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VORWÄRTS.DE: DAS TAGESAKTUELLE DISKUSSIONSPORTAL

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Dezember/Januar 2011/12

GEGRÜNDET 1876

ILLUSTRATION: CHRISTINA BRETSCHNEIDER

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SCHLUSS MIT DEM MEDIENTHEATER! Warum die Demokratie einen besseren Journalismus braucht

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Andere reden vom globalen Dorf. Wir tun was dafür. Schnelles Internet ist die Zukunft. Deshalb engagiert sich Vodafone I¾U HLQH Ȥ ¦FKHQGHFNHQGH Breitbandversorgung. Damit ganz Deutschland Zugang zu High-Speed-Internet hat, global wettEHZHUEVI¦KLJ EOHLEW XQG LP GLJLWDOHQ =HLWDOWHU GHQ $QVFKOXVV EHK¦OW

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INHALT 3

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TITEL SCHLUSS MIT DEM MEDIENTHEATER – WIR BRAUCHEN EINEN BESSEREN JOURNALISMUS

4 Pressetheater Statt Information gibt es immer öfter Meinungsmache oder Unterhaltung

16 Parteitag Sigmar Gabriel und Andrea Nahles wurden klar bestätigt.

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FOTOS: DIRK BLEICKER, VISUM, REUTERS, IMAGO, LAIF; ILLUSTRATION: SABINE HECHER

Franz Josef Degenhardt Hannes Wader erinnert sich an den verstorbenen Freund.

22 Erhard Eppler Eine Würdigung zu seinem 85. Geburtstag von SPD-Chef Sigmar Gabriel.

»FROHE WEIHNACHTEN UND EIN GLÜCKLICHES NEUES JAHR«

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DIE PRESSE IST KRANK – Uwe Knüpfer JOURNALISTEN: PEST ODER CHOLERA – Tom Schimmeck KIEZJOURNALISMUS: TOTAL LOKAL – Susanne Dohrn ARD/ZDF: INTERESSANT STATT RELEVANT – Susanne Dohrn LOHNDUMPING: JETZT REICHT‘S! – Yvonne Holl PR: DIE GEHEIME MACHT – Jacob Fricke INTERNET: FLUCH ODER SEGEN? – Mercedes Bunz, Kai Doering ÖFFENTLICH-RECHTLICH: EINE REVOLUTION – Marc J. Eumann

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KOLUMNEN GLOBAL GEDACHT – Rafael Seligmann BERLINER TAGEBUCH – Uwe Knüpfer ZWISCHENRUF – Hans Stimmann DAS ALLERLETZTE – Martin Kaysh

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PARTEI LEBEN! IM DAUERLAUF FÜR EUROPA – MARTIN SCHULZ WEITER LINKS – DER JUSO-BUNDESKONGRESS REGIERUNGSFÄHIG – BILANZ DES SPD-PARTEITAGS HIGHLIGHTS – SIGMAR GABRIEL UND HELMUT SCHMIDT DIE WICHTIGSTEN BESCHLÜSSE ALLE WAHLERGEBNISSE DER DEMOKRATIEVERTEIDIGER – ALBRECHT SCHRÖTER SEINER ZEIT VORAUS – ERHARD EPPLER STÄRKER, JÜNGER, MEHR – OV-PORTRÄT ATTENDORN DIE WEIHNACHTSWÜNSCHE DER PARTEISPITZE

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WIRTSCHAFT STADTBELEUCHTUNG: Leuchtende Beispiele GUT GEMACHT: Maschinenbau für Kinder MEINE ARBEIT: Schornsteinfeger DEBATTE: Welcher Fortschritt soll es sein? DAS GRÜNE BIP IST ROT: Für eine Dritte Industrielle Revolution

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KULTUR KARRATSCH – Zum Tode von Franz Josef Degenhardt VORWÄRTS-GALERIE – Thies Rätzke WEIHNACHTSLEKTÜRE – Empfehlungen der Redaktion REZENSION – vorwärts|buch: Hubertus Heil, Armin Steinbach

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HISTORIE VOR 20 JAHREN – DER VERTRAG VON MAASTRICHT WER WAR’S? – Lothar Pollähne

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NEWS PARLAMENT LESERBRIEFE IMPRESSUM HISTORISCHER COMIC RÄTSELSEITE SEITWÄRTS

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LIEBE LESERIN, LIEBER LESER! Zum Abschluss des Berliner Parteitags ging der Dröscher-Preis an „Storch Heinar“. Darüber hat sich Gabriele Nandlinger ganz besonders gefreut. Aus der Mitte der vorwärts-Redaktion heraus hat sie die Neonazi-Szene fest im Blick. Täglich fügt sie der Internet-Seite „blick nach rechts“ (bnr.de) neue Beobachtungen aus dem braunen Untergrund hinzu; seit vielen Jahren schon. Deshalb war Gabriele Nandlinger eine gefragte Gesprächpartnerin, als die Sicherheitsorgane zu ihrer hellen Überraschung erkennen mussten: Es gibt ein braunes Netzwerk in Deutschland, es hat Zugang zu Geld und Waffen und ist zu allem entschlossen. Gut, der Blick der Behörden auf die Szene wird jetzt, nach mindestens zehn Morden, geschärft. Rätselhaft bleibt, wie Polizei und Verfassungsschutz verborgen bleiben konnte, was Gabi Nandlinger sah. Schlimmer: Über bezahlte V-Leute hat der deutsche Staat den Aufbau mörderischer brauner Netzwerke offenbar subventioniert. Fragen muss man auch, warum die deutschen Massenmedien nicht intensiver recherchiert haben. Leider gilt für die deutsche Presse heute das legendäre Urteil, das der Spiegel einst über die Bundeswehr sprach: „Bedingt abwehrbereit.“ Wie das kommen konnte, fragen wir in diesem Heft. Auch die norwegische Polizei hat nach den Massakern von Oslo und Utoya Fehler begangen, aber in einem waren die Norweger vorbildlich, ihr Ministerpräsident Jens Stoltenberg voran: Sie rückten zusammen, blieben in aller Trauer nüchtern und aufgeklärt und einig in ihrer Ablehnung jeder Form von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und völkischem Gesulz. Lasst uns wie die Norweger sein! Mit herzlichem Gruß

Redaktionsschluss 6. Dezember 2011 5 2012 Gute Vorsätze prominenter Sozialdemokraten für‘s neue Jahr.

VORWÄRTS-REGIONAL DEZEMBER/JANUAR BERLIN: TEMPELHOF-SCHÖNEBERG

Uwe Knüpfer Chefredakteur


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DIE PRESSE IST KRANK – ES LEBE DIE PRESSE!

MEDIEN IN DEUTSCHLAND Qualität und Vielfalt des Journalismus sind bedroht. Gebraucht werden mutige Verleger. Und eine Bundesstiftung Freie Presse, die guten Lokaljournalismus fördert. Von Uwe Knüpfer

Saal der Bundespressekonferenz in Berlin: Geht es um wichtige Inhalte oder um eine bloße Inszenierung? Journalisten sollten das eine vom anderen unterscheiden können.

»

... fordert die SPD: die Abschaffung aller Gesetze, welche die freie Meinungsäußerung ... einschränken oder unterdrücken. Erfurter Programm, 1891

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Demokratie braucht Information Der Journalismus als Beruf ist eine Frucht der Aufklärung. Eine bürgerliche Öffentlichkeit verlangte nach verläss-

lichen Informationen. Sie war bereit, dafür zu zahlen. Denn nur so war die Unabhängigkeit des Mediums sicherzustellen. Auf der Basis dieses Geschäftsmodells entstanden Zeitungen und Verlage. Wenn sie ihr Geschäft nachhaltig solide betrieben, glichen sie Gelddruckmaschinen. Demokratie verlangt nach dem mündigen Bürger. Mündig ist nur, wer in der Lage ist, sich eine eigene Meinung zu bilden. Journalisten helfen ihm dabei – indem sie recherchieren, vorsortieren, einordnen und kommentieren. Das ist ihr Job. Das war ihr Job. Wer in einer OnlineRedaktion gehalten ist, mindestens alle 30 Minuten eine neue, möglichst sensationell klingende Nachricht abzusetzen, hat keine Zeit für gründliche Recherche. Außerdem könnte Gründlichkeit seine aufregend klingende Geschichte in heiße Luft auflösen. Nicht nur Magazin-Verlage bieten Anzeigenkunden redaktionelle Umrahmungen ihrer Werbung an. Für schnelle Gewinne prostituieren sie sich. Sie verscherbeln das kostbarste Gut jeder Redaktion: Glaubwürdigkeit. Boulevardmedien gibt es, seitdem Menschen sich für Tratsch interessieren, also immer schon. Seriöser Jour-

nalismus grenzt sich davon ab. Wo der Boulevard erregen will, da setzen Journalisten auf Ernüchterung. Der Boulevard wirft sich ran, Journalismus hält Abstand. Der Boulevard zielt auf den Bauch oder tiefer, Journalismus fordert das Hirn. Doch im Jahr 2011 nennt sich die BILD-Zeitung unwidersprochen Deutschlands Leit-Medium.

»Nackter Po« statt Rentenpläne Die Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten überbieten sich im Kampf um Quoten. Da „Nackter Po“ immer besser läuft als „Neue Rentenpläne“, ist klar, wohin das führen musste: zu QuasselShows, Soaps und Tralala anstelle ernsthaft unterhaltender Information. Selbst die New York Times schließt Auslandsbüros und brüstet sich mit Lifestyle-Stories über Essen und Mode. Wenn ernsthafter Journalismus nur noch schrumpfende Teilöffentlichkeiten erreicht, wird der mündige Bürger immer seltener. Häufiger tritt auf: der schnell erregte Wutbürger. Der Ansehensverlust des Journalisten korrespondiert mit wachsender Parteien- und Demokratieverdrossenheit. In der eingangs zitierten Allensbach-Umfrage gaben gerade mal drei von hundert Befrag-

FOTO: HANS-CHRISTIAN PLAMBECK/LAIF

N

ur neun von 100 Deutschen glauben, dass Journalisten die Wahrheit sagen (Quelle: Allensbach). „Im Angstmachen“, schreibt der Dortmunder Statistikprofessor Walter Krämer, „sind die deutschen Medien wirklich spitze.“ Die Presse hat ein Problem – und damit die Demokratie. Auch wenn Journalisten nicht immer die Wahrheit finden, so sollten sie doch immer auf der Suche nach ihr sein. Um das sicherzustellen, haben Journalisten früher eiserne Regeln erlernt: immer Distanz wahren, immer eine zweite Quelle besorgen, immer auch die „andere Seite“ hören, Wichtiges von Belanglosem, Nachrichten von Meinungen und Gerüchten zu trennen. Anonyme Briefe wurden in seriösen Redaktionen sofort weggeworfen. Heute sind die Internetseiten auch angesehener Blätter voll von Verdächtigungen, Unterstellungen, Schmähungen; meist vorgetragen im Schutze lächerlicher Pseudonyme: „adeD“, „Abbamaehrlich“, „Dr.Super“.


TITEL 5

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ten an, sie würden Politikern vertrauen. Dabei war es – dank Internet – niemals leichter und preiswerter als heute, Informationen zu beschaffen, zu prüfen, aufzubereiten und weiterzuverbreiten. In China, Ägypten, Tunesien entstehen dank Internet und engagierter, mutiger Journalisten demokratische Öffentlichkeiten. Da sollte es doch im freiheitlichdemokratischen Deutschland möglich

sein, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, die unabhängigen, ernsthaften Journalisten ein Auskommen sichern, auch im Lokalen. Ansätze dazu gibt es, frische Ideen auch: lokale Online-Zeitungen, Stipendien für investigative Journalisten, Stiftungen, die Zeitungen finanzieren. Woran es noch mangelt, ist ein neuer Typ von Verleger: Unternehmer, die es

PEST ODER CHOLERA

JOURNALISTEN Die einen wollen Politik machen, statt über sie zu berichten. Die anderen haben gar keinen Standpunkt mehr. Guter Journalismus wird immer seltener Von Tom Schimmeck

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FOTO: DDP IMAGES/DAPD/MAJA HITIJ

eulich war es wieder so weit. Ein verglühter Star wurde recycelt. Ein Chefredakteur witterte einen Scoop, warf seine Restreputation in die Waagschale, traf sich tagelang mit dem konservativen Ex-Hoffnungsträger. Er nahm ihm die Beichte ab, machte ein Buch daraus und eine Titelgeschichte für sein bürgerliches Wochenblatt. Ein Ereignis ward geschaffen. Und alle schienen‘s zufrieden. Kurz zuvor hatte nämliches Organ, nennen wir es ruhig: „Die Zeit“, auch die Vorauswahl des sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten getroffen. Auch weil der Zufall es will, dass Ex-Kanzler Helmut Schmidt Herausgeber jener Wochenzeitung ist. Und einen Wunsch hat: dass einer seines Geistes das Land lenken möge. Also machte er ein Buch mit ihm. Und eine Titelgeschichte. Lief alles bestens. Außer dass das Schachbrett nicht ganz richtig stand. Zwei Beispiele, die demonstrieren, wie sehr Öffentlichkeit auch hierzulande inszeniert, orchestriert wird. Wie sehr Politik und Medien interagieren, miteinander spielen und gespielt werden, Themen „setzen“, Erregungswellen schaffen und auf ihnen surfen. Längst gibt es Fachbegriffe dafür: Agendasetting und Agendasurfing. Der gewiefte Kommunikator, lehrt Bela Anda, einst bei Bild, dann Regierungssprecher, heute Chief Communication Officer beim Finanzdienstleister AWD, sagt: Ich nutze alle Themenwellen, die gerade anrollen, für mein Anliegen – „indem ich mich draufschwinge, sie reite und auch bediene“.

Kaum Recherche, kaum Analyse Was daran neu ist? Nicht alles. Zumindest die Intensität aber hat drastisch zugenommen. Spätestens, seit die ersten Herrscher Order gaben, ihr Antlitz auf Münzen zu prägen, war die Kunst der PR, der Public Relations geboren. Heute kann man dieses Handwerk in Crashkursen

und an Hochschulen lernen. Parteien, Konzerne und Verbände, selbst manche Popstars, beschäftigen nun große Stäbe, um sich am Meinungsmarkt zu behaupten. Sie drechseln schlagkräftige Sätze, lancieren ihre Themen, kreieren Ereignisse – „Events“, an denen kein Medienmensch vorbeizukommen glaubt. Das Problem wäre zu verkraften, wenn es genügend Journalisten gäbe, die den Platz, die Zeit und die Ressourcen hätten, die Show immer wieder zu entzaubern. Durch tiefgründige Recherchen und präzise Analysen. Doch solche „Luxusjournalisten“ sind längst die Ausnahme in den Medien. Der ökonomische Druck wächst. Seit Jahren sparen die meisten Medien, auch Qualitätsblätter reagierten mit Entlassungswellen. Die Honorare der „Freien“ sinken, viele fluktuieren zwischen Journalismus und PR. Tauschen die Rollen, um zu überleben.

Anmaßende Alphajournalisten Studien zeigen, dass das Gros der Journalisten kaum noch Kontakt mit der Wirklichkeit hat, nur noch am Rechner sitzt. Sie schwimmen mit im gewaltigen Nachrichtenstrom, müssen ihn möglichst flink und effektiv in Zeitungsspalten und Sendeminuten lenken. „Wir verzichten auf den Augenschein im Journalismus“, bilanziert Volker Lilienthal, Professor für Qualitätsjournalismus an der Universität Hamburg. „Wir waren nicht selbst vor Ort und sind oftmals zu gutgläubig.“ Hinzu kommt eine gewandelte Haltung der „Alphajournalisten“, spürbar vor allem in der Berichterstattung über Politik und Wirtschaft. Diese kleine Schar steht auf der Bühne, macht mit beim Meinungszirkus, sucht die Nähe und Anerkennung der „Movers und Shakers“, der Promis und zelebriert sich in Talkshows. „Wir sind nicht nur Zaungäste“, verkündete vor Jahren schon Gabor Steingart, damals Spiegel-Büroleiter in

verstehen, in Erfüllung eines publizistischen Auftrags Geld zu verdienen. Helfen könnte eine Bundesstiftung Freie Presse, die guten lokalen Journalismus nachhaltig fördert. Wenn sich nur ein Bruchteil der Einnahmen der GEZ (Gebühreneinzugszentrale) dorthin umleiten ließe, ginge es Presse und Demokratie in Deutschland vielleicht bald wieder besser. ■

Berlin, heute Chefredakteur des Handelsblatts. „Wir sind beim Agenda-Setting dabei. Wir haben für Schröders Agenda mitgestritten.“ Man ist sich nah. Und pflegt den Geltungsdrang. Die große Masse der Journalisten hingegen verzichtet inzwischen oft darauf, politisch Position zu beziehen, arbeitet sich an den „gesetzten“ Themen ab. Die Wächterfunktion der Medien nimmt sie immer seltener wahr. Diese Verschiebung des Rollenverständnisses zeigt sich auch in wissenschaftlichen Untersuchungen. Eine Vergleichsstudie des Journalismusprofessors Siegfried Weischenberg und Kollegen ergab: 1993 strebten noch 37 Prozent der Journalisten danach, Politik und Wirtschaft publizistisch zu kontrollieren. 2005 waren es nur noch 24 Prozent. Als Anwalt Benachteiligter sahen sich in der Ära Kohl 43 Prozent, zum Ende der Ära Schröder nur mehr 29 Prozent. Journalismus als unabhängig urteilende Instanz darf als bedrohte Gattung gelten. Wie schon zu vordemokratischen Zeiten. „Verficht der Journalist in seiner Thätigkeit nicht seine eigene Überzeugung“, befand Richard Jacobi, Chefredakteur des „Hannoverschen Couriers“ 1902 in seinem Standardwerk „Der Journalist“, „so ist sein Beruf allerdings ein traurig Handwerk. … Der Schmock, der von sich sagen kann und muss: ,Ich habe geschrieben links und wieder rechts, ich kann schreiben nach jeder Richtung‘, ist der erbärmlichste Typus journalistischer Entartung.“ ■

MEDIEN IN DEUTSCHLAND

Anteil der deutschen Journalisten, die Politik und Wirtschaft publizistisch kontrollieren wollen:

37% 24% 1993

2005

QUELLE: PROF. SIEGFRIED WEISCHENBERG ET AL.

Tom Schimmeck ist Journalist. 2010 erschien sein medienkritisches Buch „Am besten nichts Neues“.

Show statt Substanz: Das Ende des „Medienstars“ zu Guttenberg, am 2. März 2011 berichten alle Tageszeitungen über seinen Rücktritt.


6 TITEL

MEDIEN IN DEUTSCHLAND

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TOTAL LOKAL: DAS BETRIFFT JEDEN KIEZJOURNALISMUS Sie heißen »Prenzlauer Berg Nachrichten«, »Meine Südstadt« oder »16vor«. Sie berichten online und ausschließlich, was vor Ort passiert. Entsteht im Internet die Zeitung der Zukunft? Von Susanne Dohrn

Der Staat muss alle Bürger vor den Macht- und Interessengruppen schützen, die das geistige und kulturelle Leben eigenen Zwecken dienstbar machen wollen.

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Godesberger Programm, 1959

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Wir wollen die Unabhängigkeit der Medien vom Staat, aber auch von mächtigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gruppen sichern und ausbauen.

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Berliner Programm, 1989

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as wird daraus, wenn ein liebeskranker Nachbar an die Tür klopft und zum Essen einlädt, weil die Angebetete nicht zurückruft? „Wild & Love“ wird daraus, eine Restaurantkritik für „Meine Südstadt“. Die Kölner Netzzeitung gibt es seit April 2010 und sie berichtet für und über die Bewohner des Viertels, das mit seinen 100 000 Einwohnern so etwas wie das Kreuzberg von Köln ist: „eine Mischung aus Künstlern, Intellektuellen, Feingeistern, Arbeitern und Migranten“, sagt der Fotograf Dirk Gebhardt, einer der Gründer von „Meine Südstadt“. Gebhardt ist überzeugt: „Das ist das Spannende am Lokalen – es betrifft jeden, der dort wohnt.“ Doch ob in Köln, Berlin, Trier oder anderswo: Viele Lokalzeitungen ziehen sich zurück aus der kleinteiligen, aufwendigen und teuren Berichterstattung direkt vor Ort. In diese Lücke stoßen so genannte hyperlokale Plattformen, die sich KÖLN ausschließlich dem Lokaljournalismus widmen. „Die Leute wollen wissen, was vor ihrer eigenen Haustür passiert“, TRIER sagt Philipp Schwörbel. Der Berliner hat vor ziemlich genau einem Jahr die „Prenzlauer Berg Nachrichten“ gegründet. Auch sie erscheint im Netz und versorgt die Bewohner des Stadtteils mit Informationen über ihren Kiez. Normalerweise ist das eine Mischung aus Lokalpolitik und Kultur. Im September dieses Jahres war das anders. Anlässlich der Berliner Abgeordnetenhaus-Wahlen berichteten die „Prenzlauer Berg Nachrichten“ fast ausschließlich und ausführlich über den Wahlkampf im Bezirk. Die Bewohner dankten es den „Prenzlauer Berg Nachrichten“ mit steigenden Clickzahlen. Wer mit Machern von hyperlokalen Plattformen spricht, stellt fest: Sie haben einen hohen journalistischen Anspruch,

und sie schätzen die Freiheit, die ihnen das Netz bietet. „Wir haben mehr Möglichkeiten, hintergründiger zu recherchieren“, sagt der Kölner Dirk Gebhardt. Das bestätigt auch ein „alter Hase“ der hyperlokalen Gemeinde – Marcus Stölb. Seit 2007 ist er dabei und gehört zu den Gründern von „16vor“ in Trier. Stölb: „Wir haben weniger Geschichten,

aber wir räumen ihnen mehr Platz ein und können dadurch mehr in die Tiefe gehen. Wir haben schon immer gesagt: Substanz geht vor Schnelligkeit, auch in einem Online-Medium.“ Die Beispiele zeigen: Die Maxime der Medienexperten – Tagesaktuelles fürs Netz, Hintergründiges für die gedruckte Zeitung – gilt nicht für hyperlokale Plattformen. Die drei Zitierten sind Teil einer Bewegung, die vor allem FLENSBURG seit dem vergangenen Jahr von Amerika nach Deutschland ROSTOCK schwappte. „In den USA gibt es hyperlokale Plattformen schon länger“, HAMBURG NEUBRANDENBURG sagt Imke Emmerich. Sie BREMEN hat 2011 eine Masterarbeit zum Thema hyperlokale Plattformen BERLIN abgeschlossen. Die HANNOVER Nutzerzahlen beweMAGDEBURG gen sich, so EmmeMÜNSTER rich, derzeit zwischen 10 000 und DORTMUND LEIPZIG 100 000 im MoKASSEL nat. Solche PlattDRESDEN ERFURT formen – ob als Blog oder InternetZeitung – hätten das Potential, eine KonkurFRANKFURT renz zur Tageszeitung zu werden, BAYREUTH WÜRZBURG sagt sie. Sie glaubt außerdem, dass die Lokalzeitungen – bedingt MANNHEIM NÜRNBERG durch die Konkurrenz im Netz – wieder etwas aktiSTRAUBING ver und innovativer werSTUTTGART den könnten. Veröffentlichung von ULM Anzeigen, Lunch-NewsletMÜNCHEN FREIBURG ter, manchmal auch Sponsoring von Lesern: Hyperlokale QUELLE: DJV Plattformen finanzieren sich ähnlich wie Zeitungen. Davon ihren Lebensunterhalt bestreiten können die Macher allerdings DIE VERBREITUNGSGEBIETE VON nicht, obwohl sie den größten Teil ihrer TAGESZEITUNGEN IN DEUTSCHLAND Arbeitszeit hineinstecken. Imke EmIn immer mehr Regionen gibt es Monopole: Hier merich über die von ihr Befragten: „Sie existiert nur noch eine einzige Lokalszeitung. In diese Lücke stößt jetzt ein neuer Kiezjournalismus hatten fast alle ein zweites Standbein im Internet. oder sie lebten von Erspartem.“ Ihre Studie soll übrigens demnächst als ■ MONOPOL ■ MEDIENVIELFALT Buch erscheinen. ■

INFOGRAFIK: MARKUS KLUGER

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TITEL 7

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INTERESSANT STATT RELEVANT

konstatiert Fritz Wolf. Im Vergleich zum Vorjahr habe 2010 die Berichterstattung über den Bereich Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in allen öffentlich-rechtlichen Nachrichtensendungen abgenommen. Betroffen davon war hauptsächlich die Wirtschaftsberichterstattung, die 2010 wieder auf das niedrige Niveau vor der Finanzkrise zurückging. „Damit wurde wieder auf dem Altar der Aktualität geopfert, was zerknirscht nach der Finanzkrise für die Zukunft versprochen worden war: dranbleiben, hartnäckiger beobachten und analysieren“, so Fritz Wolf. Wie sich das ändern lässt? „Öffentlicher Druck, sonst nix“, ist der Medienexperte überzeugt. ■

ARD UND ZDF Information Fehlanzeige: Zur Hauptsendezeit setzt das öffentlich-rechtliche Fernsehen vor allem auf Unterhaltung Von Susanne Dohrn

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ir bieten Wissen, Kultur und Unterhaltung, unabhängig und für alle, Dank Ihrer Gebühren.“ Der Spot in den Kinos wirbt für ARD und ZDF und signalisiert qualitätvolle Berichterstattung vom Fall der Mauer bis zur Eröffnung der Salzburger Festspiele. Doch Anspruch und Wirklichkeit klaffen auseinander, wie der Medienexperte Fritz Wolf in seiner Studie „Wa(h)re Information – interessant geht vor relevant“ für das Netzwerk Recherche und die Otto-Brenner-Stiftung nachgewiesen hat. „Aus meiner Sicht wird der Informationsauftrag nur unzureichend erfüllt“, so Wolf im Gespräch mit dem „vorwärts“. Was die Möglichkeiten angehe, ein informatives Programm zu machen, blieben ARD und ZDF hinter ihren Möglichkeiten zurück. Seine Studie zeigt: Zwar haben diese Sender ihr Nachrichtenangebot in den vergangenen Jahren deutlich ausgeweitet. „Tagesschau“ und „heute“ werden teilweise im Stundenrhythmus aktualisiert. Doch gerade die abendliche Hauptsendezeit sei die informationsärmste des Tages. Wolf: „Dokumentarische Sendungen von durchaus öffentlichem Belang verstecken ARD und ZDF gerne nach Mitternacht, weil in der Primetime vor allem die Quote zählt.“

Die Talkshow: Inszenierung statt Information Verändert hat sich auch, wie Information vermittelt wird. Der Journalist und ehemalige Geschäftsführer des Adolf-Grimme-Instituts Bernd Gäbler hat das am Beispiel der ARD genauer untersucht. „Die Talkshows sind in das Zentrum der televisionären Politikdarstellung und -vermittlung gerückt“, sagt Gäbler. „In dieser Funktion haben sie die früher dominanten politischen TV-Magazine abgelöst. Talkshows verdrängen andere – vor allem filmische – journalistische Formate.“ Das Problem dabei, so Gäbler: Talkshows seien vor allem Bühnen für die Selbstinszenierung einzelner Politiker, in denen „wechselseitige Überzeugung, Nachdenklichkeit, sich verändernde Auffassungen, die Freude am Austausch der Argumente“ kaum eine Rolle spielten.

