunden am Tag herum, statt einen weiterzubringen. Auch ältere Menschen setzen wieder mehr aufs Rad, beziehungsweise sich selbst auf den Sattel. Schließlich können seit neuestem selbst graue Locken in heftigem Fahrtwind beben – das Elektro-

fahrrad Pedelec macht es möglich, auch mit sanftmütigen Tritten auf 25 km/h zu beschleunigen. Zu allem Überfluss spart ein schickes Rad sogar noch Geld. Kostet ein Neuwagen im Durchschnitt derzeit kräftige 25 000 Euro, liegt das Fahrrad mit 450 Euro schon eher im Rahmen eines haushaltsüblichen Einkommens. Nun gut, wird manch einer einwenden: Radeln hält gesund, es schafft Platz für

Bäume und Biertische, es ist preiswert, hält jung, schont die Umwelt und macht sie während der Fahrt überhaupt erst wahrnehmbar, und es ist auf kurzen Wegen in der Stadt das schnellste Verkehrsmittel – aber es muss doch auch Nachteile haben?! Richtig: Wer regelmäßig radelt, wird vielleicht einen Teil von sich selbst verlieren. Ein paar Kilo Körpergewicht. ■

Mehrheit und Minderheit: Mehr als die Hälfte der Deutschen besitzt kein Auto. In Großstädten wie Berlin sind es sogar fast zwei Drittel. Tendenz steigend.

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Lesen was gesund macht. Weitere Themen: 3 Schwere und müde Beine: Was Ihnen bei Venenproblemen hilft 3 Nahrungsergänzung: Wie Sie bei Vitalstoff-Mangel gegensteuern 3 Übermäßiges Schwitzen: Tipps für eine erfolgreiche Behandlung 3 Küchenhygiene: Welche Erreger lauern und wie Sie sich schützen 3 Atemtherapie: Wie bewusstes Atmen Ihr Wohlbefinden steigert

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MOBILITÄT

TYPISCH BAHN! DIE GRÖSSTEN BAHN-AUFREGER

VERSPÄTUNGEN Offizielle Statistiken gibt es nicht. Laut Stiftung Warentest ist aber jeder dritte Fernzug der Deutschen Bahn (DB) unpünktlich. 14 Prozent haben eine Verspätung von zwei bis drei Minuten, sieben Prozent sogar von mehr als 30 Minuten. UNDURCHSICHTIGE TARIFE Wer früher bucht, fährt billiger. Manchmal ist die erste Klasse günstiger als die zweite. Selbst Bahn-Mitarbeiter verstehen das Tarifsystem der Bahn nicht vollständig. Nach einer Umfrage des Verkehrsclubs Deutschland schreckt dessen Undurchsichtigkeit potenzielle Kunden vom Bahnfahren ab. VOLLE ZÜGE Besonders an Feiertagen ist das Chaos perfekt. Es fehlen ausreichend Wagen. Und die, die es gibt, sind zum Teil defekt. Für den Fahrgastverband Pro Bahn sind beides Ergebnisse des „harten Spardiktats“ der DB. In den vergangenen Jahren habe darunter vor allem die Fernverkehrsflotte gelitten. ■

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Gute Reise? Von wegen! Oft geht der Ärger schon auf dem Bahnsteig los: Hier gibt es keine Fahrkarten, keine Auskünft, keine Toiletten.

MENSCH ÄRGERE DICH NICHT! ÖPNV Vergammelt, verrammelt, verspätet: Wer auf dem Land mit der Bahn fährt, kann was erleben Von Renate Faerber-Husemann

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in Bahnhof auf dem Land, in der bei Touristen beliebten ehemaligen Freien Reichsstadt Schwäbisch Hall: ein vergammeltes, einstmals eindrucksvolles Gebäude, die Türen verrammelt. An einer hängt ein Schild, das auf Toiletten im Parkhaus hinweist. Das Parkhaus ist weit und für Ortsfremde kaum zu finden. Beim Warten im eisigen Wind und peitschenden Regen stelle ich mir vor, wie sich ältere Menschen mit Gepäck dorthin auf den Weg machen. Kommen sie zurück, ist ihr Zug vermutlich weg. Natürlich ist der Bahnsteig völlig verdreckt, zwischen den Gleisen wächst Gras, das sich tapfer durch den Müll kämpft. Fahrkarten oder Auskünfte gibt es keine, auch in den Zügen nach Heilbronn oder Crailsheim nicht. Denn Zugbegleiter gibt es schon lange nicht mehr. An den Fahrkartenautomaten (wenn sie denn funktionieren) scheitert nicht nur die ältere Generation häufig. Es gibt noch einen zweiten Bahnhof weit draußen im Vorort Schwäbisch Hall – Hessental. Von dort fahren Züge in die weite Welt, etwa nach Stuttgart oder Nürnberg. Fahrkarten und Auskünfte aber gibt es nur zu bestimmten Zeiten. Wer nach Künzelsau, einer wohlhabenden Kreisstadt mit viel Industrie im Kochertal, möchte oder muss, landet erst mal im Nirgendwo, kommt mit der Bahn nur bis Waldenburg. Mit etwas Glück wartet ein Bus für die letzten 12 km. Auch Künzelsau hatte einst einen Bahnhof. In meiner Jugend transportierte ein roter Triebwagen die Schüler, die Pendler und jene, die in der nächstgrößeren Stadt einkaufen wollten. Heute gilt, wie

in so vielen Orten: Wer kein Auto hat, wird zwangsweise sesshaft. Aus der Welt der ICs oder ICEs kommend, erlebt der Reisende auf dem Lande also Abenteuerfahrten. Zwar hat sich der Zustand der Züge verbessert – vor nicht allzu langer Zeit konnte man sich noch auf Dritte-Welt-Feeling einstellen, stinkend, dreckig, mit zerschlissenen oder aufgeschlitzten Polstern und vor Schmutz blinden Fensterscheiben – spannend aber ist die Reise immer noch. Denn die Regionalzüge fahren in der Regel pünktlich. Das ist schön. Aber sie warten eben häufig nicht auf die dauerverspäteten Fernzüge. Und so sitzt man im ICE, knobelt nervös mit dem Zugbegleiter ge-

meinsam, wie man weiterkommt, wenn aus den schon angekündigten gewohnten zehn Minuten Verspätung dann doch noch 15 oder 20 Minuten werden. Wer Pech hat, schaut nach wilder Jagd mit Gepäck vom Gleis 9 zu Gleis 2 wütend den Rücklichtern des Regionalexpress hinterher. Dagegen ist es dann nur ein kleines Ärgernis, dass die Bahn zwar 1. KlasseTickets bis zum Zielort ausstellt, die entsprechenden Wagen aber fehlen. Die Dankbarkeit, für teures Geld tatsächlich transportiert zu werden, überwiegt. Und wer gerade aus einem IC oder ICE mit kaputter Klimaanlage kommt, der freut sich, dass man in der Regionalbahn wenigstens die Fenster öffnen kann. ■

»WIR MÜSSEN JETZT GELD IN DIE HAND NEHMEN« ELEKTROVERKEHR Kurt Sigl vom Bundesverband E-Mobilität sieht die Zukunft in Autos mit Steckern Interview Yvonne Holl Herr Sigl, das erste Elektroauto hatte 1881 seine Straßenpremiere. Wo steht die E-Mobilität heute? Was Deutschland betrifft, haben wir manche Entwicklung verpennt. Woran liegt das? Wir haben 125 Jahre Verbrennungsmotor zwischen damals und heute. Das hat sechs Generationen geprägt. Dann ist es nicht so einfach, von heute auf morgen

umzusteigen. Die größte Gefahr sehe ich darin, dass wir uns wieder verquatschen. Wir reden und reden und tun nichts. Das macht mir mehr Kopfzerbrechen als alles andere. Die Technik etwa hat sich seit den ersten Elektroautos um mehr als 100 Prozent verbessert. Was konkret ist jetzt zu tun? Ganz pragmatisch: Wir müssen Geld in die Hand nehmen. Wir müssen gezielt

FOTO: JOACHIM E. ROETTGERS/GRAFFITI

PANNENZÜGE „Alle reden vom Wetter, wir nicht“ – lang ist’s her, dass die Bahn mit diesem Slogan werben konnte. Jetzt fällt das Flaggschiff der Bahn, der ICE, reihenweise aus. Im Sommer ist die Klimaanlage, im Winter die Heizung defekt. Mal fliegt in voller Fahrt eine Außentür weg, mal bricht eine Achse – die Bahn wird kaputtgespart.


FOTO: REINHARD BLUMENSCHEIN/COLLIEMORITZ

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fördern. Wir müssen Vorreiter spielen. Man muss es den Leuten vorleben. Es nützt nichts, darüber zu sprechen und selbst nichts zu tun. Insbesondere die Regierung ist angehalten, jetzt in ihrem eigenen Fuhrpark den Anfang zu machen. Und wie steht es um die Fahrzeugflotten der Kommunen? Ja, auch die Fahrzeugflotten der Kommunalbetriebe und kommunalnahen Unternehmen, wie beispielsweise die Stadtwerke oder die Müllabfuhr, sollten auf Elektroautos umgestellt werden. Es gibt viele Möglichkeiten, Zeichen zu setzen und Leuchttürme zu bauen. Wir wissen: Wo Politiker Elektromobilität in die Hand nehmen und selbst zelebrieren, dort funktioniert Elektromobilität auch. Haben die Deutschen denn Vorurteile gegenüber Elektroautos? Es gibt Ängste. Da ist das Reichweitenproblem, das immer wieder in den Mittelpunkt gestellt wird. Wie weit reicht eine Stromladung? Standard am Markt sind derzeit 150 Kilometer. Und das würde vielen reichen? Auf jeden Fall. Es gibt 47 Millionen Fahrzeuge in Deutschland. 80 Prozent fahren täglich nicht mehr als 35 bis 50 Kilome-

ter. Das kann das Elektro-Auto wunderbar abdecken. Dann gibt es noch die Sorge, dass man nicht überall laden kann. Wir haben mit dem Stromnetz die beste Infrastruktur, die es gibt. Alle diese Fahrzeuge kann man ganz normal an der Haushaltssteckdose laden. Bequem nachts in der Garage. Und wer keine Garage hat? Die so genannten Laternenparker können doch mal mit ihrem Arbeitgeber sprechen. Das klappt meistens sehr gut.

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WEISS NICHT

Deutschland; 1.163 Befragte; IfA-Institut für AutomobilMarktforschung QUELLE: ARAL

Wie viele Elektroautos rollen derzeit auf hiesigen Straßen? Es gibt im Moment nicht mal 3000 Elektrofahrzeuge in Deutschland. Wie sieht Ihre Prognose aus? Die Nationale Plattform Elektromobilität geht von einer Million Fahrzeuge bis 2020 aus. Wir als Bundesverband eMobilität halten das für tief gegriffen und rechnen mit vier bis sechs Millionen Fahrzeugen. In weniger als zehn Jahren? Wie soll so ein Sprung möglich sein? Ganz einfach: Derzeit sitzen die Hauptanbieter von Elektroautos in Frankreich, den USA und China. 2013 wird die deutsche Automobilindustrie mit Vehemenz auf den Markt vordringen. VW, Mercedes, BMW: Die stehen alle in den Startlöchern. Was nützt uns eigentlich mehr Elektromobilität? Wir gewinnen Lebensqualität. Es wird wesentlich angenehmer für alle, die auf den Straßen unterwegs sind. Stellen Sie sich das vor: Feinstaub und Lärm weg. Von heute auf morgen. ■ Lesen Sie das ganze Interview:

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10 TITEL

AM PRELLBOCK GÜTERVERKEHR Seit Jahren werden Lkw bevorzugt, die Züge benachteiligt. Nötig sind Milliardeninvestitionen

Von Kai Doering

Gestörte Ruhe: Im Mittelrheintal donnern Güterzüge direkt an Wohnhäusern vorbei. „Flüsterbremsen“ könnten helfen.

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ls der Güterzug am Abend des 4. April in Duisburg einfuhr, hatte er 16 Tage ohne Unterbrechung auf der Schiene hinter sich. Für die 10 300 Kilometer vom chinesischen Chongquing ins Ruhrgebiet brauchte der Zug damit nur die Hälfte der Zeit, die auf dem Seeweg nötig gewesen wäre. Kein Wunder, dass die Stimmung bei DB Schenker ausgelassen war. „Noch im laufenden Jahr könnte bei ausreichender Nachfrage der Regelverkehr zwischen China und Deutschland aufgenommen werden“, freute sich der für Transport und Logistik zuständige BahnVorstand Karl-Friedrich Rausch. „Das Kerngeschäft der Bahn liegt in Deutschland“, sagt dagegen Martin Burkert. Für den Bahnbeauftragten der SPD ist klar: „Die Pünktlichkeit und die Qualität in Deutschland müssen stimmen. Erst dann kann die Bahn Ausflüge in ANZEIGE

Europa und weltweit machen.“ Bis dahin ist es noch ein langer Weg. Das Umweltbundesamt geht davon aus, dass in den kommenden zehn Jahren elf Milliarden Euro in den deutschen Schienengüterverkehr investiert werden müssen. Und auch die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) fordert „eine Investitionsoffensive für die Schieneninfrastruktur“. Mindestens eine Milliarde Euro müssten jährlich in den Neu- und Ausbau von Schienenwegen fließen. „Der Ausbau der Infrastruktur ist für weiteres Wachstum auf der Schiene dringend notwendig“, schreiben auch die Autoren der Studie „Zukünftige Trends des Schienengüterverkehrs in Deutschland und Europa“, die die HansBöckler-Stiftung veröffentlicht hat. Die Konkurrenz des Lastkraftverkehrs habe das starke Wachstum der Container-Verkehre für die Bahn beendet – entgegen

GÜTERVERKEHR IN DEUTSCHLAND 2009 9%

3%

16%

72% ■ STRASSE ■ SCHIENE ■ BINNENSCHIFFFAHRT ■ ANDERE QUELLE: STATISTISCHES BUNDESAMT

parteiübergreifenden Beteuerungen, mehr Güter von der Straße auf die Schiene bringen zu wollen, habe in den vergangenen Jahren. Derzeit beträgt der Anteil der Schiene am landesweiten Güterverkehr 17 Prozent – der der Straße dagegen 72 Prozent. 1960 lagen beide noch gleichauf bei rund 30 Prozent. „2010 ist es uns gelungen, den Marktanteil gegenüber der Straße erneut zu erhöhen“, sagt zwar Bahnvorstand Rausch, doch Verbände wie „Allianz pro Schiene“ fordern dennoch, die Lkw-Maut weiterzuentwickeln. „Die Maut muss für alle Lastkraftwagen ab 3,5 Tonnen und auf allen Straßen gelten.“ Für Martin Burkert zeigt die Tatsache, dass die Erlöse der Maut bisher vollständig in Erhalt und Bau von Straßen fließen, „dass Schiene und Wasserstraßen für diese Bundesregierung keine Rolle spielen“. Die Betriebsräte von DB Schenker haben deshalb im März eine Resolution verabschiedet, in der sie die Bundesregierung auffordern, „zukunftsfähige und wachstumsorientierte Rahmenbedingungen für den Schienengüterverkehr“ zu schaffen. Dazu gehört auch ein Investitionsprogramm, um den Schienenlärm zu reduzieren „und damit die Akzeptanz für mehr Güterverkehr auf der Schiene deutlich zu erhöhen“. Nach Berechnungen des Umweltbundesamts werden 13 Millionen Deutsche von Verkehrslärm belastet. Güterzüge stören besonders, denn sie sind vor allem nachts unterwegs, wenn die Menschen schlafen wollen. Martin Burkert ist deshalb sicher: „Der Lärmschutz ist entscheidend, wenn wir das Verkehrsaufkommen auf der Schiene erhöhen wollen.“ Doch da der Bau von Schutzwänden an der Strecke teuer und langwierig ist, müsse der Lärmschutz „am rollenden Rad“ erfolgen. Burkert fordert: „In Europa müssen 150 000 Güterwaggons mit so genannten Flüsterbremsen umgerüstet werden.“ Und dabei ist Eile geboten. Die Bahn rechnet nämlich bis 2030 mit einer Verdopplung des Schienengüterverkehrs. ■

FOTO: DPA

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NEWS 11

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HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH

MERKEL VERSAGT

FOTO: DPA, FORUM OST, KAI DOERING

von Rafael Seligmann Wer Schulden aufnimmt, einerlei ob als Privatperson, Unternehmen oder Staat, muss diese mit Zins und Zinseszins zurückzahlen. Dies ist die strenge Logik des Kreditgeschäfts. Otto, der Normalschuldner, appelliert in Zahlungsschwierigkeiten meist erfolglos an das Mitleid des Verleihers, seine Schulden zu erlassen. Ein Staat dagegen fordert die Solidarität der Gemeinschaft ein. Schuldenstaaten drohen mit „katastrophalen Konsequenzen“ einer Insolvenz für die Gläubiger. Die Regierungen in Lissabon, Dublin und Athen gebärdeten sich jahrelang als gelehrige Schüler des wirtschafts-liberalen Chicagoer Professors Milton Friedman (1912-2006). Der Wissenschaftler gab vor, eine Verringerung der Steuersätze werde die Volkswirtschaft boomen lassen. Dieses Modell bescherte in den USA während der Präsidentschaft Ronald Reagans (1981-1989) den Reichen noch mehr Geld – auf Kosten einer rasant steigenden Staatsverschuldung um 260 Prozent. Ähnlich handelten in der EU Portugal, Irland und Griechenland. Ihr scheinbarer Wirtschaftsboom wurde mit einer galoppierenden Staatsverschuldung finanziert. Die Staaten häuften so gewaltige Kreditsummen auf, dass ihre Volkswirtschaften in der Weltfinanzkrise, die wiederum von den USA ausging, unfähig wurden, die Zinslasten zu tragen. Griechenland, Irland und Portugal droht die Zahlungsunfähigkeit. Eigeninteressen und Solidarität bewogen die reichen EU-Staaten, in erster Linie Deutschland und Frankreich, gemeinsam mit dem Internationalen Währungsfonds, den drei Pleitekandidaten mit Krediten zu helfen. Portugal erhielt 78, die Grüne Insel 85, Hellas 110 Milliarden Euro Kredite. Die Hilfe war an strenge Auflagen gekoppelt. Unter anderem sollten die Ausgaben drastisch gekürzt werden. Die Portugiesen und Iren machen ihre Hausaufgaben, während die Griechen vor allem klagen und sich in der Opferrolle sehen. Die konservative Opposition, die für einen Großteil der Schulden verantwortlich ist, und die Gewerkschaften verweigern sich allen Kürzungen. Nun benötigt Athen weitere 120 Milliarden. Hellas wird die Schulden nie begleichen können – und wollen. Am Ende werden die europäischen Bürger zahlen müssen. Einen Teil der Summe aber sollten auch Banken und Versicherungen tragen, die gute Geschäfte mit hochverzinslichen griechischen Staatsanleihen machten. ■

FDP-STROHHALM Noch vor der Sommerpause möchte die Bundesregierung Steuerentlastungen beschließen. Wie diese finanziert werden sollen, bleibt indes offen. „Wir sind mitten im Aufschwung, aber machen immer weiter neue Schulden“, erinnert der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Carsten Schneider. „Da verbieten sich Steuersenkungen.“ SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles hat angekündigt, die Pläne im Bundesrat blockieren zu wollen. Für sie ist klar: „Die FDP-Führung klammert sich im Abstiegskampf verzweifelt an ihr einziges neues und altes Kernthema Steuersenkung.“ ■ KD

www.vorwärts.de KRAFT DES SPARGELS Heinz Assmann ehem. MdB zum 80. Geburtstag Günther Jansen Landesminister a.D. Hermann Wimmer ehem. MdB zum 75. Geburtstag Rolf-Dieter Backhauß ehem. Bezirksgeschäftsführer Braunschweig Peter Fischer Landesminister a.D. Uwe Lambinus ehem. MdB Robert Leidinger ehem. MdB Helwin Peter ehem. MdB Jürgen Rohde ehem. Bezirksgeschäftsführer Westliches Westfalen Peter Seifert ehem. OB in Chemnitz zum 70. Geburtstag

Am 7. Juni ging der Seeheimer Kreis auf dem Berliner Wannsee auf Spargelfahrt. Mit dabei: auch zehn Leser des „vorwärts“. Sie hatten bei der Verlosung von vorwärts.de gewonnen. Seeheimer-Sprecher Johannes Kahrs hatte sie gezogen. „Die Spargelfahrt ist ein gesellschaftliches Großereignis“, unterstrich SPDChef Sigmar Gabriel. Und Frank-Walter Steinmeier rief seine Genossen auf, sich mit dem Spargel zu stärken. „Schließlich muss ab 2013 in der Regierung wieder richtig gearbeitet werden.“ ■ KD vorwärts.de/spargelfahrt

Frank-Walter Steinmeier (M.) und Johannes Kahrs (davor) zwischen vorwärts-Lesern ANZEIGEN

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GLOBAL GEDACHT

Es sind schwierige Zeiten für Griechenland. Aus Sicht von Sigmar Gabriel trifft Angela Merkel daran eine Mitschuld. „Die Kanzlerin hat die Spekulationen um Griechenland angeheizt, weil sie sich nicht zu einer europäischen Politik bekannt hat“, tadelt der SPD-Chef und kritisiert ebenfalls den Kurs der EU: „Wir dürfen die betroffenen Länder nicht nur zum Sparen zwingen, wir müssen ihnen auch eine Perspektive anbieten.“ Zudem müssten die Banken als Mitverursacher der Finanzkrise an den Kosten beteiligt werden. Es sei nötig, dass „die Gläubiger auf einen beträchtlichen Teil ihrer Forderungen verzichten“, so Gabriel. ■ KD


12 NEWS

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DER JUNI IN ZITATEN

BLAU STEHT IHR GUT Notiert von Uwe Knüpfer Fast über Nacht ist zwischen Hauptbahnhof und Kanzleramt ein „Traumstrand“ entstanden. Besser als Bali: Ein Tsunami ist hier nicht zu erwarten. Ein politscher Tsunami überrollte Bauern und Gemüsehändler wie Ahmet Satici. Er ist sich ziemlich sicher, wer dafür verantwortlich ist, dass seine Kunden ihn plötzlich auf Gurken und Tomaten sitzen ließen. „Ich denke, es ist die Politik, die hinter alldem steht“, sagte er der TAZ. Man könnte auch sagen: Ilse Aigner (CSU). Die Verbraucherschutzministerin brachte angesichts der Ehec-„Epidemie“ den europäischen Gemüsehandel fast im Alleingang zum Erliegen. Sie sah Gefahr im Verzug. Schließlich sind binnen eines Monats 25 Menschen an Ehec-Infektionen gestorben! Hoffentlich wird Super-Ilse Aigner nicht bei der nächsten Kabinettsumbildung Verkehrsministerin. Im Straßenverkehr sterben derzeit monatlich ca. 350 Menschen. Nach Aigners Logik höchste Zeit, alle Straßen vorsorglich zu sperren. Die Bundesregierung hat dem Wort „Gurkentruppe“ eine neue Bedeutung gegeben. Der Juni ist im politischen Berlin die Zeit der Sommerfeste. Dabei kann man Interessantes hören. Zum Beispiel, dass viele Journalisten, die gestern noch die Grünen hochgeschrieben haben, jetzt verkatert klingen. Gut möglich, dass sie im Herbst kollektiv die Hymne des Boulevardjournalismus anstimmen werden: „What goes up, must come down.“ „Zu lange dem Boulevard Zucker gegeben“ habe auch Kanzlerin Angela Merkel, nämlich in der GriechenlandKrise. Das sagte – „Und ich verstehe was davon“ – ihr Vorgänger Gerhard Schröder beim Pfingsttreffen der Niedersachsen und Bremer. Mit dem Schüren nationaler Ressentiments „kann man vielleicht Wahlen gewinnen – man darf es aber nicht“, schrieb Schröder seiner Nachfolgerin ins Klassenbuch. Die Financial Times Deutschland hat der Regierung Merkel gleich ein Abschlusszeugnis ausgestellt. Dies sei „die schlechteste bürgerliche Regierung aller Zeiten“. Leider noch nicht: gewesen. Europa brennt. Und was tut die FDP (die übrigens den Außenminister stellt!)? Ihre kindliche Führungsriege ringt der Union, mitten in der größten Schuldenkrise aller Zeiten, die Zusage ab, die, na was wohl?, richtig: die Steuern zu senken. Das erinnert an einen Alkoholiker, der nach durchzechter Nacht am Traumstrand verkatert erwacht und lauthals grölt: „Caipirinha für alle!“ ■

Im Katalog des Kinderhilfswerks Plan präsentiert Manuela Schwesig Mode für einen guten Zweck. Die SPD-Vize posiert mit handgefertigten Artikeln aus Laos – und hat es damit sogar auf die Titelseite des Katalogs geschafft. „Vor allem Frauen bekommen in kleinen Manufakturen eine fair bezahlte Arbeit“, lobt Schwesig das Engagement von Plan. „Und der Ertrag unterstützt Hilfsprojekte in ihren Heimatregionen.“ Schwesig gehört seit einem Jahr dem Kuratorium des Hilfswerks an. Neben ihr posieren auch Katja Riemann und Christine Neubauer. ■ KD

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Fukushima hat meine Haltung zur Kernenergie verändert. Angela Merkel

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Bundeskanzlerin begründet ihre „Energiewende“

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Griechenland befindet sich an einem historischen Scheideweg.

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Giorgos Papandreou Griechenlands Staatspräsident zur Krise seines Landes

» STEINBRÜCK NEUE NR. 1 Peer Steinbrück hat gut lachen. Mitte Juni ist der frühere Finanzminister auf die Liste der wichtigsten Politiker zurückgekehrt – und hat sofort den ersten Platz erobert. Zurzeit tourt Steinbrück, der „nur“ noch Bundestagsabgeordneter ist, mit seinem Buch „Unterm Strich“ durch die Republik. Er beschreibt darin, wie es zur Finanzkrise kam und wie eine Wiederholung verhindert werden kann. Am 5. Juli wird die Friedrich-EbertStiftung Steinbrück dafür den Preis „Das politische Buch“ verleihen. Die Laudatio wird Wolfgang Schäuble halten. ■ KD

PAPA SCHMID Als Landesvater ist er Vize, bei seiner Tochter Elif spielt Nils Schmid die erste Geige. Kurz nach der Regierungsübernahme in Stuttgart hat er auf Teilzeit umgeschaltet. „Ich habe zehn Tage lang an den Vormittagen die Eingewöhnungsphase mit der Tagesmutter übernommen und bin erst nachmittags ins Amt gefahren“, erzählt Schmid. Mittlerweile kann er sich aber ganz dem Ländle widmen. Einen Mercedes möchte er trotz Heimatverbundenheit allerdings nicht fahren. „Wir fahren einen Passat-Kombi – schon wegen des Kinderwagens.“ ■ KD

Auch der Eiertanz der deutschen Bundesregierung verhindert derzeit ehrgeizigere Klimaziele in Europa.

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Stefan Krug

Greenpeace-Klimaexperte zum Treffen der EU-Umweltminister in Luxemburg

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Die handwerklichen Fehler spotten jeder Beschreibung. Die Financial Times Deutschland über die schwarz-gelbe Bundesregierung

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DREI FRAGEN AN KATJA STATKEVICH Weißrussland befindet sich in der schlimmsten Finanzkrise seit dem Untergang der UdSSR. Woran liegt das? Verantwortlich sind dafür eindeutig die weißrussische Regierung und Präsident Lukaschenko. Sie haben das „weißrussische Wirtschaftswunder“ als eine Art Finanzpyramide aufgebaut: Sie haben Kredite aufgenommen, und wenn das Geld verbraucht war, wieder Kredite aufgenommen. So kann man kein funktionierendes Wirtschaftssystem aufbauen. Die Kreditgelder sind ja dafür da, dass man investiert und private Unternehmen aufbaut. Lukaschenko hat das Geld stattdessen für hohe Gehälter und teure Dienstwagen für seine Miliz sowie für repräsentative Bauprojekte ausgegeben. Nun ist das Land fast pleite, und Lukaschenko findet keine Kredite, um das Land weiterhin am Laufen zu halten, so wie er es sich in den letzten 17 Jahren seiner Präsidentschaft angewöhnt hat. Im Internet wird für Anfang Juli zu einem Generalstreik gegen Präsident Lukaschenko aufgerufen. Was erwarten Sie davon? Ich hoffe jedes Mal, dass solche Aktionen dazu beitragen, dass unser Land Lukaschenko und seine Leute endlich los wird. Mittlerweile haben wir einen Punkt erreicht, an dem das Fass der Bürgergeduld wirklich überläuft. Mal sehen, welchen Einfluss diese Stimmung haben wird. Ihr Vater war Kandidat bei der Präsidentschaftswahl. Nun sitzt er wie viele andere im Gefängnis. Welche Möglichkeiten hat die Opposition in Weißrussland noch? Oppositioneller in Weißrussland zu sein ist hochgefährlich. Man muss sich immer bewusst machen, dass man unverschuldet im Gefängnis landen oder auf offener Straße verprügelt werden kann. Auch die Angehörigen können mitbedroht werden. Aber es gibt trotzdem viele, die für ihre demokratischen Ansichten kämpfen – mit verschiedenen Aktionen oder als Journalisten und Blogger. ■ KD

Katja Statkevich ist die Tochter des sozialdemokratischen weißrussischen Oppositionellen Nikolaj Statkevich. Er wurde im Mai zu sechs Jahren Haft verurteilt. www.lasst-sie-frei.de

FOTOS: THORSTEN RAUDIES/PLAN, PRIVAT

BERLINER TAGEBUCH


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vorwärts 07-08/2011

PA RTE I L E B E N ! INHALT PARTEIREFORM Die SPD macht sich fit für die Zukunft

PARTEITAG

CHEFSACHE

FOTOS: DIRK BLEICKER, PRIVAT, MARCO URBAN

ANDREA DIREKT! Wofür lohnt es sich nach der Parteireform noch, SPD-Mitglied zu sein? Es lohnt sich immer, SPD-Mitglied zu sein. Mit der Parteireform weiten wir die Beteiligungsmöglichkeiten und -rechte der Mitglieder außerdem massiv aus: Auf Kommunal-, Landes- und Bundesebene sollen sie in Sachfragen künftig mehr als bisher mitentscheiden können. Außerdem soll es Themenforen geben, bei denen sich die Mitglieder einfach und ohne Hierarchie einbringen können. Die Mitglieder werden auch weiterhin die einzigen sein, die über parteiinterne Ämter bestimmen. Delegiertenkonferenzen wollen wir in Mitgliederkonferenzen umwandeln, sodass alle Mitglieder entscheiden können und nicht nur eine kleinere Gruppe von Delegierten. Und auch über die Beteiligung von Nichtmitgliedern, die in den letzten Wochen so kritisiert wurde, entscheiden allein die Mitglieder vor Ort. Wenn sie sich für eine Öffnung für Nichtmitglieder entscheiden, dann wird sie gemacht. Wenn nicht, dann eben nicht. Wieviele Rettungspakete soll es für Griechenland noch geben? Wir brauchen nicht ein Rettungspaket nach dem anderen, die in die Sackgasse führen, sondern eine Umschuldung Griechenlands. Vor allem müssen wir aber dafür sorgen, dass die griechische Wirtschaft stabilisiert wird und in der Lage ist, ihre Kredite zu bedienen. Leider einigt sich die EU immer nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Griechenland zu helfen ist letztlich auch keine selbstlose Aktion, sondern in unserem ureigensten Interesse: Zurzeit muss das Land Kredite aufnehmen, um seine Kredite zurückzuzahlen. Das kann nicht gut gehen. Die Europäische Union ist die beste Idee für unser Zusammenleben, die wir Europäer je hatten. Sie sichert Frieden und Wohlstand. Wer wird Fußballweltmeisterin? Natürlich Deutschland. Das ist doch klar. ■ Fragen stellen: vorwärts.de/nahlesfrage

Was Anfang Dezember in Berlin passiert

PORTRÄT Bettina König kämpft für Praktikanten und die SPD

OV-OTZBERG Sie sorgen für die Energiewende im Odenwald

NACHRICHTEN Aktionen und Termine

OFFENES HAUS Das Willy-Brandt-Zentrum in Jerusalem

»DARUM BIN ICH IN DER SPD…« Jetzt wird’s bunt: Klaus Wowereit (l.) und Ansgar Dittmar mit Regenbogenfahne

FLAGGE ZEIGEN! CHRISTOPHER STREET DAY Vor der großen Parade in Berlin hisste Klaus Wowereit vor dem Willy-Brandt-Haus die Regenbogen-Fahne und warb damit für die Rechte von Schwulen und Lesben Von Gero Fischer

LEONIE HAUEISEN ist 19 und hat gerade ihr Abitur gemacht. Ab Oktober möchte sie Politikwissenschaft und Rhetorik studieren. Seit März 2011 ist sie Mitglied im Tübinger OV Kusterdingen. „Ich bin am Tag meines Mathe-Abiturs in die SPD eingetreten. Denn nur in dieser Partei habe ich das Gefühl, dass wichtige gesellschaftliche Themen vertreten werden und ich sagen kann, dass ich auch etwas verändere.“ ■ Warum seid Ihr gerade jetzt SPD-Mitglied geworden? Schreibt uns an parteileben@vorwaerts.de

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s ist schon eine Tradition: Pünktlich zum Christopher Street Day (CSD) zeigt die SPD Flagge und hisst vor dem Willy-Brandt-Haus in Berlin die Regenbogen-Fahne. Damit setzt die Partei ein sichtbares Zeichen für mehr Toleranz und gegen Diskriminierung und Anfeindungen. Die Regenbogenfahne sei das bedeutendste Symbol der Lesben- und Schwulenbewegung, sagte der Vorsitzende des Arbeitskreises Lesben und Schwule in der SPD (Schwusos) Ansgar Dittmar. „Sie steht für die Vielfalt des lesbisch-schwulen Lebens, aber auch für die Toleranz und den Respekt, die wir einfordern.“ Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit betonte die Wichtigkeit von CSD und Regenbogenfahne auch im Jahr 2011. Es gehe nicht um die Tolerierung von Minderheiten, sondern um Akzeptanz und wirkliche Gleichstellung, sagte Wowereit. „Alles, was er-

reicht worden ist, war immer ein harter Kampf gegen konservative Widerstände.“ Berlin rühme sich zwar zu Recht, eine offene und liberale Stadt zu sein. Aber zur gesellschaftlichen Wirklichkeit gehörten auch hier Übergriffe auf Menschen, nur weil sie anders seien. Sein Fazit: „Wir werden weiter kämpfen müssen.“ Ansgar Dittmar lobte die Berliner Politik und speziell den Regierenden Bürgermeister für seinen Einsatz. „Wir können froh sein, dass wir mit Klaus Wowereit einen Vorkämpfer für die Gleichstellung haben, der sich immer wieder zu Wort meldet und nicht müde wird, den Konservativen ihre realitätsferne Blockadepolitik aufzuzeigen.“ Dittmar betonte die große Bedeutung von CSD-Paraden: „Mit Stolz für die Rechte von Lesben und Schwulen einzutreten ist ein Signal, das von der Hauptstadt in die ganze Bundesrepublik ausgeht.“ ■


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PA RT E I L E B E N !