Auch die Inhalte der Informationssendungen haben sich verändert. „Die Nachrichtenthemen haben sich erkennbar verschoben, weg von der Politik, hin zu den Katastrophen“,

vorwärts.de THEMA

MEDIEN Internet und Demokratie Hyperlokale Plattformen: Konkurrenz für Lokalzeitungen MITREDEN & BLOGGEN: vorwärts.de/medien

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BESCHÄFTIGTE BEI ZEITUNGEN UND IN DER PR-BRANCHE IN DEUTSCHLAND 50.000 2011 50.000 PR-BRANCHE

40.000 2001 30.000

MEDIEN IN DEUTSCHLAND

30.000

20.000

2000 15.300

2010 13.600

10.000

2011 13.000 REDAKTIONEN

QUELLE: REPORTER OHNE GRENZEN

Protest: Trotz guter Gewinne sollen die Löhne gedrückt werden beim „Schwarzwälder Boten“

FERNSEHEN 220 RADIO 187 INTERNET

83

CDs U. u. Ä. ä. CDS

35

TAGESZEITUNG

23

BÜCHER

22

ZEITSCHRIFTEN

6

VIDEO, DVD

5 50

100

150

200

QUELLE: DPA, ARD/ZDF

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Wir fördern einen kompetenten, bewussten und kritischen Umgang mit Computer, Internet und anderen Medien.

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Hamburger Programm, 2007

POLITIK-ANTEIL AM DEUTSCHEN TV-PROGRAMM

ARD 11,8 %

ZDF 9,9 %

SAT1 1,2 %

VOX 0,3 %

RTL 1,7 %

RTLII 0,3 %

PRO7 0,3 %

KABEL1 0,3 %

QUELLE: DPA, GÖFAK MEDIENFORSCHUNG

ZAHL DER ERMORDETEN JOURNALISTEN WELTWEIT 60

Demokratie braucht Öffentlichkeit. Freie Medien ermöglichen Aufklärung, Meinungsbildung, politische Beteiligung und Machtkontrolle.

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Hamburger Programm, 2007

50 40 30 20 10

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2010 57

QUELLE: REPORTER OHNE GRENZEN

JAN–NOV 2011 59

JETZT REICHT’S LOHNDUMPING 94 Tage streikten die Beschäftigten des »Schwarzwälder Boten«. Dann stimmte die Geschäftsführung Tarifgesprächen zu Von Yvonne Holl

G

anze 94 Tage Streik! So lange war noch keine bundesdeutsche Redaktion im Ausstand. Und noch ein Novum hat Uwe Kreft vom ver.diBezirk Stuttgart bei dem spektakulären Streik beobachtet: „Einen so starken Zusammenhalt zwischen Redakteuren, Beschäftigten der Druckvorstufe, des Vertriebs und aus der Anzeigenabteilung habe ich noch nicht erlebt, das ist einzigartig.“ Und offenbar erfolgreich: Am 30. November stimmte die Geschäftsführung endlich Sondierungsgesprächen zu. Schon einen Tag später wurden Termine für Tarifverhandlungen festgezurrt. Ein Riesen-Erfolg der Streikenden. Worum ging es? Zum 1. März 2011 hatte die „Schwarzwälder Bote Mediengesellschaft“ die Redaktion sowie die Beschäftigten von Vertrieb und Anzeigenabteilung in zwei neue Gesellschaften ausgegliedert. Betroffen sind knapp 280 Beschäftigte, davon 155 Redakteure. Das Besondere: Die neuen Firmen „Medienvermarktung Südwest GmbH“ und „Schwarzwälder Bote Redaktionsgesellschaft“ sind nicht tarifgebunden. Zwar wechselten die Beschäftigten zunächst mit ihren alten Verträgen. Doch wohin die Reise gehen sollte, zeigten beispielsweise Vertragsangebote für Volontäre, die auf´s Jahr gerechnet nur noch die Hälfte verdienen sollten. Gewerkschaftsmann Kreft kennt noch mehr Beispiele aus dem Haus: So verdienen Mediengestalter mit jüngeren Verträgen 7,85 Euro brutto die Stunde. „Der Tariflohn liegt bei 16,22 Euro“,

sagt Kreft. Damit gebe es zwei Probleme: Schlechtere Verträge für neu eingestellte Mitarbeiter und einen dadurch erzeugten Druck auf die Beschäftigten mit Altverträgen, sich ebenfalls auf schlechtere Konditionen einzulassen. Die Ausgliederung hatte das Verlagshaus schon früher praktiziert: 2008 wurde der „Grafikbote“ gegründet, als Beschäftigungsgesellschaft für die 60 Mitarbeiter der Druckvorstufe. Jetzt wurde bekannt, dass der „Grafikbote“ Mitte 2012 geschlossen werden soll. Was Beschäftigte und Gewerkschafter fuchst: Der Verlag leidet keine wirtschaftliche Not. Selbst im Krisenjahr 2009 erwirtschaftete die Muttergesellschaft Südwestdeutsche Medienholding, zu der auch die „Stuttgarter Zeitung“, die „Stuttgarter Nachrichten“ und das Vorzeigeblatt „Süddeutsche Zeitung“ gehören, 45 Millionen Euro Gewinn. Während des Streiks waren Pauschalisten beschäftigt, sowie Aufträge an Fremdfirmen und Redaktionsbüros vergeben worden. Monatelang hatte die Geschäftsführung keinerlei Bereitschaft zum Einlenken gezeigt. „Es ging dem Verlag ausschließlich um Lohndumping zum Zweck der Profitmaximierung“, so Kreft. Dies bestätigte sich am ersten Verhandlungstag: Als Ziel gab die Verlagsgeschäftsführung Personalkostenabsenkungen von 30 Prozent an. Der „Schwarzwälder Bote“ ist aber längst kein Einzelfall. Unter anderem die „Schwäbische Zeitung“ in Leutkirch und der „Südkurier in Konstanz haben sich ebenfalls von Tarifbindungen verabschiedet. ■

FOTO: PICTURE ALLIANCE/ DPA/ FRANZISKA KRAUFMANN; INFOGRAFIK: MARKUS KLUGER

DURCHSCHNITTLICHER MEDIENKONSUM IN DEUTSCHLAND in Minuten pro Tag


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GEHEIME MACHT AUF DEM VORMARSCH

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ÖFFENTLICHKEITSARBEIT Früher hieß es: »Journalisten machen keine PR.« Die Zeiten sind vorbei – mit gefährlichen Folgen Von Jacob Fricke

M

oderne Lobbyisten verlassen sich bei ihrer Arbeit schon lange nicht mehr nur auf Politikergespräche in Berliner Hinterzimmern. Sie betreiben vor allem Öffentlichkeitsarbeit (PR). Über die Medien versuchen sie, Meinungen in der Bevölkerung und damit politische Entscheidungen zu beeinflussen. Journalisten werden dadurch immer mehr zu Adressaten von Lobbyisten. Die Vermischung von PR und Journalismus hat viele Gesichter. Vielfach übernehmen Medien heute Studien, Umfragen und Rankings, ohne die dahinterstehenden Interessen zu benennen. Bekannte Beispiele sind das Hochschulranking des von der Bertelsmann Stiftung finanzierten Centrums für Hochschulentwicklung oder der Bildungsmonitor der arbeitgebernahen In-

itiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Weitere Probleme entstehen, wenn Medien durch PR-Experten vorproduzierte Texte abdrucken, Journalisten Artikel im Tausch gegen Anzeigen verfassen oder die Medien durch Hintergrundgespräche und Pressereisen beeinflusst werden. Doch nicht immer ist die Vermischung von PR und Journalismus so subtil. Immer öfter kommt es ganz offen zum Schulterschluss. Zum Beispiel vertreibt das Handelsblatt eine von der Deutschen Vermögensverwaltung finanzierte Unterrichtseinheit zur finanziellen Allgemeinbildung, und die Wirtschaftswoche hat in Kooperation mit der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft ein Sonderheft zur neuen Macht der Arbeitnehmer herausgebracht. Gegen diesen Trend gilt es erstens, als Medienkonsument eine kritische

Haltung einzunehmen und nicht jedem Wort zu vertrauen. Zweitens müssen Politik und der Deutsche Presserat für mehr Transparenz sorgen. PR-Texte sollten wie Anzeigen klar gekennzeichnet sein, und ein verpflichtendes Lobbyregister würde es ermöglichen, die Einflüsse von Lobbyisten auch in den Medien nachzuvollziehen. Drittens sollten Journalisten entschieden gegen eine Vermischung ihrer Arbeit mit PR eintreten. Die Wirtschaftsredaktion des DuMont-Verlages lehnte es zuletzt ab, eine Beilage über nachhaltiges Investment für eine Tochterfirma der Deutschen Bank zu produzieren. Mögen viele Kollegen diesem Beispiel folgen. ■ Jacob Fricke (29) ist Campaigner bei der lobbykritischen Organisation LobbyControl. Mehr Informationen: lobbycontrol.de

Zur demokratischen Öffentlichkeit gehört für uns unabdingbar der öffentlichrechtliche Rundfunk, denn er ist ein wichtiges Korrektiv gegenüber der zunehmenden Kommerzialisierung der Medienangebote.

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Hamburger Programm, 2007 .

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FLUCH ODER SEGEN? INTERNET: Journalisten und Leser kommen dank des Internets schnell und kostenlos an mehr Informationen. Doch oft sind diese Informationen nicht geprüft: Mal sind es Gerüchte, mal schlicht Falschmeldungen. Experten streiten um die Frage: Macht das Internet den Journalismus besser?

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Journalisten haben dank des Internets mehr Informationsmaterial zur Verfügung.

M PRO Dr. Mercedes Bunz ist Journalistin und lebt in London. Sie ist Autorin des Buches „Die Geschichte des Internet“

it dem Internet ist es schwierig. Denn anders als einen Föhn oder einen elektrischen Rasierer kann man das Internet nicht anknipsen und dann funktioniert es. Wenn das Internet etwas besser macht, tut es das nicht von alleine und einfach so. Ein Beispiel: Der Vorteil des Internet ist, das wurde schon oft gesagt, dass man sehr viel mehr Menschen als vorher direkt und ohne jeglichen Umweg erreicht. Trotzdem ist ein kritisch mitdenkendes Publikum nicht einfach da, quasi Internet an und los geht es. Man muss es erst herstellen. Diese Mühe zu machen lohnt sich für Journalisten. Das ist logisch, denn vier Augen sehen mehr als zwei. Dank unserer aufgemotzten, klugen Telefone, die jetzt über Kamera und Aufnah-

meknopf verfügen, sind beinahe alle Bürger mit journalistischem Equipment ausgestattet. Geschieht ein Ereignis, kann das der journalistischen Recherche helfen: Der Tod des britischen Zeitungsverkäufers Ian Tomlinson ist vom Guardian mit Hilfe eines Leser-Videos aufgeklärt worden, die Zusammenstöße bei Demonstrationen im Libanon, in Ägypten oder in Syrien wurden von Teilnehmern mit Telefonen dokumentiert, und nachdem die New Yorker Polizei die Presse an der Berichterstattung gehindert hatte, haben Demonstranten stellvertretend die Räumung des Zuccotti Parks gefilmt, in dem sich die Occupy WallStreet Bewegung niedergelassen hatte. Mit anderen Worten: Journalisten haben Dank des Internet mehr Material zur Verfügung, und wenn der Jour-

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nalismus mit diesem Material arbeitet, dann macht ihn das in der Tat besser. Die Masse, der Leser, das Publikum, der Zuschauer, aber auch der Wähler sind nicht mehr, was sie mal gewesen sind: passive Nachrichtenempfänger, die zustimmen oder abwinken. Sie gestalten mit. Und das macht Öffentlichkeit lebendiger und pluraler. Allerdings: Niveau, Interesse, aktive Mitarbeit, aber auch politische Beteiligung, die sind nicht einfach gegeben. Sie müssen möglich gemacht, eingerichtet und auch eingefordert werden. Letzten Endes macht das Internet den Journalismus also nur so viel besser, wie wir es ihm erlauben – und noch tun wir hierbei leider nicht unser Bestes. ■

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E CONTRA Kai Doering ist Politikwissenschaftler (B.A.) und Redakteur des „vorwärts“

rinnern Sie sich noch an den Amtsantritt von Karl-Theodor zu Guttenberg? Es war der 9. Februar 2009, als CSU-Chef Horst Seehofer den Blaublüter als Nachfolger des glücklosen Wirtschaftsministers Michael Glos nach Berlin schickte. „Müssen wir uns diesen Namen merken?“ fragte tags darauf die „Bild“-Zeitung und zählte Guttenbergs zehn Vornamen auf. Dass der eigentlich nur neun hat, fiel den Redakteuren nicht auf – wie auch vielen anderen Kollegen, die sich im Internetlexikon „Wikipedia“ bedient und dort die Namen abgeschrieben hatten. Ihr Pech war nur, dass sich ein Spaßvogel einen Scherz erlaubt, und Guttenberg noch einen „Wilhelm“ zusätzlich verpasst hatte. Der wurde nun nicht nur in Deutschlands größtem Boulevardblatt, sondern auch in der „Süddeutschen Zeitung“ und sogar dem öffentlich rechtlichen Fernsehen verbreitet.

Diese Plagiatsaffäre, an der Guttenberg ausnahmsweise nicht Schuld war, zeigt vor allem eins: In Zeiten des Internets ist Kopieren auch bei Journalisten an der Tagesordnung. Der tägliche Druck, immer der Erste sein zu müssen, der eine Meldung exklusiv bringt, hat zu einem Copy-and-Paste-Journalismus geführt, der eine ganze Zunft befällt und vor allem einem schadet: dem Leser. Sicher hat das Internet für Journalisten vieles einfacher gemacht. Mussten sie früher zur Recherche oft Stunden im Archiv verbringen und dutzende Bücher wälzen, reichen heute oft ein paar Klicks, um an die gewünschte Information zu gelangen. Doch das hat seine Tücken, wie das Beispiel des erfundenen Vornamens zeigt. Die Möglichkeiten des Internets sollten daher nicht für weniger, sondern für mehr Recherche genutzt, Inhalte nicht mehr „generiert“,

sondern tatsächlich wieder geschrieben werden. In der Sorgfaltspflicht liegt schließlich auch der entscheidende Unterschied des Journalisten zum Blogger. Diesen recht neuen Typus des Berichterstatters macht das Internet erst möglich: Mithilfe des weltweiten Netzes kann heute jeder ohne großen Aufwand (und ohne hohe Kosten) Nachrichten produzieren. Ohne Frage ist das ein Zugewinn an Demokratie – und gleichzeitig ein ungemeiner Qualitätsverlust. Schließlich ist es ein Unterschied, ob ein Blogger subjektiv beschreibt, was vor seiner Haustür passiert oder ein Journalist ausgewogen berichtet. Oder würden Sie irgendjemanden Ihr Auto reparieren lassen, nur weil er die „Auto Bild“ im Abo hat? ■

FOTOGRAFIE: THOMAS LOHR, DIRK BLEICKER

Der Copy-and-Paste-Journalismus schadet vor allem einem: dem Leser.


TITEL 11

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EINE REVOLUTION, DIE ALLES VERÄNDERT ÖFFENTLICH-RECHTLICHER RUNDFUNK Keine Frage – ARD, ZDF und Deutschlandfunk bieten Herausragendes. Aber sie müssen endlich auf die Digitalisierung reagieren. Und kooperieren, dort, wo es geht. Von Marc Jan Eumann

Ein schöne Kulisse allein reicht nicht aus: hier das Heute-Journal-Studio des ZDF in Mainz

FOTO: MARTIN SPECHT/AGENTUR FOCUS

V

ordergründig erschüttern die Korruptionsskandale um den MDR herum (Mitteldeutscher Rundfunk) die heile Welt der ÖffentlichRechtlichen. Doch es geht um mehr: Wir erleben gerade eine digitale Revolution – auch deshalb muss sich der öffentlichrechtliche Rundfunk ändern und neuen Ideen öffnen. 7,54 Milliarden Euro Gebühren haben ARD, ZDF und das Deutschlandradio im Jahr 2010 eingenommen. Aber trotz dieser Gebührenmilliarden gelingt es dem System vor allem bei Jüngeren immer weniger, seinen Auftrag zu erfüllen: zu bilden, zu informieren und zu unterhalten. Deswegen lohnt es sich, darüber zu diskutieren, was zu tun ist, damit eine demokratische Öffentlichkeit erhalten bleibt. Der Zeit-Online Chefredakteur Wolfgang Blau hat einige richtige Fragen gestellt: „Was spräche beispielsweise dagegen, dass öffentlich-rechtliche Sender sämtliche Inhalte, an denen sie die nötigen Rechte klären können, auch den Nachrichtensites der Printmedien kostenfrei zur Verfügung stellen? Weshalb kaufen die Websites der Printmedien vor großen Sportereignissen oder Wahlen teure interaktive Datenbank-Module ein, statt die entsprechenden Module der öffentlichrechtlichen Websites nutzen zu dürfen? Was hält die öffentlich-rechtlichen Websites davon ab, in sehr viel größe-

rem Umfang als bisher auf thematisch passende Artikel der Zeitungs-Websites zu verlinken und damit etwas für deren Vermarktbarkeit zu tun?“ Meine Antwort auf alle diese Fragen lautet: Kooperiert, wo es geht! Die besondere Form von Coopetition – der Mischung von wirtschaftlicher Konkurrenz und Kooperation wie Ford und Fiat sie bei Kleinwagen vorführen – kann auch hier gelingen. Das Aufrechterhalten eines Korrespondentennetzes im Ausland ist extrem kostspielig. Da muss die Frage erlaubt sein, ob es aus Sicht der Vielfaltssicherung nicht wünschenswert ist, wenn die vom Gebührenzahler finanzierte Infrastruktur auch von Dritten, wie Nachrichtenagenturen, Zeitungen und kommerziellen Rundfunkanbietern, genutzt werden kann. Denkbar ist auch, dass – mittelfristig – nicht nur die Landesmedienanstalten und Filmförderungen finanziert werden, sondern auch Recherchestipendien und neue Initiativen, die helfen, Öffentlichkeit herzustellen, zum Beispiel lokale journalistische Onlineportale. Es sind die Inhalte, die zählen: „It‘s the content, stupid!“ Dabei spielt es immer weniger eine Rolle, auf welchen Wegen die Inhalte den Nutzer erreichen. Angesichts der Vielzahl von Informationen zeigt sich: Auch in Zukunft sind professionelle Einordner, die verständlich und anschaulich schreiben, gefragt Journalisten eben.

Doch wie wir Journalismus und die Produktion qualitätvoller Programminhalte finanzieren, das müssen wir neu ausloten. Das bisherige analoge System war gut, aber es funktioniert nicht mehr. Die Digitalisierung verändert alles. Zuschauer und Zuhörer müssen nicht mehr warten, bis „ihre“ Sendung im Programm steht. Über das Internet sind Sendungen jeder Art weltweit zu empfangen, jederzeit. Unser duales System – das Nebeneinander von öffentlich-rechtlichen und privat finanzierten Medien – hat sich zur Sicherung journalistischer Grundstrukturen bewährt. Wer es in einer sich wandelnden Welt erhalten will, muss es weiterentwickeln. Wer inhaltliche Vielfalt will, muss deshalb viele, auch viele neue Wege nutzen ,– hier sind neue Akteure in neuen Rollen gefordert. Der Streit muss sich an der Frage entzünden, wie es auch in Zukunft – staatsfern organisiert – gelingen kann, Öffentlichkeit zu finanzieren. Sicher ist: Der Streit lohnt. ■

MEDIEN IN DEUTSCHLAND

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Wir erwarten vom öffentlichrechtlichen Rundfunk eine Programmkultur, für die nicht allein die Einschaltquote Maßstab ist.

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Berliner Programm, 1989 .

Marc Jan Eumann ist Vorsitzender der Medienkommission beim SPD-Parteivorstand. Er ist seit 2010 Staatssekretär bei der Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien des Landes Nordrhein-Westfalen. ANZEIGE

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MIT BLICK AUF DIE ZUKUNFT


12 NEWS

vorwärts 12/2011-01/2012

HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH

WEIL AN DER SPITZE

IN EIGENER SACHE Noch interessanter, noch übersichtlicher, noch besser: So soll der neue Internetauftritt des vorwärts werden. Bereits zum Parteitag ist eine Testversion an den Start gegangen. Anfang kommenden Jahres werden nach und nach weitere Nutzungsmöglichkeiten hinzukommen. Eins aber wird sich nicht verändern: die Qualität des journalistischen Angebots. ■ KD www.beta.vorwaerts.de

KULTUR FÜR ALLE Auf der neuen Internet-Plattform kulturundpolitik.de wird diskutiert, was diese Gesellschaft bewegt. Austausch und Debatte werden gepflegt. Denn die zentralen politischen Auseinandersetzungen finden längst nicht mehr nur in politischen Arenen statt. Die SPD weiß um die Bedeutung des Kulturellen: für Emanzipation, Zusammenhalt und Teilhabe. ■ BG

GLOBAL GEDACHT Herbert Ehrenberg Bundesminister a.D. Erhard Eppler Bundesminister a.D. Werner Vitt ehem. PV-Mitglied zum 85. Geburtstag

von Raphael Seligmann

Willi Görlach Staatsminister a.D. zum 80. Geburtstag Hans Eichel Bundesminister a.D. Günter Graf ehem. MdB zum 70. Geburtstag Petra Hoffmann ehem. Mitglied der Kontrollkommission Michael Lersow ehem. Landesvorsitzender in Sachsen Susanne Kastner MdB zum 65. Geburtstag

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Auch für 2012 gilt, was im abgelaufenen Jahr deutlich wurde und manche Zyniker verwundern mag: Menschen sind bereit ihr Leben einzusetzen, um die Freiheit zu erringen. Die Potentaten Arabiens wurden nach blutigen Kämpfen gestürzt. Ob es sich um Revolutionen handelte, wird die Zukunft erweisen. Nicht alle, die einen Wechsel des politischen Systems erfochten, wollen Freiheit in unserem Verständnis. Der fundamentalistische Islam strebt die Einführung der Scharia an, nicht eine westlich geprägte Demokratie. Die USA als Führungsmacht des Westens wirken wie ein gefesselter Riese. Die Fesseln haben sie sich selbst angelegt. Ein schier zügelloser Kapitalismus, Konsum um fast jeden Preis und militärischer Interventionismus schreiten ständig fort. Die Wahl Barack Obamas vor drei Jahren schien eine Wende, eine Ära des Aufbruchs, der sozialen Gerechtigkeit und des Friedens einzuleiten. Doch der Präsident enttäuschte allzu viele Hoffnungen. Obama erwies sich als entscheidungsschwach. Um seinen Patriotismus unter Beweis zu stellen, weitete er das kriegerische Engagement in Afghanistan aus. Das kostet Unsummen, die für Sozialprogramme und die Konsolidierung des Haushalts fehlen. Die Republikaner blockieren Steuererhöhungen für Besserverdienende. Die USA werden ebenso von unmäßigen Staatsschulden geplagt wie viele EU-Staaten. Auf diese Weise gerät Amerika in zunehmende Abhängigkeit vom kapitalokommunistischen China. 60 Prozent des US-Außenhandels werden mit Pazifikstaaten abgewickelt. Europa wird an den Rand gedrängt. Im Wahljahr 2012 sind die USA zu keinen strategischen Entscheidungen fähig. Das fiskalische Rumwursteln wird weitergehen. Außenpolitisch wird Obama wie bislang weiter lavieren. Die unsinnige Militärintervention in Afghanistan wird weitergehen. Das heißt: Europa, speziell die EU, muss endlich selbständig werden und einheitlich handeln. Wir brauchen eine gemeinsame Außen-, Verteidigungs- und Finanzpolitik. Das wird Deutschland noch mehr kosten. Doch wir haben keine Alternative. Deutschland ist im Herzen Europas gelegen. Wir sollten Solidität vorleben, doch nicht besserwisserisch zu verkünden suchen. ■

Gewählt wird erst am 20. Januar 2013, doch wer ihr Spitzenkandidat für die Landtagswahl ist, wissen die SPDMitglieder in Niedersachsen bereits. In einem Mitgliederentscheid hat sich Hannovers Oberbürgermeister Stephan Weil gegen Landeschef Olaf Lies durchgesetzt. Weil erhielt 53,3 und Lies 46,1 Prozent der Stimmen. Knapp 40 Prozent der Mitglieder beteiligten sich an dem Entscheid. Bevor der Wahlkampf beginnt, soll Stephan Weil im kommenden Januar auch zum Landesvorsitzenden gewählt werden. ■ KD