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ie Diskussion verlief kritisch, aber sachlich. Von Empörung über die Pläne zur Parteireform fehlte am Montag sowohl im Parteivorstand als auch im Parteirat jede Spur. In der Kritik stand dagegen die Art und Weise, wie Funktionäre und Basis vom Vorhaben der Parteiführung erfahren hatten, nämlich aus der Zeitung. Dieses Vorgehen stehe in krassem Widerspruch zu den Zielen der Reform, merkten einige der Teilnehmer an. „Es soll Freude machen, in der SPD mitzuwirken. Dazu müssen wir unsere innerparteiliche Kultur verbessern“, heißt es in dem Diskussionsentwurf für ein „Organisationspolitisches Grundsatzprogramm“, den Generalsekretärin Andrea Nahles, Bundesgeschäftsführerin Astrid Klug und Schatzmeisterin Barbara Hendricks Mitte Juni vorgelegt haben. „Wir wollen politisches Engagement ermöglichen. Das bedeutet, offen für diejenigen zu sein, die sich engagieren wollen, ohne gleich Mitglied zu werden“, schreiben die drei. So könnten bei der Aufstellung von Kandidaten für öffentliche Ämter und Mandate – wie etwa Bürgermeister oder Bundestagsabgeordnete – künftig Vorwahlen vorgeschaltet werden, an denen auch Nichtparteimitglieder beteiligt werden. „Wir wollen die Einbeziehung von Nichtmitgliedern ermöglichen, nicht vorschreiben“, betont Andrea Nahles.

bezirksvorsitzenden im Willy-BrandtHaus sowie sogenannte Werkstattgespräche zu verschiedenen Themen wie „Beteiligung von Nichtmitgliedern“ oder „Mitgliederwerbung und Betreuung“. Schließlich wurden eine organisationspolitische Kommission sowie ein wissenschaftlicher Beirat eingerichtet. Die nun vorliegenden Reformvorschläge wurden in der Kommission erarbeitet – und sollen eine Diskussionsgrundlage sein. „Unsere Richtung ist klar, aber kein Vorschlag ist in Stein gemeißelt“, betonen Sigmar Gabriel und Andrea Nahles in einem Brief an die Mitglieder des Parteivorstands (PV) und des Parteirats. Das werden diese erleichtert gelesen haben.

Stimmenauszählung der Mitgliederbefragung in Kiel 2011: SPD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Schleswig-Holstein wurde Kiels OB Torsten Albig.

MUT ZU NEUEN WEGEN PARTEIREFORM Die SPD will sich erneuern. Dazu gehört auch, dass Nicht-Mitglieder stärker beteiligt werden sollen. Das ist in der Partei umstritten Von Kai Doering

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teitag in Dresden vor eineinhalb Jahren gesprochen. „Früher war es natürlich, dass die SPD Nervenenden in den Städten, Gemeinden, Betrieben, bei der Feuerwehr, im Sport – überall – hatte. Heute gibt es dieses sozialdemokratische Milieu nicht mehr. Deshalb müssen wir auch unsere Angebote an die, die sich für Politik interessieren, ändern.“ Es folgten eine Befragung der rund 10 000 Ortsvereine, eine Konferenz der Unter-

Denn nach den bisher vorliegenden Plänen sollen die Gremien deutlich verkleinert (dem PV sollen künftig statt 45 nur noch 20 Mitglieder angehören) bzw. im Falle des Parteirats gleich ganz abgeschafft werden. Stattdessen soll es einen „Länderrat“ geben, in dem neben dem Parteivorstand die Landes- und Bezirksvorsitzenden, die SPD-Ministerpräsidenten sowie Vertreter aus Landtagen, Bundestag und Europaparlament sitzen. „Niemandem ist damit gedient, wenn wir große Vorstände, aber eine geringe Beteiligung der Mitglieder haben“, begründet Sigmar Gabriel den Schritt. Allerdings betonen PV- und Parteiratsmitglieder einhellig die Bedeutung des Parteirats für den Kontakt zur Basis. Auch die Erfüllung der Frauenund zukünftig der Migrantenquote könne in einem deutlich verkleinerten Parteivorstand schwierig werden. Begrüßt wird dagegen, dass Ortsvereine in Zukunft von aufwändigen Verwaltungsaufgaben befreit und aus dem Willy-Brandt-Haus besser unterstützt werden sollen. Hilfestellung soll es etwa bei der Kassenführung und der Erstellung des Rechenschaftsberichts geben. Eine bundesweite Servicestelle hilft bei allen Fragen rund um Ein- und Austritte sowie bei der Mitgliederbetreuung. Besonders aktive Kreisverbände werden künftig aus einem beitragsfinanzierten „Innovationsfonds“ unterstützt. Und schließlich sollen sogenannte Organizer nach amerikanischem Vorbild auf bisher Politikferne zugehen und für die Sozialdemokratie werben. Ausgebildet werden sie von der SPD als „Kümmerer“-Partei. Doch bis es soweit kommt, ist es noch ein langer Weg. Entscheiden wird der Bundesparteitag Anfang Dezember. Bis dahin soll die SPD ausgiebig diskutieren. Sigmar Gabriel und Andrea Nahles sind dazu bereit. „Wir wissen, dass es Risiken bei jeder Veränderung gibt“, betonen beide. „Aber das größte Risiko ist, alles so zu lassen wie es ist.“ ■

FOTO: SPD SCHLESWIG-HOLSTEIN

Das Willy-Brandt-Haus will Ortsvereine besser unterstützen

Das Ziel: Öffnung der SPD in alle Richtungen Doch das ist nur die eine Seite der Pläne. „Wir ermutigen alle Gliederungen, neue Wege zu gehen. Wir wollen die Mitglieder motivieren und ihre Beteiligungsmöglichkeiten stärken“, benennen Nahles, Klug und Hendricks das Ziel der Reform. Und auch SPD-Chef Sigmar Gabriel ist überzeugt: „Um wieder alte Stärke zu erreichen, müssen wir die Rechte unserer Mitglieder stärken.“ Deshalb sollen nach seinem Willen künftig Vorsitzende und Kandidaten auf allen Ebenen auch durch Mitgliederentscheide gewählt werden können. Sogar das Parteiengesetz möchte Gabriel ändern, um eine Urwahl mit Briefwahl zu ermöglichen. Die ist dort bisher nicht vorgesehen. Auch Mitgliederentscheide zu Sachthemen soll es in Zukunft geben. „Wir wollen aber auch Angebote für all diejenigen machen, die mit dauerhafter klassischer Parteiarbeit nichts anfangen können und sich vielleicht nur temporär engagieren wollen“, sagt Bundesgeschäftsführerin Astrid Klug. An all diese richten sich die neuen Möglichkeiten für Nichtmitglieder. Klug nennt das eine „Öffnung der SPD in alle Richtungen“. Von der hatte Sigmar Gabriel in etwas anderen Worten schon auf dem Par-

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NEUERSCHEINUNG BEI

Einberufung gemäß § 18 (1) und § 32 Organisationsstatut

ORDENTLICHER BUNDESPARTEITAG VOM 4. BIS 6. DEZEMBER 2011 IN BERLIN, IN DER STATION BERLIN, LUCKENWALDER STRASSE 4-6, 10963 BERLIN

Vorläufige Tagesordnung:

Sonntag, 4. Dezember 2011 Beginn 11 Uhr Begrüßung und Eröffnung Konstituierung - Wahl des Parteitagspräsidiums - Beschluss über die Geschäftsordnung - Beschluss über die Tagesordnung - Wahl der Mandats- und Zählkommission Zukunft der Demokratie Antragsberatung Demokratie Antragsberatung Organisationspolitisches Grundsatzprogramm Satzungsändernde Anträge Beratung weiterer Anträge Ende 22 Uhr

Garrelt Duin, Petra Ernstberger, Johannes Kahrs (Hrsg.)

Mittendrin. Zukunftsentwürfe für eine älter werdende Gesellschaft

Montag, 5. Dezember 2011 Beginn 9 Uhr Rede des Parteivorsitzenden Antragsberatung zum Fortschrittsprogramm Rechenschaftsberichte Aussprache Bericht der Kontrollkommission Bericht der Mandatsprüfungs- und Zählkommission Aussprache Wahl der/des Parteivorsitzenden Wahlen der stellvertretenden Parteivorsitzenden Wahl der/des Generalsekretärin/Generalsekretärs Wahl der/des Schatzmeisterin/Schatzmeisters Wahl der/des Verantwortlichen für die Europäische Union Wahl der weiteren Mitglieder des Parteivorstandes Wahl der Bundesschiedskommission - Wahl der/des Vorsitzenden - Wahl der zwei stellvertretenden Vorsitzenden - Wahl der vier Beisitzer/innen Wahl der Kontrollkommission Antragsberatung Handlungsfähiger Staat 19 Uhr Unterbrechung des Parteitages

26 Autoren aus den Reihen der Sozialdemokratie haben ihre Gedanken zum Thema in dem neuen Buch aufgeschrieben. Franz Müntefering, Heinz Buschkowsky, Ulla Schmidt, Brigitte Zypries, Wolfgang Tiefensee und viele andere beleuchten den demografischen Wandel aus verschiedenen Blickwinkeln. Sie loten die Zukunft des Sozialstaats aus, machen sich Gedanken über Pflege und Gesundheit, stecken wirtschaftliche Rahmen ab und erläutern, wie die Demografie die Lebensweisen beeinflussen wird. Familie, Kultur, Tourismus, Städtebau, Ehrenamt alles wird davon berührt. Für weitere Informationen zum Buch senden Sie bitte eine E-Mail an: kontakt@rotation-verlag.de

20 Uhr Parteiabend

Dienstag, 6. Dezember 2011 Beginn 9 Uhr

rotation ermöglicht die Herausgabe professioneller Publikationen für die Sozialdemokratie. Mehr Informationen zu unserem Verlagsangebot und weitere Titel finden Sie unter: www.rotation-verlag.de

Antragsberatung Sozialpolitik, Bürgerversicherung, Alterssicherung Verleihung des Wilhelm-Dröscher-Preises Antragsberatung weiterer Antragsbereiche Abschlussrede der/des Parteivorsitzenden Ende 17 Uhr

ein Imprint der vorwärts|buch Verlagsgesellschaft


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JUNG, WEIBLICH UND SOZIALDEMOKRATIN BETTINA KÖNIG Im September kandidiert sie erstmals für das Berliner Abgeordnetenhaus. Die 32-Jährige kennt die Bedürfnisse junger Menschen. Und nicht nur die

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as Betriebswirtschafts-Studium schließt Bettina König 2003 ab. Dann beginnt die mühselige Suche nach einem Job. Praktika gibt es reichlich, viel Arbeit für wenig Geld. Eine Stelle mit entsprechender Bezahlung ist nicht in Sicht. Ein Problem, mit dem die damals 25Jährige nicht alleine ist. Und eine Situation, die sie und ihre Freunde nicht hinnehmen wollten. „Also haben wir unsere Geschicke in die eigenen Hände genommen“, erinnert sie sich an die Gründung des Vereins „fairwork“ – eine Art Interessenvertretung für Hochschul-Absolven-

PORTRÄT

ten. „Denn es war und ist als Uni-Abgänger nicht leicht, einen Job zu fairen Bedingungen zu finden und den ewig angebotenen unbezahlten Praktika abzusagen.“ König und ihre Mitstreiter lenkten die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Probleme der „Generation Praktikum“, als es die Bezeichnung noch gar nicht gab. Ihr Ziel: Politiker sollten sie dabei unterstützen, die Situation der Berufsanfänger zu verbessern. Offene Ohren für ihr Anliegen hatten nur SPD und Grüne, erinnert sich König. Das habe sie den Sozialdemokraten näher gebracht: „Ich

hatte das Gefühl, etwas bewegen zu können“, sagt sie. Die Tochter eines Juristen und einer Krankengymnastin erzählt von ihrem „SPD-geprägten Elternhaus“ in Berlin. Politische Themen seien stets offen diskutiert worden. „Die Werte Solidarität und soziale Gesellschaft sind mir sehr wichtig“, sagt König. Das ist wohl der Grund, warum sie sich weiterhin für „fairwork“ engagiert. Obwohl sie inzwischen einen Job hat, besser gesagt zwei. In Teilzeit arbeitet sie beim Deutschen Roten Kreuz und bei der Reinickendorfer SPD-Fraktion. Und dann

FOTO: PRIVAT

Von Birgit Güll


ist da noch ihre 3-jährige Tochter Felicia. Die war noch nicht geboren als Bettina König in die SPD eintrat. Das war 2007 und hat folgende Vorgeschichte: Jeden Samstag läuft König morgens beim Brötchenholen in der Reinickendorfer Residenzstraße am SPD-Infostand vorbei. „So um elf“, sagt sie und lacht: „Damals hatte ich ja noch kein Kind.“ Mit der Brötchentüte in der Hand kommt sie mit den Genossen ins Gespräch. Mitten in ihrem heutigen Wahlkreis wird sie sozusagen rekrutiert. „Ich hatte schon länger überlegt, in die SPD einzutreten, die Gespräche am Infostand gaben den letzten Ausschlag“, erzählt König.

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Gesellschaft repräsentieren“, sagt sie und plädiert für eine gute „Durchmischung“. Verschiedene Menschen sorgten schließlich dafür, dass die politische Debatte vielfältiger werde. „Es ist schade, dass in SPD-Spitzenämtern so wenig Frauen sind“, sagt sie. Doch das schreckt sie nicht ab. Und dass Andrea Nahles jetzt ein Kind hat, freut sie. So könne die Generalsekretärin nun besser nachvollziehen, dass die Parteiarbeit mit ihren unzähligen Abend-

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Es ist schade, dass in SPDSpitzenämtern so wenig Frauen sind.

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Bettina König

Auf die Mischung kommt es an Es dauert nicht lange und sie ist Teil des Vorstands ihrer Abteilung. „Ich hatte mich entschieden, Mitglied zu werden und wollte was tun.“ Dann kommt die Bundestagswahl 2009, die große Wahlschlappe für die SPD. Und König denkt darüber nach, fürs Berliner Abgeordnetenhaus zu kandidieren. Denn die Sozialdemokraten hatten besonders stark bei jungen Menschen und bei Frauen verloren. Die möchte König wieder ansprechen. „Politiker sollen einen Querschnitt der

Bettina König im Wahlkampf: Sie setzt auf den direkten Kontakt zu den Menschen.

terminen nicht so einfach mit einer Familie in Einklang zu bringen ist. Im Moment ist Bettina Königs Mann häufig allein mit der gemeinsamen Tochter im Norden Berlins, wo die junge Familie lebt. Denn in Wahlkampfzeiten gibt es besonders viele Termine, auf die sich die Newcomerin intensiv vorbereitet. Sie liest sich in Themen ein, besucht viele Einrichtungen. „Ich möchte den Leuten zeigen, dass ich mich für sie interessiere und einsetze.“ Arbeit und Soziales sind ihre Bereiche. Da spiele so viel hinein, sagt sie und spricht von Gerechtigkeit, von Bildung und Migration. Sie berichtet von der Kinderarmut in ihrem Wahlkreis, von Familienförderung und Sozialarbeit an Schulen. Schon ist sie wieder bei den jungen Menschen. Für die habe sich der Arbeitsmarkt enorm verändert. Das sei ein bundespolitisches Thema. Ein wichtiges. Bettina König möchte Dinge verändern. Auf ihrer Seite im Internet zitiert sie Erich Kästner: „An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern!“ ■ bettina-koenig.de fairwork-ev.de

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Themen sind: Stadt und Staat Podium: Roland Schäfer, Präsident DStGB; Frank Baranowski, OB Gelsenkirchen; u.a. Teilhabe in den Kommunen im Forum Bildung: Doris Ahnen, Ministerin für Bildung RLP Kooperationen/Netzwerke Einführung: Stephan Weil, OB Hannover, Präsident VKU Nachhaltigkeit Einführung: Harry Voigtsberger, Wirtschaftsminister NRW Kommunalpolitik begeistert Rede: Andrea Nahles, Generalsekretärin der SPD Am Abend des ersten Kongresstages werden die DEMO Kommunalfüchse - für intelligente Kommunalpolitik verliehen. Begleitend zum Kongress findet am zweiten Tag das DEMO KommunalCamp statt.

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ENERGIE IST IHR PROGRAMM

OV OTZBERG Fast hätten die Genossen die örtliche CDU von der Macht verdrängt. Um Haaresbreite scheiterte das. Dennoch treiben sie die Energiewende im Odenwald konsequent voran Von Kai Doering

S

ie hatten alles richtig gemacht: einen engagierten Kommunalwahlkampf geführt, am 27. März Stimmen dazugewonnen und einen unterschriftsreifen Koalitionsvertrag ausgehandelt, die Genossen im Odenwald. „Und doch sind wir an der Gestaltungsmacht in Otzberg vorbeigeschrammt“, sagt Patrick Koch. Die erste Enttäuschung ist bei dem 35-jährigen OV-Vorsitzenden mittlerweile Ärger gewichen. Und das ist kein Wunder. Denn die idyllisch im hessischen Odenwald gelegene 6300-EinwohnerGemeinde Otzberg hat ihre eigene Plagiatsaffäre. „Wir hatten uns mit den Grünen und der Wählergemeinschaft nach langen Verhandlungen schon auf einen Koalitionsvertrag geeinigt“, erzählt Koch. Damit sollte die seit 22 Jahren regierende schwarz-grüne Koalition im Gemeinderat abgelöst werden. „Doch kurz bevor es zur Unterschrift kam, wollten die Grünen einige Punkte nachverhandeln.“ Die Wählergemeinschaft nutzte die Gelegenheit, sprach mit der CDU und unterschrieb plötzlich dort. Der zweite Skandal aus Sicht der Otzberger Sozialdemokraten folgte kurz darauf. „Der größte Teil der Kooperationsvereinbarung zwischen CDU und Wählergemeinschaft entspricht ge-

OV-PORTRÄT

Chef am Grill: Beim Sommerfest sorgt Patrick Koch dafür, dass keiner der Genossen hungern muss.

nau dem, was wir mit den Grünen und der Wählergemeinschaft verfasst hatten“, schimpft OV-Mitglied Clemens Laub. Er hat beide Texte mit den markierten Plagiatsstellen ins Internet gestellt. An einem Freitagabend Ende Juni feiern die Otzberger Genossen trotzdem. In einer Scheune im Ortsteil Habitzheim haben sie ein Zelt aufgestellt. Draußen gehen immer wieder Regenschauer nieder. Am Grill steht Patrick Koch in einer roten Schürze und wendet Würste und Steaks. „Das Sommerfest ist auch ein Dank an unsere Mitglieder, die sich im Wahlkampf sehr engagiert haben“, sagt Gastgeberin Katja Geier. „Wir sind eine gute Gemeinschaft, da feiert man auch gerne zusammen.“ Rund 40 der 100 Otzberger Sozialdemokraten sind gekommen. „Ich möchte nicht, dass Nichtmitglieder über unsere Kandidaten entscheiden“, sagt einer. „Aber dass die Mitglieder jetzt mehr mitmachen sollen, finde ich schon gut“, ein anderer. Die Parteireform ist auch in Otzberg Thema. In kleinem Rahmen hat sie hier bereits stattgefunden. „Als ich vor zehn Jahren OV-Vorsitzender wurde, haben wir die Ortsbezirke abgeschafft“, erzählt Koch. Bis dahin hatte es in jedem der

sechs Ortsteile eine eigene Untergruppe des SPD-Ortsvereins gegeben, in denen aber keine Arbeit mehr stattfand. „Man muss den Kirchturm aus den Köpfen rausbekommen“, beschreibt Koch das Denken in größeren Zusammenhängen. Das gilt für ihn auch in der Kommunalpolitik. „Die SPD in Otzberg setzt sich seit Jahren dafür ein, dass wir unsere Wasserversorgung nicht mehr allein betreiben, sondern einem Gruppenwasserwerk mit den umliegenden Gemeinden beitreten.“ Das würde auch den Wasserpreis senken und die – ohnehin klamme – Gemeindekasse entlasten. Hauptanliegen der Otzberger Sozialdemokraten ist aber die Energiewende. „Wir hatten das Thema nie so richtig auf dem Schirm“, gibt Koch zu, „bis der Klaus zu uns kam“. Klaus Schulz trat 2008 in die Partei ein – „wegen Andrea Ypsilanti und Hermann Scheer“, wie er sagt. Deren Pläne für die zukünftige Energieversorgung Hessens gefielen Schulz, der als Energiebeauftragter an den OV-Vorstand angedockt wurde. Gemeinsam überlegten sie, wie Otzberg sich in Zukunft selbst mit Energie versorgen könnte, planten Photovoltaikanlagen und Windräder. „Wir sind hier grüner als die Grünen“, scherzt Koch. Die CDU habe an das Thema ohnehin nie gedacht. Der OVVorsitzende ist deshalb sicher: „Unser Energiekonzept hat entscheidend zum ersten Bruch einer schwarz-grünen Koalition in unserer Region beigetragen.“ Dass es durch die Querelen mit der Wählergemeinschaft dennoch nicht zur Mehrheit im Gemeinderat gereicht hat, ärgert die OV-Mitglieder noch immer. Doch sie sind sicher: Die Energiewende wird in Otzberg trotzdem kommen. „Im Gemeinderat haben wir gerade einen Energiearbeitskreis eingerichtet“, sagt Koch. „Dass wir hier Windkraftanlagen bauen, ist keine Frage des Ob, sondern des Wann, Wo und Wie.“ ■

FOTOS: KAI DOERING

Wer gern zusammen feiert, kann auch gut gemeinsam Politik machen: Die Mitglieder des OV Otzberg sind ein sehr engagiertes Team.


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TERMINE

KĂ„MPFERIN FĂœR GLEICHSTELLUNG „Wer wissen will, wie moderne gewerkschaftliche Frauenpolitik aussieht, der schaue sich das Wirken von Vera Morgenstern an“, empfiehlt die Berliner Staatssekretärin Almuth Hartwig-Tiedt. Vera Morgenstern hat sich in Gewerkschaft und SPD jahrzehntelang fĂźr Fraueninteressen eingesetzt. Sie hat sich stark gemacht fĂźr die Frauenquote, Entgeltgleichheit und Diskriminierungsfreiheit. DafĂźr wurde sie am 30. Mai mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt. Die ehemalige Juso-Landesvertreterin in Baden-WĂźrttemberg und Bundesfrauensekretärin der Ă–TV tritt bei den BerlinWahlen am 18. September als Kandidatin der SPD im Bezirk Mitte an. â– FV

FOTOS: DIETER ALLENDORF, DIE FALKEN

RADELN FĂœR EUROPA Die Idee der europäischen Einigung ist dieser Tage nicht Ăźberall populär. Dieter Rogalla ist deshalb seit 23. Juni auf seiner jährlichen Radtour „Eurogalla“: Der ehemalige SPD-Europaabgeordnete radelt von seinem Geburtsort WeiĂ&#x;wasser in der Oberlausitz bis nach Paris. Mit Vorträgen will der 83-Jährige jungen Menschen die schwierigen Anfänge der europäischen Idee vermitteln. Er wolle das Gedeihen der europäischen Zusammenarbeit „nachhaltig und beständig rollend“ unterstreichen, so Rogalla. Bon voyage! â– FV

ALT HILFT JUNG Er war einer der ersten Spender. In der April-Ausgabe des „vorwärts“ hatte Otto Pieplow von Patrick Dahlemanns Idee gelesen. Der Kandidat fĂźr die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern hat sein Plakat in 5000 MosaikstĂźcke zerlegt. FĂźr fĂźnf Euro kĂśnnen Spender eins davon mit einem eigenen Foto fĂźllen. FĂźr den 96-jährigen Pieplow, seit 1930 SPD-Mitglied, war sofort klar: „Den unterstĂźtze ich.“ Am 22. Juni haben sich Dahlemann, 22, SPD-Mitglied seit sechs Jahren, und Pieplow in dessen Heimatstadt Hamburg getroffen. „Otto und ich kannten uns vorher gar nicht“, sagt Dahlemann. „Da wollte ich mich auf jeden Fall persĂśnlich bedanken.“ â– KD Spenden: netzwerk35.de

ENTLANG DER ELBE Jedes Jahr veranstaltet die SPD Wittenberg eine Bootsfahrt Ăźber die Elbe. Der Fluss, der einst Osten und Westen teilte, wird zum Treffpunkt: SPD-Ortsvereine und Sozialdemokraten entlang der Elbe – von der Nordsee bis zur Tschechischen Grenze – kĂśnnen sich vom 2. bis 4. September im zentral gelegenen Wittenberg austauschen. HĂśhepunkt ist die Elbfahrt am Samstag Nachmittag. Angemeldet ist, wer eine E-mail an arnelietz@web.de schreibt und 10 Euro fĂźr die Bootsfahrt auf das Wittenberger SPD-Konto mit dem Stichwort ‚Blau unter Rot’ Ăźberweist, Konto-Nr. 18970, BLZ 805 501 01. Achtung, der Platz ist begrenzt! ĂœbernachtungsmĂśglichkeiten gibt es unter Tel. 0800/2020114. â– BG lutherstadt-wittenberg.de

FALKEN-BUNDESKONGRESS: ORGANISIERT EUCH! 5. JULI Preisverleihung Der Preis „Das politische Buch 2011“ geht an Peer SteinbrĂźcks „Unterm Strich“, Friedrich-Ebert-Stiftung Berlin, 19 Uhr, Anmeldung: Gergely@fes.de 7. JULI Akademiegespräch „Der Bildung eine Richtung geben – Ăœbergänge erfolgreich gestalten“, FriedrichEbert-Stiftung Bonn, 18 Uhr, Anmeldung: Barbara.Pfeffer@fes.de 9. JULI Lesung und Gespräch „Wendekinder in Europa“, im Rahmen des Treffens „3te Generation Ostdeutschland“ (8. bis 10. Juli), Collegium Hungarium Berlin, 20 Uhr, dritte-generation-ost.de 14. JULI Publikumsbeschimpfung Heinrich Steinfest beschimpft die Bewohner der Stuttgarter Halbho ¨he, Silchersaal der Liederhalle, Stuttgart, 19 Uhr, Anmeldung: silvia.wittig@fes.de 23. AUGUST AusstellungserĂśffnung â€žĂœbergänge. Bilder von Johannes Heisig. Fotografien von GĂźnter Bersch“, 19.30 Uhr, Willy-Brandt-Haus Berlin, bis 16. Oktober 2011

„Organisiert euch, denn wir brauchen eure ganze Kraft.“ Dieser Satz des italienischen Philosophen Antonio Gramsci war das Motto der Bundeskonferenz der Sozialistischen Jugend Deutschlands – Die Falken. Vom 2. bis zum 5. Juni kamen 140 Delegierte und Gäste aus dem In- und Ausland in der Stadtteilschule Hamburg-Horn zusammen. Zahlreiche internationale Gäste waren geladen, darunter Sigal Fine von der israelischen Jugendorganisation Hashomer Hatzair und Ali Ihlail von der palästinensischen Jugendorganisation Independence Youth Union. Die Falken wählten ihren Bundesvorsitzenden Sven Frye mit 69 Prozent wieder und beschlossen, ab 2013 eine geschlechterquotierte Doppelspitze einzufĂźhren. Und sie schwärmten aus: In der Hamburger Innenstadt machten sie unter der Devise „Spielkinder suchen Spielräume“ auf die zunehmende Privatisierung und Kommerzialisierung des Ăśffentlichen Raums aufmerksam. â– BG

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EIN OFFENES HAUS WILLY-BRANDT-ZENTRUM JERUSALEM Ein einzigartiger Ort in einem einzigartigen Land. Hier gelingt, was sonst unmöglich scheint: Israelis und Palästinenser reden miteinander, streiten – und manchmal singen sie auch. Die deutschen Jusos und Falken vermitteln Von Uwe Knüpfer

Blick auf das Ganze: Vom Balkon des Willy-Brandt-Zentrums sieht man Jerusalem, den West- und den Ostteil. Ein friedliches Bild. Die Spaltung der Stadt ist von hier kaum zu erkennen.

E

größte Kompliment, das unter befreundeten, aber auch konkurrierenden, Organisationen möglich ist: Es sei der einzige Ort im Nahen Osten, wo es noch ernsthafte politische Gespräche zwischen Juden und Arabern gebe. Zwischen Nachwuchspolitikern beider Seiten.

Lernen, gute Nachbarn zu sein

ten, zusammenzubringen, was nicht zusammenkommen soll. Nichts an der Grünen Linie ist grün. Oft ist die Grenze allenfalls spürbar. Anderswo zieht sich eine martialische Betonmauer durchs Land und durch Städte, trennt Straßenseiten, Häuser und Gärten, ist nur an Check Points zu passieren. Das kann – für Ausländer und Israelis – ganz schnell gehen. Oder es kann Stunden dauern oder gar nicht möglich sein. Es kommt auf den Pass an und auch aufs Nummernschild. „Juden und Palästinenser leben nicht nebeneinander“, das ginge vielleicht, „sondern übereinander“, sagt Michael Bröning. Er arbeitet für die FriedrichEbert-Stiftung in den palästinensischen Gebieten und macht dem WBZ das wohl

Das WBZ ermöglicht ihre Begegnung im Westjordanland: Ali Ihlayl, Edan Kaushany und Amin Neezal (v.l.)

Die Palästinenserin Nimala Kharoufeh ist überzeugt: „Wir müssen die Gewalt beenden.“

Wie Maya Peretz, 24, die sozusagen in der Arbeitspartei aufgewachsen ist. Sie ist überzeugt, dass es klare, vernünftige Grenzen geben muss zwischen einem israelischen und einem palästinensischen Staat: „Wir müssen lernen, gute Nachbarn zu sein.“ Erst dann könnte die Grenze vielleicht auch wieder überflüssig werden, eines – wohl sehr fernen – Tages. Nimala Kharoufeh, 29, hingegen hält von Grenzen gar nichts. Sie ist Mitglied des Führungssekretariats der Fatah Jugend in der Westbank. Sie stammt aus einer christlichen Familie und war die erste Frau, die an die Spitze der Studierendenschaft an der (palästinensischen) Bethlehem University gewählt worden ist. Die Grenze trennt sie von ihren Eltern. Denn die haben nicht wie sie einen JerusalemPass, für Palästinenser mit Wohnrecht in Jerusalem. Sie ist von den Versuchen enttäuscht, im Schatten der Mauer einen palästinensischen Staat aufzubauen. Sie wäre dafür, die Israelis „machen zu lassen“ und zu sehen, was geschieht.

FOTOS: UWE KNÜPFER

ine umrankte Terrasse mit Blick auf die Altstadt. Vom Grill her duftet es nach Köfte und Hühnchen. Junge Menschen diskutieren angeregt über Politik, trinken Bier, lachen. Nichts an diesem Bild ist normal. Denn die Stadt ist Jerusalem. Eine geteilte Stadt, voller Hass, Angst und Vorurteile. Ost-Jerusalem ist palästinensisch. Aber die Palästinenser haben nichts zu sagen. Die israelische Stadtverwaltung ist für die ganze Stadt zuständig. Den palästinensischen Teil lasse sie verrotten, klagen Palästinenser. Die Palästinenser boykottierten die Stadtratswahlen und verweigerten jede Zusammenarbeit, geben Israelis zurück; sie dürften sich also nicht wundern, wenn ihre Interessen nicht vertreten werden. Das Haus an der En Rogel Street mit der Nummer 22 steht auf der „Grünen Linie“. Sie trennt Israels Staatsgebiet von Palästinenserland, West- von Ost-Jerusalem. „Bis zur Hausnummer 16 fahren israelische Taxis, weiter trauen sie sich nicht“, hat Britta Lenz immer wieder beobachtet. Am Haus klebt ein Juso-Aufkleber – die Faust mit der Rose. Britta Lenz arbeitet hier, zusammen mit Raana Gräsle und Cheb Kammerer, als – solche Wörter denken sich Deutsche aus – „Friedensfachkräfte“. Sie versuchen, im Auftrag des Fördervereins Willy-Brandt-Zentrum e.V. (WBZ) und letztlich der Jungsozialis-


die Mehrheit in ihren Gesellschaften. Ganz im Gegenteil. „Auf der israelischen Seite bist Du ein Spinner, wenn Du mit Palästinensern redest“, erklärt Raana Gräsle vom WBZ.

Du verrätst Dein Volk! „In Israel kannst Du immer sagen, was Du willst – aber sie versuchen, ihre Leute zur Loyalität zu zwingen“, ergänzt ihr WBZ-Kollege Cheb Kammerer. Das gehe so: Wer Übergriffe gegen Palästinenser kritisiert, kritisiert die Armee, wer die Armee kritisiert, gefährdet Israels Sicherheit, wer Israels Sicherheit gefährdet, ist gegen Israel.“ Auf der anderen Seite ist der Druck nicht geringer. Nimala Karoufeh hat oft gehört: „Lass das!“ Rede nicht mit Israelis! Rede nicht mit Mördern! Du verrätst

Dein Volk! Noch dazu als junge, unverheiratete Frau. Der Fatah-Führung gehören nur Männer an. „Es war so hart,“ sagt Nimala. Lächelnd. Ja, sie habe ein paarmal daran gedacht aufzugeben. „Es war nicht leicht.“ Aber sie sei sich eben darüber klar geworden, was der „richtige Weg“ ist. „Wir müssen die Stereotypen überwinden, wir müssen die Gewalt beenden.“ Auf beiden Seiten. „Das ist meine Überzeugung.“ Und zu Überzeugungen müsse man stehen. Die Jugendbewegungen in Tunesien und Ägypten gäben ihr viel Kraft. Nimala will keine Mauern und Grenzen und Passkontrollen. Ihr ist auch egal, wer im Gelobten Land regiert. Sie will „nur, was ich von jedem Staat erwarte: dass er meine Würde respektiert und die Freiheit des Wortes“. ■

Nimala ist mit dem bewaffneten Kampf gegen israelische Besatzungssoldaten groß geworden und zur Gewaltlosigkeit konvertiert. Sie wurde von der Fatah ins WBZ geschickt. „Wir haben alles probiert: Krieg, Verhandlungen, Grenzziehungen“, alles ohne Erfolg. Jetzt bleibe nur der gewaltfreie Widerstand. Und das Gespräch, denn: „Es ist leichter, jemanden zu töten, den wir nicht kennen.“ Das WBZ sei „auf einzigartige Weise einzigartig, unvergleichlich“, schwärmt Edan Kaushany, 36, der in einem Kibbuz in Tel Aviv lebt. Er leitet das Internationale Komitee der lernenden und arbeitenden Jugend (Noal), den zweitgrößten Jugendverband Israels. Nach der Ermordung Yitzhak Rabins durch einen extremistischen Juden und nach der zweiten Intifada seien Gespräche zwischen den verfeindeten Seiten unmöglich geworden: „Von 2004 bis 2007 redete niemand mit niemandem.“ Erst das WBZ habe das gegenseitige Schweigen gebrochen. „Hier stellen wir uns den härtesten Fragen.“ Das WBZ kombiniere Bildungsarbeit mit dem Aufbau persönlicher Beziehungen. „Ich habe nichts Vergleichbares gesehen.“ Wir treffen Edan in einem Büro in Beit Jala, im Westjordanland, zusammen mit Ali Ihlayl, 27, und Amin Neezal, 30. Das WBZ hat hier einen Seminarraum angemietet, weil Westbank-Palästinenser wie Ali und Amin nicht nach Jerusalem einreisen dürfen. Ali ist Internationaler Sekretär der Independence Youth Union Palestine (IYU). Amin organisiert Seminare zum gewaltfreien Widerstand mit Kindern und Jugendlichen. Ali ist von Beruf Informatiker, „aber mit Kindern und Jugendlichen ist mehr zu bewegen als mit Computern“. Willy Brandts Entspannungspolitik – „Wandel durch Annäherung“ – gilt ihm als Vorbild für das, was sich zwischen Arabern und Juden ereignen müsste. „Willy Brandt ist bei uns bekannter als Karl Marx.“ Menschen wie Maya und Nimala, Edan, Amin und Ali repräsentieren nicht

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JA, ICH WILL FÖRDERMITGLIED WERDEN UND DAS WILLY-BRANDT-ZENTRUM IN JERUSALEM UNTERSTÜTZEN. Vorname, Name

Straße, Hausnummer

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E-Mail

MEINE BEITRAGSHÖHE: für Schüler/in, in der Ausbildung, Student/in, Rentner/in oder Hartz-IV-Empfänger/in; Mindestspende 30,00 EUR jährlich berufstätig, meine Mindestspende beträgt 60,00 EUR jährlich MdB, meine Spende beträgt 20,00 EUR monatlich. Ich spende .............. Euro monatlich Ich spende .............. Euro jährlich

Ort, Datum

1994 reichten sich Yassir Arafat und Yitzhak Rabin die Hand. Frieden im Gelobten Land schien greifbar nahe. Die Jusos, geführt von Andrea Nahles, gründeten 1996 das Willy-Brandt-Zentrum, „als Ort der Begegnung und Kommunikation zwischen jungen Menschen aus Deutschland, Israel und Palästina“. Doch 2001 waren gemeinsame Seminare nicht mehr möglich. Umso wichtiger wurde das WBZ: Es konnte vermitteln. 2003 wurde das Haus an der En Rogel Street gemietet, 2008 gekauft, mit Hilfe eines „jüdischen Vermächtnisses“. Peter Sondermann, 1938 aus Deutschland in die USA emigriert, hatte der SPD eine große Summe Geldes vererbt, mit der Auflage, es für ein „Friedensprojekt im Sinne Willy Brandts“ zu verwenden.