HILDEBRANDT-PREIS Traditionell verleihen die SPD und ihr Forum Ostdeutschland am 26. November den Regine-HildebrandtPreis. Es ist der Todestag der früheren „Mutter Courage des Ostens“. Am zehnten Jahrestag ging die mit 20 000 Euro dotierte Auszeichnung zur Hälfte an das Modellprojekt „Quillo“ der Kammerphilharmonie Uckermark e.V, das sich für Musik- und Kulturvermittlung in der strukturschwachen Region einsetzt. Ebenfalls ausgezeichnet wurde der Verein „Rothener Hof“, der den gleichnamigen ehemaligen Bauernhof in der Nähe von Parchim (Mecklenburg) zu einem sozialen und kulturellen Zentrum umgebaut hat. ■ DH

Preisverleihung im Willy-Brandt-Haus

BUNTE REPUBLIK Es war ein starkes Zeichen gegen Rechts – und ein lautes. Auf Initiative von Udo Lindenberg und SPD-Chef Sigmar Gabriel hat am 2. Dezember in Jena ein Konzert „für eine bunte Republik“ stattgefunden. Neben Lindenberg heizten Peter Maffay, Silly und andere Musiker dem Publikum ein. „Eigentlich ist es ein Unding, dass man solche Aktionen alle Jahre wieder durchziehen muss“, sagte Lindenberg. Er ist einer der Ideengeber der Initiative „Rock gegen rechte Gewalt“. ■ KD

FOTOS: DPA, MARCO URBAN

www.vorwärts.de


NEWS 13

12/2011-01/2012 vorwärts

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FOTOS: DIRK BLEICKER, IMAGO/ SABETH STICKFORTH

DREI FRAGEN AN BARBARA HENDRICKS Zum 1. Januar werden die SPD-Mitgliedsbeiträge um drei Prozent angehoben. Warum ist das nötig? Seit 2003 werden die Mitgliedsbeiträge jedes Jahr automatisch angepasst. Wir orientieren uns dabei an den durchschnittlichen Zuwächsen der Einkommen wie sie vom Statistischen Bundesamt festgestellt werden. Notwendig ist die Erhöhung, weil die Kosten auch bei uns steigen. Der reduzierte Beitrag wird allerdings weiterhin 2,50 Euro pro Monat betragen. Im Übrigen hat jeder die Möglichkeit, der Beitragsanpassung formlos zu widersprechen. Immer wieder wird bei Menschen, die im Pflegeheim leben, die SPD-Mitgliedschaft vom gesetzlichen Betreuer gekündigt, um Geld zu sparen. Was kann dagegen getan werden? Das ist ein Problem, das wächst. Im Betreuungsrecht ist das nicht vorgesehen. Ziel der Betreuung ist, dass der Betreute im Rahmen seiner Fähigkeiten die Möglichkeit erhält, sein Leben weiterhin nach seinen Wünschen zu gestalten. Dazu gehört auch die Mitgliedschaft in einer politischen Partei. Oft ist der Schritt, eine meist langjährige Parteimitgliedschaft zu kündigen, überdies aus finanzieller Sicht schlichtweg überflüssig, weil der oder die Betreute lediglich den reduzierten Beitrag zahlt. Ich denke deshalb, wir sollten in diesem Bereich die Anwendung des Betreuungsrechts konkretisieren. Auf dem Parteitag wurde eine „Mitgliedschaft Null“ diskutiert: Mitglieder unter Betreuung sollen kostenfrei in der Partei bleiben dürfen. Wäre das eine Lösung? Diesen Weg halte ich für außerordentlich schwierig. Wir haben auch viele andere Mitglieder, die sehr geringe Einkommen haben, aber trotzdem den reduzierten Mitgliedsbeitrag bezahlen. Schüler etwa knapsen jeden Monat 2,50 Euro von ihrem Taschengeld für die SPD ab. Wenn wir eine Mitgliedschaft Null einführen würden, müssten wir auch sie beitragsfrei stellen. Alles andere wäre ungerecht. Der bessere Weg ist deshalb die Möglichkeit, dass andere Mitglieder des Ortsvereins von der Beitragspatenschaft Gebrauch machen. ■ KD

NEUE DL-SPRECHERIN

Der Staat muss auf allen Ebenen zeigen, dass er eine wehrhafte Demokratie ist.

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Sigmar Gabriel fordert einen neuen Anlauf für ein NPD-Verbot

DER NOVEMBER IN ZITATEN

TOD EINES KÄMPFERS

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Die Abwesenheit von Politikern erleichtert der Regierung die Arbeit.

Er war der bekannteste Stadtsoziologe Deutschlands – und einer der engagiertesten Kämpfer für sozialen Ausgleich. Nach dem Studium an der Freien Universität Berlin begann Hartmut Häußermanns Karriere, die ihn als Professor von Kassel über Bremen an die Berliner Humboldt-Universität führte. Neben seiner akademischen Karriere

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Mario Monti,

neuer italienischer MP, beruft ein „Kabinett der Fachleute“

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Er kokettiert weiter damit, ein Ausnahmepolitiker zu sein, der außerhalb des Establishments steht. Oliver Lepsius,

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Rechtsprofessor, zur Rückkehr Karl-Theodor zu Guttenbergs

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Die Löhne oben sind gestiegen, während die kleinen Einkommen real gesunken sind. Deswegen brauchen wir einen Mindestlohn.

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Ursula von der Leyen, Barbara Hendricks ist Bundestagsabgeordnete und Schatzmeisterin der SPD

Am Ende lag sie mit acht Stimmen vorn. Eine Woche vor dem Bundesparteitag haben die Mitglieder des „Forums Demokratische Linke 21“ (DL21) Hilde Mattheis zur neuen Sprecherin gewählt. Die Bundestagsabgeordnete erhielt 67, ihre Gegenkandidatin Angela Marquardt 59 Stimmen. Marquardt, die für SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles arbeitet, war einst von der PDS zu den Sozialdemokraten gewechselt. „Die DL21 ist Motor linker Erneuerung der SPD“, sagte Mattheis. Das Etikett „Spalter“ wolle man sich nicht länger aufdrücken lassen. ■ KD

Arbeitsministerin und CDUPolitikerin

wurde Häußermann nie müde, gegen die soziale Entmischung in Städten einzutreten. Als Gegenmaßnahme erfand er, gemeinsam mit seinem Kollegen Andreas Kapphan, das „Quartiersmanagement“. „Eine kluge Politik verhindert, dass Stadtteile abgehängt werden“, sagte Häußermann im Oktober im „vorwärts“-Interview. Wenige Tage später erlag er einem Krebsleiden. ■ KD

GEWINNER GABRIEL Es kommt nicht oft vor, dass ein SPDPolitiker von der „BILD“ zum „Gewinner des Tages“ gekürt wird. Sigmar Gabriel hat es am 18.November geschafft. Tags zuvor hatte er die Kölner Keupstraße besucht. 2004 waren hier 22 Menschen bei einem Bombenanschlag verletzt worden. Er geht mutmaßlich auf das Konto des „Nationalsozialistischen Untergrunds“, war damals aber schnell als „Milieu-Tat“ abgetan worden. „Das war beleidigend und demütigend“, sagte Gabriel bei seinem Besuch. ■ KD

BERLINER TAGEBUCH Notiert von Uwe Knüpfer Angela Merkel war schon wieder nicht beim Bundespresseball! Zum 22. Mal in Folge, wie die Veranstalter pikiert mitgezählt haben. Dabei sollte ihr das Thema gefallen: Metamorphosen. Der momentane FDP-Vorsitzende Philipp Rösler wurde vom Moderator als Bundesverkehrsminister begrüßt. Wer kann schon mithalten bei dem Tempo, mit dem im Kabinett Merkel Zuständigkeiten und Haltungen Metamorphosen, also Wandlungen, durchmachen? Angela Merkel immerhin kann künftig am vorwärts Halt finden. In Leipzig hat sie die Grundwerte der CDU beschworen: „Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit“. Leider stimmten daran weder Partei noch Reihenfolge. Schließlich hat die SPD schon 1890 in Gotha beschlossen, es gehe ihr um Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität. Aber wie soll Frau Merkel das wissen, die zwischen SED und Blockparteien groß geworden ist? Zumal ihr im Gewühl um Europa, Rettungsschirme, zwielichtige Verfassungsschützer und ihren Kabinettskindergarten schon mal was durcheinandergeraten kann. Die vorwärts-Redaktion hat der Kanzlerin deshalb eine Tasse geschenkt: „... als handliche Erinnerungsstütze für künftige Reden“. Darauf ist eine Frau zu sehen, die eine Fahne mit den drei SPDGrundwerten hochhält. Auch FDP-Generalsekretär Christian Lindner hat sich überraschend als Anhänger sozialdemokratischer Werte geoutet. Er tat das beim „Buch Battle“ des vorwärts-Verlages, im Duell mit Hubertus Heil, im Grünen Salon der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz – in einer Umgebung, in der ein schneidiger Neoliberaler auffällt wie eine Qualle im Swimmingpool. Doch Lindner fühlte sich demonstrativ wohl und warf sich mächtig ran an frühere – und künftige? – sozialliberale Koalitionen. Sogenannte „gestandene“ Unionspolitiker lästern über die Auftritte von HansPeter Friedrich. In dessen CSU stellt man sich unter Innenministern traditionell eine Mischung aus Wachtmeister, Richter, Sheriff und Scharfrichter vor. Wohl kein Filmregisseur würde eine der vier Rollen mit dem netten Herrn Friedrich besetzen. Aber vielleicht verwandelt er sich ja demnächst in einen Verkehrsminister. Der jetzige, Peter Ramsauer also, brüstet sich auf seiner Homepage schon mal damit, er habe ein „drittes Bein“. Das sei die Musik – die ihn alles um ihn herum vergessen lasse. Man kann ihn verstehen. ■


14 NEWS

vorwärts 12/2011-01/2012

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teien in Ungarn und Slowenien kraftvolle Grußworte via Videobotschaft zukommen. Auf dem Weg zum Essen tauscht er sich mit einem ehemaligen Kollegen aus der Kommunalpolitik über die 5-ProzentSperrklausel-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes aus. Und in den verbleibenden Momenten zwischen all den „Hallos!“ und „Wie geht’s?“ auf den Fluren des Europäischen Parlamentes bespricht er mit seinen Mitarbeitern die weitere Tagesplanung und die Pressearbeit. Es läuft. Er läuft.

Gegen die De-Solidarisierung Martin Schulz: Die Antwort auf die Krise kann nur „mehr“ Europa sein

IM DAUERLAUF FÜR EUROPA MARTIN SCHULZ Mit Volldampf arbeitet er daran und hat es eilig: das Sorgenkind EU wieder gesunden zu lassen. Der Versuch, ihm dabei einen Tag lang auf den Fersen zu bleiben. Von Tanja Bergrath

Nur in Europa läuft es nicht: die Krise, der Euro. Für den Europapolitiker aus Überzeugung ist das ein katastrophaler Zustand. „Wir erleben hier gerade die De-Solidarisierung in Europa – und wir Sozialdemokraten können nichts dagegen setzen, weil wir keine Macht haben.“ Für Schulz ist klar, dass die Antwort auf die aktuellen Probleme und Herausforderungen nur „mehr“ Europa sein kann, nicht „weniger“. Einer, der in der Euroregion Aachen groß wird und später dort Bürgermeister ist, weiß: Europa ist Realität – aber die muss gestaltet werden. Und das kann er in seiner zukünftigen Funktion noch aktiver angehen. Gestaltungsspielräume hat ein Präsident des Europäischen Parlaments durchaus – er muss sie nur zu nutzen wissen. Martin Schulz wirkt so, als hätte er dazu bereits ein paar Ideen im Hinterkopf.

Es soll menscheln in der Politik, aber auch vorangehen

»Das größte Problem Italiens« tritt ab, Schulz lächelt

Aber vorerst gilt sein Hauptaugenmerk der Fraktionsarbeit. So berichtet er heute seinen Kollegen beispielsweise vom Treffen mit der neuen Vorsitzenden der israelischen Labour Party, Shelly Yachimovich: Auf dem Fahrrad sei sie angefahren gekommen, ohne Bodyguards. Und ganz realistisch, aber auch selbstbewusst und mutig habe sie ihm ihre politischen Ziele beschrieben. Das hat ihm gefallen. Gleich im Anschluss erzählt er von einem Telefonat mit dem gerade zurückgetretenen griechischen Ministerpräsidenten Papandreou. Schulz bewertet dessen Rücktritt als einen höchst verantwortlichen Umgang mit der Lage. In der aktuellen Situation habe es keine andere Lösung geben können. Die Person Papandreou sei menschlich absolut integer und eine unbestrittene politische Größe innerhalb der europäischen Sozialdemokratie. Allein die Art, wie Martin Schulz von diesen beiden Politikern berichtet, macht klar, mit wie viel Begeisterung er seine politische Arbeit betreibt. Er will, dass es menschelt. Will, dass die sozialdemokratische Idee nicht nur ein politisches Forderungspaket ist,

Bei all den Schwierigkeiten gibt es an diesem Tag aber auch Erfreuliches: Die Meldung vom Berlusconi-Rücktritt läuft über die Nachrichtenticker. Martin Schulz freut sich. Der Eklat im Europaparlament 2003, als der SPD-Politiker den italienischen Regierungschef kritisierte und dieser ihm anschließend die Rolle des KZ-Aufsehers in einem Film anbot, ist unvergessen. „Zu Berlusconi äußere ich mich nicht mehr“, sagt Schulz. Um gleich hinzuzufügen: „Aber ich sage schon seit zehn Jahren, dass das größte Problem Italiens sein Regierungschef ist. Jetzt bekomme ich sogar Zustimmung von der Vorsitzenden des italienischen Arbeitgeberverbandes, die sagt, er sei auch das größte Problem für die italienische Wirtschaft.“ Als er gegen Ende des Tages zum zweiten Mal den Fraktionssitzungssaal verlässt, landet er ausgerechnet mitten in einer italienischen Besuchergruppe. Martin Schulz wird erkannt, umarmt, geherzt. Gerüchten zufolge soll es in Italien Berlusconi-Gegner geben, die in T-Shirts mit „Schulz“-Aufdruck durch die Gegend laufen. Bestimmt nicht so schnell wie das Original. Aber sonst wäre ein Original ja auch kein Original. ■

Gefragt, nicht nur bei deutschen Medien: SPE-Fraktionschef Martin Schulz

sondern eine Überzeugungstat. Und er will, dass jedem klar ist: Die Sozialdemokratie ist immer nur so gut wie die Menschen, die sich – in Europa und international – für ihre Ziele einsetzen. Dazu treibt er andere an und beschließt die Fraktionssitzung mit einem Appell an seine Kollegen, die sozialdemokratischen Kräfte in Europa zu bündeln. Nur so könne man die notwendige Alternative zur konservativen Vormacht in Europa werden. Ohne Atempause geht es direkt nach Ende der Fraktionssitzung weiter. Vor dem Saal wartet bereits eine Kamera auf Martin Schulz. Er lässt den Schwesterpar-

Freude nach Berlusconis Rücktritt: Martin Schulz mit italienischen Genossen

FOTOS: DIRK BLEICKER, TANJA BERGRATH (2)

enn alle Dinge in Europa laufen würden wie Martin Schulz, dann gäbe es keine Probleme. Als würde er über einen Zusatzmotor angetrieben, bewegt er sich mit kurzen, sehr schnellen Schritten unermüdlich durch die scheinbar endlosen Gänge des Europäischen Parlaments in Brüssel. Er läuft und organisiert seinen Tag. Er läuft und pflegt Kontakte. Er läuft und trifft Entscheidungen. Ja, manchmal läuft er auch, um von A nach B zu kommen. Zum Beispiel zur Sitzung der sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament. Dort soll es heute um die Lage in Griechenland und Italien gehen. Ein kurzer Blick in den Saal: viele leere Plätze. Das kann der Fraktionsvorsitzende nicht unkommentiert lassen. „Kann mal jemand den Kollegen mitteilen, dass diese Veranstaltung hier keinen Eintritt kostet?“ tönt es über das Mikro. Der Tagesordnungspunkt wird verschoben, schließlich sollen möglichst viele über die aktuellen Entwicklungen in der Euro-Krise auf dem Laufenden sein. Martin Schulz hat seine Fraktion im Griff, das ist bekannt. Aber auch seine Arbeit über die Fraktionsgrenzen hinweg ist erfolgreich. Das ist nicht zuletzt ein Grund dafür, dass Schulz wohl mit Unterstützung der konservativen Europäischen Volkspartei EVP im Januar um Präsidenten des Europäischen Parlaments gewählt werden wird.


PA R T E I L E B E N !

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PARTEI LEBEN! 15 15

PARTEI LEBEN! INHALT PARTEITAG Beschlüsse, Eindrücke und Reaktionen

PORTRÄT

CHEFSACHE

FOTOS: DIRK BLEICKER, PRIVAT, MARK WILKENDORF

ANDREA DIREKT! Rechtfertigt ein mögliches NPD-Verbotsverfahren den Abzug der V-Leute? Ja, auf jeden Fall. Ich denke nicht, dass wir V-Leute in Spitzenpositionen der NPD brauchen, um nachzuweisen, dass es sich bei ihr um eine Partei handelt, die auch zum gewaltbereiten rechten Milieu Kontakte hat. Ich möchte auch generell die Stellung der V-Leute auf den Prüfstand stellen. Es scheint mir in diesem Bereich eine Menge Fehlentwicklungen zu geben. Wird die SPD gemeinsam mit der CDU einen Mindestlohn beschließen? Die CDU hat auf ihrem Parteitag lediglich versucht, symbolisch einen Punkt zu setzen. Aus meiner Sicht ist ihr Vorschlag nicht ernst gemeint. Das, was die CDU als Lohnuntergrenze bezeichnet, ist ein Schweizer Käse. Die CDU will sich weder auf eine untere Haltelinie festlegen lassen, noch möchte sie einen einheitlichen, verbindlichen Mindestlohn. Sie spricht sich sogar für regionale Unterschiede aus. Wir hätten dann nicht einen Mindestlohn, der allen Arbeitnehmern zusteht, sondern viele unterschiedliche Lohnuntergrenzen, die wenig Rechtssicherheit bieten. Es wäre ein Mindestlohn ohne Mindestschutz. Eine gemeinsame Initiative zum Mindestlohn kann ich mir deshalb überhaupt nicht vorstellen. Wird die SPD das Betreuungsgeld über den Bundesrat stoppen? Es handelt sich um ein Bundesgesetz. Der Bundesrat hat da leider keinen Einfluss. Verhindern lässt sich das Betreuungsgeld nur von den Wählern bei der nächsten Bundestagswahl. Wir würden uns sicher nicht scheuen, die im Frühjahr 2013 eingeführte Fernhalteprämie als Regierungspartei im Herbst wieder abzuschaffen. ■ Fragen stellen: vorwärts.de/nahlesfrage

Jenas OB Albrecht Schröter kämpft gegen Rechts

GEBURTSTAG Erhard Eppler wird 85, Sigmar Gabriel gratuliert

PINNWAND Neues aus den Gliederungen

ORTSVEREIN SPD Attendorn: roter Punkt im schwarzen Sauerland

»DARUM BIN ICH IN DER SPD…«

Hält die Jungsozialisten weiter auf Kurs: Sascha Vogt wurde als Juso-Chef wiedergewählt.

WEITER LINKS JUSOS Auf dem Bundeskongress in Lübeck verteidigt Sascha Vogt in einer Kampfkandidatur sein Amt als Juso-Vorsitzender Von Kai Doering

F JOACHIM KRETSCHMANN ist 47 Jahre alt und arbeitet als Bezirksleiter für einen Kindermilch- und Breihersteller. Er ist Mitglied der SPD Villingen-Schwenningen. Die SPD ist auf einem guten Weg, für die Bürger die erste Adresse für gesellschaftliches Engagement zu sein. Sie bemüht sich, ihre Basiserfahrungen bis hinauf in die Parteispitze zu nutzen, um dem Namen Volkspartei gerecht zu werden. In diesen hoffnungsvollen Parteizug steige ich gerne zu. ■ Warum seid Ihr gerade jetzt SPD-Mitglied geworden? Schreibt uns an parteileben@vorwaerts.de

rüher gehörte es bei den Jusos zum guten Ton: Der Vorsitz war heiß umkämpft, oft kandidierten gleich mehrere Kandidaten für die Spitze der SPD-Jugend. Das hat sich in den vergangenen Jahren geändert. Als sich Sascha Vogt vor eineinhalb Jahren in Essen um die Nachfolge der zurückgetretenen Franziska Drohsel bewirbt, ist er der einzige Kandidat. Auf dem Bundeskongress in Lübeck, eine Woche vor dem SPD-Bundesparteitag, sieht es anders aus. Der 29-jährige Gewerkschaftssekretär Frederic Striegler aus Baden-Württemberg meldet sich mit deutlicher Kritik zu Wort und tritt gegen den Juso-Chef an. Die Jusos müssten sich stärker als bisher für Jugendliche öffnen und für deren Interessen einsetzen und weniger als offizieller Arm des linken SPD-Flügels auftreten, fordert Striegler in seiner Bewerbungsrede. „Das Erfolgsgeheimnis der Jusos liegt darin, Sehnsüchte und Wünsche unserer Generation anzunehmen und nicht darin, besonders links zu sein“, erklärt er. Das sieht Sascha Vogt anders. „Wir sind links, und das soll auch so bleiben“, betont er und stellt klar: „Wir wollen weiter den demokratischen Sozialis-

mus.“ Auch deshalb sei es wichtig für die Jusos, weiterhin den Schulterschluss mit anderen linken Jugendorganisationen zu suchen. Das im vergangenen Jahr gegründete Bündnis „Änder das!“ u.a. mit der „Grünen Jugend“, den „Falken“ und der „Naturfreundejugend“ solle deshalb fortgesetzt werden. „Wenn wir den Politikwechsel von Links wollen, müssen wir ihn gemeinsam mit anderen vorbereiten“, erklärt Vogt. Für diesen Kurs stärken ihm die 300 Delegierten den Rücken. Mit 72,9 Prozent wählen sie Vogt für weitere zwei Jahre zu ihrem Vorsitzenden. Frederic Striegler bekommt mit 21,7 Prozent einen Dämpfer. Deutliche Zustimmung für eine zweite Amtszeit erhält Jan Böning: Der Bundesgeschäftsführer der Jusos wird mit 92,6 Prozent wiedergewählt. Dem Bundesvorstand gehören dagegen viele neue Gesicher an. Zu stellvertretenden Vorsitzenden wählen die Jusos Matthias Ecke (Sachsen), Susanne Kasztantowicz (Rheinland-Pfalz), Katharina Oerder (Nordrhein-Westfalen), Sebastian Roloff (Bayern), Bettina Schulze (Baden-Württemberg), Jan Schwarz (Niedersachsen), Johanna Uekermann (Bayern) und Julian Zado (Berlin). ■


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PA R T E I L E B E N !

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1| Aydan Özoguz 2| François Hollande 3| Manuela Schwesig 4| Jens Stoltenberg 5| Sigmar Gabriel, Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier 6| vorwärts-Liederfreunde 7| Erhard Eppler 8| Andrea Nahles nach ihrer Wiederwahl mit Sigmar Gabriel und Olaf Scholz 9| Helmut Schmidt vor seiner Rede, die den Parteitag begeisterte

ZUM REGIEREN BEREIT

BILANZ Die SPD hat die richtigen Antworten auf die Probleme der Zeit und die Sorgen der Menschen. Sie hat – auch das zeigte der Parteitag – die besseren Männer und Frauen, um unser Land zu regieren

D

ie SPD hat an ihren drei Berliner Tagen gezeigt, dass sie regieren will und kann und muss. Dass sie ein großes Herz hat, aber auch einen klaren Kopf. Sie hat ausgereifte Ideen, die Demokratie zu kräftigen. Sie hat durchdachte Vorschläge, dem Renten- und dem Gesundheitssystem wieder Halt zu geben. Und sie ist dabei, eine neue Vision von Europa zu entwickeln. Die Vision eines demokratischen Europas, in dem, wie Sigmar Gabriel es sagte, „die Menschen wieder ruhig schlafen können“. In dieser Vision eines neuen, einigen und vielfältigen Europa ist zugleich die Idee einer neuen Weltordnung begründet. Es muss eine Weltordnung sein, die Menschenrechte höher bewertet als Völkerrechte, eine Weltordnung, in der sich die Grundwerte der Sozialdemokratie wiederfinden: Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität. Die Partei greift hoch. Aber die Zeit verlangt danach. Peer Steinbrück: „Die

PARTEITAG

Politik ist wieder bei den großen Fragen angekommen.“ Sigmar Gabriels SPD ist keine OneMan-Show. Was dem wiedergewählten Vorsitzenden nicht jeder zugetraut hat: Gabriel lässt nicht nur starke Persönlichkeiten neben sich zu – er zieht sie an. „Wir haben die besseren Männer“, so lautete einmal ein Werbespruch der SPD. Heute könnte sie schreiben: „Wir haben die besseren Männer und Frauen.“ Gabriel bedankte sich demonstrativ bei der weiblichen Troika, die in der Partei neben ihm das Regiment führt: bei Barbara Hendricks, Astrid Klug und – „last not least“ – bei Andrea Nahles. Gabriel hält Kritik nicht nur aus – er fordert sie ein. Das ist ein gänzlich neuer Stil. Der neu geschaffene Konvent kommt einer Versicherung gegen eine mögliche Entfremdung zwischen Amtsträgern und Partei gleich. Deshalb ist es konsequent, dass die SPD in Berlin bei aller Debattenlust Gabriels Bitte entsprach, „weniger zu versprechen, als

jemals zuvor“ – um dann das, „was wir versprechen“, wirklich zu halten. Dass Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück Kompetenz verkörpern und aus dem Stand heraus regieren könnten, war bekannt. In Berlin haben beide auch Gespür für die Partei, für ihre Werte, ihre Geschichte und ihre Gefühle bewiesen – etwa als Steinbrück sich zu „eigenen Irrtümern“ bekannte. Zu eigenen Erfolgen allerdings auch. Zu Recht. Und dann noch dies: Helmut Schmidt hat sich in Berlin auf bewegende Weise als „alter Sozi“ in die Reihen „meiner“ SPD gestellt – und sie auf die Barrikaden getrieben: „Wir brauchen einen Aufstand des Europaparlaments!“ Einen Aufstand gegen die Herrschaft der Technokraten und des Finanzkapitals. Einen Aufstand, angeführt von Europas Sozialdemokraten. Die SPD hat wieder ein Ziel und einen Kompass. Der Tanker hat Fahrt aufgenommen. ■

FOTO: MARCO URBAN (6), THOMAS TRUTSCHEL (2), UTA WAGNER (1)

Von Uwe Knüpfer


POLITIK FÜR DIE MEHRHEIT UND DIE MITTE SIGMAR GABRIEL In seiner bejubelten Rede versprach der SPD-Chef: »Wir setzen auf Sieg«

W

enn einer etwas von der sozialdemokratischen Erzählung versteht, ist das Sigmar Gabriel. Das hat er vor zwei Jahren in Dresden bewiesen, als er der SPD neuen Mut gab. Das hat er in Berlin erneut gezeigt. „Nie wieder darf eine sozialdemokratische Partei den Wert der Arbeit in Fragen stellen. Nie wieder darf sie sich in dieser Frage soweit von den deutschen Gewerkschaften entfernen“, so Sigmar Gabriel. Er schloss einen Satz an, der gleich zu Beginn seiner Rede für Jubel sorgte. „Die SPD ist die Partei der Arbeit.“ Dann ging er daran, die Mitte programmatisch zurückzuerobern. Wir befinden uns in einer Zeitenwende, so Gabriel. Union und FDP stünden fassungslos vor dem, was Maßlosigkeit und Gier ihrer marktradikalen Freunde angerichtet hätten. Angela Merkel wolle eine „marktkonforme Demokratie“, so Gabriel: „Wir wollen einen demokratiekonformen Markt!“ Dem Marktliberalismus der FDP setzt er die soziale Marktwirtschaft in Deutschland und in Europa entgegen. Sie will er zurückerobern – für die kleinen Leute, für die Handwerker, den Mittelstand, die Selbständigen. Um das zu erreichen, wolle die SPD eine breite

Allianz bilden mit Gewerkschaften, Kirchen, der Wissenschaft, Umwelt- und Naturschützern, Selbständigen, Handwerksmeistern, Familienunternehmen und auch Managern. Gabriel: „Das ist Politik für die Mehrheit und die Mitte in Deutschland.“ Das kostet Geld, das der Staat nicht hat. Deshalb will die SPD den Spitzensteuersatz auf 49 Prozent erhöhen. Den Jusos erteilte Gabriel eine Absage. Die fordern einen Spitzensteuersatz von 53

Prozent. Den gab es damals bei Helmut Kohl, was Gabriel mit der Bemerkung quittierte: „Man muss die Jusos abhalten zu konservativ zu werden.“ Die Lacher hatte er damit auf seiner Seite. 2013 ist Wahl und viele Medien, beschäftigen sich mit der SPD-Kanzlerkandidatur. Ihnen hielt er entgegen: „Am Ende des nächsten Jahres werde ich einen Vorschlag machen, und dann entscheidet die Partei und sonst niemand.“ Aber soviel machte er klar: „Wir setzen auf Sieg und nicht auf Platz.“ Vor hundert Jahren habe im Vorwärts unter einem Bild von August Bebel und Karl Liebknecht gestanden: „Nicht betteln, nicht bitten, nur mutig gestritten. Nie kämpft es sich schlecht für Freiheit und Recht.“ Darum gehe es heute wieder, so Gabriel unter dem Jubel der Genossen. ■ SUS

FOTOS: MARCO URABN

Der Umbau der SPD ist beendet, das Dach ist dicht, die Eimer sind weg und wir sind wieder da.

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Andrea Nahles SPD-Generalsekretärin

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Der Euro ist unser gemeinsames Erbe. Er ist mehr als eine Währung. Er ist das Bindeglied zwischen den einen und den anderen.

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Präsidentschaftskandidat der Parti Socialiste

Reinschauen!

Gabriel: Statt „marktkonformer Demokratie“ fordert er einen „demokratiekonformen Markt“.

HELMUT SCHMIDT Sein Auftritt auf dem SPD-Parteitag beeindruckte und berührte die Sozialdemokraten. Denn Schmidt zeigt ihnen: Ich bin und bleibe einer von Euch

N

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François Hollande,

»ALTER SOZI« MIT HERZ UND SEELE

Helmut Schmidt: Er bekennt sich zu seiner SPD und geht hart ins Gericht mit Schwarz-Gelb.

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euntausend Sozialdemokraten und Gäste wollen seine Rede hören. Die Parteitagshalle ist restlos überfüllt: Jeder Sitzplatz, jeder Stehplatz ist besetzt. Dicht gedrängt stehen Dutzende in den Gängen. Helmut Schmidt ergreift das Wort. Sofort tritt Stille ein und aufmerksames Zuhören erfüllt die Halle. „Ich habe mich gerne daran erinnert, wie ich heute vor 65 Jahren auf den Knien liegend Einladungsplakate für die SPD geschrieben habe“, beginnt Schmidt seine Rede. Und macht so klar: Ich bin und bleibe einer von Euch, heute wie vor 65 Jahren. Leidenschaftlich ruft der Alt-Kanzler die Deutschen zu europäischer Solidarität auf. Eine Isolation Deutschlands im Euro-Raum sei „hochgefährlich“. Ohne den Namen des CDU/CSU-Fraktionschefs Volker Kauder zu nennen, der gemeint

hat, in Europa werde nun „deutsch gesprochen“, kritisiert Schmidt scharf diese „schädliche deutsch-nationale Kraftmeierei“. Schließlich wendet sich Schmidt an die SPD: „Eigentlich muss man nicht so sehr den deutschen Sozialdemokraten Solidarität predigen.“ Die SPD sei „in viel höherem Maße internationalistisch und solidarisch als Generationen von Liberalen und Konservativen“.

Ganz ohne Pathos geht‘s nicht Immer wieder hört man in Schmidts Rede Worte der Verbundenheit mit seiner Partei. Er sagt „wir Sozis“ und „wir Sozialdemokraten“. Er spricht die Delegierten und Gäste der SPD als „liebe Freunde“ an. Das berührt das sozialdemokratische Herz, es streichelt die sozialdemokratische Seele. Nach eineinviertel Stunden beendet der

ALLE REDEN ALS VIDEO AUF: spd.de

Alt-Kanzler seine Rede. Applaus brandet auf. Zügig verlässt Schmidt das Podium. Als er seinen Platz im Plenum erreicht hat, steigert sich der Applaus noch. Schmidt steckt sich eine Zigarette an, als hätten die stehenden Ovationen nichts mit ihm zu tun. Mancher Delegierte schmunzelt. Nach sechs Minuten schließlich verebbt der Applaus. Sigmar Gabriel kennt Helmut Schmidt. Er scheint diese Szene geahnt zu haben, als er zuvor bei der Begrüßung Schmidts sagte: „Pathos ist Deine Sache nicht.“ So ist es wohl, das ist spürbar an diesem Tag. Doch zugleich kann man auf diesem Parteitag die tiefe Zuneigung spüren, die Helmut Schmidt und seine SPD heute verbindet. Das war nicht immer so. Auch Schmidt scheint das Besondere des Augenblicks empfunden zu haben. Fast scheu nimmt er die Ovationen seiner „Sozis“ entgegen. Wer dabei ist, spürt, wie geeint die Sozialdemokratie ist in dem Wunsch: Helmut Schmidt möge auch beim nächsten Parteitag zu ihr sprechen. ■ LH


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DIE SPD HAT ENTSCHIEDEN BESCHLÜSSE DES PARTEITAGS Das Wichtigste auf einen Blick

PARTEITAG Heidemarie Wieczorek-Zeul überreicht den Dröscher-Preis an Heinar und sein Gefolge.

MIT STORCHKRAFT DRÖSCHER-PREIS Storch Heinar gewinnt unter Marschmusik Es war gar nicht so leicht, die Mappe im Flügel zu halten. Und so nahm „Storch Heinar“ etwas linkisch die Gewinnerurkunde des Wilhelm-Dröscher-Preises zum Abschluss des Parteitags entgegen. Unter dem Jubel der Delegierten und begleitet von seiner Band „Storchkraft“, war er zuvor auf die Parteitagsbühne gezogen. Das Projekt der Jusos Mecklenburg-Vorpommern lade „unverkrampft dazu ein, das rückwärtsgewandte Denken der Neonazis lächerlich zu machen“, lobte das Preis-Kuratorium den Gewinner. Auch die Parteitagsdelegierten kürten eine Initiative gegen Rechtsextremismus zum Sieger. Sie entschieden sich für das Projekt „Kein Bock auf Nazis“, das von der Band „ZSK“ und dem „Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum“ gegründet wurde. Der Förderpreis der Dröscher-Stiftung ging an den SPD-Ortsverein Leonberg für seine Idee eines Jugend-Sozialpreises. ■ KD

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Wo stünde die Bundesrepublik ohne die teilweise bitteren Reformen in der Regierungszeit von Gerhard Schröder?

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Peer Steinbrück

PARTEIREFORM • SPD-Mitglieder können künftig Sach- und Personalfragen mitentscheiden. Letzteres gilt sowohl für öffentliche Ämter und Mandate als auch für den oder die Parteivorsitzende der jeweiligen Ebene. • Der Parteivorstand wird verkleinert: von 45 auf 35 Mitglieder. • Der Parteirat wird durch einen „Parteikonvent“ ersetzt, der zwischen den Parteitagen als „Kleiner Parteitag“ entscheiden soll. • Für alle Wahllisten gilt künftig das Reißverschlussprinzip: Frauen und Männer müssen immer im Wechsel platziert werden. • Im Parteivorstand gilt eine so genannte „Migrantenquote“ von 15 Prozent. EUROPA • Euro-Krisenländer will die SPD durch ein Aufbauprogramm stabilisieren. • Zugleich wird von den Krisenstaaten auch etwas gefordert: Wer den Rettungsschirm beansprucht, soll auf Souveränitätsrechte in der Finanzpolitik verzichten. • Alle EU-Staaten sollen künftig Schuldengrenzen in ihre Verfassungen aufnehmen. ARBEIT UND RENTE • Die SPD will den Missbrauch von Minijobs bekämpfen. Deren Wochenarbeitszeit soll auf maximal 12 Stunden begrenzt werden. • Leiharbeiter sollen künftig die gleichen Löhne wie Stammbelegschaften erhalten. • Der Einstieg in die Rente mit 67 bleibt ausgesetzt. • Der Parteitag beschloss keine dauerhafte Fixierung des Rentenniveaus auf den Stand von heute. In dieser Frage werden die Ergebnisse einer Parteikommission im nächsten Jahr abgewartet. STEUERN UND FINANZEN • Der Spitzensteuersatz soll von 42 auf 49 Prozent erhöht werden. Er soll künftig erst ab einem Einkommen von 100 000 Euro für Ledige greifen. Heute wird er schon ab rund 53 000 Euro fällig. Für Verheiratete soll er ab 200 000 Euro fällig werden. • Eine zusätzliche Reichensteuer lehnte der Parteitag ab. • Die SPD plant, die Steuer für Erträge aus Privatkapital von 25

auf 32 Prozent zu erhöhen. • Wenn sich so die gewünschten Mehreinnahmen nicht erzielen lassen, sollen die Erträge nach dem individuellen Steuersatz besteuert werden. DEMOKRATIE • Die SPD will erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik auf Bundesebene Volksentscheide. • Ein Volksentscheid soll möglich sein, wenn eine zuvor in den Bundestag eingebrachte Volksinitiative von den Abgeordneten abgelehnt wurde. BILDUNG • Bis zum Jahre 2020 soll es einen Rechtsanspruch auf Ganztagsangebote in Kitas und Schulen geben. • Die Investitionen für die Bildung sollen auf 20 Milliarden Euro im Jahr steigen. FAMILIE • Besonders Familien mit einem Monatseinkommen von weniger als 3000 Euro will die SPD stärker unterstützen. Sie sollen künftig zum Kindergeld einen Kinderzuschlag bis zu 140 Euro erhalten. • Die so genannte Herdprämie wird abgelehnt. Die SPD will sie wieder abgeschaffen. • Anstelle des Ehegattensplittings sollen künftig beide Partner individuell besteuert werden. BÜRGERVERSICHERUNG • Mit einer einheitlichen Bürgerversicherung will die SPD die Trennung in private und gesetzlich Versicherte beenden. Alle sollen künftig etwa 7,6 Prozent ihres Einkommens für diese Versicherung abführen. • Die Finanzierung der Gesundheitsversorgung soll wieder zu gleichen Teilen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern gemeinsam erfolgen. RECHTSEXTREMISMUS • Die NPD soll verboten werden. • Projekte gegen Rechtsextremismus will die SPD unbürokratisch fördern. • Die Maßnahmen von Verfassungsschutz und Polizei gegen Rechtsextremismus sollen streng überprüft werden. Das gilt besonders für den Einsatz von V-Leuten. ■ LH

MEHR BERICHTE GEWÜNSCHT? NEU: DIE VORWÄRTS-APP Viele Artikel, Fotos und Videos vom Parteitag in drei digitalen Ausgaben vorwärts.de PREMIERE

DIE NEUE VORWÄRTSAPP Der Weg zu drei Parteitags-Extraausgaben führt über die vorwärtsInternetseite oder über spd.de – einfach aufs große »V« klicken und den Anleitungen folgen! HERUNTERLADEN: vorwärts.de/app

aus Bayern. Am besten gefielen ihm die 360-Grad-Panoramafotos aus dem Plenum: „Das ist genial und ein absoluter Mehrwert.“ Der Branchendienst „meedia“ urteilte: „Was vorwärts geschafft hat, dürfte viele Verlage neidisch machen... Das... Programm macht auf dem

iPhone eine gute Figur. Das Layout gefällt.“ Über 600 Gäste aus mehr als 50 Ländern waren beim Presseabend des „vorwärts“ zu Gast. Auch die vorwärtsPresselounge war drei Tage lang ein begehrter Ort der Begegnung. ■ MS

FOTOS: UTA WAGNER (2), REUTERS/TOBIAS SCHWARZ, THOMAS TRUTSCHEL

V

ier Seiten Parteitagsberichterstattung sind nicht genug? Bitte: drei App-Sondertitel bieten Fotos, Berichte, Kommentare, Videos, Zitate, Pressestimmen in Hülle und Fülle. Diese papierlosen Ausgaben können auf jedem Tablet-Computer (iPad oder ähnliche) und auf Smartphones wie dem iPhone gelesen werden. Wie geht das? Einfach im Internet auf vorwärts.de/app gehen, auf das App-Symbol – ein großes „V“ – klicken und den Anleitungen folgen. Die vorwärts-Redaktion war dafür buchstäblich Tag und Nacht im Einsatz. Unterstützung erhielt sie von den Jusos aus Wetter an der Ruhr, die als vorwärtsVideoreporter unterwegs waren. Die App-Technik stellt die Deutsche Post bereit. „Die App sieht wirklich schick aus“, staunte Jonas Merzbacher, Delegierter


MEIN ERSTES MAL PARTEITAGSDEBÜT Björn Bösken über den Parteitag

A

ls Neumitglied hat man natürlich seine ganz eigenen Vorstellungen, wenn man sich auf den Weg zu seinem ersten Parteitag macht. Aus den Medien kennt man die Bilder der Redner, doch wie läuft die politische Meinungsbildung ab, wie sieht es hinter den Kulissen aus, und was passiert abseits der großen Bühnen und der Kameras? Schon am ersten Tag merkte ich, dass ich den Aufwand der Veranstaltung doch deutlich unterschätzt hatte. Ein Parteitag ist ja nicht nur ein politisches Entscheidungsorgan. Für mich blieb vor allem ein Bild die ganze Zeit über bestehen: der Bundesparteitag als Ort der Begegnung und des gegenseitigen Austausches.

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ERGEBNISSE DER WAHLEN ZUM PARTEIVORSTAND GÜLTIGE STIMMEN

JA (%)

NEIN

ENTHALTUNGEN

488

447 (91,6 %)

33

8

Hannelore Kraft

493

479 (97,2 %)

7

7

Aydan Özoguz

492

427 (86,8 %)

34

31

Olaf Scholz

496

421 (84,9 %)

39

36

Manuela Schwesig

496

411 (82,9 %)

54

31

Klaus Wowereit

503

442 (87,9 %)

34

27

482

353 (73,2 %)

103

26

469

414 (88,3 %)

35

20

495

435 (87,9 %)

40

20

Parteivorsitzender Sigmar Gabriel Stellvertretende Parteivorsitzende

Generalsekretärin Andrea Nahles Schatzmeisterin Barbara Hendricks Europabeauftragter Martin Schulz

1. WAHLGANG

2. WAHLGANG

GEWÄHLT

Ahnen, Doris

445

1. Wahlgang

Annen, Niels

238

260

2. Wahlgang

Budde, Katrin

200

359

2. Wahlgang

Dulig, Martin

141

227

2. Wahlgang

Engelmeier-Heite, Michaela

260

1. Wahlgang

Ferner, Elke

315

1. Wahlgang

Friedrich, Peter

230

264

2. Wahlgang

Groschek, Michael

323

1. Wahlgang

Heil, Hubertus

295

1. Wahlgang

Kaykin, Zülfiye

275

1. Wahlgang

Kirci, Alptekin

288

1. Wahlgang

Kramme, Anette

270

1. Wahlgang

Lösekrug-Möller, Gabriele

298

1. Wahlgang

Lüders, Nadja

218

244

2. Wahlgang

Maas, Heiko

357

1. Wahlgang

Matschie, Christoph

185

352

2. Wahlgang

Mattheis, Hilde

243

225

2. Wahlgang

Nida-Rümelin, Julian

356

1. Wahlgang

Platzeck, Matthias

390

1. Wahlgang

Poß, Joachim

288

1. Wahlgang

Pronold, Florian

339

1. Wahlgang

Schäfer-Gümbel, Thorsten

378

1. Wahlgang

Schild, Armin

254

1. Wahlgang

Sieling, Carsten

161

298

2. Wahlgang

Stegner, Ralf

290

1. Wahlgang

Vogt, Ute

193

222

2. Wahlgang

Weitere Mitglieder

FOTO: UTA WAGNER

Björn Bösken ist Mitglied der Jusos Wetter (Ruhr), die als vorwärts-Video-Reporter auf dem Parteitag unterwegs war.

Doch auch wenn mein erster Parteitag nun fast vorbei ist, bleiben viele Fragen offen. Obwohl mir verschiedene Delegierte erklärt haben, wie das mit den Leit-, Änderungs- und Initiativanträgen funktioniert, ist mir noch immer nicht ganz klar, wie Entscheidungen am Ende zustande kommen. Ich fände es sinnvoll, wenn auch die „einfachen“ Besucher besser aufgeklärt und der Entscheidungsprozess transparenter gemacht würden. Mehr Transparenz wünsche ich mir auch für den Bereich der Aussteller. Bei vielen der großen Unternehmen, die auf dem Parteitag vertreten sind, frage ich mich nach ihrer Verbindung zur SPD. Insgesamt nehme ich also viele neue Eindrücke und Ideen mit nach Hause. Mir ist deutlich klarer geworden, wie die Strukturen innerhalb unserer Partei funktionieren. Viele Themen, die in den Medien zur Sprache kommen, werden in den Generaldebatten und bei Aussprachen auf dem Parteitag angesprochen. Ich finde, jeder, der Interesse an sozialdemokratischer Politik hat, sollte mal an einem Parteitag teilnehmen und diese Erfahrungen sammeln. Ich freue mich jedenfalls schon jetzt darauf, viele Gesichter in zwei Jahren wiederzusehen. Nur auf eines könnte ich bei meinem nächsten Parteitag verzichten: auf einen neuen Farbwechsel.■


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PA R T E I L E B E N !

12/2011-01/2012 vorwärts

Albrecht Schröter: „Die Tendenz zur Verharmlosung und die Gleichmacherei von Links- und Rechtsextremismus haben zu einer Bagatellisierung geführt. Das ist gefährlich.“

DER DEMOKRATIEVERTEIDIGER ALBRECHT SCHRÖTER Jenas Oberbürgermeister engagiert sich seit Jahren gegen Neonazis. Jetzt hat er dafür den »Preis für Zivilcourage gegen Rechtsradikalismus und Rassismus« erhalten Von Marisa Strobel

PORTRÄT

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Wenn ich mich einmal positioniert habe, stehe ich auch dazu. Und in der Frage Rechtsextremismus ohne jeden Kompromiss. Albrecht Schröter

«

Nicht auf Erreichtem ausruhen ist offenbar eine Maxime des 56-Jährigen, schließlich gibt es Wichtigeres zu klären. Zum Beispiel, wie weit die Planung für den Protest gegen die alljährliche Neonazi-Demonstration in Dresden im Februar 2012 ist. Und wie Jena auf die Schlagzeilen über die Herkunft der Zwickauer Terrorzelle reagieren soll. Der Pressewirbel um die drei in Jena geborenen Neonazis, die jahrelang im Untergrund gelebt und gemordet haben, passt nicht zum Selbstverständnis der Stadt. Doch Schröter ist überzeugt: Jena hat sich in den letzten zehn Jahren einen starken Ruf gegen Rechtsextremismus erworben. Die Sorge um Jenas Image ist bei einigen Teilnehmern am „Runden Tisch“ trotzdem zu spüren. Man will nicht als „braunes Nest“ dargestellt werden, den Nazis dadurch gar einen „späten Triumph gönnen“. Oberbürgermeister Schröter setzt sich seit langem gegen Rechts ein. Als Sozialdezernent hat er 2001 das Jenaer

„Stadtprogramm gegen Fremdenfeindlichkeit, Rechtsextremismus, Antisemitismus und Intoleranz“ mit auf den Weg gebracht. Seine Meinung äußert er ohne Rücksicht auf seine Karriere.

In der DDR war er Außenseiter Ein Rebell ist Schröter aber nicht, nur überzeugt von seiner Sache und in dieser Hinsicht angenehm geradlinig. In seiner Biografie finden sich keine Brüche, nicht einmal in jungen Jahren. In der DDR war er von kleinauf Außenseiter: Der Pfarrerssohn war weder Pionier noch in der FDJ noch in einer Partei. Er wollte kein Teil des Regimes sein. Weil er sich kritisch über den DDR-Staat äußerte, wurde ihm das Abitur verweigert – aus politischen Gründen. Nach einer Studienreifeprüfung 1974 konnte Schröter trotzdem studieren und wurde evangelischer Pastor, wie sein Vater. War er als Jugendlicher durchaus „kritisch und ein bisschen aufmüpfig“, so würde er sich heute nicht als Provoka-

FOTO: ROGER HAGMANN

E

s ist kurz nach 17 Uhr, als Oberbürgermeister Albrecht Schröter in den Saal platzt. Er hat sich verspätet, wie so häufig. Der „Runde Tisch für Demokratie“, dem er heute beisitzen wird, tagt bereits. Zielstrebig eilt er zu seinem Platz. In den Händen hält Schröter ein flaches Paket. Er reißt das Papier herunter, stellt einen großen Bilderrahmen auf den Tisch und sagt: „Hiermit übergebe ich den ‚Preis für Zivilcourage gegen Rechtsradikalismus und Rassismus’ an alle Bürgerinnen und Bürger Jenas, die sich den Neonazis entgegenstellen.“ Danach stellt er das Bild zur Seite und geht zur Tagesordnung über. Eine Inszenierung der Übergabe für die anwesende Presse bleibt aus. Ungewöhnlich wie erfrischend – und zielgerichtet. Den Preis hat Schröter einige Tage zuvor in Berlin erhalten, verliehen vom Förderkreis des Denkmals für die ermordeten Juden Europas und der Jüdischen Gemeinde zu Berlin.


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vorwärts 12/2011-01/2012

Kai SchlĂźter (Hg.)

GĂźnter Grass auf Tour fĂźr Willy Brandt

Die legendäre Wahlkampfreise 1969

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Runder Tisch: OB SchrÜter berät ßber die Reaktion der Stadt auf die Jenaer Rechtsterroristen

teur bezeichnen: „Ich bin eher auf Ausgleich bedacht. Nur in der Sache, da bin ich klar. Wenn ich mich einmal positioniert habe, stehe ich auch dazu. Und in der Frage Rechtsextremismus ohne jeden Kompromiss“, sagt er Ăźber sich selbst. Die aktuelle Diskussion sieht der heutige OberbĂźrgermeister denn auch als Chance: „Wir sollten ins Auge fassen, dass in der Vergangenheit bestimmte Dinge nicht ernst genommen worden sind und was wir daraus lernen kĂśnnen.“ Und er liefert ein Beispiel, das ihn seit Jahren stĂśrt: „In den 1990er Jahren ist meiner Meinung nach nicht hart genug durchgegriffen worden. Diese Tendenz zur Verharmlosung und die Gleichmacherei von Links- und Rechtsextremismus haben letztlich zu einer Bagatellisierung gefĂźhrt. Das ist gefährlich“, warnt er. Im Kampf gegen Rechts reichen staatliche Strukturen allein nicht aus. Das war schon in der DDR so – Neonazis gab es in der DDR ja offiziell nicht –, und auch heute noch gilt fĂźr SchrĂśter: Nur wenn sich viele gemeinsam einsetzen, kann man etwas erreichen. In

Kai SchlĂźter

seiner Funktion als OberbĂźrgermeister sind ihm da eher die Hände gebunden: Als Leiter der VersammlungsbehĂśrde www.christoph-links-verlag.de ist er zu Neutralität verpflichtet. Auf Demonstrationen geht er deshalb als Privatmensch. Als OberbĂźrgermeister aber ruft er die Jenaer zu solchen Gegendemonstrationen auf. 2010 hat er dafĂźr eigens die Initiative „Kommunen gegen Rechtsextremismus“ gegrĂźndet. Hier unterstĂźtzen BĂźrgermeister wann immer mĂśglich ihre Kollegen bei Aktionen gegen Nazis. „Ich habe auf diese Weise schon mehrfach in Dresden demonstriert, in Chemnitz, in Erfurt – in einer ganzen Reihe von Orten“, berichtet er.