HIP-HOP FÜR DEN FRIEDEN

PLZ, Ort

Telefon

ENTTÄUSCHTE HOFFNUNGEN UND EIN »JÜDISCHES VERMÄCHTNIS«

Unterschrift

Fax oder E-Mail an: Förderverein Willy-Brandt-Zentrum Jerusalem e.V. Postfach 64 02 30, 10048 Berlin, Fax 0049-(0)30-78 954 720 E-Mail: gamp@willybrandtcenter.org

Hudna bedeutet Waffenstillstand. Hip-Hop Hudna ist ein Projekt des WBZ in Zusammenarbeit mit der Jerusalemer Musikinitiative Heartbeat und den Falken und wurde unterstützt durch das Programm Europeans for Peace, der Stiftung EVZ. Deutsche, Israelis und Palästinenser, Männer und Frauen machen gemeinsam Musik: Rap. Sie schreiben die Texte, komponieren, treten gemeinsam auf. Mehr Musik: Heartbeat Jerusalem TRUE LOVE The 1st Israeli-PalestinianGerman Hip Hop Hudna heartbeatmusic.bandcamp.com

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Wir wachsen mit erneuegbaren Energien.

Die Energiefragen der Zukunft stellen uns vor große Herausforderungen - die wir gerne annehmen. Die EnBW will an ihrem Ziel festhalten, in den nächsten Jahren Milliarden Euro in den Ausbau der erneuerbaren Energien zu investieren. Im Mai 2011 haben wir mit EnBW Baltic 1 den ersten kommerziellen Windpark in der deutschen Ostsee in Betrieb genommen. Weitere Offshore-Projekte sollen folgen. Darüber hinaus hat die EnBW ihre Stromerzeugung mit Onshore-Windparks deutlich ausgebaut, in den Bau von Fotovoltaik- und Biogasanlagen investiert und mit dem Neubau des Wasserkraftwerks in Rheinfelden sowie dem Ausbau des Wasserkraftwerks in Iffezheim Zeichen gesetzt. www.enbw.com


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»ZWISCHENRUF«

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LESERBRIEFE BÜRGERVERSICHERUNG

NILS OPITZ-LEIFHEIT Mehr als ein Drittel der Deutschen ist konfessionsfrei. Der Ruf nach der Trennung von Staat und Religion wird lauter. Der Parteivorstand will diese Debatte unterbinden. Das ist falsch und schadet der SPD.

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illy Brandt hat einmal gesagt „dass jede Zeit eigene Antworten will und man auf ihrer Höhe zu sein hat“. Die Entscheidung des SPD-Parteivorstandes, den Laizistinnen und Laizisten keinen Arbeitskreis zuzugestehen wie den Christen, Juden und Schwusos, war nicht auf der Höhe der Zeit. Zudem war sie geschichtsvergessen, denn die SPD hielt 80 Jahre lang die Trennung von Staat und Kirche für wichtig. 1959 dann war die Öffnung gegenüber Kirchen und Christen wichtig für die SPD, das will niemand zurückdrehen, auch wir nicht. Aber aus der „Öffnung“ ist eine „einseitige Ausrichtung“ geworden. Was würde August Bebel wohl denken, wenn er gesehen hätte, wie aus dem Parteivorstand gegen den Ethik-Unterricht des SPD-geführten Berliner Senates gekämpft wurde? Warum wurde die Einforderung der Arbeitnehmerrechte für Kirchenbeschäftigte nach vielen Jahren aus dem Grundsatzprogramm der SPD gestrichen? Das war wohl kaum im Interesse der christlichen Arbeitnehmer/innen. Kritik am Umgang der katholischen Kirche mit den Missbrauchsfällen? In der SPD Fehlanzeige. Oder ist es zeitgemäß, wenn sich SPD-Spitzenleute für die Aufhängung von Kruzifixen in Gerichtssälen verkämpfen – gegen den Gerichtspräsidenten? Ist die ethische Grundlage unserer Demokratie Monopol einer Religion? Damit ist die SPD nicht auf der Höhe der Zeit, denn die Welt hat sich auch seit 1959 gewandelt: 28 Millionen Menschen (35 Prozent) in Deutschland sind heute konfessionsfrei, hinzu kommen 4 Millionen muslimischen Glaubens. Katholisch oder evangelisch sind heute noch jeweils

rund 29 Prozent. Innerhalb der SPD sind zirka 170 000 Mitglieder konfessionsfrei. Den wachsenden Anteil Konfessionsfreier wie bislang zu ignorieren ist schlicht unklug. Auch deshalb verlieren wir in den Großstädten an Attraktivität. Wir fragen daher: Ist es nicht an der Zeit, die seit dem Mittelalter bestehende Privilegierung der Kirchen zu ersetzen durch eine saubere Trennung von Staat und Religion? Wir brauchen einen Staat, der allen Weltanschauungen gerecht wird. Stattdessen erleben wir in der SPD eine harsche Abwehr jeglicher kritischen Diskussion hierzu. Wir wollen aber mit unseren inzwischen 1000 Unterstützern in der SPD und nun schon sieben Landesgruppen eine offene Diskussion. Sie wird in der Öffentlichkeit längst geführt. Sogar auf Kirchentagen. Warum nicht in der SPD? ■

Nils Opitz-Leifheit ist Sprecher der Laizistinnen und Laizisten in der SPD. www.laizistische-sozis.de

MITREDEN & BLOGGEN: vorwärts.de/zwischenruf-laizisten

vorwärts.de/blogs GIB MIR DEIN ADRESSBUCH! HENNING TILLMANN Stellen Sie sich vor, Sie sind im Urlaub und laufen an einem Geschäft vorbei, das damit wirbt, dass Sie für nur 79 Cent unbegrenzt in ihren Heimatort telefonieren können. Doch bevor Sie das Angebot wahrnehmen können, fordert der Betreiber des Ladens Sie auf, ihm Ihre komplette Brieftasche mit Ihrem Adressbuch zu überreichen, damit er dieses kopieren kann. „Was denkt er sich eigentlich?“, wird vermutlich Ihre Reaktion sein und Sie verlassen empört das Geschäft. Doch von dieser Empörung ist bei der Nutzung des beliebten WhatsApp iPhoneMessengers nichts zu spüren. Vermutlich weil niemand weiß, dass genau das oben beschriebene Szenario eintritt. Die App übermittelt das vollständige Adressbuch dem Betreiber. vorwärts.de/blogs NICHT DER REDE WERT? FRANK HOFMANN Alles begann im Sommer des vergangenen Jahres. Bei einer Routineuntersuchung im Kernkraftwerk Grafenrheinfeld stellten Mitarbeiter ungewöhnliche Ultraschallwerte bei einem Kühlrohr in der Nähe des Reaktors fest. Die Bayerische Atomaufsichtsbehörde unter der Leitung von Umweltminister Söder stand vor einer Entscheidung: Um dem Verdacht nachzugehen, hätte sie die Abschaltung des Atomkraftwerks verfügen müssen. Die Folge: Umsatzverluste für E.ON. Ein Zustand, der lange hätte andauern können, denn Ersatzrohre für Kernkraftwerke gibt es nicht im Baumarkt. Aus meiner und der Sicht vieler Experten wäre die Abschaltung hier zwingend notwendig gewesen, um eine Gefährdung ausschließen zu können. Die Bayerische Staatsregierung wollte das aber nicht. Sie beschloss, einfach nichts zu tun. vorwärts.de/blogs

Mit dem Thema Gesundheit lassen sich nicht nur Wahlen entscheiden. Auch eine scharfe Profilierung kann eine Partei durch eine klare Haltung zum Thema Gesundheit erhalten. Hans-Werner Bertelsen, Bremen Wir brauchen eine Bürgerversicherung! Aber keine mit einer Beitragsbemessungsgrenze für Arbeitnehmereinkommen. ... Eine Beibehaltung der Beitragsbemessungsgrenze könnte einen nicht übersehbaren Schaden für die Glaubhaftigkeit der SPD verursachen. Günter Wedemann, Amelinghausen Es wäre ehrlicher und wirksamer, das Kind beim Namen zu nennen, nämlich dass ausnahmslos alle Bürger den einheitlichen Bürgertarif in Anspruch nehmen müssen. Das ergäbe einen Sinn, würde den Glauben an und die Hoffnung auf ein sozial gerechtes, besseres und vor allen Dingen finanzierbares Gesundheitssystem stärken. Warum fallen euch so klare, verständliche und nachvollziehbare politische Konzepte nicht mehr ein? Uwe Schleicher, per E-Mail

HOMÖOPATHIE 06/2011

Herr Sarma spricht von „moderner Magie“. Homöopathie gibt es seit über 200 Jahren. Kinder, Tiere, ja sogar Pflanzen sprechen auf Homöopathika an. Was ist daran magisch? Adelheid Siefeldt, Teltow Gerade ein Mediziner, der weiß (!), dass es Placeboeffekte gibt, bei denen sich weder „Substanzen“ noch Verfahrensabläufe beschreiben ließen, kann hier als Wissenschaftler also höchstens konstatieren, dass er nicht weiß (und somit, weil er wenigstens das weiß, auch nicht andere belehren). Bernhard Becker, Duisburg Es gibt keine positiven wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Wirkung und den Erfolg von Homöopathie. Die einzigen Profiteure sind die Produzenten der Zuckerkügelchen und obskure, gefährliche Scharlatane, die mit der Leichtgläubigkeit von Kranken Geschäfte machen. Wer im Krankheitsfall Hilfe benötigt, muss vollwertigen Zugang zu evidenzbasierter Medizin bekommen und darf nicht mit Placebos abgespeist werden. Ralf Lilje, Hannover

FOTO: PRIVAT

RAUS AUS DEM MITTELALTER!

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MEINUNG 23

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DER FALL SARRAZIN 06/2011

Angenommen, in Sachen SPD-Grundwerte gegen Sarrazin hätten alle Argumente, standfest vorgetragen, der Schiedskommission nicht für einen Ausschluss gereicht – und wider alle Vernunft unterstellt, auch die Berufungsinstanz hätte kein Einsehen gehabt – so hätten die Antragsteller erhobenen Hauptes die Arena verlassen können. Stattdessen: Erledigung per Kuhhandel. Klaus Brandt, per E-Mail

ALTERNATIVE ENERGIEN 06/2011

HAUPTSTADT-ENTSCHEIDUNG 06/2011

Ich kann mich noch gut an die Fernsehberichterstattung nach der Abstimmung erinnern, als Norbert Blüm mit enttäuschtem, ja fast wutverzerrtem Gesicht aus dem Plenarsaal kam. Die wenigsten aber werden noch wissen,

dass die Presse einige Wochen zuvor berichtet hatte, dass Herr Blüm sich ein Haus in Königswinter (bei Bonn, die Red.) gekauft hat. Da habe ich noch gedacht, was will er denn damit, der muss ja doch bald nach Berlin gehen. Er war sich wie viele andere der Abstimmung wohl sehr sicher. P. Matschoss, Hannover

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Österreich erzeugt zwar keinen Atomstrom, importiert diesen aber aus Tschechien. Dieser Strom wird überwiegend in Pumpspeicher-Kraftwerken ‚zwischengelagert’ und dann nach Deutschland als Öko-Strom verkauft. Genauere Angaben u.a. bei Greenpeace. Dieter A. E. Ehlermann, Linkenheim-Hochstetten ANZEIGE

So weit, so oft, wohin Sie wollen. Mit dem Quer-durchs-Land-Ticket. 1 Person für 42 Euro. Jede weitere nur 6 Euro. 1 Tag, alle Regionalzüge, deutschlandweit. Einsteigen, umsteigen und weiterfahren, so oft Sie wollen. ❚ Montags bis freitags von 9 bis 3 Uhr des Folgetages ❚ Vorteil für Eltern/Großeltern (1 oder 2 Erwachsene): Eigene Kinder/Enkel unter 15 Jahren fahren kostenlos mit ❚ Je mehr Mitfahrer, desto günstiger (bis zu 4 Mitfahrer)

Weitere Infos unter www.bahn.de/quer-durchs-land

Die Bahn macht mobil.


24 PARLAMENT

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IM BLICKPUNKT

GEMEINSAM FÜR DIE STEUER

2009 durfte noch nach altem Wahlrecht gewählt werden. Jetzt ist eine Reform überfällig.

»ÄRGERLICH UND ZWEIFELLOS PEINLICH« WAHLEN Schwarz-Gelb versagt bei der fristgerechten Reform des Wahlrechts. Ein entsprechendes Urteil Karlsruhes wird schlicht ignoriert.

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igentlich ist die Sachlage klar: Bereits 2008 hat das Bundesverfassungsgericht Teile des aktuellen Wahlrechts für verfassungswidrig erklärt und eine Wahlrechtsreform bis Ende Juni 2011 vorgeschrieben. Dennoch hat die schwarz-gelbe Koalition bis heute keinen Gesetzesentwurf in den Bundestag eingebracht. Selbst Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) nennt diese Situation „ärgerlich und zweifellos peinlich“. Das Problem: Ohne Reform gilt auch nach dem 30. Juni

das aktuelle, verfassungswidrige Wahlrecht. Sollte es jetzt zu kurzfristigen Neuwahlen kommen, könnten diese bei Gericht angefochten werden. „Die Koalition ist zerrüttet wie nie, bei Neuwahlen hätten wir aber nicht einmal ein verfassungskonformes Wahlrecht“, sagt SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Hauptkritikpunkt der Karlsruher Richter ist das so genannte „negative Stimmgewicht“, das durch Überhangmandate entstehen kann, wenn also eine Partei

Das Wörterbuch der Politikverdrossenheit Die »Direkte Demokratie«

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Das Abnicken ohne ausgiebige oder gar strittige Diskussionen wird für die Regierungsfraktionen immer mehr zur Routine.

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Marco Bülow, MdB

IRRTUMSBEREINIGUNGSGESETZ Erst Laufzeitverlängerung, dann Atomausstieg. Die schwarzgelbe Bundesregierung hat in der Energiepolitik innerhalb von wenigen Monaten eine komplette Rolle rückwärts gemacht. Frank-Walter Steinmeier bringt es auf den Punkt: „Die so genannte Energiewende ist nichts anderes als ein Irrtumsbereinigungsgesetz.“ Der SPD-Fraktionschef macht aber auch klar, dass es jetzt um mehr geht als um Parteitaktik: „Wenn die Bundesregierung wirklich ¸unumkehrbar‘ aussteigen will, dann werde ich nicht taktisch und nicht krampfhaft nach Gründen suchen, um meiner Partei die Ablehnung zu empfehlen.“ ■ GF

„Direkt“ klingt irgendwie besser als „indirekt“: nicht so hintenrum. Sollte es deshalb nicht idealerweise so sein: Der Staatsbürger entscheidet alle Regierungsfragen unmittelbar selbst mit seiner Stimme? Das heißt, alle 60 Millionen Wahl- (und Abstimmungs-)Berechtigten in Deutschland sollten das tun! Jeden Tag, von morgens bis abends – auf allen Gebieten der Kommunal-, Landes-, Bundes- und Europapolitik! Oder? Genau genommen ist die direkte Demokratie natürlich nicht das Ideal der Volksherrschaft, sondern nur eine ihrer Formen. Das war schon bei den alten Griechen und Römern so, die zusätzlich auch Repräsentativorgane wählten. Direkte und indirekte – repräsentative – Formen der Demokratie gehören in einer funktionsfähigen Republik zusammen: Wählen und Abstimmen. Deshalb setzen sich Sozialdemokraten für die Einführung von Volksentscheiden auf Bundesebene ein, wie es sie auf kommunaler und Landesebene fast überall bereits gibt, mal mit mehr, mal mit weniger Beteiligung, ganz selbstverständlich. ■ H.P. B Der Autor Hans-Peter Bartels ist seit 1998 Mitglied des Bundestages. Weitere Beispiele zum Buchstaben D auf vorwärts.de/woerterbuch

FOTOS: SPD-FRAKTION, DPA, DIE KLEINERT

Zum ersten Mal haben Fraktionen in zwei nationalen Parlamenten Europas einen gleichlautenden Antrag eingebracht: Gemeinsam mit den französischen Sozialisten fordert die SPD-Bundestagsfraktion eine Finanztransaktionssteuer ein. Am 9. Juni haben die Parteien den Antrag parallel in der französischen Nationalversammlung und im Bundestag vorgelegt. ■ GF

über Direktmandate mehr Sitze erlangt, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustünden. Derzeit kann folgendes Paradoxon entstehen: Ein Zweitstimmenzuwachs kann zu weniger Sitzen führen, ein Zweitstimmenverlust jedoch zu mehr Sitzen. Derzeit kommt die Regelung vor allem der CDU/CSU-Fraktion zugute, die aktuell 24 Überhangmandate hat. Auch deshalb sieht Schwarz-Gelb offenbar keinen Grund zum Handeln und ignoriert das Urteil des Verfassungsgerichts. Die SPD-Fraktion hat ihre Hausaufgaben dagegen gemacht und ihren Vorschlag schon im Mai dem Bundestag vorgelegt. Der Entwurf sieht vor, die „Überhangmandate im Verhältnis der Parteien zueinander vollständig auszugleichen“. So würde in den meisten Fällen das „negative Stimmgewicht“ entfallen. Damit die Zahl der Parlamentssitze durch den Ausgleich der Überhangmandate nicht weiter ansteigt, soll durch eine Vergrößerung der Wahlkreise die Zahl der Direktmandate verringert werden. Thomas Oppermann appelliert an die Koalition, sich endlich einer überparteilichen Lösung zu öffnen. „Es wäre für die Politik eine nicht zu überbietende Peinlichkeit, wenn das Parlament selbst beim Wahlrecht nicht zu einer Einigung kommt.“ Der Fraktionsgeschäftsführer warnt allerdings vor schwarz-gelben Alleingängen bei der Reform. „Sollte die Koalition einen Entwurf vorlegen, der die Wirkung der Überhangmandate nicht beseitigt, wird sich Karlsruhe schnell wieder mit dem Wahlrecht befassen müssen.“ ■ GF


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MIT WENIGER MEHR ERREICHEN RESSOURCENSCHUTZ Wer Strom und Gas sparen will, erhält Geld dazu und eine umfangreiche Beratung: Hamburg setzt da an, wo die Hälfte der CO2-Emissionen entsteht, bei den Unternehmen Von Susanne Dohrn

FOTO: DPA

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amburger Betriebe sparen große Mengen Energie, dazu Wasser, Abfall und Chemikalien. Das entlastet sie finanziell, schont Umwelt und Klima. Geholfen hat ihnen dabei die Stadt. Wenn 50 Prozent der CO2Emissionen Hamburgs von Industrie und Gewerbe stammen, müssen wir hier etwas tun, sagte sich der rot-grüne Senat vor zehn Jahren und beschloss das Programm „Unternehmen für Ressourcenschutz“. Seitdem sparen diese jedes Jahr unter anderem 133 000 Megawattstunden Strom. Das ist in etwa der Verbrauch von 38 000 Einfamilienhäusern. Angesiedelt ist das Programm bei der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt. Die Bilanz nach zehn Jahren, allein beim Kohlendioxid: Mehr als 140 000 Tonnen werden pro Jahr eingespart. Das entspricht den CO2-Emissionen von 20 000 Einfamilienhäusern. „32 Prozent des Klimaschutzkonzeptes Hamburgs in den Jahren 2007 bis 2012 werden auf das Programm zurückzuführen sein“, so Günter Tamm. Der promovierte Chemiker ist einer der zehn Berater von „Unternehmen für Ressourcenschutz“. Dass bei kleinen und mittelständischen Un-

ternehmen große Energiesparpotenziale schlummern, zeigte 2010 auch eine Studie der Förderbank KfW. Rund zwei Drittel der befragten Unternehmen sehen Möglichkeiten, den Energieverbrauch in ihrem Betrieb zu reduzieren. Bei den meisten unterbleibt das jedoch, weil Geld und Personal fehlen. Die Beratung der Umweltbehörde beginnt mit einem kostenlosen und unverbindlichen Erstcheck, bei dem herausgefunden wird, wo Ressourcen und damit Kosten eingespart werden können. Danach können die Unternehmen ihren Bedürfnissen entsprechende weiterführende Angebote wählen: vom LichtCheck über einen Wärme- und Kältecheck, bis zum Serverraum-, dem technikübergreifenden EffizienzCheck und dem so genannten BHKWCheck. Bei diesem wird geprüft, ob sich für ein Unternehmen die Investition in ein eigenes Blockheizkraftwerk lohnt, das Strom und Wärme produziert. Ein Pool von Fachbetrieben und Ingenieurbüros, die mit der Behörde zusammenarbeiten, führen diese speziellen Prüfungen durch. Die Kosten: 150 bis 1400 Euro, je nach Art und Umfang. Die restlichen zwei Drittel

übernehmen die regionalen Energieversorgungsunternehmen Hamburg Energie, E.ON Hanse, Vattenfall und die Stadt. Wird die Maßnahme umgesetzt, gibt es Fördergelder von der Stadt. Mehr als 1700 Firmen haben an dem Programm schon teilgenommen. Vom Airline Caterer Sky Chefs Deutschland, der sich eine neue Kühlanlage bauen ließ und dadurch 40 Prozent weniger Strom verbraucht, über ein Rechenzentrum, das sich neue Server und eine energiesparende Serversoftware einbauen ließ und nun ein Viertel seiner Energiekosten spart bis zu Energiegroßverbrauchern wie dem Klärwerk Köhlbrandhöft/Dradenau, das die Abwässer von 3,5 Millionen Menschen und der Industriebetriebe aus Hamburg und Umgebung reinigt. Mit effizienterer Belüftung spart es nun fast 14 000 Tonnen CO2 pro Jahr. 15,8 Millionen Euro hat die Stadt Hamburg in den vergangenen zehn Jahren für das Projekt bezahlt. Sie hat damit 155 Millionen Euro Investitionen ausgelöst. So fördert die Stadt nicht nur den Klimaschutz sondern auch die Wirtschaft. ■

Blaues Leuchten: Die imposanten Gebilde sind Faultürme des Klärwerkes Köhlbrandhöft in Hamburg. Mittels einer neuen Belüftung wurde der Kohlendioxidausstoß bei der Abwasserreinigung massiv gesenkt.

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Du hast es in der Hand. Tetra Pak-Getränkekartons gehören zu den umweltverträglichsten Getränkeverpackungen. Denn sie haben einen der kleinsten CO²-Fußabdrücke unter den Einweg-Getränkeverpackungen, dank stetiger Energie-, Transport- und Ressourceneinsparungen. Sowie der Verwendung des nachwachsenden Rohstoffs Holz zur Herstellung des Rohkartons. Das sind nur zwei von vielen Gründen, weshalb Tetra Pak-Getränkekartons schon heute zukunftsweisend sind. tetrapak.de


26 WIRTSCHAFT

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MIT KÜHLTASCHE UND LUPE »Ich komme immer unangemeldet.« Wer Lebensmittel zubereitet oder verkauft, wird von mir kontrolliert: Supermärkte, Backshops, Fleischfilialen, Wochenmärkte, Volksfeste. Außerdem Imbisse, Gaststätten, Gemeinschaftsküchen und Essensausgabestellen. Insgesamt etwa 300 Betriebe. Die sehe ich mir mindestens einmal im Jahr an. Als erstes fahre ich morgens ins Büro, schaue die Post durch und erledige die Telefonate. Dann packe ich meine Tasche: Probengefäße, Fettmessgerät, Kühltaschen, Thermometer, Waage, Lupe. Dazu viele Formulare, weil jede Kontrolle dokumentiert wird. Das Schöne an meiner Arbeit ist, dass ich mir die Zeit selbst einteilen kann. Außerdem treffe ich viele Leute. Ich arbeite im Stadtgebiet von Cottbus. Viele Händler aus Polen kommen regelmäßig und verkaufen etwa Pilze. ANZEIGE

LEBENSMITTELKONTROLLEURIN JANA WEISER 41 Jahre, lebt in Cottbus in Brandenburg Ausbildung Status Gehalt Arbeitszeit

3 Jahre Studium an einer medizinischen Fachschule Angestellte der Stadt 3200 Euro Brutto laut Tarifvertrag öffentlicher Dienst 38 bis 40 Stunden

Wir lassen sie stichprobenweise auf Strahlenbelastung untersuchen, haben aber noch nie etwas gefunden, das über den Grenzwerten liegt. Ich komme immer unangemeldet und fahre so vor,

dass ich gleich im Laden stehe. Als erstes kontrolliere ich die Sauberkeit und die sachgemäße Lagerung der Waren. Ob das gekühlt wird, was gekühlt werden muss, ob nichts im Regal liegt,

was zu alt ist. Ich entnehme Proben der Lebensmittel und lasse mir die Gesundheitszeugnisse der Mitarbeiter zeigen. Vorbildliche Betriebe werden seltener kontrolliert. Meist komme ich allein, es sei denn, es gibt sehr viel zu tun, oder es sind Konflikte zu erwarten. Die meisten reagieren freundlich. Sie wissen, ich mache auch nur meine Arbeit. Ganz selten finde ich total eklige Zustände vor. Wenn mir die Mäuse über die Füße springen, der Laden völlig dreckig ist oder der Putz von der Decke fällt, schließe ich ihn. Der Betreiber muss sagen, bis wann er die Mängel behebt und ich kontrolliere das. Erst dann darf er wieder öffnen. Nach den Kontrollen fahre ich ins Büro zurück, gebe alles in den Computer ein und verschicke die Proben. Wenn das Labor etwas findet, z.B. Salmonellen, gehe ich der Sache sofort auf den Grund: Hat es an den Rohstoffen gelegen? Ist etwas nicht richtig gereinigt worden? Hat jemand den Erreger aus dem Urlaub mitgebracht? Erst wenn der Mangel behoben ist, dürfen die Produkte wieder verkauft werden. ■ Aufgezeichnet von Susanne Dohrn vorwärts.de/meinearbeit

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vorwärts|buch ► Ich finde dies den eigentlichen Skandal der neuen Arbeitswelt: nämlich dass junge Menschen neben befristeten, kurzfristigen Jobs oder gar Praktika keine feste Beschäftigung mehr finden. (Björn Böhning)

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◄ Löst das Arbeiten in Start-ups die klassische Erwerbsarbeit auf? Oh ja, Gott sei dank! (Alexander Görlach)

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► Das „Kopierwesen“ sorgt dafür, dass Privateigentum als Urheberrecht in der digitalen Gesellschaft eine nicht-haptische, amorphe und pausenlos kopierbare Sache wird. (Björn Böhning)

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FREIHEIT ODER ANARCHIE? Zwei unterschiedliche Positionen zur netzpolitischen Diskussion. Eine Streitschrift von Björn Böhning und Alexander Görlach. erscheint Juli 2011 ISBN 978-3-86602-080-1 10,00 Euro

◄ Dass man die Zehn Gebote aus technologischen Gründen heute einfacher übertreten kann als früher, heißt nur, dass der Versuchung auf intensivere Weise widerstanden werden muss. (Alexander Görlach)

► Es wird die große Aufgabe sein, dem digitalen Bürger deutlich zu machen, dass Demokratie und Politik am Ende eines Entscheidungsprozesses auch handlungsfähig bleiben müssen. (Björn Böhning) ◄ Einen „Gefällt mir“-Knopf zu drücken, ist noch keine politische Partizipation und wohlfeiler Ausdruck des Souveräns. Es verwundert mich überhaupt nicht, dass die Beteiligungszahlen rapide sinken, wenn man über das Internet bei Politik mitmachen und gestalten darf, dafür dann aber auch arbeiten muss. (Alexander Görlach) Alexander Görlach

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FOTO: PAUL WEISFLOG

MEINE ARBEIT


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Bieten günstige Mobilität für jedermann: DeinBus.de-Gründer Alexander Kuhr, Christian Janisch und Ingo Mayr-Knoch (v.l.)

FIRMENPORTRÄT DEINBUS.DE

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GUT GEMACHT

MIT DEM MIETBUS ANS ZIEL REISEN Immer mehr Menschen können sich Bahnfahren nicht leisten: Ein junges Unternehmen bietet ihnen eine bezahlbare Alternative Von Gero Fischer

FOTO: DEINBUS.DE

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gal ob mit dem Flugzeug, dem Auto oder mit der Bahn: Reisen in Deutschland kostet. Ein Fernbussystem mit festen Verbindungen bietet in anderen europäischen Ländern eine günstige Alternative. Hierzulande verhindert dies das Personenbeförderungsgesetz von 1934. Erlassen wurde es, um die Bahn vor Konkurrenz auf der Straße zu schützen. Heute sind wegen hoher Bahnpreise viele Menschen von Mobilität ausgeschlossen oder müssen auf Mitfahrzentralen zurückgreifen. Drei Studenten aus Friedrichshafen wollten sich damit nicht abfinden. Deshalb haben sie 2009 das Unternehmen DeinBus.de gegründet. Es verbindet die

günstigen Preise einer Mitfahrzentrale mit dem Komfort und der Sicherheit des Reisebusses. Das Prinzip ist einfach: Zwar darf es in Deutschland immer noch keinen Fernbusverkehr geben. Aber es ist erlaubt, sich einen Reisebus – nach Bedarf – zu mieten und damit von Stadt zu Stadt fahren. Über DeinBus.de kann jeder selbst eine Busreise organisieren. Die Kunden legen dafür mindestens 20 Tage vor der Fahrt auf der Internet-Seite ihren Abfahrts- und Zielort sowie das Datum und die gewünschten Zeiten fest. DeinBus.de stellt in Kooperation mit einem örtlichen Busunternehmen einen Bus samt Fahrer bereit. Außerdem hilft das Unternehmen bei der Suche nach

GESCHÄFTSFELD: Personentransport FIRMENSITZ: Friedrichshafen in Baden-Württemberg GEGRÜNDET: 2009 KUNDEN: Beförderte Personen im Monat: 800 bis 1000 deinbus.de

Weitere Porträts der Serie: vorwärts.de/gutgemacht

den nötigen Mitfahrern, indem das Angebot auf der Internet-Seite veröffentlicht wird. Je nach Strecke braucht es 10 bis 15 Mitfahrer, damit es mit der Fahrt klappt. Von Köln nach Frankfurt kommt man dann zum Beispiel für 12,50 Euro. Die günstigste Bahnverbindung (IC) kostet auf dieser Strecke 42 Euro. Das Konzept geht auf. Auf 30 bis 40 Fahrten befördert das Unternehmen derzeit 800 bis 1000 Fahrgäste im Monat. Tendenz steigend. „Es werden irrsinnig viele Fahrtwünsche an uns herangetragen“, sagt Justin Liesenfeld, einer von fünf festen Mitarbeitern bei DeinBus.de. Vor allem zwischen Großstädten kämen die Fahrten in der Regel auch zustande. Als Konkurrenz zur Bahn sehen sich die Jungunternehmer trotzdem nicht. Im Gegenteil, der Bus sei eine Ergänzung zum Zug. „Menschen, die mit uns fahren, sind in der Regel gar keine Bahnfahrer“, stellt Justin Liesenfeld klar. Der Bus sei für diejenigen interessant, die wegen der hohen Preise nicht oder selten Bahn fahren. Und davon gibt es viele: Allein die Internet-Seite mitfahrgelegenheit.de hat über 1,7 Millionen registrierte Nutzer. Gegenüber privaten Mitfahrgelegenheiten sind die Busse in puncto Komfort und Sicherheit im Vorteil. Denn Fahrer und Fahrzeuge unterliegen regelmäßigen Kontrollen. Kein Wunder also, dass viele junge Menschen mit wenig Geld den Service nutzen. Aber auch zunehmend ältere Leute gehören zu den Kunden. „Ältere Menschen zeigen ein hohes Interesse am Busfernverkehr“, sagt Liesenfeld. Sie seien durch Urlaubsreisen an das Verkehrsmittel Bus gewöhnt. Vor allem schätzten sie aber eines: Reisen ohne Umsteigen zu einem attraktiven Preis. ■ ANZEIGE

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28 KULTUR

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SPINNEN DIE?

Neues Wahrzeichen: Die Elbphilharmonie in Hamburg wächst in die Höhe – noch schneller als der Bau wachsen die Kosten: Sie stiegen von ursprünglich 186 Millionen Euro auf jetzt 323 Millionen.

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ie heißen Konzerthaus, Musikzentrum, Beethoven-Festspielhaus oder Elbphilharmonie und kosten 50, 100 oder 300 Millionen Euro. Viele Bürger reiben sich die Augen und fragen: Sollten die Millionen nicht lieber in die Bildung gesteckt werden, in Kinderbetreuung oder die Beseitigung von Schlaglöchern? „Ich fahre lieber auf einer schlechten Straße in ein gutes Konzert als umgekehrt“, sagt Hans-Georg Küppers. Bis 2007 war er Kulturdezernent in Bochum, ist nun Kulturreferent in München und behauptet: „Über Sparmaßnahmen im Kulturbereich saniert man keinen Haushalt.“ Umgekehrt werde ein Schuh draus: „Wenn man in Städten nicht auf die Weiterentwicklung der Kultur setzt, ist es um ihre Zukunftsfähigkeit schlecht bestellt.“ Kultur sei eine Investition in die Köpfe, sie bringe die Städte im Hinblick auf Wirtschaft und Ausbildung nach vorn. Ein attraktives Kulturangebot ziehe Firmen und Management an. Kurz: keine Wirtschaftsentwicklung ohne hochwertiges Kulturangebot. Kultur als Impuls für Wirtschaftsentwicklung, wie das funktioniert, zeigt Dortmund. Der Strukturwandel hat die alte Industriestadt gebeutelt. „Im April

2001 schloss das letzte Stahlwerk. Noch einmal wurden 10 000 Kollegen arbeitslos“, erzählt Stadtdirektor Jörg Stüdemann. Er ist für die Kultur der Stadt zuständig und seit 2010 als Kämmerer auch für die Finanzen. Eine seltene Kombination, aber keine mit Widersprüchen: „Entweder man ist Anwalt der Kultur oder man ist es nicht“, sagt Stüdemann. Das Beispiel Dortmund zeigt, wie Kultur Stadtentwicklung voranbringen kann.