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GĂźnter Grass im Visier Die Stasi-Akte

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Kai SchlĂźter

gerät GĂźnter Grass ins Visier des Ministeriums fĂźr Staatssicherheit, die ihn als ideologischen Gegner ausmacht und bis zum Herbst engmaschig Ăźberwacht. Grass beharrt auf der Einheit der deutschen Literatur, kritisiert die Zensur, hilft unterdrĂźckten Schriftstellerkollegen, fordert AbrĂźstung und Umweltschutz in Ost und West – um den Preis, dass seine BĂźcher Jahrzehnte in der nicht erscheinen dĂźrfen. Seiten Akten legen Zeugnis ab vom Kontrollwahn des Geheimdienstes der , offenbaren die Mechanismen der Ăœberwachung, aber auch die Wege, sie zu umgehen. Der vorliegende Band macht das schwer auffindbare und verstreut archivierte Material erstmals zugänglich, ordnet es chronologisch und thematisch. GĂźnter Grass selbst sowie viele Autorenkollegen und Zeitzeugen liefern mit ihren Kommentaren aufschlussreiche Hintergrundinformationen. Ein Dokument deutscher Literatur- und Zeitgeschichte.

GĂźnter Grass im Visier

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blick nach rechts

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Die Rache der Nazis

Mit Sitzblockaden hat SchrĂśter vor einigen Jahren ein besonders wirksames blick nach rechts – Mittel gegen Neonazis entdeckt. 2007 der Online-Informationsdienst fĂźr behinderten 3000 Jenaer das rechtsalle, die sich gegen Rechtsextremismus extreme „Fest der VĂślker“ mit ihrem und gegen rechte Gewalt, gegen Streik so erfolgreich, dass seither keine Neonazis, gegen Rassismus und grĂśĂ&#x;eren Nazi-Aufmärsche mehr in Jena Antisemitismus stellen. stattfanden. SchrĂśters Engagement ist echt und www.bnr.de nicht bloĂ&#x; Modeerscheinung im Zuge aktueller Ereignisse. UnermĂźdlich fordert er ein NPD-Verbot: „Weil sie dem Ungeist huldigt, der Deutschland ins99x76_BNR_Anzeige.indd 1 30.11.11 UnglĂźck gestĂźrzt hat. Und niemand will diesen Geist wieder beleben bis auf ein Die Berliner SPD trauert um ihren ehemaligen Mitarbeiter paar, die meinen, die Demokratie aushebeln zu mĂźssen.“ So viel Einsatz gegen Rechts ist nicht * 5. November 1942 †19. November 2011 ganz ungefährlich: „Wenn man sich engagieren will, muss man sich entscheiGeradlinig und stets mit Beharrlichkeit und Kompetenz wirkte Jobi den zum Mut. Nazis sind aggressiv und als GeschäftsfĂźhrer der SPD SchĂśneberg, als Betriebsratsvorsitzender rachsĂźchtig. Aber so gefährlich, dass der Berliner SPD und als Bezirksverordneter. keiner sich mehr traut, ist es nicht.“ Ăœber 40 Jahre hielt er seiner Partei die Treue. Ein Ăźberzeugter Ihm selbst sei noch nichts passiert. Nur Sozialdemokrat, der auch sein ganzes berufliches Leben im vergangenen Jahr, da gab es einen der Partei gewidmet hat. Wir werden sein Andenken ehren. Vorfall. Zwei Neonazis hatten auf sein

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FOTOS: ROGER HAGMANN, ALBRECHT SCHRĂ–TER

Joachim Biller

Nazis beeschmierten SchrĂśters Haus

Privathaus sein Konterfei gesprĂźht zusammen mit dem Spruch: „Wanted – Dead or alive“. Die Täter hat man gefasst. SchrĂśters Aufgabe ist damit noch lange nicht beendet. â– [ B7UDXHUB-RDFKLPB%LOOHU LQGG

Michael MĂźller Vorsitzender der Berliner SPD


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Dresdner Parteitag 2009: Erhard Eppler überzeugt mit seiner viel beachteten Rede über das Scheitern des Marktradikalismus.

SEINER ZEIT VORAUS ERHARD EPPLER Seit den 60er Jahren weist er der SPD den Weg: als kluger Vordenker, unbequemer Mahner und linker Pragmatiker – als moralische Instanz. Am 9. Dezember wird er 85 Jahre alt Von Sigmar Gabriel

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4 Er kämpft für seine Überzeugungen: Erhard Eppler 1976 mit Willy Brandt auf dem Dortmunder SPD-Parteitag (1), 1981 bei der Bonner Nachrüstungsdemo mit Heinrich Böll und Uta Ranke-Heinemann (2), 1983 bei der Blockade des USRaketendepots in Mutlangen (3) und 2009 auf dem Dresdner SPD-Parteitag (4).

und Misserfolge, Vorzüge und Nachteile, muss innerhalb jedes Systems möglich sein.“ Weil sich die SED nicht an diesen Grundsatz hielt, war es Erhard Eppler, der ihr in einer Rede vor dem Bundestag am 17. Juni 1989 vorhielt, dass ihre Demokratieverweigerung auf Dauer die Existenz der DDR infrage stellen werde. Es ist unangemessen, Erhard Epplers Beitrag zur politischen Debatte nur in der Vergangenheitsform zu würdigen. Scharfsinnig kritisiert er heute den lange dominanten staatsverachtenden Marktradikalismus. Gegen die Verwüstungen einer ungebremsten Ökonomisierung verteidigt er die zivilisierende Kraft des Staates. Gegen die Utopie vom wohltätigen Wettbewerb der Eigennützigen setzt er die sozialdemokratische Idee der solidarischen und demokratischen Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten. Erhard Eppler bleibt dabei Pragmatiker. Wo andere auf der Linken vom Schlaraffenland des bedingungslosen Einkommens träumen, wirbt er für eine solidarische Leistungsgesellschaft. Auch hier steht er fest in der Tradition der Arbeiterbewegung. Erhard Eppler prägte Mitte der 70er Jahre den Begriff des Wertkonservatismus: die Bewahrung der Natur, eine humane und solidarische menschliche Gemeinschaft und eine Politik, die sich für Wert und Würde des Einzelnen einsetzt. Dieser Wertkonservatismus ist heute in der Sozialdemokratie zu Hause. Ich bin sicher: Erhard Eppler wird auch in Zukunft dafür sorgen, dass dies so bleibt. ■

FOTOS: DDP IMAGES/AP (2), IMAGO, PICTURE ALLIANCE/KLAUS ROSE, PICTURE ALLIANCE/DPA

er Sozialdemokrat Erhard Eppler bekleidete viele Funktionen. Er war Minister bei Schmidt und Brandt, Landesvorsitzender in BadenWürttemberg, SPD-Präsidiumsmitglied, Kirchentagspräsident und einiges mehr. Dennoch nimmt ihn die Öffentlichkeit kaum als Politiker wahr. Vor- oder Querdenker: Diese Charakterisierungen tauchen immer wieder auf für einen Mann, dessen politischer Einfluss nun schon weit über seine aktive Zeit als Politiker hinausreicht. Erhard Eppler war stets eine intellektuelle und eine moralische Instanz. Am 9. Dezember wird er 85 Jahre alt. Erhard Eppler ist ein Mann mit Grundsätzen. Man darf ihn als unerschütterlich bezeichnen, aber sicher nicht als starr. Eppler verfügt über eine außerordentliche Bildung. Sie hat ihn zeitlebens intellektuell wach und beweglich gehalten und ihn befähigt zu einem konstruktiven, zielgerichteten Pragmatismus. Epplers erstaunliche Energie und Beharrlichkeit erlaubten ihm, auf vielen Interessengebieten Beiträge auf der Höhe der Zeit und darüber hinaus zu leisten. Erhard Eppler kann man in der Kombination dieser Eigenschaften getrost als einmalig bezeichnen. Die SPD, die manchmal mit ihm haderte, war doch stets froh, einen wie ihn in ihren Reihen zu wissen. Es ist schwer, Erhard Epplers Beitrag zur programmatischen Entwicklung der SPD gerecht zu werden. Oft war er seiner Zeit voraus. Das machte ihn zu einem wichtigen Antreiber der SPD. Eppler drängte schon in den 1970er Jahren zur Achtsamkeit gegenüber den natürlichen Ressourcen. Er formulierte einen neuen Wachstumsbegriff, bevor es eine Umweltbewegung gab. Erhard Eppler lehnte die Kernenergie ab, bevor es Demonstrationen gegen sie gab. Seine Beiträge zur Friedenspolitik gehen der Friedensbewegung voraus. Aber er war weit mehr als nur ein Mahner und ein politischer Autor: Eppler hat als Vorsitzender der Grundwertekommission der SPD das Berliner Programm entscheidend geprägt, das Sozialdemokratie und neue soziale Bewegungen versöhnte. Er verband auch hier Zeitanalyse und politisches Handeln. Mitte der 1980er Jahre nahm Erhard Eppler mit der Grundwertekommission das schwierige Gespräch zwischen SPD und SED auf. Für das 1987 vorgestellte Grundsatzpapier von Sozialdemokraten und Kommunisten feindeten die westdeutschen Konservativen Eppler heftig an. Sie übersahen dabei, dass es ihm gelungen war, der SED die Anerkennung von universell gültigen Bürgerrechten abzuringen. Die SED stellte damit unbeabsichtigt ihren Anspruch auf ein Wahrheitsmonopol infrage. Erschüttert hat ihr Regime vor allem dies: „Die offene Diskussion über den Wettbewerb der Systeme, ihre Erfolge


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SARDINENBÜCHSE HÖRSAAL

GROSSE KUNST IN RHEINSTETTEN Dieter Hildebrandt war schon mehrmals hier. Erhard Eppler und Matthias Deutschmann kommen 2012. Sie fahren nach Rheinstetten, in eine Stadt mit gerade einmal 20 000 Einwohnern. Warum? Weil hier die „KiR“-Bühne steht. „Kunst in Rheinstetten“ ist ein Kulturprojekt, das von Genossen des SPD-Ortsvereins Rheinstetten betrieben wird. In diesem Jahr feiert die Bühne ihr 25. Jubiläum. Seit 1986 engagiert sich das Projekt dafür, Kultur zu erschwinglichen Eintrittspreisen in die Stadt am Rhein zu holen. ■ CFH

PREIS FÜRS EHRENAMT Der SPD-Ortsverein Sendling hat den Bürgerpreis für soziales Engagement 2011 an Ingeburg und Gerda Bertl verliehen. Die 80-jährige Rentnerin und ihre Tochter sind bereits seit Jahren in Sportvereinen, Schulen und Kirche ehrenamtlich tätig. So hat Ingeburg Bertl vor 25 Jahren eine Kinderturngruppe ins Leben gerufen und kümmert sich seitdem um die Organisation. Auch Gerda Bertl, inzwischen selbst dreifache Mutter, packt mit an und organisiert als Mitglied diverser Elternbeiräte Bazare und Feste. ■ MS

„Drängelst Du noch? Oder studierst Du schon?“ lautet die Frage an Hessens Studenten. Im November haben die hessische SPD-Fraktion und die JusoHochschulgruppen die Aktion „Genug gekuschelt! Sag uns Deine Meinung!“ gestartet. Denn die Studienbedingungen haben sich erneut verschlechtert: Mit rund 34 600 Studienanfängern sind elf Prozent mehr eingeschrieben als 2010. Statt die Kapazitäten an den Hochschulen auszuweiten, hat die hessische Landesregierung den Uni-Etat um 30 Millionen Euro gekürzt. „Wir wollen wissen, was die Studenten stört. Je mehr Rückmeldungen wir bekommen, desto besser können wir Druck machen“, sagt SPD-Fraktionsvorsitzender Thorsten Schäfer-Gümbel. ■ MS

225 JAHRE SPD-TREUE Sowohl die SPD im hessischen Ober-Mörlen als auch im rheinland-pfälzischen Rammelsbach hatten dieser Tage besondere Jubiläen zu feiern – ein Rechenexempel: Zusammen 100 Jahre sind die beiden Hessen Georg Bell und sein Sohn Walter Parteimitglied. Ein ähnliches Jubiläum feierten auch die Rammelsbacher: Mitglied Richard Kreutz wurde zum 60. Beitragsjahr geehrt, sein Sohn Wolfgang zum 35. und Richards Gattin Ilse Kreutz hatte bereits im vergangenen Jahr ihre Ehrung für 30 Jahre Mitgliedschaft. Zusammengerechnet ist Familie Kreutz weit mehr als ein Jahrhundert lang Teil der SPD, nämlich 125 Jahre. Zwei Familien-Jubiläen, die geballte 225 Jahre SPD-Treue ergeben. ■ MS

NÜRNBERGER HELDEN

12. DEZEMBER Diskussion „Bierzelt oder Blog? – Politik im Zeitalter digitaler Medien“, mit Björn Böhning, SPD, Autor Andreas Elter und Bernd Schlömer, Piratenpartei, Hamburg, JuliusLeber-Forum, 19 Uhr hamburg@fes.de 13. DEZEMBER Buchvorstellung „Eine solidarische Leistungsgesellschaft. Epochenwechsel nach der Blamage der Marktradikalen“, mit Autor Erhard Eppler, Bundesminister a.D., Göppingen, 18 Uhr beate.wojzich@fes.de BIS 8. JANUAR Fotoausstellung „Ein Traum von Theater – Sibylle Bergemanns Jahre mit dem Theater RambaZamba“, Berlin, Willy-Brandt-Haus freundeskreis-wbh.de

66 Namen sind in die Gedenkstele gemeißelt, die neuerdings vor dem Karl-Bröger-Haus der Nürnberger SPD steht. Damit erinnert die Partei an die Frauen und Männer, die zwischen 1933 und 1945 ihren Einsatz für demokra-

tische Werte mit Folter, Haft oder gar mit dem Leben bezahlen mussten. So zum Beispiel der Kreis Nürnberger Sozialdemokraten, deren Mitglieder für die illegale Verbreitung des ab 1933 im Exil gedruckten „Neuen Vorwärts“ verurteilt wurden. Zu ihnen gehörte auch Johann Prölß, dessen Enkel Willy Prölß (l.) am Festakt zur Übergabe des Denkmals teilnahm. ■ MS

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15.11.2011

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BEITRAGSANPASSUNG ZUM 1. JANUAR 2012 Der aktuelle Rechenschaftsbericht der SPD für das Jahr 2010 liegt vor. Die Beiträge und Spenden unserer Mitglieder machen, wie in den Vorjahren, wieder knapp die Hälfte der Einnahmen der SPD aus. Weitere wichtige Einnahmequellen waren die Mittel aus der staatlichen Teilfinanzierung und die Einnahmen aus der Unternehmertätigkeit und dem Vermögen der SPD. Der Anteil von Firmenspenden an den Gesamteinnahmen betrug 2010 lediglich zirka 1 Prozent. Seit 2003 trägt die vom Parteitag beschlossene regelmäßige Anpassung der Mitgliedsbeiträge zu unserer Unabhängigkeit bei. Die Beitragseinnahmen als finanzielle Basis können so relativ stabil gehalten

werden. Dafür bedankt sich die Schatzmeistern Barbara Hendricks im Namen des Parteivorstandes ganz ausdrücklich. Zum 1. Januar 2012 sollen die Beiträge um 3 Prozent erhöht werden. Die Empfehlung des Parteivorstandes orientiert sich am Durchschnitt der Veränderung des verfügbaren Einkommens im Jahre 2010 gegenüber dem Jahr 2009. Mitglieder, die einen Beitrag von 2,50 Euro zahlen oder ihren Beitrag zum 1. Januar 2012 geändert haben, sind von der Anpassung ausgenommen. Darüber hinaus können Mitglieder, die sich nicht an der Anpassung beteiligen können oder möchten, der Anpassung widersprechen – formlos bei jeder Geschäftsstelle. ■

In der November-Ausgabe

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wollten“, tut sich wenig. Die Attendorner treiben andere Dinge um. „Wie wollen die Griechen ihre Schulden jemals zurĂźckzahlen?“, fragt einer. „Wann werden die Finanzmärkte endlich reguliert?“, ein anderer. „Europa wird nicht richtig verstanden“, sagt Wolfgang Langenohl. „Deshalb mĂźssen wir mehr Ăźber Europa reden. DafĂźr haben wir diese Veranstaltung organisiert.“ Langenohl ist seit acht Monaten Vorsitzender des OV Attendorn. „Näher dran“ zu sein ist eines der Ziele, die sich der Ortsverein selbst gesetzt hat. Ende April, kurz nach Langenohls Wahl, hat sich der Vorstand zu einer Klausur zurĂźckgezogen und so etwas wie ein Leitbild erarbeitet. Ein Ziel: Die SPD soll „stärker“ werden und bei der nächsten Kommunalwahl 2014 20 der 38 Stadtratssitze erobern. Im Moment hat sie 14. Der OV soll auch „jĂźnger“ und „weiblicher“ werden. Zu guter Letzt soll er mehr Mitglieder bekommen, aktuell sind es 141. „Wir wollen 250 werden“, sagt Wolfgang Langenohl. „Man muss sich groĂ&#x;e Ziele setzen.“

„Sind wir noch zu retten?“ Die Mitglieder der SPD Attendorn informieren die BĂźrger – nicht nur Ăźber Europa.

STĂ„RKER, JĂœNGER, MEHR SPD ATTENDORN Im tiefschwarzen Sauerland behaupten sich die Sozialdemokraten mit viel BĂźrgernähe. FĂźr die kommenden Jahre hat sich der Ortsverein groĂ&#x;e Ziele gesetzt Von Kai Doering OV-PORTRĂ„T

A

n einem nebligen Abend Ende November ist die Finanzmarktkrise im sĂźdlichen Sauerland angekommen. Ein Saal in der Stadthalle von Attendorn ist vorweihnachtlich geschmĂźckt. Doch die Gesichter der Menschen, die an den Tischen sitzen, sind ernst. „Europa in der Krise“ lautet der Titel der Veranstaltung, wegen der sie hier sind. Eingeladen hat der SPD-Ortsverein Attendorn. „Sind wir noch zu retten?“ fragt er im Untertitel. Beant-

Wahlkampf nach der Wahl

worten soll diese Frage Birgit Sippel. Sie sitzt seit 2005 im Europaparlament. Die 25 000-Einwohner-Stadt Attendorn zwischen Siegen, KĂśln und Dortmund gehĂśrt zu ihrem Wahlkreis. „Es gibt keine Eurokrise“, versucht Sippel zu erklären, „sondern eine Schulden- und Finanzmarktkrise“. An den ernsten Gesichtern ändert das nichts. Und auch als die Abgeordnete darauf hinweist, dass „Europa nicht deshalb entstanden ist, weil die Länder eine gemeinsame Währung haben, sondern in Frieden leben

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„Wir haben ja auch schon mal einen so hohen Mitgliederstand gehabt“, hakt JĂźrgen Meise ein. „Wegen der Agenda 2010 und vieler Sterbefälle sind wir aber zusammengeschrumpft.“ Meise ist ein Urgestein der Attendorner SPD: 35 Jahre im Stadtrat und zehn Jahre OV-Vorsitzender. Zum 100-jährigen Jubiläum des Ortsvereins 1996 hat er eine „kleine Geschichte der Attendorner SPD“ herausgegeben. „Hier sind manche Wahlkreise schwarz wie die Nacht“, beschreibt Meise die Gegend. Bei der Kommunalwahl allerdings schneidet die SPD regelmäĂ&#x;ig besser ab. 2009 erhielt sie knapp 37 Prozent der Stimmen. „Es ist wichtig, persĂśnlich präsent zu sein“, sagt Wolfgang Langenohl. Die SPD verteilt deshalb an alle Haushalte viermal im Jahr den „attendorner Sozialdemokrat (aS)“, eine 6-seitige Zeitung, in der sie Ăźber die Arbeit der Attendorner Genossen berichtet. Im Sommer hat der OV schon zum fĂźnften Mal Alleinerziehende und ihre Kinder zu einer Fahrt in einen nahen Freizeitpark eingeladen – Eintritt und Verpflegung fĂźr die rund 50 Teilnehmer inklusive. „Wir mĂźssen verstehen, dass es wichtig ist, nicht nur ein paar Wochen vor der Wahl aktiv zu sein, denn der eigentliche Wahlkampf beginnt direkt nach der Wahl“, sagt Langenohl. Und so plant der OV Attendorn schon fleiĂ&#x;ig fĂźr das kommende Jahr. „Dann wollen wir auch mit einer Gruppe nach BrĂźssel fahren“, verrät Parteichef Langenohl. Dort kĂśnnen die Attendorner dann persĂśnlich nachfragen, ob sie noch zu retten sind. â–

FOTO: KAI DOERING

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ICH WÜNSCHE MIR… ZUM JAHRESWECHSEL Was nehmen sich prominente Sozialdemokraten für 2012 vor? Der »vorwärts« hat nachgefragt »Nur politisch an Gewicht zuzunehmen!« Sigmar Gabriel SPD-Parteivorsitzender

»Der Norden muss wieder ganz in SPD-Hand. Deshalb habe ich mir für 2012 vorgenommen, die Genossinnen und Genossen und Torsten Albig bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein zu unterstützen. Und 2013 ist dann Niedersachsen dran.« Manuela Schwesig Stellvertretende SPD-Parteivorsitzende

»Viele Kinderliederstrophen textsicher auswendig lernen – und nicht nur die ersten Zeilen. Meine Tochter wird’s freuen – hoffe ich jedenfalls.« Andrea Nahles SPD-Generalsekretärin

»Ich möchte auch im neuen Jahr frohgemut bleiben und möglichst viele damit anstecken.« Matthias Platzeck Ministerpräsident von Brandenburg

»Ich verbinde gute Vorsätze grundsätzlich nicht mit dem Jahreswechsel.« Hannelore Kraft Ministerpräsidentin von NRW

»Eigentlich sollte ich wirklich regelmäßig Sport treiben…« Barbara Hendricks SPD-Schatzmeisterin

»Dass es uns gelingt, im kommenden Jahr wieder mehr Stabilität und Zuversicht in und für Europa zu erreichen.«

MONTAGE: VORWÄRTS; FOTOS: DIRK BLEICKER (9), DPA; ILLUSTRATION: SABINE HECHER

Klaus Wowereit Regierender Bürgermeister von Berlin

»Ich will 2012 meinen ersten Marathon laufen.« Astrid Klug SPD-Bundesgeschäftsführerin

»Nichts überzeugt mehr als das persönliche Gespräch, weshalb ich auch 2012 weiter jede Gelegenheit nützen möchte, um für Vielfalt und Respekt in einer menschenfreundlichen Welt einzutreten und zu werben – und dabei Zeit für Familie und Freunde nicht zu kurz kommen zu lassen.« Jens Böhrnsen, Bürgermeister von Bremen

»Ich habe mir vorgenommen, auch 2012 anständige Regierungsarbeit für Rheinland-Pfalz abzuliefern und mir meine positive Grundhaltung zu bewahren – auch wenn einem die aktuelle Bundesregierung das mit der positiven Grundhaltung wirklich schwer macht.« Kurt Beck, Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz


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CDU WEITER GEGEN MINDESTLOHN Auf ihrem Parteitag in Leipzig hat die CDU sich gegen die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns ausgesprochen. Stattdessen sollen für bestimmte Branchen und Regionen separate Lohnuntergrenzen festgelegt werden können. „Die CDU verkauft als Fortschritt, was längst geltendes Recht ist“, kommentiert die arbeits- und sozialpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Anette Kramme. Die CDU halte Stundenlöhne von vier Euro für akzeptabel. Diese seien aber unmenschliches Lohndumping, egal in welcher Branche und in welchem Bundesland. ■ CFH

Serienkiller: die Rechtsterroristen Uwe Böhnhardt (4.v.l) und Uwe Mundlos (r.), 1996 in Erfurt

BRAUNEN TERROR STOPPEN NEONAZIS SPD fordert Durchgreifen gegen Rechts

A

ls Reaktion auf die Mordserie der Gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) will die SPD-Bundestagsfraktion den Kampf gegen Neonazis verschärfen. Sie unterstützt einen Beschluss der Justiz- und Innenminister von Bund und Ländern, eine Verbunddatei für Rechtsextremisten zu schaffen. Dort sollen die verschiedenen Behörden rechtsextreme Gewalttäter gemeinsam und zentral erfassen. Ebenso spricht sich die SPD für ein „Abwehrzentrum Rechts“ aus, an dem das Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz beteiligt werden sollen.

„Der Rechtsextremismus ist in Deutschland systematisch unterschätzt worden“, beklagt der SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Oppermann ist auch Vorsitzender des parlamentarischen Kontrollgremiums, das die Geheimdienste des Bundes überwacht. Er fordert, dass die Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern künftig besser zusammenarbeiten. Auch müssten die Länder prüfen, ob es sinnvoll ist, einzelne Länderbehörden zusammenzulegen. Die Innenminister von Bund und Ländern fordert Oppermann auf, einen „Masterplan für ein NPD-Verbotsver-

K

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Das ist ein Angriff auf uns alle, auf das demokratische Gemeinwesen selbst.

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Frank-Walter Steinmeier, Vorsitzender der SPDFraktion, über die Morde der Neonazi-Bande.