Geschenkt ist noch zu teuer 2002 eröffnete Dortmund sein Konzerthaus mitten in einem Problemviertel. Baukosten: 48 Millionen Euro. 1500 Plätze. Anfangs heftig umstritten, hat der Bau dazu beigetragen, aus dem Viertel einen lebendigen Stadtteil zu machen mit Gastronomie, Geschäften, Diskotheken, einem Jazzclub und viel freier Szene. Stüdemann nennt das Konzerthaus deshalb eine „Wegmarke für die Zukunft“. Mit einer Auslastung von mehr als 70 Prozent verkauften Karten sei das Haus vorbildlich in Deutschland. Zulasten der freien Kulturszene geht die Investition ebenfalls nicht. Dortmund will die freie Szene demnächst mit einer Million Euro zusätzlich fördern.

Der Erfolg gibt Dortmund Recht und die Geschichte könnte hier enden. Aber so einfach ist das nicht. Andere Städte stecken noch mittendrin in der Debatte. In Bonn fühlt man sich dem Erbe Ludwig van Beethovens verpflichtet, der 1770 hier geboren wurde. Ein neues Beethoven-Festspielhaus ist geplant, denn die für ihre Akustik einst so gelobte alte Beethovenhalle ist in die Jahre gekommen. Das Geld für den Neubau müsste die Stadt nicht aufbringen – Bonner Unternehmen wollen die Baukosten spenden –, wohl aber den jährlichen, einstelligen Millionenbetrag für den Betrieb. Das ist in Zeiten knapper Kassen, wie sie in Kommunen seit Jahren herrschen, kein Pappenstiel. Sollte Bonn es im Juli schaffen, einen ausgeglichenen Haushalt zu verabschieden, könnte es grünes Licht für das Beethoven-Festspielhaus geben. Bochum steht derzeit eher vor der gegenteiligen Frage: „Kann die Stadt es sich leisten, ihren überragenden kulturellen Ruf den Sparzwängen zu opfern?“, wie Kulturdezernent Michael Townsend es formuliert. Es geht um den Bau eines Musikzentrums. Wie Bonn bekäme Bochum den Bau fast geschenkt und das große

FOTOS: DPA

GROSSPROJEKTE Städte geben Millionen aus, um der Hochkultur Tempel zu bauen. Nicht alle sind so umstritten wie die neue Hamburger Elbphilharmonie. Aber jedes Mal stellt sich die Frage: Wozu brauchen wir die? Von Susanne Dohrn


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Sinfonieorchester der Stadt endlich eine eigene Aufführungsstätte. Von den 33,3 Millionen, die der Bau kosten soll, müsste die Stadt lediglich 2,4 Millionen aufbringen, sowie später 350 000 Euro jährlich für den Unterhalt. Den Rest übernehmen EU, Land und private Spender. Baut Bochum nicht, sei die Einsparung minimal, der Schaden aber maximal, weil die Gelder nicht für andere Zwecke zur Verfügung stehen, so Townsend. „Bochum als größter und exzellentester Wissenschaftsstandort der Region braucht ein entsprechendes Umfeld.“ Zum Jahreswechsel soll entschieden werden. Zulasten der Bildung geht der Bau jedenfalls nicht. Gerade wurde in Bochum der Grundstein für ein neues Gymnasium gelegt. Kosten 32 Millionen Euro. Bleibt die Elbphilharmonie in Hamburg – der spektakulärste Neubau. Eine Welle aus Glas, die sich am westlichsten Punkt der neu gebauten Hafencity über einem Kaispeicher erhebt. Herz der Anlage ist ein säulenfreier Konzertsaal für 2150 Besucher mit der Bühne in der Mitte, so dass man von jedem Platz aus gleich gut sehen kann. Statt kalkulierter 186 Millionen Euro soll die Elbphilharmonie nun 323 Millionen kosten. Mehr als 60 Millionen Euro davon haben private Spender aufgebracht.

Für 20 Euro in die Philharmonie Die Kostensteigerung hat die Stadt gespalten. Das Geld werde anderweitig gebraucht, ein Tempel für die Hochkultur werde das, den sich normale Bürger nicht leisten könnten, so einige Vorwürfe. Die neue Hamburger Kultursenatorin Barbara Kisseler, die das Projekt vom schwarz-grünen Vorgängersenat geerbt

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Soll ich das Bauvorhaben einstellen, weil die Baukosten gestiegen sind?

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Barbara Kisseler, Kultursenatorin in Hamburg

hat, weist solche Argumente zurück „Soll ich das Bauvorhaben einstellen, weil die Baukosten gestiegen sind?“ Das würde die bereits getätigten Investitionen im Nachhinein sinnlos machen. Es werde auch kein Konzerthaus ausschließlich für die Hochklassik, sagt die Senatorin. Man bekomme auch Karten für 20 Euro. Selbst wer kein Musikfan ist, hat etwas von dem Bau. Im 8. Stock, wo die Glasscheiben beginnen, wird sich ein frei zugänglicher Rundweg befinden. Von dort haben Besucher einen spektakulären Blick auf die Elbe, die Stadt und den Hafen. In der Elbphilharmonie wird außerdem das „Klingende Museum“ untergebracht, in dem Kinder Instrumente ausprobieren können. Musikpädagogik für Kinder und Jugendliche, Jazz, Pop und Weltmusik sollen in dem Gebäude stattfinden. Für Veranstaltungen mit weniger Zuhörern gibt es einen kleinen Konzertsaal mit 550 und ein Studio mit 170 Plätzen. Die jährlichen Betriebskosten

sind mit 3,2 Millionen im Vergleich zu denen der Oper mit 49 Millionen überschaubar, denn die Elbphilharmonie muss kein festes Ensemble, keine Bühnenbildner und Werkstätten bezahlen. Zulasten der Kulturförderung in andern Bereichen geht der Bau auch nicht. Barbara Kisseler: „Der Senat widmet an keiner Stelle Geld aus dem Kulturetat um, um die Elbphilharmonie realisieren zu können. Es gibt eine klare Ansage des Bürgermeisters, dass die Betriebskosten der Elbphilharmonie nicht zulasten des Kulturbereichs gehen werden.“ Ohnehin scheint jetzt, wo die Außenfassade fast fertig wird, manch hartgesottener Gegner seine Meinung zu ändern. Die wöchentlichen Baustellenführungen sind Monate voraus ausgebucht. Barbara Kisseler: „Nicht jeder Baustellenbesucher wird vom Saulus zum Paulus, aber bei neun von zehn ändert sich die Sichtweise. Es gibt auch eine langsame Annäherung an das Glück.“ ■

MEHR ZUM THEMA Das ganze Gespräch mit Hamburgs Kultursenatorin Barbara Kisseler und Münchens Kulturreferent Hans-Georg Küppers auf: vorwärts.de/kisseler vorwärts.de/kueppers

Das Konzerthaus in Dortmund: Aus einem Problemviertel machte es ein beliebtes Ausgehviertel. ANZEIGE

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30 KULTUR

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STRANDLEKTÜRE VON UNS EMPFOHLEN

MÖRDER AM ZUG

IM HAMSTERRAD

BRÜDERLICHE LIEBE

Es ist der Horror für jeden Lokführer. Klaus Engler widerfährt er gleich zweimal. Innerhalb weniger Tage werfen sich zwei Selbstmörder vor seinen Zug. Ein bloßer Zufall? Privatermittler Anton Schwarz macht sich auf die Suche nach Zusammenhängen und stößt auf einen Mann, der im Internet Selbstmordopfer sucht und sie dazu anstiftet, sich überfahren zu lassen. Und dann tauchen auch noch Drohungen aus dem Nazi-Milieu auf, die zum Mord an Klaus Engler aufrufen. Ein spannender Krimi für den Strand – oder die Zugfahrt dorthin. ■ KD

Es ist die Geschichte zweier Paare in New York. Als Shep von Glynis’ Krebserkrankung erfährt, zerplatzt sein Traum vom Auswandern. Das Ersparte geht für die Behandlung drauf. Jackson und Carol leben schon lange das verzweifelte Unglück hinter heiler Fassade – mit Schulden und einem chronisch kranken Kind. Eine tiefgründige Kritik des US-Gesundheitssystems, wo gierige Ärzte in hoffnungslosen Fällen astronomische Rechnungen schreiben. Und eine einzigartige Erzählung über das atemlose Leben des Bürgertums im Hamsterrad. ■ DG

Kritik am Neoliberalismus wird seit der Finanzkrise immer lauter. Die „Herrschaft des Markts“ sei für die Abkehr vom Prinzip sozialer Gerechtigkeit verantwortlich, schreibt Alain Supiot in „Der Geist von Philadelphia“. In dieser Stadt erklärte die Internationale Arbeitsorganisation 1944 den Kampf gegen Ungleichheit erstmals zum Hauptziel der Ökonomie. Mehr als eine Pointe: „Philadelphia“ ist griechisch für „brüderliche Liebe“. Eindringlich fordert Supiot die Herrschaft des Rechts statt die des Markts. Das ist kein Blick zurück, sondern nach vorn. ■ FV

Peter Probst PERSONENSCHADEN Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2011, 240 Seiten, 8,95 Euro, ISBN 9783423212649

Lionel Shriver DIESES LEBEN, DAS WIR HABEN übersetzt von Monika Schmalz, Piper Verlag, München 2011, 541 Seiten, 19,95 Euro ISBN 9783492054416

vorwärts.de Rezensionen DIE FAVORITEN MIT DEN MEISTEN »KLICKS« Diarmuid Jeffreys

WELTKONZERN UND KRIEGSKARTELL Das zerstörerische Werk der IG Farben

übersetzt von Helmut Dierlamm und Werner Roller, Karl Blessing Verlag, München 2011, 688 Seiten, 34,95 Euro, ISBN 9783896672766

Alain Supiot DER GEIST VON PHILADELPHIA übersetzt von Ilse Utz, Hamburger Edition, Hamburg 2011, 143 Seiten, 18 Euro, ISBN 9783868542318

Robert Hültner, Bernd Wiedemann

AUF GROSSER FAHRT

MIT LINKS

„Was willst Du denn auf dem Meer?“, fragt der alte Herr Dinkel. „Es liegt mir im Blut“, sagt Sam. „Ist wohl eher die Frühjahrsgrippe“, murmelt Frau Gerstenkorn. „Das legt sich wieder.“ – Doch es legt sich nicht. Die Sehnsucht hat die Flussratte Sam gepackt. Beharrlich macht er sich daran, seinen Traum zu verwirklichen. Gegen alles Geraune und ungeachtet aller Warnungen der besorgten Nachbarn. Am Ende winkt nichts weniger als das Glück. Es ist ein herrliches Kinderbuch, voller Verheißung, mit liebevollen Zeichnungen von Axel Scheffler. ■ YH

„Was ist links?“ ist kein Ratgeber. Aber es hilft Sozialdemokraten, wieder aufrechter gehen zu lernen. Wer zweifelt, ob Engagement sich noch lohnt, wer sich von Abgesängen auf die Volkspartei SPD hat einlullen lassen, der tut gut daran, dem Autor bei seiner Wanderung durch die Republik und die Hierarchien von SPD, Linkspartei und Grünen zu folgen. Christoph Rufs Buch ist eine erfrischende, erstaunlich leicht lesbare und erbauliche Lektüre; ideal für Strand und Balkon – jedenfalls für Sozialdemokraten im Sommer anno 2011. ■ UK

Axel Scheffler, Phyllis Root SAM UND DAS MEER Beltz Verlag, Weinheim 2011, 32 Seiten, 5,95 Euro, ISBN 783407760357

Christoph Ruf WAS IST LINKS? Verlag C.H. Beck, München 2011, 253 Seiten, 12,95 Euro, ISBN 9783406606496

INSPEKTOR KAJETAN UND DIE SACHE KOSLOWSKI Deutsche Verlags Anstalt, München 2011, 112 Seiten, 24,99 Euro, ISBN 9783421044211 Ronald Grätz Hans-Georg Knopp (Hg.)

KONFLIKTKULTUREN Texte zu Politik, Gesellschaft, Alltag und Kunst

Steidl-Verlag, Göttingen 2011, 189 Seiten, 16,80 Euro, ISBN 9783869302423 Robert Castel

DIE KRISE DER ARBEIT Neue Unsicherheiten und die Zukunft des Individuums

übersetzt von Thomas Laugstien, Hamburger Edition, Hamburg 2011, 383 Seiten, 32 Euro, ISBN 9783868542288 Andrea Röpke/Andreas Speit

MÄDELSACHE! Frauen in der Neonazi-Szene

Christoph Links Verlag, Berlin 2011, 240 Seiten, 16,90 Euro, ISBN 9783861536154

NIE GANZ FASSBAR Aus Protest gegen Nicolas Sarkozys Politik verließ Marie NDiaye Frankreich. In „Selbstporträt in Grün“ erzählt die preisgekrönte Schriftstellerin von starken Frauen, die ihr Leben prägen. Sie tauchen in unterschiedlicher Gestalt auf, beeindruckend und nie ganz fassbar, immer in Grün, auch wenn sie die Farbe nicht tragen. „Wieder die Unsicherheit, das Herumtasten, die unbeantworteten Fragen um all dieses Grün.“ Der Leser folgt NDiayes poetischer Sprache. Und versinkt in dem schmalen Band, der so unergründlich wie schön ist. ■ BG Marie NDiaye SELBSTPORTRÄT IN GRÜN übersetzt von Claudia Kalscheuer, Arche Verlag, Zürich-Hamburg 2011, 128 Seiten, 18 Euro, ISBN 9783716026618

VORWÄRTS-IMPRESSUM Die Sozialdemokratische Zeitung gegründet 1876 von W. Hasenclever und W. Liebknecht Herausgeberin: Andrea Nahles Redaktionsadresse: Berliner vorwärts Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 610322, 10925 Berlin; Tel. 030/25594-320, Fax 030/25594-390, E-Mail: redaktion@vorwaerts.de Chefredakteur: Uwe Knüpfer (V.i.S.d.P.) Redaktion: Lars Haferkamp (Textchef); Dagmar Günther (CvD); Monika Koepp (Bildred.); Kai Doering, Yvonne Holl, Vera Rosigkeit und Karsten Wenzlaff (Redaktion); Dr. Susanne Dohrn und Werner Loewe (redaktionelle Mitarbeit); Birgit Güll und Gero Fischer (Volontäre) Art Director und Fotografie: Dirk Bleicker Korrespondenten: Jörg Hafkemeyer (Berlin), Renate Faerber-Husemann (Bonn), Lutz Hermann (Paris) Geschäftsführung: Guido Schmitz Anzeigen: Nicole Stelzner (Leitung strategische Unternehmensentwicklung und Verkauf); Michael Blum (Leitung strategische Unternehmenskooperation und Key Account Anzeigen); Nele Herrmann Valente, Marcus Hochheimer, Manfred Köhn, Carlo Schöll und Ralph Zachrau (Verkauf) Gültige Anzeigenpreisliste: Nr. 34 vom 1.1.2011 Verlags-Sonderseiten: verantw. Guido Schmitz Vertrieb: Stefanie Martin, Tel. 030/25594-130, Fax 030/25594-199 Herstellung: Projektdesign, Berlin Druck: Frankenpost Verlag GmbH, Poststraße 9/11, 95028 Hof Abonnement: IPS Datenservice GmbH, Postfach 1331, 53335 Meckenheim; Tel. 02225/7085-366, Fax -399; bei Bestellung Inland: Jahresabopreis 22,– Euro; für Schüler/Studenten 18,– Euro; alle Preise inkl. Versandkosten und 7 Prozent MwSt.; Ausland: Jahresabopreis 22,– Euro zzgl. Versandkosten. Das Abo verlängert sich um ein Jahr, wenn nicht spätestens drei Monate vor Ablauf schriftlich gekündigt wird. Für SPD-Mitglieder ist der Bezugspreis im Mitgliedsbeitrag enthalten (bei Änderungen bitte an den SPD-UB wenden). Bankverbindung: SEB Berlin, BLZ 100 101 11, Konto-Nummer 174 813 69 00 Bei Nichterscheinen der Zeitung oder Nichtlieferung ohne Verschulden des Verlages im Falle höherer Gewalt besteht kein Anspruch auf Leistung, Schadensersatz oder Minderung des Bezugspreises. Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos und Zeichnungen wird keine Haftung übernommen. .


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KULTUR 31

vorwärts

MITTEN IM KIEZ TAG DER OFFENEN TÜR SPD und »vorwärts« luden ein. 7500 Nachbarn und Freunde kamen zum Fest im und ums Willy-Brandt-Haus. Es gab viele Gespräche, tolle Musik und jede Menge gute Laune

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nallrot war der Teppich, den der „vorwärts“ seinen Besuchern ausgerollt hatte. Denn auch das Paul-Singer-Haus, der Verlagssitz neben der Parteizentrale, öffnete seine Türen. Im lauschigen Hinterhof lockten Musik, Bratwurst und ein Schnellzeichner. Zur Freude der Redaktion nahmen viele an einer Führung durch die Verlagsräume teil. Zugang für jedermann galt auch nebenan im Willy-Brandt-Haus, etwa bei Rundgängen mit Generalsekretärin Andrea Nahles. „Wir sind ein offenes Haus, nicht nur am Tag der offenen Tür“, stellte Parteichef Sigmar Gabriel klar. Pünktlich zum Fest war der von Bundesgeschäftsführerin Astrid Klug initiierte Umbau der SPD-Zentrale abgeschlossen: Die gläserne Spitze des markanten Gebäudes ist nun ein offener Bereich, der Besucher jederzeit willkommen heißt. Stände und Buden rundeten das Fest ab. Höhepunkte waren der Auftritt der vorwärts-Liederfreunde und die Vorführung des Films „Almanya“. ■ YH

MEIN KULTUR-TIPP

FOTOS: DIRK BLEICKER (5), DDP

Manfred Schaub, Bürgermeister der Stadt Baunatal; Sportpolitischer Sprecher der SPD

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1| Die „Musikalische Aktion“ machte Laune. 2| Kleine Leute staunten. 3| Andrang bei der Begrüßung durch SPD-Chef Sigmar Gabriel

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4| Kunst trifft Politik: Schauspielerin Demet Gül – aktuell zu sehen im Film „Almanya“ – und Bilkay Öney, die neue SPD-Integrationsministerin von Baden-Württemberg (v.l.) 5| Großer Auftritt, großer Applaus: die vorwärts-Liederfreunde auf der Bühne

etablieren. Monika Staab und Dieter Hochgesand ist ein bemerkenswertes Buch gelungen. Es ist gleichzeitig Sportlerbiografie, Geschichte des Frauenfußballs in Deutschland und ein spannender Abriss über die entwicklungspolitische Bedeutung des Fußballs. Unbedingt lesenswert! ■

ILLEGAL, LEGAL, PHÄNOMENAL Anpfiff für die Weltmeisterschaft in Deutschland, und vielleicht steht damit auch bei uns der Frauenfußball endgültig im Rampenlicht. Es ist nicht völlig unwahrscheinlich, dass die eine oder andere Kickerin am Ende zum Vorbild für viele jugendliche Sportlerinnen und Sportler werden wird. Ob Monika Staab vorausgesehen hat, dass es im Jahr 2011 auch ein Panini-Sammelalbum für Spielerinnen geben wird, lässt ihr mit Dieter Hochgesand geschriebenes Sportbuch „Früchte des Traums – Wie die Frauen den Fußball eroberten“ offen. Sie beschreibt darin ihren Aufstieg von der Straßenfußballerin bis zur Topspielerin, immer anschaulich, mit vielen Fotos und au g e n z w i n ke r n d , schließlich waren die ersten Jahre quasi illegal, denn der Frauenfußball war tatsächlich noch bis November 1970 vom DFB verboten. Als er erlaubt wurde, gab es durch-

Monika Staab, Dieter Hochgesand FRÜCHTE DES TRAUMS Wie die Frauen den Fußball eroberten Röschen Verlag 2011 19,95 Euro ISBN 9783940908087

aus Interesse, wie sie im Buch beschreibt. Nach einigen Stationen im Ausland kehrte Monika Staab Ende 1983 nach Deutschland zurück und begann ihre eigentliche Laufbahn im Frauenfußball bei der SG Praunheim, mit der sie ihre großen Erfolge als Spielerin feierte. Aus dem Verein ging letztlich der 1.FFC Frankfurt hervor, dessen erste Trainerin sie wurde. Dort gewann sie vier Meisterschaften, fünfmal den Pokal sowie den UEFA-Cup – das alles in nur fünf Jahren. Nach 2004 folgte eine ganz andere Karriere. Als „Entwicklungshelferin“ in Sachen Frauenfußball war Monika Staab zunächst in Bahrain und Pakistan, später noch in vielen anderen Ländern unterwegs, um den Mädchenfußball zu

ZU GEWINNEN! 2 x das von den Autoren Monika Staab und Dieter Hochgesand signierte Buch „Früchte des Traums“ E-Mail an: redaktion@vorwaerts.de Stichwort : „Frauenfußball“ Einsendeschluss: 10. August 2011 HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH! Zu gewinnen war 2 x das Buch „Ich wär' gern einer von uns. Geschichten übers Ein- und Aufsteigen“, signiert von Klaus Wowereit Die Gewinner sind: Franziska Schröter, 01069 Dresden Theodor Fiedler, 50996 Köln


32 HISTORIE

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SEINER ZEIT WEIT VORAUS VOR 80 JAHREN 1931 stirbt Ex-Reichskanzler Hermann Müller (SPD). Mit seiner Kanzlerschaft endet ein Jahr zuvor die parlamentarische Demokratie von Weimar

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ein Leben zeigt uns: Demokratie braucht Demokraten. Sein Vermächtnis ist aktueller, als uns lieb sein kann“, mahnt Frank-Walter Steinmeier bei der Einweihung der „Berliner Gedenktafel“ für Hermann Müller. Sie prangt nun an Müllers Sterbehaus in der Derfflingerstraße 21 in BerlinTiergarten. Mit ihr ehren Berlin und die SPD „einen aufrechten Demokraten, der sich aufrieb in einer Republik, in der leider zu wenige Menschen so klug und vorausschauend dachten wie er“, so Steinmeier. „In der zu viele nicht auf Ausgleich und Versöhnung bedacht waren, sondern auf Destruktion und Rache.“ Rückblick: Hermann Müller ist einer der wichtigsten Politiker der Weimarer Republik. Von 1919 bis 1928 ist er einer der Vorsitzenden der SPD, von 1920 bis 1928 zugleich Vorsitzender der SPDReichstagsfraktion. Er übernimmt von 1919 bis 1920 das Amt des Reichsaußenministers. Zweimal ist er Reichskanzler: zunächst 1920, dann von 1928 bis 1930. Müllers zweite Kanzlerschaft steht für den leidenschaftlichen, aber doch vergeblichen Kampf um die Demokratie von Weimar. Das Ende seiner Regierungszeit 1930 markiert „nichts Geringeres als das Ende der ersten Demokratie in Deutschland“, so Frank-Walter Steinmeier. Nach der Kanzlerschaft Müllers folgen die Präsidialkabinette, die ohne Parlament regieren. Dann kommt Hitler. Als einer der wenigen Männer des Ausgleichs wirkt Müller in der unruhigen und

unversöhnlichen Weimarer Zeit. Auch wenn er, wie der Historiker Heinrich August Winkler schreibt, nur ein begrenzt guter Redner ist, ohne besonderes Charisma und ohne scharfe persönliche Konturen, ist er innerhalb der SPD dennoch populärer als sein Mitvorsitzender Otto Wels. 1928 führt Müller eine Große Koalition aus fünf Parteien, die von Beginn an unter den widersprüchlichen Zielen ihrer Partner krankt. Immer wieder sucht Müller Kompromisse – bis an den Rand der Selbstaufgabe. Die nationalliberale Deutsche Volkspartei plant dennoch den Bruch der Koalition. Mitten in der Weltwirtschaftskrise will sie die Arbeitslosenunterstützung kürzen. Die SPDReichstagfraktion sagt Nein – gegen den Rat Hermann Müllers. Am 27. März 1930 tritt Müller zurück. Ein Jahr später stirbt er, mit nur 54 Jahren, an den Folgen einer Gallenoperation. Ein gewaltiger Trauerzug von geschätzt 300 000 Menschen folgt seinem Sarg. Die Sozialdemokratie und auch Angehörige der Reichsregierung erwiesen ihm die letzte Ehre. Sein Grab befindet sich auf dem Zentralfriedhof in BerlinFriedrichsfelde, an der „Gedenkstätte der Sozialisten“. „Er hat auf der richtigen Seite gekämpft“, bilanziert Frank-Walter Steinmeier 80 Jahre später. „Er hat gekämpft, um der Welt jene Katastrophe zu ersparen, die danach hereinbrach. Hermann Müller war ein großer Sozialdemokrat, seiner Zeit weit voraus.“ ■

FOTO:ULLSTEINBILD

Von Lars Haferkamp


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RÄTSELSEITE 33

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KREUZWORTRÄTSEL Die Fragen und das Kreuzworträtsel darunter ergeben die Lösung.

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Mit noch nicht mal... zwanzig Jahren gründete die studierte Germanistin einen Ortsverein, keine zehn Jahre später saß sie schon im Parteivorstand, 2009 rückte sie noch weiter an die Spitze und wurde zugleich für Bildung zuständiges Mitglied der „Schattenregierung“. Ihr Vorname?

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WER WAR'S? Er gilt als einer der Väter des Godesberger Programms. Und sorgte dafür, dass die SPD Bayern regierte

FOTO: ULLSTEINBILD

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Unter allen Einsendern verlosen wir eine vorwärts-Tasche. Bitte schicken Sie das Lösungswort mit dem Stichwort „Wer war’s“ bis 10. August 2011 per Post oder per E-Mail an: redaktion@vorwaerts.de

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Eine vorwärts-Tasche hat gewonnen: Claudia Adamski, 97488 Stadtlauringen

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HISTORISCHES BILDERRÄTSEL Die Lösung des Bilderrätsels der vergangenen Ausgabe lautet ELISABETH SELBERT.

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ES GIBT ZWEI WEGE, DAS PREISRÄTSEL ZU LÖSEN: Ratefüchse beantworten zuerst die beiden Fragen. Der zweite Buchstabe des ersten Lösungswortes sowie der dritte und vierte Buchstabe des zweiten Lösungswortes ergeben in der richtigen Reihenfolge die Lösung. Es geht aber auch einfacher: Die grauen Felder im Kreuzworträtsel ergeben in der richtigen Reihenfolge das Lösungswort. Der gesuchte Begriff hat den ISO-Code JPY und die Codenummer 392.

Von Lothar Pollähne ls er mit fast fünfzig einen Tanzkurs beginnt, um sich auf dem Tanzparkett im Walzerschritt bewegen zu können, staunt die High Society. Auf dem politischen Parkett ist er da schon längst ein „Vortänzer“. 1954 gelingt es ihm, mit FDP, Bayernpartei und BHE eine Viererkoalition gegen die CSU zusammenzubringen und seinen Genossen Wilhelm Hoegner noch einmal zum Ministerpräsidenten Bayerns zu machen. Aus uraltem Adel stammend, schließt er sich mit 20 der SPD an und widmet sein junges politisches und persönliches Leben dem Kampf gegen den Faschismus. Am 9. März 1933 gehört er zu den Wenigen, die das Münchner Gewerkschaftshaus mit Waffengewalt gegen die SA verteidigen. Kurz darauf muss er fliehen. Im Auftrag des Exilvorstands der SPD wird er „Grenzsekretär“ in der Tschechoslowakei und organisiert von dort den Widerstand gegen die Nazis. 1938 geht er mit Hilfe Léon Blums nach Frankreich. Zwei Jahre später flieht er vor den Nazis nach England, wo er als Rundfunkagitator gegen die Nazis arbeitet. Ende 1945 ist er an der „Vereinigung deutscher Sozialdemokraten in Großbritannien“ beteiligt, dem Zusammenschluss von SPD, SAP, ISK und „Neu Beginnen“. Im April 1946 kehrt der von den Nazis Ausgebürgerte nach Bayern zurück, wo er alsbald zur richtungweisenden Figur der Sozialdemokratie wird. Er stirbt am 2. Juli 1971. Als er am 7. Juli beigesetzt wird, erklärt Willy Brandt: Der langjährige Landesvorsitzende, einer der Väter des Godesberger Programms der SPD, habe die Gabe gehabt, „die Wirklichkeit von heute und morgen oft deutlicher zu erkennen, als es manche derer vermochten, die dem bloßen Tagesgeschehen verhaftet waren“. ■

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Ihr Abitur... machte sie in einer Kleinstadt südlich des Laacher Sees, die schon in Römischer Zeit unter dem Namen „Megina“ ein wichtiger linksrheinischer Wirtschaftsstandort war, vor allem für Töpferei und Basaltabbau. Mehrmals von französischen Truppen besetzt, wurde die Stadt im 2. Weltkrieg fast vollständig zerstört.

1 SPD-Parteitag 1962 in Köln: Herbert Wehner, der Gesuchte und Willy Brandt (v.l.)

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Die Lösung des jüngsten Preisrätsels lautet EINSTEIN. Gesucht wurden außerdem: WISCHNEWSKI und ALLENSTEIN. Jeweils ein Buch gewannen: Lorenz Güntner 92439 Bodenwöhr

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Heinz Pitzer 64289 Darmstadt Hedwig Wilts 28357 Bremen Eva Paulsen 01705 Freital Harald Kebschull 44867 Bochum Maria Schubert 04639 Goessnitz Helga Keie 86150 Augsburg Siegfried Rose 52382 Niederzier

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Hans-Martin Cloß 71711 Steinheim Marie-Theres Averbeck 33189 Schlangen

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WAAGERECHT 1 Zeitraum, Zeitabschnitt 8 sehr unbeliebt 11 Betreuer von Passagieren 14 spanischer Maler (Francisco de) 15 gefallsüchtig; eingebildet 16 kahl werden (Fichten) 18 rein, unverfälscht 19 Lastendes, Zwang 21 Standbild 24 norwegischer Dichter (Knut) 26 enthaltsame Lebensweise

28 Rennbeginn 29 persönliches Fürwort (dritte Person) 30 griechischer Götterbote 33 Ausblick 36 Aufgeld 37 Architektur: Altan 39 trödeln; flirten; etwas auf spielerisch-leichte Weise tun 40 Hang, Vorliebe

SENKRECHT 1 gekünstelte Haltung, Gebärde 2 norddt. Gebärde 3 eiförmig 4 bestimmter Artikel 5 ölhaltige Frucht 6 veraltet: Landarbeiterin 7 Zuflucht (griech.) 9 Stadt in NRW 10 Nadelbaum 12 Strom Vorderasiens 13 Umstellvorrichtung bei Gleisen 17 brit. Sagenkönig 20 Zahlstelle

22 zustehende Menge 23 Nervosität, Erregung 25 sächsische Porzellanstadt an der Elbe 26 Schmuckstein 27 päpstliche Zentralbehörde 31 einerlei; gleichartig 32 Fremdwortteil: allein 33 Astrologe Wallensteins 34 Höhepunkt, Glanzstück (französisch) 35 Täuschung 38 spanisch: Hurra!

Die richtige Lösung schicken Sie bitte bis zum 10. August 2011 per Post an vorwärts, Postfach 322, 10925 Berlin oder per E-Mail an raetsel@vorwaerts.de. Bitte Absender nicht vergessen und ausreichend frankieren! Unter den richtigen Einsendungen verlosen wir zehn Bücher.


34 DAS LETZTE

52 MINUTEN WARTEN – DAS NERVT! KENNEN SIE DAS? Millionen werden für schicke Flughäfen ausgegeben. Geld für die Anbindung an den Nahverkehr aber fehlt. Was soll das? Von Martin Kaysh

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eulich, kurz vor der Tagesschau, Flughafen Köln/Bonn. Man hat hier zwar einen schönen, viergleisigen, unterirdischen Bahnhof gebaut. Es fährt aber kein Zug nach Bonn. Jedenfalls nicht am frühen Samstagabend. Für wen auch, ist ja kaum ein Mensch zu sehen auf dem schick aufpolierten Flughafen. Leicht genervt notiere ich mir: Dringend bei den Umweltbewegten mal nachfragen, ob Schienenverkehr auch dann ökologisch korrekt ist, wenn er Menschen zum ökologisch nicht ganz so korrekten Flugzeug bringt. Immerhin fährt ein Linienbus, in 52 Minuten. Zugegeben, ein Luxusproblem. Ich komme vom Flughafen Dresden. Auch so ein Luxusproblem, wie die meisten Airports, die ich zuletzt besucht habe. Wee-

ze, Hahn, Erfurt, Dortmund. Diese modernen Denkmäler größenwahnsinniger Landräte und Ministerpräsidenten haben meist eine schlechte Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr, dafür aber Millionen an Steuergeldern verschlungen. Der Bringer sind sie oft nicht. Dresden ist gut angeschlossen, die – natürlich unterirdische – Straßenbahnstation blitzblank und menschenleer. So leer, dass ich mein vergessenes Viererticket noch nach einer Viertelstunde aus dem Ausgabeschacht des Fahrkartenautomaten puhlen konnte, weil zwischenzeitlich kein weiterer Fahrgast aufgetaucht war. Am Anreisetag zum Kirchentag. Noch ein Luxusproblem. Woanders wollen Hunderttausende mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, aber da kommt nie eine Bahn. Es sei denn, man

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Denkmäler größenwahnsinniger Landräte und Ministerpräsidenten

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TEN D E B AT

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kann warten. Auf eine schnelle Verbindung, den Rhein-Ruhr-Express zum Beispiel, der soll in etwa zehn Jahren kommen, oder auch nicht. Alternativ plant man jetzt ernsthaft: eine Fahrradautobahn. Die hilft wenig, wenn du morgens früh um sechs zur Arbeit musst. Falls du mit deinem Altauto noch in das „Umweltzone“ getaufte Sperrgebiet kommst. Das Auto fährst du, weil auch die Abwrackprämie dir keinen neuen Kleinwagen vor die Tür stellt. Selbst das ist ein Luxusproblem. Es gibt Menschen, die sind auf ein bezahlbares Sozialticket angewiesen. Das scheitert dann leider an der Finanzierung, weil das städtische Verkehrsunternehmen die ganze Kohle für den Flughafen ausgegeben hat. Wie gesagt, Luxusprobleme, also Probleme, die durch Luxus erst entstehen. Der verschlingt so viel Geld, da bleibt nichts übrig für den Normalverkehr. Am späten Abend war ich dann noch in Bonn unterwegs, zu Fuß natürlich. ■ Martin Kaysh ist Kabarettist, Alternativkarnevalist („Geierabend“) und Blogger. Er lebt im Ruhrgebiet, freiwillig.

FOTO: STANDOUT

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