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Auf dem Marsch in den Schuldenstaat: Merkel nach der Etatdebatte

»STEUERSENKUNG AUF PUMP« Laut dem Bundeshaushalt für 2012 wird der Bund im kommenden Jahr mehr Schulden als 2011 aufnehmen, obwohl die Steuereinnahmen dank der guten Konjunktur steigen. „Ein Armutszeugnis für die Koalition“, meint der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion Carsten Schneider. Hinzu kommt, dass die Regierungskoalition ab 2013 auch noch die Einkommenssteuer senken will. „Eine Steuersenkung auf Pump“, stellt Schneider fest. Aus Sicht der SPD-Fraktion völlig unsinnig ist auch die Fernhalteprämie (Betreuungsgeld), die ab 2013 gezahlt werden soll. Statt notwendige Kita-Plätze zu schaffen, wird der Bund dann zwei Milliarden Euro jährlich an Eltern verteilen, die ihre Kinder zuhause betreuen. ■ CFH

Das Wörterbuch der Politikverdrossenheit Der »Kleine Mann«

Kleine Leute auf der einen Seite und Hohe Tiere auf der anderen, der Kleine Mann hier und die Große Politik dort – bittere Erfahrung von starrer gesellschaftlicher Ungleichheit steckt in solchen Bildern. Wer so über sich selbst redete, protestierte auf ganz bescheidene Weise gegen das Kleingemachtwerden. Hans Falladas Roman „Kleiner Mann, was nun?“ von 1932 beschreibt diese Zustände und ihre Zeit. Der Kampf dafür, dass Menschen aus kleinen Verhältnissen alles werden, alles aus sich machen, überall mitbestimmen können, ist wahrlich noch nicht zu Ende. Aber die alte Frontstellung des machtlosen „Mannes auf der Straße“ gegenüber einer hermetischen, gewalttätigen Obrigkeit gehört nicht mehr in unsere demokratische Zeit. Wer aus gutem Grund mehr Selbstbestimmung, mehr Chancen, mehr Gleichheit, mehr Teilhabe für alle verwirklichen will, muss heute auch darauf achten, dass Menschen sich nicht – aus alter Gewohnheit – selbst klein machen oder einreden lassen, sie seien „klein“. ■ Der Autor Hans-Peter Bartels ist seit 1998 Mitglied des Bundestages. Weitere Beispiele auf vorwärts.de/woerterbuch

FOTOS: DDP IMAGES/DAPD/PRIVAT, PICTURE ALLIANCE / DPA/ RAINER JENSEN (2)

IM BLICKPUNKT

fahren“ zu entwickeln. Dazu gehöre, die V-Leute des Verfassungsschutzes aus Funktionen in der NPD geordnet abzuziehen. Der Hintergrund: Im Jahr 2003 war ein Verbotsverfahren gegen die NPD gescheitert, weil der Verfassungsschutz nicht offenlegen wollte, welche NPD-Funktionäre als V-Leute für ihn arbeiten. „Mit ihrem staatlichen Spitzellohn finanzieren die V-Leute rechtsradikale Aktivitäten“, stellt Oppermann fest. Gleichzeitig verhindere der Einsatz der V-Leute ein Verbot der NPD. Beides sei unerträglich und dürfe nicht weiter hingenommen werden. Brisant: Erst kürzlich hatte die schwarz-gelbe Koalition beschlossen, die Mittel für die politische und gesellschaftliche Arbeit im Bundeshaushalt um zwei Millionen Euro zu kürzen. Diese Mittel fließen vor allem an Initiativen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren. Nach massiver Kritik, unter anderem aus der SPD, nahm die Regierung die Kürzungen nun wieder zurück. „Wir brauchen präventive Arbeit, die dem gesellschaftlichen Umfeld des Rechtsextremismus den Boden entzieht“, betont die stellvertretende SPDFraktionsvorsitzende Christine Lambrecht. SPD-Chef Sigmar Gabriel schlägt deshalb vor, eine Bundesstiftung für demokratische Kultur zu gründen. Damit könnten Initiativen gegen Rechtsradikalismus langfristig und unbürokratisch finanziert werden, begründet Gabriel seinen Vorschlag. ■ CFH


Werden Sie jetzt Zukunftsentwickler! Weihnachtszeit – Zeit der Besinnung. Vielleicht denken Sie auch darüber nach, wie viele Men schen auf dieser Welt von Hungersnot, Krieg und Naturkatastrophen bedroht sind. Durch Ihr persönliches Engagement können Sie dazu beitragen, Not und Armut zu lindern. Wir in der Entwicklungszusammenarbeit bieten Ihnen viele MitMachMöglichkeiten – hier bei uns in Deutschland oder direkt in einem Entwicklungsland. Engagieren Sie sich – werden Sie jetzt Zukunftsentwickler! Informieren Sie sich unter www.bmz.de/engagement. Ich freue mich auf Ihre Unterstützung! Ihr

Dirk Niebel Bundesentwicklungsminister

TAG FÜR TAG mehr Zukunftsentwickler


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ZURÜCK ZUR STADT – NUR WIE? HANS STIMMANN Immer mehr Menschen wollen in der Stadt leben, in individueller kleinteiliger Architektur. Der Staat sollte daher seine Grundstücke preisgünstig zur Verfügung stellen.

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ie Bürger zieht es zurück in die Städte. Ihre Ansprüche sind, gemessen am Maßstab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, individueller, sie leben in kleinen Haushalten, verzichten auf das Auto und pflegen urbane Lebensstile. Ihre Wünsche erfüllt schon lange nicht mehr die perfekte Wohnmaschine in einer Großsiedlung, sondern oft das städtische Haus. Stadtentwicklungspolitik muss darauf reagieren und neue Antworten geben. Mit der SPD verbindet sich das Engagement für bessere Wohnungen zu günstigen Mieten in neuen Siedlungen. Ziel war die „Lösung der Wohnungsfrage“ (F. Engels) für die Arbeiter und Angestellten der Industriegesellschaft. In den Jahrzehnten nach 1945 kam die Vorstellung hinzu, die Stadt autogerecht zu gestalten. Für diese Ziele wurden Altstädte und Gründerzeitquartiere abgerissen, um neue Siedlungen und ab 1960 Großsiedlungen zu bauen. Für diese Formen des sozialen Massenwohnungsbaues bedurfte es zuvor der ‚Lösung der Bodenfrage‘, d. h. die Überführung privaten Grundbesitzes in kommunales Eigentum. Die besten gebauten Ergebnisse dieser Politik der 20er und 30er Jahre stehen unter Denkmalschutz. Die nach dem Leitbild ‚Urbanität durch Dichte‘ geplanten Großsiedlungen der 60er und 70er Jahre wurden dagegen schnell zum Gegenstand heftiger Kritik und sind heute soziale Brennpunkte oder sogar Gegenstand von mit öffentlichen Mitteln geförderten Abrissplanungen. Das neue Leitbild für die postindustriell strukturierte Dienstleistungsgesellschaft orientiert sich am Bild und an der Struktur längst überwunden geglaubter Tradition der „europäischen Stadt“. Dazu gehört die Vorstellung von individueller Architektur in urbanen Stadtquartieren mit kleinteiliger Bebauung.

Diese Tendenz ist nicht ganz neu, schon in den 80er Jahren ging es in vielen Städten um die Wiedergewinnung der „Innenstadt als Wohnort“. Seit gut einem Jahrzehnt ist das zur herrschenden Tendenz geworden. Nach der Stadtflucht der Mittelschichten in die Einfamilienhausgebiete der Peripherie, dem Bau von monofunktionalen Großsiedlungen, Einkaufszentren und Möbelmärkten an den Ausfallstraßen dominiert nun der Wunsch zum Leben in der traditionellen Stadt. Was folgt aus diesen Wünschen ‚breiter Schichten der Bevölkerung‘? Zunächst gibt es kein Zurück zu den funktionalistischen Siedlungen des sozialen Wohnungsbaus des 20. noch zu den Mietskasernen des 19. Jahrhunderts. Die Individualisierung der Lebensstile erfordert neue architektonische Angebote vom Stadthaus über das Haus für Baugruppen und Genossenschaften bis zum Mietshaus. Da die Städte und der Bund für den Bau solcher Bürgerhäuser keine Fördermittel mehr bereitstellen, sollten sie ihre Grundstücke preisgünstig anbieten. Auch die „Bodenfrage“ braucht für die Realisierung der Wohnwünsche in der Stadt des 21. Jahrhunderts soziale Lösungen. ■

Prof. Dr. Hans Stimmann ist Architekt und Stadtplaner. Er war Senatsbaudirektor in Berlin. Vor kurzem erschien sein Buch „Stadthäuser – Abschied von der Wohnmaschine“. MITREDEN & BLOGGEN: vorwärts.de/zwischenruf-stimmann-replik

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LESERBRIEFE PARTEIREFORM 11/2011

vorwärts.de/blogs BITTE DEN OPTIKER AUFSUCHEN TANER BEKLEN Die gegenwärtige Diskussion um den verspätet aufgedeckten Nazi-Terror in Deutschland hat mich genau an diese Forderung der Union erinnert. Wir haben heute eine Ministerin, die dem „Bundesprogramm gegen Rechtsextremismus“ die Finanzmittel kürzt, obwohl die Ausländerfeindlichkeit insgesamt zunimmt. Frau Schröder, die auch mit Familienministerin und Fehlbesetzung Schröder betitelt wird, verharmlost gerne die braune Gefahr in Deutschland und lenkt den Fokus lieber auf die linke Szene oder thematisiert die vermeintlich wachsende Deutschenfeindlichkeit. Äußern will sich diese zu den aktuellen Nazi-Morden aber nicht. Dafür sei sie nicht zuständig. vorwärts.de/blogs

Es fehlt nicht an Foren zur Aktivierung neuer Genossen, sondern an ihrer verständnisvollen Aufnahme. ... Ihre Impulse verhallen oft genug. Vor allem kritische Beiträge, fundiert und authentisch aus der Wirklichkeit gegriffen, werden als Störfall mit Ignoranz gerade so quittiert, als müsse sich der Neuling erst den Schneid verdienen. Axel B. Göhre, Hamburg

Ich möchte mich für das gelungene Erscheinungsbild des „vorwärts“ und die immer wieder guten und interessanten Beiträge bedanken. Ich möchte betonen, dass ich meinen „vorwärts“ (nach gewissenhaftem Lesen) an meine Familienangehörigen weitergebe und dadurch so manche lebhafte Diskussion ausgelöst habe. ... Ich sage Danke und weiter so. Herbert Reinke, Essen

Was soll das denn? Soll ich mit meinem Parteibeitrag jetzt auch noch einen Artikel finanzieren, der für den Parteiaustritt und für Chaoten wirbt? Haben die Piraten jetzt schon den „vorwärts“ geentert? Oder was? Otto Bauschert, Stuttgart

RATINGAGENTUREN – FLUCH ODER SEGEN? YACINE GHOGGAL Schon seit Beginn der Griechenlandkrise wurde das Thema Ratingagenturen von Politik und Medien angesprochen. Es wurde angeprangert, dass die Finanzprodukte zu gut bewertet wurden, dass Banken zu lange ein gutes Rating genießen durften und dann mit einem Schlag stark downgeratet wurden und die Märkte in Panik versetzt worden seien. Wären die Banken schon im Vorlauf manchmal leicht abgewertet worden, dann wäre keine Panik entstanden, und die Anleger wären nicht panikartig aus den Bankanleihen geflohen, und so manche Bank hätte nicht gerettet werden müssen, so der Vorwurf. Bei der Griechenlandkrise wird hingegen kritisiert, dass jedes Herunterstufen Griechenlands, Italiens, etc. Panik erzeuge und diese Panik wiederum zu weiteren Downgrades führe, die der jeweilige Staat gar nicht verdient habe. Wie es eine Ratingagentur also macht, sie macht es falsch. vorwärts.de/blogs

Einen Artikel im ehrwürdigen „vorwärts“ von einem Rebellen, der der alten SPD den Rücken gekehrt hat und zu den rotznäsigen Piraten übergelaufen ist. Meine Hochachtung! ... Wer sich darüber empört, sollte sich einfach mal die Wahlergebnisse der letzten Jahre im Verhältnis zu den Grünen oder den Piraten ansehen. Egon Stephan, Berlin

Wer kontrolliert eigentlich das Internet? Wer schützt uns vor der Macht der Dunkelmänner im Netz? Etwa die Piraten? Was ist mit den vielen, vielen Menschen, die nicht im Netz ungebremst zu Hause sind? Keine Chance für sie auf „Liquid Democracy“? Gerd Schweiger, Osterholz-Scharmbeck

GOTTESDIENST VOR PARTEITAG 11/2011

Die Befürchtungen der „Laizisten in der SPD“ scheinen sich voll zu bestätigen: Der Parteitag wird mit einem Gottesdienst eröffnet – immerhin als offiziellem Punkt im Vorprogramm. Unsere Partei war in ihren Anfängen vom Gedanken der

FOTO: HERMANN WILLERS

»ZWISCHENRUF«


MEINUNG 29

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Der Vorwurf, Peer Steinbrück betreibe „Selbstinszenierung“ geht völlig an den Tatsachen vorbei. Die Öffentlichkeit erwartet doch von möglichen Kanzlerkandidaten, dass diese sich zu zentralen Fragen des Politikverständnisses ... äußern. Nichts anderes tut Steinbrück, und zwar in sehr überzeugender Weise. Sigurd Schmidt, Bad Homburg v.d.H.

Auch wenn sich endlich im „vorwärts“ vermehrt kritische Beiträge befinden, so ist der „Kult“ um so manchen Gernegroß immer noch zu groß. Ein I-Pünktchen war da sicher die vierseitige Bleiwüste über zwei alte Herren. Jürgen Jentsch, Gütersloh

Aufklärung geprägt, von der Befreiung aus religiösen Fesseln durch Bildung und Wissen. Dies sollten wir doch auch weiterhin verfolgen. Jörg Neumann, Berlin

Warum wird unser Bundesparteitag mit einem Gottesdienst eröffnet? Religion ist privat und hat auf einem Parteitag nichts zu suchen. Christian Haß, Berlin

MIGRATION: ALARMSIGNALE

SCHMIDT UND STEINBRÜCK

11/2011

11/2011

Mir ist der Kragen geplatzt, ... weil zwei Genossen, die innerliche Distanz zur Partei haben und damit auch noch öffentlich hausieren gehen, dieser Partei mit allen ihnen greifbaren Medien einen Kanzlerkandidaten unterzujubeln versuchen. Helmut Grube, Bielefeld

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EN I T RED

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Der Artikel von Johannes Kandel über starke Distanz (gegenüber der Demokratie, die Red.) von 40 Prozent der Muslime in Deutschland redet stärker Klartext, als Kirsten Heisig und Thilo Sarrazin es getan haben. Realisten als Buh-Männer abzustempeln ist simpel, nach möglichen Änderungen zu suchen ist besser. Godula Hepper, Celle ANZEIGE

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Gesundheit hat viele Gesichter


30 WIRTSCHAFT

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Blaue Stunde im Ruhrgebiet: Blick vom Essener Rathaus auf die Alte Synagoge und den RWE-Turm.

ENERGIE

LEUCHTENDE BEISPIELE STADTBELEUCHTUNG Richtig dunkel wird es in deutschen Städten gar nicht mehr. Das ist teuer – und schadet dem natürlichen Rhythmus von Mensch und Tier. Moderne Beleuchtungssysteme sollen Abhilfe schaffen Von Thomas Horsmann

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inst war der Winter die dunkle Jahreszeit. Die Nächte waren lang, Kerzen spendeten ein warmes, tröstendes Licht und am Himmel funkelten Sterne, sogar die Milchstraße war zu sehen. Doch diese Zeiten sind vorbei. Dunkelheit gibt es nicht mehr. Zumindest nicht für Städter. Denn über neun Millionen Leuchten erhellen Deutschlands Straßen und Wege, Plätze und Fußgängerzonen, Brücken und Tunnel. So viel Licht macht so manchem Stadtkämmerer Sorgen: Denn Strom ist teuer. Laut Städte- und Gemeindebund müssen die etwa 13 000 Kommunen in Deutschland jährlich rund 850 Millionen Euro für die Stadtbeleuchtung ausgeben. 76 Prozent davon allein für den Strom, den Rest für Wartung und Instandhaltung. Für die Lichterpracht werden rund vier Milliarden Kilowattstunden Strom im Jahr verbraucht, das entspricht dem Bedarf von 1,2 Millionen Haushalten.

Folgen für Mensch und Tier Dieser enorme Stromverbrauch belastet das Klima mit zwei Millionen Tonnen CO2. Doch das sind nicht die einzigen Folgen für Mensch und Tier. Wenn es nachts zu hell ist, schlafen wir schlechter und unser natürlicher Tag-NachtRhythmus gerät durcheinander. Diese „Lichtverschmutzung“, wie die Aufhellung des Nachthimmels durch künstliche Lichtquellen bezeichnet wird, beeinträchtigt zudem die Produktion des

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Hormons Melatonin, was sich negativ auf das Immunsystem auswirkt und zu Gesundheitsschäden führen kann. Für die Tierwelt ist die Lichtverschmutzung noch fataler. Milliarden von Insekten werden durch das Licht angelockt und verenden jämmerlich. Auch nachtaktive Säugetiere, Vögel, Amphibien und Reptilien werden in ihren Lebensräumen erheblich gestört, zum Beispiel bei Futtersuche und Jagd, aber auch bei der Fortpflanzung.

Nutzloses Streulicht Die Stadtbeleuchtung nachts stundenweise einfach auszuschalten, ist jedoch keine Lösung. Denn die Kommunen sind aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verpflichtet, die Straßen zu beleuchten. Zudem zwingt sie auch die so genannte Verkehrssicherungspflicht dazu, für ausreichend Helligkeit zu sorgen. Käme es wegen schlechter oder fehlender Beleuchtung zu einem Unfall, müsste die Kommune haften. Dabei wäre schon sehr viel geholfen, wenn Städte und Gemeinden auf moderne Technik setzen würden. Nutzloses Streulicht, das einen großen Teil der Lichtverschmutzung ausmacht, könnte dadurch erheblich verringert, die Lichtqualität verbessert und der CO2-Ausstoß halbiert werden. Der Städte- und Gemeindebund hat ausgerechnet, dass bundesweit jährlich 1,7 Milliarden Kilowattstunden Strom eingespart werden könnten, das sind rund 42 Prozent des

FOTO:IMAGO

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WIRTSCHAFT 31

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Stromverbrauchs für Stadtbeleuchtung Noch weiter geht die Berliner Energieagentur, sie geht sogar von Einsparmöglichkeiten von 2,7 Milliarden Kilowattstunden (rund 67 Prozent) im Wert von rund 400 Millionen Euro aus. Doch im Moment werden jedes Jahr nur drei Prozent der Stadtbeleuchtungen erneuert. Dabei ist bei einem Drittel der Gemeinden die Lichttechnik älter als 20 Jahre.

Ausgaben der Kommunen in Deutschland für die Stadtbeleuchtung

850 MILLIONEN EURO

FOTOS: STADT LANGEN, GETTY IMAGES

Konzept für Stadtbeleuchtung Was lässt sich also tun? Ein erster Schritt ist meist der Austausch von Leuchten. In vielen Gemeinden werden noch immer Quecksilberdampf-Hochdruckleuchten verwendet, die doppelt so viel Energie verbrauchen wie eine moderne Leuchte mit vergleichbarer Lichtleistung. Empfohlen werden Natriumdampflampen, deren Leistung regelbar ist, also etwa nachts reduziert werden kann. Noch energieeffizienter sind so genannte LEDLampen. Langfristig sollte jedoch ein Konzept für energieeffiziente Stadtbeleuchtung erarbeitet werden. So kann gezielt auf die jeweilige Beleuchtungssituation eingegangen werden. Eine Hauptverkehrsstraße kann zum Beispiel anders beleuchtet und mit anderen Lampen ausgestattet werden als eine Straße in einem Wohngebiet oder ein Fußgängerweg an einem Naturschutzgebiet. Moderne Lampen geben auch erheblich weniger Streulicht ab – ein Segen für Mensch und Natur.

Neue Lampen helfen Sparen Die Stadt Langen im Landkreis Cuxhaven zum Beispiel hat ihre 2500 Straßenlampen mit LED-Leuchten ausgestattet

Einsparmöglichkeiten beim Stromverbrauch für Stadtbeleuchtung

67% 2,7 … das enspricht

MILLIARDEN

Kilowattstunden Strom Hochmodern: LED-Leuchten in Langen (Kreis Cuxhaven) sorgen für Durchblick im Kreisverkehr.

– bislang einmalig in Europa. Die Gemeinde spart dadurch jährlich 467 000 Kilowattstunden Strom für 95 000 Euro und 60 000 Euro bei der Unterhaltung der Straßenbeleuchtung. Als nächstes soll eine Nachtabdimmung ermöglicht und so noch mehr eingespart werden. Ziel ist, dass die Straßenbeleuchtung auf die Bewegungen der Verkehrsteilnehmer reagiert und sie begleitet. Gefördert wurde das Projekt durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) mit einem günstigen Darlehen. ■

T EN DE B AT

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Von Dunkelheit keine Spur: Das Satellitenbild zeigt Europa bei Nacht.

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32 WIRTSCHAFT

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INNOVATIONSPREIS

ERFOLG AUS NOTWEHR

Drei Preisträger, eine Idee: Der diesjährige Innovationspreis geht an Genossenschaften

Ferien-Schraubereien: Das Ingenieurbüro Freudenberg organisiert Technik-Kurse für Kinder.

LÖTEN LEICHT GEMACHT MASCHINENBAU In einem hessischen Unternehmen lernen Kinder in den Ferien spielerisch den Umgang mit Technik Von Susanne Dohrn

FIRMENPORTRÄT INGENIEURBÜRO FREUDENBERG

GUT GEMACHT

GESCHÄFTSFELD Entwicklung von Sondermaschinen zur Automatisierung von Fertigungsabläufen FIRMENSITZ Freudenberg im Siegerland, NRW GEGRÜNDET 1964 BESCHÄFTIGTE 45 Weitere Porträts der Serie: vorwärts.de/gutgemacht

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m Nachhinein sieht alles vorausschauend und zielgerichtet aus. Ein Unternehmen lädt Kinder zwischen 8 und 14 Jahren in den Ferien ein, sich mit Technik vertraut zu machen. Sicher, weil qualifizierter Nachwuchs schwer zu bekommen ist und Firmen also rechtzeitig anfangen müssen, Menschen für sich zu begeistern. Vor allem ein Mittelständler in der nordrhein-westfälischen Provinz. Und doch war alles ganz anders, „ganz unspektakulär“, wie Jens Bitterlich erzählt. Er ist zusammen mit seinem Bruder Jörg Geschäftsführer der IBF, die 1960 als Ingenieur-BüroFreudenberg gegründet wurde. Das Unternehmen baut Maschinen für Automationsprozesse. Im Jahr 2006 besuchten die Brüder die „Nacht der Technik“ der Handwerkskammer Koblenz. Dort sahen sie, wie Kinder spielerisch mit Technik vertraut gemacht wurden und mit welcher Begeisterung sie dabei waren. „Das machen wir auch“, beschlossen sie ganz spontan, ohne zu wissen, worauf sie sich einließen. „Als wir an die Umsetzung gingen, stellten wir fest, dass das eine Großbaustelle ist“, erinnert sich Jens Bitterlich. Damit es in den Osterferien 2007 losgehen konnte, gestalteten die EDVSpezialisten der IBF quasi über Nacht eine Internetseite. Die Organisation, also beispielsweise die Telefonate mit den Eltern, die Anmeldungen etc. delegierten die Bitterlichs an einen Kooperationspartner im Ort, den Verein Freudenberger Kids, kurz Frids. Für die Praktika gingen sie eine Kooperation mit dem Fachbereich Techniklehre der Universität Koblenz-Landau ein. Dort hatte Martin Fislake ein Konzept für Kinder-Technik-Camps entwickelt. Seine

Studenten betreuen die Camps nun im Rahmen ihrer Praktika. In „Löten leicht gemacht“ lernen die Kinder den Umgang mit Elektronikbauteilen, im „Trainingscamp für Robonauten“ werden Lego-Roboter gebaut, die auf einer Teststrecke beweisen müssen, dass sie anhalten und wenden können und bei „Seifenkisten im Rennlabor“ können sie Seifenkisten bauen. Das Unternehmen will damit das Interesse an technischen Prozessen fördern. Die einwöchigen Camps finden in den Oster-, Sommer- und Herbstferien statt, jeweils für 16 Kinder. Das Einzugsgebiet reicht bis in den Westerwald. „Selbst aus 40 bis 50 Kilometern Entfernung bringen die Eltern ihre Kinder hierher“, sagt Bitterlich. Das Unternehmen stellt die Räume, Getränke und Fahrzeuge und unterstützt die Kursleiter, falls ein Computer ausfällt oder fachliche Unterstützung gebraucht wird. Die Eltern zahlen 65 Euro, davon erhält Frids 5 Euro für die Organisation und 60 Euro die Universität. 2010 gründete die IBF ein neues Projekt. „MecLab“ heißt es. Mit Unterstützung der Stadtsparkasse Freudenberg und der Volksbank Freudenberg-Niederfischbach wurden zwei Technikkoffer für jeweils 6000 Euro angeschafft, die Schülern der 9. und 10. Klasse in der Region Einblick in die Automatisierung bieten. Die IBF wartet und repariert, wenn nötig, die „MecLabs“. Warum die Bitterlichs das machen? „Aus gesellschaftlicher Verantwortung“, sagt Jens Bitterlich. Natürlich steigert das Unternehmen damit auch seine überregionale Bekanntheit. Aber das sei ein „unbeabsichtigter Nebeneffekt“. 2009 wurde das Unternehmen für sein Engagement von der Bertelsmann-Stiftung ausgezeichnet. ■

FOTOS: IBF (2), KAI DOERING

In der Wirtschaftskrise erfreut sich eine alte Unternehmensform neuer Beliebtheit: Genossenschaften. Grund genug für die SPD und ihre Arbeitsgemeinschaft Selbstständiger (AGS), in diesem Jahr drei von ihnen mit dem Innovationspreis auszuzeichnen. „Genossenschaften sind immer ein wichtiger Teil der Arbeiterschaft gewesen“, betonte SPD-Chef Sigmar Gabriel bei der Preisverleihung am 8. November. Schon Ferdinand Lassalle, einer der Urväter der Sozialdemokratie, habe im 19. Jahrhundert die Arbeiter dazu aufgerufen, Genossenschaften zu gründen, „um ihre legitimen Interessen zu befriedigen“, wie es Lassalle damals ausdrückte. „Genossenschaften wurden von den Arbeitern in Notwehr gegen Hunger und Elend gegründet“, erinnert Gabriel an diese Ursprünge. In dieser Tradition stehen auch die drei Träger des diesjährigen AGS-Innovationspreises: Gegründet nach der Atomkatastrophe von Tschernobyl 1986 versorgen die „Elektrizätswerke Schönau“ aus Baden-Württemberg mittlerweile 115 000 Abnehmer mit regenerativer Energie – in Eigenregie. Eine Erfolgsgeschichte ist auch die „WeiberWirtschaft“ aus Berlin. Seit ihrer Gründung 1989 ist die Frauengenossenschaft deutlich gewachsen. In einem alten Fabrikgebäude beherbergt sie mittlerweile das größte Gründerinnenzentrum Europas. „Neue Ansätze im Genossenschaftswesen“ verspricht der dritte Preisträger. Die „innova eG“ aus Leipzig unterstützt bundesweit Genossenschaftsgründer und hilft ihnen bei der Abwicklung der Formalitäten. Sie sorgt damit auch dafür, dass sich Genossenschaften weiter verbreiten. Nicht nur Sigmar Gabriel wird das freuen. Der SPD-Vorsitzende fühlte sich bei der Preisverleihung pudelwohl und ließ die Anwesenden in der Parteizentrale wissen: „Es ist richtig schön, mal nur unter Genossen zu sein.“ ■ KD


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MEINE ARBEIT

MEISTER IM KEHRBEZIRK »Der schwarze Anzug

ist Tradition – aber auch praktisch gegen den Schmutz.

FOTO: HENDRIK RAUCH

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ein Arbeitstag beginnt morgens um sieben in der Werkstatt. Los geht es mit dem Telefondienst. Ich mache Termine und beantworte Fragen von Kunden. Nebenbei bereite ich meine Geräte vor. Je nachdem, ob ich Messungen bei Kunden mache oder aufs Dach zum Kehren gehe, überprüfe ich die Messsonden oder das Kehrwerkzeug. Dann ziehe ich mich um: entweder den kompletten Kehranzug oder nur eine Latzhose mit Pullover – in jedem Fall schwarz. Das ist Tradition, aber auch praktisch gegen den Schmutz. Ab acht Uhr habe ich die ersten Messtermine. Dabei überprüfe ich in den Wohnungen im Kehrbezirk an den Thermen und Feuerstätten die Kohlenmonoxid-Werte. Wenn sie zu hoch sind, muss der Besitzer etwas ändern. Wenn

SCHORNSTEINFEGER MEISTER MATTHIAS HEIM-RICHTER 45 Jahre, lebt in Berlin Ausbildung

3 Jahre zum Gesellen, Lehrgänge, Meisterprüfung

Status

selbstständiger Handwerksmeister

Gehalt

schwankt, bei Angestellten 17 Euro pro Stunde

Arbeitszeit

50-60 Stunden pro Woche

sie ok sind, vermerke ich das in einem Protokoll. Neben diesen Messtagen gibt es auch Kehrtage. Da bin ich hauptsächlich auf dem Dach. Beim Kehren eines Schornsteins ist es wichtig, dass die Kugel, die den Besen beschwert, frei bis

unten durchrutschen kann. Die Heizungsanlagen sind mit den Jahren sauberer geworden, weil weniger Kohle verbrannt wird. Wenn ein Schornstein saniert wird oder wenn er stinkt, muss ich aber Ruß ausbrennen, wegkratzen oder abschlagen. Wenn

man das nicht macht, kann sich der Ruß entzünden und das Haus anfangen zu brennen. Mit einer Kamera am Seil gucke ich auch in die Schornsteine. Ich kann dann sehen, ob irgendwo Löcher sind oder sonst irgendetwas kaputt ist. Regelmäßig mache ich auch Feuerstättenschauen. Dabei prüfe ich alle Feuerstätten, also Öfen, Thermen und Abgasanlagen eines Hauses vom Keller bis zum Dach. Anschließend stelle ich einen offiziellen Bescheid aus. Diese Aufgabe ist mir per Gesetz vom Staat vorgeschrieben. Außerdem ist sie die einzige, die mir feste Einnahmen garantiert, weil für Hausbesitzer fixe Gebühren fällig werden. Ich bin ein Behördenvertreter, ohne Beamter zu sein. Ab 14 Uhr bin ich meistens wieder in der Werkstatt, in der ich auch ein Büro eingerichtet habe. Messergebnisse müssen dokumentiert und archiviert werden. Als Selbstständiger muss ich aber auch zu Hause oft noch an den Computer, weil viel Schreibarbeit zu erledigen ist. Trotzdem hat mein kleiner Sohn neulich gesagt, er möchte später auch Schornsteinfeger werden. ■ Aufgezeichnet von Kai Doering vorwärts.de/meinearbeit ANZEIGE

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34 WIRTSCHAFT

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Engagiert: Dietmar Hexel (DGB), Anke Hassel (Hertie School), Robert von Heusinger (Moderation), Michael Otto (Otto Group) und Matthias Machnig (Wirtschaftsminister Thüringen), v.l.

DEBATTE Gibt es Fortschritt nur, wenn die Wirtschaft wächst? Drohen Stillstand und Rückschritt, wenn das Wachtum fehlt? Oder zählt nur »soziales Wachstum«? In der Friedrich-Ebert-Stiftung diskutierten Experten. Von Werner Loewe

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it uns zieht die neue Zeit“ – in ihrer über 140-jährigen Geschichte erscheint das als eine der unveräußerlichen Grundüberzeugungen der SPD. Noch heute stimmen die Delegierten auf SPD-Bundesparteitagen zum Abschluss dieses „Wann wir schreiten Seit an Seit …“ an. Dieser unbedingte Fortschrittsglaube war ein zentrales Element der Arbeiterbewegung, eine säkularisierte Form christlicher Heilserwartung. Richtete diese sich auf das Jenseits, so schaute die Arbeiterbewegung auf das Diesseits. Hier sollte es dem Menschen besser gehen, wenn nicht sofort, dann doch zumindest der nachfolgenden Generation. „Meinen Kindern soll es mal besser gehen“ – das war noch vor wenigen Jahren Leitsatz und Überzeugung strebsamer Arbeiterfamilien. Doch diese Überzeugung war seit den 80er Jahren brüchig geworden.

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Vorbildlich: eine Krankenversicherung mit eingebauter Altersvorsorge. Die private Krankenversicherung macht es vor: Sie trifft Vorsorge für die im Alter steigenden Gesundheitskosten ihrer Versicherten. Ein verlässliches Polster, das alle Finanzkrisen unbeschadet überstanden hat und auch in Zukunft eine optimale medizinische Versorgung sichert. Ganz ohne staatliche Zuschüsse. So schont die private Krankenversicherung auch alle Steuerzahler. www.gesunde-versicherung.de

PKV – Die gesunde Versicherung.

Was ist Wohlstand? Vor diesem Hintergrund veranstaltete die Friedrich-Ebert-Stiftung am 30. November einen ambitionierten Kongress, auf dem die „Perspektiven für wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt“ ausgelotet werden sollten. Ungewöhnlich war, dass die FES überwiegend sehr junge Wissenschaftler eingeladen hatte, jeweils einen Aspekt aus einem von drei Themenfeldern – „Was ist Wohlstand?“, „Was sind die Quellen des Wachstums der Zukunft?“ und „Wie werden aus Finanzinvestitionen reale Investitionen?“ – eingehender wissenschaftlich zu untersuchen und die Papiere zu ihren Untersuchungsergebnissen in knapper Form vorzutragen.

Daniela Kolbe (SPD-MdB): Im Zentrum der Politik hat die Lebensqualität zu stehen.

Schon in den ersten Beiträgen wurde deutlich, dass die Debatte um gesellschaftlichen Fortschritt untrennbar verbunden ist mit der Debatte um den Begriff des Wachstums. Der traditionelle liberale Wachstumsoptimismus, wonach ökonomisches Wachstum automatisch zu mehr Wohlstand für alle und zu gesellschaftlichem Fortschritt führe, ist nicht erst angesichts der Krise obsolet geworden. Doch die radikale Wachstumskritik, die den vollständigen Verzicht auf Wachstum propagiert, blendet die Risi-

Lebensqualität entscheidet Deshalb versuchten die Autoren einer Teilstudie, die „Die Idee des Fortschritts im Erleben junger Deutscher“ empirisch untersucht hatten, die Fixierung auf den Wachstumsbegriff zu vermeiden. Sie empfahlen stattdessen, sich zuerst auf die Frage einzulassen, die als Motto über der Konferenz stand: „Wie wollen wir leben?“ Bei allen Unterschieden im Fortschrittsverständnis junger Deutscher, die sich auch zum Teil aus den großen politischen Ideologien Konservativismus, Liberalismus und Sozialdemokratie erklären lassen, zeigt die Studie, dass die meisten jungen Deutschen zu einem „neuen Fortschrittsbegriff“ tendieren, der geprägt ist von Lebensqualität, Gerechtigkeit, Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie ökologischer Nachhaltigkeit. Auffällig für die Autoren dieser Studie ist, dass für die Befragten „Gleichheit“ kein Fortschrittsmaßstab ist. Sie führen das darauf zurück, dass der neoliberale Diskurs der letzten Jahre den Begriff als Gleichmacherei korrumpiert habe. Gleichwohl erscheint es den Autoren für die Sozialdemokratie geboten, längerfristig auch Gleichheit als Vorbedingung für nachhaltigen Fortschritt zu rehabilitieren. ■

FOTOS: MARK BOLLHORST (2)

WELCHER FORTSCHRITT?

ken einer solchen Strategie – Stillstand, Schrumpfung, ökonomische und soziale Instabilität – aus. So mochte sich niemand der Forderung nach Verzicht auf jegliches Wachstum anschließen. Wie viel und vor allem auch welches Wachstum gewünscht wird, waren dagegen zentrale Fragen des Diskurses. Eine Orientierung auf „soziales Wachstum“, wie es etwa aus der Sozialdemokratie gefordert wird, in dem wirtschaftliches Wachstum, soziale Gerechtigkeit und ökologische Verantwortung in eine Balance gebracht werden, scheint eine zukunftsweisende Richtung anzugeben. Allerdings sind die Unterschiede zwischen gutem und schlechtem Wachstum noch nicht widerspruchsfrei herausgearbeitet.


WIRTSCHAFT 35

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DAS GRÜNE BIP IST ROT

die der Grüne Robert Habeck teilt. Aber auch die beiden Unternehmer sehen es angesichts steigender Energie- und Rohstoffpreise als Standortvorteil, wenn Verschwendung minimiert wird. Schließlich müssen sie international mithalten: Uwe Barkosch, Geschäftsführer von Finnlines Deutschland GmbH, mit modernen Fracht- und Passagierschiffen auf der Ostsee. Und der Chemieunternehmer Reinhold von Eben-Worlée mit Rohstoffen für Lacke und Farben. Er erhielt 2010 in Schleswig-Holstein einen Umweltpreis. „Wir brauchen eine ökologisch fundierte Dritte Industrielle Revolution“, so Engholm, „dann sind wir im internationalen Wettbewerb Mitsieger. Sonst werden wir Verlierer sein.“ ■ SUS

STANDORTVORTEIL Björn Engholm, Erfinder des »Öko-Valleys«, fordert Dritte Industrielle Revolution

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28.11.2011

Hafenwirtschaft: Auch der Treibstoff für Schiffe soll sauberer werden. Vor allem sein hoher Schwefelgehalt belastet die Umwelt.

12:21 Uhr

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Für Freiheit, Vielfalt und Zusammenhalt – gegen rechten Terror in Deutschland Wir trauern um Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Yunus Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık, Halit Yozgat und Michèle Kiesewetter. Sie mussten sterben, weil sie dem Feindbild entsprachen, das Rechtsextreme von Menschen haben, die nicht ihrer Gesinnung oder ihrem Menschenbild entsprechen. Wir sind beschämt, dass unser Staat ihnen keinen Schutz vor diesen terroristischen Verbrechen geboten hat. Wir fordern, die Morde vollständig aufzuklären und die Rolle deutscher Sicherheitsbehörden schonungslos offenzulegen. Das sind wir den Opfern, ihren Familien und Freunden schuldig. Es braucht eine Geste des Staates, die deutlich macht, dass wir alle die Trauer dieser Menschen teilen und sie nicht alleine sind. Wir stehen ein für ein Deutschland, in dem alle ohne Angst verschieden sein können und sich sicher fühlen. Ein Land, in dem Freiheit und Respekt, Vielfalt und Weltoffenheit lebendig sind. Die Würde des Menschen ist unantastbar, so steht es in unserem Grundgesetz. Rechtsextremismus und rechter Terror richten sich auch gegen unsere freie und friedliche Gesellschaft. Wir alle sind gefordert zu handeln – überall dort, wo Rechtsextreme versuchen, gesellschaftlichen Boden zu gewinnen. Wir müssen nicht nur Einzeltäter, sondern die Netzwerke und Strukturen des Rechtsextremismus in den Blick nehmen. Es gilt, aus den Anschlägen und Angriffen von Solingen, Mölln, Hoyerswerda und Rostock sowie den weit über 150 Todesopfern rechtsextremer und rassistischer Gewalt endlich die richtigen Schlüsse zu ziehen. Der Kampf gegen Rechtsextremismus muss wieder zu einer zentralen Aufgabe aller demokratischen Kräfte werden. Es geht hier um den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Rechtsextreme, Rassisten und verfassungsfeindliche Parteien haben in unserem demokratischen Deutschland keinen Platz.

Nie wieder rechter Terror in Deutschland!

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Fatih Akin, Regisseur Feo Aladağ, Regisseurin Bekir Alboğa, Sprecher des Koordinationsrates der Muslime in Deutschland Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung Klaus J. Bade, Vorsitzender des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration Kurt Beck, Ministerpräsident Rheinland-Pfalz Volker Beck, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer Bündnis 90/Die Grünen Iris Berben, Schauspielerin Senta Berger, Schauspielerin Jens Böhrnsen, Präsident des Senats und Bürgermeister der Freien Hansestadt Bremen Frank Bsirske, Vorsitzender ver.di Renan Demirkan, Schriftstellerin und Schauspielerin Karamba Diaby, Vorsitzender des Bundeszuwanderungs- und Integrationsrates Farhad Dilmaghani, Vorsitzender der Initiative DeutschPlus Konstantinos Dimitriou, Präsident des Bundesverbandes Griechischer Gemeinden in Deutschland Werner Dreibus, Bundesgeschäftsführer der LINKEN Dagmar Enkelmann, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der LINKEN Klaus Ernst, Vorsitzender der LINKEN Ursula Fehling, Vorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend Sigmar Gabriel, Vorsitzender der SPD Katrin Göring-Eckardt, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages und Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland Günter Grass, LiteraturNobelpreisträger Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland Gregor Gysi, Fraktionsvorsitzender der LINKEN Rebecca Harms, Vorsitzende der Grünen im Europäischen Parlament Klaas Heufer-Umlauf, Moderator Christine Hoffmann, Generalsekretärin von Pax Christi - Internationale katholische Friedensbewegung Berthold Huber, Vorsitzender IG Metall Georg Hupfauer, Bundesvorsitzender der Katholischen Arbeitnehmerbewegung Deutschlands Anetta Kahane, Amadeu Antonio Stiftung Navid Kermani, Schriftsteller und Orientalist Kenan Kolat, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin Nordrhein-Westfalen Stephan Kramer, Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland Winfried Kretschmann, Ministerpräsident Baden-Württemberg Renate Künast, Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen Caren Lay, Bundesgeschäftsführerin der LINKEN Eveline Lemke, stellv. Ministerpräsidentin Rheinland-Pfalz Steffi Lemke, Bundesgeschäftsführerin Bündnis 90/Die Grünen Karoline Linnert, Bürgermeisterin der Freien Hansestadt Bremen Sylvia Löhrmann, stellv. Ministerpräsidentin Nordrhein-Westfalen Gesine Lötzsch, Vorsitzende der LINKEN Peter Maffay, Musiker Adnan Maral, Schauspieler Aiman A. Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland Jürgen Miksch, Vorsitzender des Interkulturellen Rates in Deutschland Franz-Josef Möllenberg, Vorsitzender der Gewerkschaft NGG Andrea Nahles, Generalsekretärin der SPD Sophia Oppermann, Geschäftsführerin von Gesicht zeigen! Thomas Oppermann, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion Cem Özdemir, Vorsitzender Bündnis 90/Die Grünen Petra Pau, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages Yüksel Pazarkaya, Schriftsteller Matthias Platzeck, Ministerpräsident Brandenburg Edzard Reuter, ehem. Vorstandsvorsitzender der Daimler-Benz AG Gerhard Robbers, Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchentages Claudia Roth, Vorsitzende Bündnis 90/ Die Grünen Olaf Scholz, Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg Martin Schulz, Vorsitzender der sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament Erwin Sellering, Ministerpräsident Mecklenburg-Vorpommern Zafer Şenocak, Schriftsteller Tilman Spengler, Schriftsteller Michael Sommer, Vorsitzender des DGB Christian Staffa, Geschäftsführer der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste Frank-Walter Steinmeier, Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion Jasmin Tabatabai, Schauspielerin Wolfgang Thierse, Vizepräsident des Deutschen Bundestages und Schirmherr der Amadeu Antonio Stiftung Ulrich Thöne, Vorsitzender der GEW Ali Ertan Toprak, stellv. Vorsitzender der Alevitischen Gemeinde in Deutschland Sinem Turaç, DFB-Integrationsbotschafterin Jürgen Trittin, Fraktionsvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen Haci-Halil Uslucan, Direktor des Zentrums für Türkeistudien und Integrationsforschung Michael Vassiliadis, Vorsitzender IG BCE Michael Verhoeven, Regisseur Rebecca Weis, Geschäftsführerin von Gesicht zeigen! Klaus Wowereit, Regierender Bürgermeister von Berlin

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ViSdP: Thomas Vaupel, Wilhelmstr. 141, 10963 Berlin

FOTO: IMAGO

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misst als das Wirtschaftswachstum. Die Grünen haben dazu eine Studie verfasst, aber Engholm will ihnen als Erfinder der Idee das Terrain nicht überlassen. Ökologie und Ökonomie sieht Engholm als Verbündete im Kampf um Wohlstand und den Erhalt der Umwelt. „Neue ökologische Technologien sind die einzige Möglichkeit, Wachstum zu schaffen“, so der ehemalige schleswig-holsteinische Ministerpräsident. Eine Einschätzung,

s war eine schlagkräftige Wortprägung, die Björn Engholm gewählt hatte: „Öko-Valley“ sollte Schleswig-Holstein werden. Das war 1987 im Landtagswahlkampf. Nun sitzt er mit zwei Wirtschaftsvertretern und dem Fraktionschef der Grünen in Schleswig-Holstein auf roten Sofas in der Industrie- und Handelskammer zu Lübeck und diskutiert über das „Grüne BIP“. Gemeint ist ein Bruttoinlandsprodukt, das mehr

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36 KULTUR

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Falsche Zerwürfnisjahre In der für mich turbulenten und äußerst irritierenden Nach-68er Zeit versuchte ich mich auch politisch an ihm zu orientieren. Mitbekommen habe ich, dass ihm, der sich trotz seines Wahlaufrufs für die DKP immer noch als Sozialdemokrat verstand, sein Rausschmiss aus der SPD 1971 schwer zugesetzt hat. Vielleicht hatte er gehofft, diese seinerzeit noch so mächtige Organisation würde wohl einige radikal-linke Abweichungen von der Parteilinie selbstbewusst und großzügig dulden. Erst sieben Jahre später – übrigens nach mir – entschloss

wieder mit ihm zu versöhnen – einen Brief. Wir haben dann beide gemerkt, wie sehr uns daran lag, uns wieder zu vertragen. 2006 besuchte er mich trotz seiner Geschwächtheit zusammen mit seiner Frau Margret, um mir seine gerade erschienene CD „Dämmerung“ zu bringen. In dem gleichnamigen Lied heißt es in einer Strophe: „Die Flieger zu den Urlaubsparadiesen betonen die Stille hier unten nur. Dem Musiker-Freund, der mich heute besuchte, dröhnen sie doch gefährlich im Ohr. Nach vielen falschen Zerwürfnisjahren, schenkte er mir sein Exemplar von Horaz. Wir lagen uns lange in den Armen. Das Buch war einst im Besitz von Karl Marx.“

Verneigung vor dem Meister

Der politische Liedermacher Franz Josef Degenhardt (1931-2011) ist tot.

KARRATSCH

FRANZ JOSEF DEGENHARDT Er starb am 14. November, am 3. Dezember wäre der Liedermacher und Schriftsteller 80 geworden. Sein Wegbegleiter erinnert sich an den Freund, den er Karratsch nannte. Von Hannes Wader er sich, der DKP beizutreten, deren Mitglied er bis zum Schluss blieb. Mir hat Karratsch meinen Austritt aus der DKP – obwohl mein Entschluss, mich nie mehr an eine Partei zu binden, meine sozialistische Grundüberzeugung nicht berührt – übelgenommen. In einem Interview bezeichnete er die Ausgetretenen als Pack. Das wiederum nahm ich ihm übel. „Funkstille“ zwischen uns war die Folge. Während dieser Zeit habe ich unsere Begegnungen, die Lieder, die Gespräche, die spannenden Diskussionen sommers unter dem alten Wildkirschenbaum in seinem Garten oder bei mir zu Hause sehr vermisst. Jahre später schrieb ich ihm dann doch – tief erschrocken über die Nachricht, er würde aus Krankheitsgründen nie wieder auftreten und auch in dem Wunsch, mich

Lieder wie „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern“ (1965) machten Degenhardt berühmt. Sein Freund Hannes Wader nannte ihn Karratsch, denn Degenhardt war Bewunderer des deutschen Autorennfahrers Rudolf „Karratsch“ Caracciola (19011959).

Gelebte politisch-ethische Grundsatztreue, überragendes künstlerisches Talent, profundes gesellschaftstheoretisches Wissen (Marx), analytischer Verstand, brillant und ruhelos: Menschen, die wie Karratsch über solche Eigenschaften verfügen, muss man bewundern. Das allein macht sie aber noch nicht liebenswert. Man könnte sich sogar davor gruseln, schon weil man das selbst nie so gut hinkriegen würde. Aber Karratsch war liebenswert. Neben seinen CDs, ich kenne alle seine Lieder, neben seinen Romanen, ich habe sie alle gelesen, stehen in meinem Bücherregal Werke von ihm geschätzter Autoren, die er mir regelmäßig zum Geburtstag schenkte. Auch die liebe ich alle. Ich greife ein paar heraus: Der „Ulenspiegel“ von Charles de Coster. Nach den darin handelnden Figuren Nele, Jan und Kai haben Franz Josef und Margret ihre Kinder benannt. Oder: „Der stille Don“ von Michail Scholochow. Dann: Die „Aufzeichnungen eines Jägers“ von Iwan S. Turgenjew. Und hier: „Ovid Metamorphosen“ mit der Widmung: „Zur Lebensmitte dem Hannes die Metamorphosen Ovids – aus einer Zeit in der noch im Strom des Lebens alles verging, wieder wurde, und manchmal Menschen zu Bäumen, Steine zu Menschen wurden – Nichts blieb wie es war, doch das Beständige wuchs.“ Von Karratsch. Sie bedeuten mir viel, diese Geschenke. Mit ihnen verfüge ich über Belege großer Wertschätzung und Zuneigung eines Freundes. Meine Freundschaftsbeweise für Karratsch fallen dagegen bescheiden aus. Aber ich habe in der Vergangenheit oft seine Lieder gesungen und singe sie noch immer, um ihm – auch wenn er nicht mehr da ist – als meinem Freund nahe zu sein und um mich vor ihm als dem Meister zu verneigen. ■ Hannes Wader, geboren 1942 in Bielefeld, ist ein deutschsprachiger Liedermacher.

FOTOS: INTERFOTO, PICTURE ALLIANCE/RUDI OTTO

ährend ich diese Zeilen im Gedenken an meinen verstorbenen Freund Franz Josef Degenhardt schreibe, haben mich erneut traurige Nachrichten erreicht. Zwei weitere bedeutende Künstler meines Metiers, Georg Kreisler und Ludwig Hirsch, sind tot. Das Ableben dreier großer deutschsprachiger Liedermacher im Abstand weniger Tage wirkt bestürzend auf mich. Welch ein düsterer und bedrückender November 2011. Aber lassen Sie mich zu meiner Erinnerung an F.J. Degenhardt zurückkehren. 1964 dachte ich doch tatsächlich, in der Bundesrepublik der einzige zu sein, der selbst geschriebene Lieder – es waren gerade mal zwei – zur Gitarre sang; durchaus verständlich, wenn man bedenkt, dass es damals den Begriff Liedermacher noch gar nicht gab und eine entsprechende Szene, die sich im heutigen Sinne hätte vernetzen können, erst in Ansätzen vorhanden war. Dann hörte ich zufällig im Radio Franz Josef Degenhardt, den ich bis dahin nicht kannte. Das Lied, das er sang, hieß Rumpelstilzchen. Für mich ein coup de foudre. Ich war beglückt festzustellen, dass ich mit meiner Leidenschaft, mich in selbst verfassten Liedern auszudrücken, kein isolierter Spinner war. Mehr noch, ich ahnte, dass ich von nun an Teil einer gerade erst aufkeimenden – sagen wir – kulturellen Bewegung sein würde. Einer Bewegung mit einem Meister vom Kaliber Degenhardts an der Spitze. Mir, als dem zehn Jahre Jüngeren, hat es nie was ausgemacht, Franz Josefs überlegene Meisterschaft anzuerkennen, die er in seiner enormen künstlerischen Produktivität, in seinen Auftritten und Liedern wie auch in seinen Prosa-Werken immer wieder bewies. Ich habe immer noch seine Worte im Ohr: „Hannes, du musst jeden Monat ein Lied schreiben.“ Das war 1966, als wir uns auf Burg Waldeck kennen lernten und anfreundeten. Ich gestehe, das ist mir seitdem nur selten gelungen. Karratsch, so durften bzw. sollten Franz Josefs Freunde ihn nennen, Karratsch konnte das.


KULTUR 37 ANZEIGE

12/2011-01/2012 vorwärts

Eine Fotografie des Künstlers Thies Rätzke

VORWÄRTS GALERIE

KAUFT KUNST Zeitgenössische Arbeiten, exklusiv ausgewählt für vorwärts-Leser

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ie Liebe zur Kunst hat eine positive Kehrseite: Sie nährt die Künste“, sagt Björn Engholm. Der ehemalige SPD-Parteivorsitzende wählt exklusiv für vorwärts-Leser junge Kunst zum Kauf aus. In jeder zweiten Ausgabe des „vorwärts“ wird eine

zeitgenössische Arbeit vorgestellt und den Lesern angeboten. – Ein Original: nie mehr als 40 Exemplare, nummeriert und signiert. Die ausgewählten Werke kosten jeweils zwischen 100 und 400 Euro. So will die „vorwärts Galerie“ den Einstieg in die Gegenwartskunst erleichtern. Das erste Werk ist eine Fotografie des 1977 geborenen Künstlers Thies Rätzke: Eine Deutschlandflagge, die gerade gebügelt wird. Politischer Symbolgehalt fürs sozialdemokratische Auge: In dieser Republik ist einiges auszubügeln. Entstanden ist die Arbeit, als die Fotografenvereinigung FreeLens 2010 zum Projekt „Ein Tag in Deutschland“ aufrief. Fotografen sollten den deutschen Alltag einfangen. Rätzke richtete sein Objektiv auf die Flaggen der Firma FahnenFleck. Seine Arbeit wurde als Titel des entstandenen Bildbandes ausgewählt. Die vorwärts-Leser können sie nun kaufen. „Wenn alle, die am Monatsende etwas übrig haben, nur einen Bruchteil in Kunst investieren: Welch eine Lust könnten sie erfahren und welch künstlerische Blüte das Land!“, so Engholm. ■ BG Bestellinformationen: Zu bestellen ist das Werk für 150 Euro bei Art-Consulting Essen, Silke Nelius, Tel./Fax 0201/406145 oder info@silkenelius.de, www.silkenelius.de

Neu von Diogenes A 256 S., Ln., € (D) 21.90 Auch als Hörbuch

224 S., Ln., € (D) 18.90 Auch als Hörbuch

336 Seiten, Leinen € (D) 19.90

400 Seiten, Leinen € (D) 22.90

»Wie im Titel versprochen: gute Unterhaltung, Witz und Weisheit – und zwar satt.« Brigitte, Hamburg

»Kaum kreiert, ist Martin Suters Ermittlerduo schon Kult.« News, Wien

»Irre spannend. Spannend wie ein Krimi. Benedict Wells ist ein ziemlich geniales Buch gelungen.« ZDF, Mainz

Der Roman zur Krise in Griechenland. »Klug und ironisch: Markaris.« Die Zeit, Hamburg

Donna Leon Kurioses aus Venedig Mit einer Vivaldi-CD ›Il Complesso Barocco‹ Diogenes

80 S., € (D) 16.90 Mit einer Vivaldi-CD

992 S., Ln., € (D) 28.90 Auch als Hörbuch

1488 S., Ln., € (D) 69.– 4 Romane im Schuber

Kurioses und Virtuoses aus Venedig: ein Lese- und Hörvergnügen der amüsanten Art.

»Die Kriminalromane sind im Hinblick auf Dürrenmatts Ästhetik geradezu Schlüsselwerke.« Peter Rüedi

Die Romane: In revidierter Übersetzung und in der Lieblingsausstattung von Carson McCullers.

Dürrenmatt

256 Seiten, Leinen € (D) 21.90

192 Seiten, Leinen € (D) 16.90

960 Seiten, Leinen € (D) 28.90

368 Seiten, Leinen € (D) 22.90

»Für die richtige Gemütshaltung kann man einiges tun. Zum Beispiel Loriot lesen.« St. Galler Tagblatt

Die weltberühmte Geschichte von der wundersamen Wandlung des Geizhalses Ebenezer Scrooge.

Die erste große Biographie über Friedrich Dürrenmatt, glänzend und packend geschrieben von Peter Rüedi.

Sie lebte den amerikanischen Traum und zerbrach daran – hier ist Zelda Fitzgeralds autobiog raph ischer Roman.

Georges Simenon – Ausgewählte Romane in 50 Bänden

FOTO-WETTBEWERB Die SPD und der »vorwärts« bauen gemeinsam eine sozialdemokratische Fotobibliothek auf. Und beginnen mit einem Foto-Wettbewerb

FOTOS: THIES RÄTZKE, SPD

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ilder, so vielfältig und bunt wie das Leben, sollen Teil einer sozialdemokratischen Fotobibliothek sein, auf die alle Genossen zugreifen können. Ein großes Projekt, dass der „vorwärts“ und die SPD gemeinsam ins Leben rufen. Los geht’s mit einem Foto-Wettbewerb zum Bundesparteitag der SPD. Aussagekräftige, selbst gemachte Fotografien können in den Kategorien Parteileben, Familie, Arbeit und Fortschritt eingereicht werden (mindestens 300 dpi und 3 MB groß). Bewertet werden die Bilder

von einer prominenten Jury unter dem Vorsitz von SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Die schönsten Fotos sollen in einer Ausstellung im Berliner WillyBrandt-Haus präsentiert werden. Außerdem werden unter den Gewinnern der einzelnen Kategorien attraktive Preise verlost, darunter ein iPad. Ausführliche Informationen gibt es online. ■ BG Alle Informationen und Teilnahmebedingungen unter: www.spd.de/aktuelles/Parteitag _2011/ fotowettbewerb/

detebe 24123 192 Seiten, € (D) 9.–

detebe 24124 176 Seiten, € (D) 9.–

detebe 24122 208 Seiten, € (D) 9.–

* unverb. Preisempfehlung

BILDER DES LEBENS

Spieldauer 104 Min., 2 CD € 21.90*

Spieldauer 72 Min., 1 CD € 17.90*

Spieldauer 478 Min., 7 CD € 34.90*

»Eine fesselnde Erzählung, von dem Schauspieler Gert Heidenreich eindrucksvoll gelesen.« Luxemburger Wort

»Die kleinen Leiden und Freuden der ebenso ›kleinen‹ Angestellten hat niemand so schrecklich-schön beschrieben wie Robert Walser.« HR,Frankfurt

In der Hitze des amerikanischen Südens entwickelt sich eine Dreiecksgeschichte, voll von einseitiger Anziehung und gegenseitiger Abstoßung.


38 KULTUR

vorwärts 12/2011-01/2012

WEIHNACHTSLEKTÜRE

REAL RADIKAL

»SERVAS, TOD«

EIN SCHÖNES JAHR ?

Mit Terrorismus kennt sich Yassin Musharbash aus. Seit Jahren berichtet er für Spiegel-Online über Al Qaida und Co. Doch taugt so jemand auch zum ThrillerAutor? Unbedingt! In „Radikal“ verwebt Musharbash geschickt aktuelle politische Entwicklungen mit einer spannenden Geschichte: Ein muslimischer Bundestagsabgeordneter wird bei einem Bombenattentat ermordet. Seine Büroleiterin und ein Terrorexperte beginnen zu ermitteln – und stoßen auf ein Terrornetzwerk, das ganz andere Ziele verfolgt als zunächst angenommen. ■ KD

Der Wiener wandert allein. Trifft er jemanden, grüßt er freundlich. „Servas, Tod!“, sagt er beim letzten Treffen. Etwa so schreibt es Georg Kreisler in dem neu aufgelegten Buch „Wien. Die einzige Stadt der Welt, in der ich geboren bin“. In einem seiner berühmten Lieder heißt es „Der Tod, das muss ein Wiener sein“. Jetzt hat er ihn geholt, ihn, der 1922 in Wien geboren wurde. Als Jude, weshalb man ihn 1938 vertrieb. Am 22. November ist er gestorben, der unersetzliche, unvergessliche Georg Kreisler. Es bleiben seine scharfsinnigen Texte. ■ BG

Silvester naht, 2011 geht. Klaus Stuttmann hat schon mal Bilanz gezogen: Der Absturz der FDP, Guttenberg, Gaddafi, Fukushima. Der Arabische Frühling. Rechter Terror. Immer wieder: Europas Schuldenkrise, von Irland über Portugal nach Griechenland. Mittendrin: die „alternativlose“ Frau Merkel. Stuttmanns Karikaturen bringen das Jahr auf den Strich. Treffsicher, klug, frech und humorvoll. Kurz: Dieses Buch zu kaufen ist die bekömmlichste Art, die Erinnerung an ein erstaunliches Jahr zu bewahren. PS: Ein vorwärts-Titelbild kommt auch drin vor. ■ UK

Yassin Musharbash RADIKAL Kiepenheuer & Witsch, Köln 2011, 400 Seiten, 14,99 Euro, ISBN 978-3-462-04338-9

Georg Kreisler WIEN. DIE EINZIGE STADT DER WELT, IN DER ICH GEBOREN BIN Atrium Verlag, Zürich 2011, 223 Seiten, 19,90 Euro, ISBN 978-3-85535-366-8

STURM DER JUGEND

JEDE MINUTE ZÄHLT

Ein Fotobuch wie ein guter Punkrocksong: kurz, knackig und knarzig. Während in Berlin die Mauer fiel, zelebrierte tief im Westen der Republik eine Clique Jugendlicher ihre Adoleszenz. Der Essener Fotograf Andreas Weinand hat sie dabei mit seiner Kamera durch den Gefühlstaumel von Unbesiegbarkeit, Liebe, Verweigerung und Resignation begleitet und die Freuden und Mühen des Erwachsenwerdens in 25 grossartigen Bildern festgehalten. Daraus ist ein aussergewöhnliches Fotobuch entstanden, das soeben mit dem Deutschen Fotobuchpreis 2011 ausgezeichnet wurde. ■ HR

Seine Rechnung ist einfach: In einer Stunde kann er dreißig Papiere anfertigen. Wenn er eine Stunde schläft, werden dreißig Menschen sterben. Adolfo Kaminsky ist Meisterfälscher der Pariser Résistance und er weiß: Jede Minute zählt. 1943 beginnt sein Leben im Untergrund, er fälscht Pässe und rettet damit Tausenden das Leben. Nach dem Krieg arbeitet er für südamerikanische Befreiuungsbewegungen, für den Widerstand gegen Franco und gegen Salazar – getarnt als Maler und Fotograf. Seine Tochter Sarah hat ihn befragt, um seine Geschichte aufzuschreiben. ■ MS

Andreas Weinand, COLOSSAL YOUTH Peperoni Books, Berlin 2011, 64 Seiten, 25 Euro, ISBN 978-3-941825-29-1

Sarah Kaminsky, ADOLFO KAMINSKY: EIN FÄLSCHERLEBEN Kunstmann Verlag, München 2011, 224 Seiten, 19,90 Euro, ISBN 978-3-88897-731-2

VERLOSUNG „Schöne Pleite“ lautet der Titel des Jahresbands, in dem Klaus Stuttmann seine schönsten Karikaturen 2011 gesammelt herausgibt (s.r.). Der „vorwärts“ verlost zehn handsignierte Exemplare. Bitte schicken Sie eine Karte mit dem Stichwort „Stuttmann“ bis 20. Januar 2012 per Post oder per E-Mail an: redaktion@vorwaerts.de

vorwärts.de Rezensionen

DIE FAVORITEN MIT DEN MEISTEN »KLICKS« Christina Ullrich ICH FÜHL’ MICH NICHT ALS MÖRDER Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2011, 355 Seiten, 49,90 Euro ISBN 978-3-354-23802-6 Kate Walbert DIE FRAUEN btb Verlag, München 2011, 316 Seiten, 19,99 Euro, ISBN 978-3-442-75274-4 Patrick Bauer DIE PARALLELKLASSE. AHMED, ICH UND DIE ANDEREN – DIE LÜGE VON DER CHANCENGLEICHHEIT Luchterhand Literaturverlag, München 2011, 192 Seiten, 14,99 Euro, ISBN 978-3-630-87368-8

Klaus Stuttmann SCHÖNE PLEITE Schaltzeit Verlag, Berlin 2011, 256 Seiten, 19,90 Euro, ISBN 978-3-941362-10-9

KUNST UND CURRY Marc Degens erzählt die Geschichte einer Freundschaft. Der Ich-Erzähler Mark interessiert sich mehr für Frauen als für seine Schriftsteller-Karriere. Dagegen widmet sein melancholischer Kumpel Dennis sein Leben ganz der Bildhauerei. Doch an den vom ihm gefertigten überdimensionierten Beton-Gliedmaßen ist die Kunstszene zunächst kaum interessiert. In seinem Ruhrpott-Roman reiht Degens eine skurrile Episode an die andere. Es geht um Kunst, Sex und Currywurst. Und darum, wie Menschen sich verändern, wenn sie älter werden. Eine amüsante Lektüre! ■ CFH Marc Degens DAS KAPUTTE KNIE GOTTES Knaus Verlag, München 2011, 256 Seiten, 17,99 Euro, ISBN 978-3-8135-0426-2

VORWÄRTS-IMPRESSUM Die Sozialdemokratische Zeitung gegründet 1876 von W. Hasenclever und W. Liebknecht Herausgeberin: Andrea Nahles Redaktionsadresse: Berliner vorwärts Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 610322, 10925 Berlin; Tel. 030/25594-320, Fax 030/25594-390, E-Mail: redaktion@vorwaerts.de Chefredakteur: Uwe Knüpfer (V.i.S.d.P.) Redaktion: Lars Haferkamp (Textchef); Dagmar Günther (CvD); Hendrik Rauch (Bildred.); Kai Doering (Redaktion), Yvonne Holl (App); Vera Rosigkeit und Karsten Wenzlaff (Online); Dr. Susanne Dohrn, Birgit Güll und Werner Loewe (redaktionelle Mitarbeit); Carl-Friedrich Höck und Marisa Strobel (Volontäre) Art Director und Fotografie: Dirk Bleicker Korrespondenten: Jörg Hafkemeyer (Berlin), Renate Faerber-Husemann (Bonn), Lutz Hermann (Paris) Geschäftsführung: Guido Schmitz Anzeigen: Nicole Stelzner (Leitung strategische Unternehmensentwicklung und Verkauf); Michael Blum (Leitung strategische Unternehmenskooperation und Key Account Anzeigen); Nele Herrmann Valente, Marcus Hochheimer, Manfred Köhn, Carlo Schöll und Ralph Zachrau (Verkauf) Gültige Anzeigenpreisliste: Nr. 34 vom 1.1.2011 Verlags-Sonderseiten: verantw. Guido Schmitz Vertrieb: Stefanie Martin, Tel. 030/25594-130, Fax 030/25594-199 Herstellung: metagate Berlin GmbH Druck: Frankenpost Verlag GmbH, Poststraße 9/11, 95028 Hof Abonnement: IPS Datenservice GmbH, Postfach 1331, 53335 Meckenheim; Tel. 02225/7085-366, Fax -399; bei Bestellung Inland: Jahresabopreis 22,– Euro; für Schüler/Studenten 18,– Euro; alle Preise inkl. Versandkosten und 7 Prozent MwSt.; Ausland: Jahresabopreis 22,– Euro zzgl. Versandkosten. Das Abo verlängert sich um ein Jahr, wenn nicht spätestens drei Monate vor Ablauf schriftlich gekündigt wird. Für SPD-Mitglieder ist der Bezugspreis im Mitgliedsbeitrag enthalten (bei Änderungen bitte an den SPD-UB wenden). Bankverbindung: SEB Berlin, BLZ 100 101 11, Konto-Nummer 174 813 69 00 Bei Nichterscheinen der Zeitung oder Nichtlieferung ohne Verschulden des Verlages im Falle höherer Gewalt besteht kein Anspruch auf Leistung, Schadensersatz oder Minderung des Bezugspreises. Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos und Zeichnungen wird keine Haftung übernommen.


KULTUR 39

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FOTO: DIRK BLEICKER

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m es kurz zu machen: Den beiden Autoren ist ein lesenswerter wirtschaftspolitischer Rundumschlag gelungen. Ausgehend von der Beschreibung von vier Herausforderungen einer fortschrittlichen Wirtschaftspolitik, analysieren Hubertus Heil und Armin Steinbach Problemfelder und beschreiben detailfreudig Stellschrauben und Instrumente zu ihrer Behebung. Es geht ihnen um die notwendige Vermessung einer Wirtschaftspolitik, die dort gestalten soll, wo es notwendig ist und sich zurücknimmt, wo es möglich ist. Die „vier Winde“, die den Kahn maßgeblich antreiben, sind unstrittig: der demografische Wandel, die Einbettung Deutschlands in eine vernetzte Weltwirtschaft, eine sich rasant entwickelnde Wissensökonomie sowie offensichtliche Ressourcenknappheit samt Veränderungen des Klimas. Die wissenschaftlich grundierte Analyse wird durchgehend getragen von einem aktuellen und hervorragend dargestellten Zahlenmaterial. Dem Leser wird eine knappe, luzide und gut lesbare Darstellung der wesentlichen ökonomischen und gesellschaftlichen Wechselbeziehungen serviert, ohne dabei auf der Oberfläche zu surfen. Der Quintessenz

DEUTSCHLAND BEINE MACHEN REZENSION Hubertus Heil und Armin Steinbach haben einen Kompass für eine moderne Wirtschaftspolitik entwickelt Von Peer Steinbrück der Analyse ist ohne Umschweife zuzustimmen: Um alle Potenziale der deutschen Volkswirtschaft zu heben, wird es einiger Anstrengungen und wohl auch Zumutungen bedürfen. Die Autoren wollen dazu in fünf Bereichen Segel setzen, um die Bundesrepublik zu einem fahrtüchtigen Viermas-

BUC H E N SION R EZEN

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ter zu machen. Unter den Überschriften „Strukturpolitik“, „Investitionen“ und „Binnennachfrage“, „neue Ordnung für den Arbeitsmarkt“, „kluge Staatsfinanzen“ und „mehr Europa“ gehen Heil und Steinbach dann ins Detail und in die unteren Schubladen von Instrumentenkästen. Die Autoren wissen, wovon sie reden, und werden mit möglichen Lösungen an vielen Stellen sehr konkret. Sie identifizieren zielsicher die Baustellen: Bildung, Stärkung der Binnennachfrage, die Neuerfindung des Industriestandorts Deutschland; eine gerechte und investitionsfördernde Steuerpolitik; ein zukunftsfähiges und starkes Europa als Interessenvertretung in einer globalisierten Welt mit deutlichen Verschiebungen in den ökonomischen und politischen Gewichtsklassen. Das Buch von Hubertus Heil und Armin Steinbach bietet eine gut ausgestattete Startrampe, um über diese und andere Fragen weiter in Klausur zu gehen. ■

HUBERTUS HEIL UND ARMIN STEINBACH Damit Deutschland vorankommt, Kompass für eine progressive Wirtschaftspolitik vorwärts|buch Berlin, 120 Seiten, 10 Euro ISBN 978-3-86602-351-2 ANZEIGE

»Aufregende politische Erörterungen, schlagfertiges Schwelgen in gemeinsamen Erinnerungen, zeitlose Richtigkeiten: ganz großes politisches Theater.« F. A.Z.

| Hoffmann und Campe |


40 HISTORIE

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7. Februar 1992: Der endgültige Vertragstext wird von den Außen- und Finanzministern unterzeichnet, hier Außenminister Hans-Dietrich Genscher und Finanzminister Theo Waigel (v.l.)

SCHICKSALSPAKT FÜR EUROPA VOR 20 JAHREN: Der Maastricht-Vertrag vom 9. Dezember 1991 läutet das Ende der D-Mark und die Geburt des Euro ein.

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enn wir Europäer in diesen Tagen auf die Geschichte der europäischen Integration zurück blicken, dann steht dabei weniger die Unterzeichnung des Pariser Vertrags vor 60 Jahren im Mittelpunkt als vielmehr der Abschluss des Vertrages von Maastricht, den die Regierungs- und Staatschefs vor 20 Jahren, am 9. Dezember 1991, beschliessen. Der Pariser Vertrag über die Montanunion stand an der Wiege eines supranationalen Aufbruchs. Der Maastrichter Vertrag, der eine Europäische Union und eine gemeinsame Währungsunion schaffte, stand für den Schritt von der Gemeinschaft zur Union. Dass diese neue Entwicklungsstufe im europäischen Vergemeinschaftungsprozess erreicht wurde, war auf die seit 1987 verfolgten Pläne zur Vollendung des Binnenmarktes zurückzuführen. Aber der entscheidende Schwung kam von den rasanten weltpolitischen Veränderungen, die eine rasche europäische Antwort verlangten. Die deutsche Einheit, der Augustputsch in Moskau und der Zerfall der Sowjetunion, der aufbrechende Balkankonflikt sowie der „Run“ der osteuropäischen Staaten nach Westen zerstörte ein Jahrzehnte altes Machtgefüge und begann, die Kräfte in Europa zu verschieben. Maastricht war im Kern eine deutsch-französische Übereinkunft auf

diese Veränderungen. Sie vertiefte die westeuropäische Integration der EU, um sie auf die Osterweiterung vorzubereiten. Die Einführung einer einheitlichen Währung bekam nun ihren endgültigen Schliff. Der westdeutsche D-Mark-Nationalismus wurde in einem einheitlichen Währungsraum eingehegt, in dem der Euro zum größeren Ebenbild der alten D-Mark werden sollte: stabil, stark und unabhängig. Doch die in Maastricht vorab beschlossenen Konvergenzkriterien, die später zu einem „Stabilitätsund Wachstumspakt“ stilisiert wurden, setzten Paris und Berlin 2004 mit guten Gründen selbst außer Kraft. Jetzt, in der Euro-Krise, lernt die deutsche Politik, dass nur eine gemeinsame Wirtschaftsund Konjunkturpolitik die Konvergenz herstellen kann, die imstande ist, die Währungsunion auf Dauer zu halten. Denn es war und ist ein entscheidendes Problem, dass für alle Euro-Länder zwar dieselbe Geldpolitik gilt, sie sich aber nicht zum selben Zeitpunkt an der gleichen Stelle eines Konjunkturzyklus bewegen. Auch insoweit muss die Europäische Union nicht deutsch oder italienisch, sondern einfach nur europäisch sprechen. ■ PD Dr. Karsten Rudolph lehrt Neuere und Neueste Geschichte an der Ruhr-Universität Bochum.

FOTO: PICTURE ALLIANCE/EPA

Von Karsten Rudolph


RÄTSELSEITE 41

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KREUZWORTRÄTSEL Die Fragen und das Kreuzworträtsel darunter ergeben die Lösung.

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Der Gastwirtssohn... war schon im Kaiserreich Abgeordneter, in die Geschichte ging er ein für die letzte freie Rede, die im Reichstag gehalten wurde. Im Auftrag des Parteivorstands ging er erst nach Saarbrücken, dann nach Prag, bevor die unten erwähnte Stadt sein letzter Wohnsitz wurde. Sein Nachname? 1

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Verstorben... ist er zwei Wochen nach Kriegsausbruch in einer Stadt, die Jahrzehnte in Konkurrenz zu seiner Geburtsstadt stand. Beide waren prunkvolle zentralistische Residenzstädte mit repräsentativen Schlossanlagen, beide liegen an einem Fluss und haben einen großen eisernen Turm. 1

August 1919, wenige Tage nach Inkrafttreten der Weimarer Verfassung: Die Gesuchte mit Kollegen ihrer Reichstagsfraktion, u.a. Hugo Haase (3.v.l.)

WER WAR’S?

FOTO: ULLSTEIN BILD

I

n den wilhelminischen Polizeiakten heißt es 1906 über die kleine Frau aus Bargteheide: „Eine aufreizende Agitatorin der sozialdemokratischen Bewegung.“ Die bürgerliche Presse bezeichnet sie als „Proletarierfrau“, die von der Natur „eine übergroße Menge männlicher Moleküle“ erhalten hat. Daraus spricht die pure Angst vor einer Frau, die weiß, dass das Leben vor allem aus Arbeit und Kampf besteht. Von klein auf muss sie in der Heimweberei des Vaters arbeiten, später als Dienstmädchen und in einer Zigarettenfabrik, bis sie schließlich Kindergärtnerin wird. In Hamburg heiratet sie einen Hafenarbeiter und schließt sich nach Aufhebung der Sozialistengesetze der Arbeiterbewegung an. Während des Hamburger Hafenarbeiterstreiks 1896/97 organisiert sie den Widerstand der Frauen. Das trägt ihr den Ehrentitel „weiblicher Bebel“ ein. Fortan ist sie in der Frauenagitation aktiv. Jahrelanges Ringen der proletarischen Frauenbewegung ermöglicht ab 1908 auch Frauen die Mitgliedschaft in politischen Parteien. Im selben Jahr wird sie auf dem Nürnberger Parteitag als erste Frau in den SPD-Parteivorstand gewählt, wo sie sich erfolgreich für die Einführung einer Frauenquote einsetzt. Von 1909 bis 1917 arbeitet sie als Sekretärin für Frauenfragen beim Parteivorstand. Als die Frauen nach der Novemberrevolution das allgemeine Wahlrecht erhalten, zieht sie an der Spitze ihrer Partei in den Reichstag ein. Am 26. Januar 1922 fällt sie während einer Reichstagssitzung in Ohnmacht. Einen Tag später stirbt die große sozialdemokratische Kämpferin im Alter von nur 56 Jahren. ■ Unter allen Einsendern verlosen wir eine vorwärts-Tasche. Bitte schicken Sie das Lösungswort mit dem Stichwort „Wer war’s“ bis 20. Januar 2012 per Post oder per E-Mail an: redaktion@vorwaerts.de

HISTORISCHES BILDER-RÄTSEL Die Lösung des Bilder-Rätsels aus der vergangenen Ausgabe lautet: ARTHUR CRISPIEN Die vorwärts-Tasche hat gewonnen: Annina Schopen 10961 Berlin

GEWINNER

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ES GIBT ZWEI WEGE, DAS PREISRÄTSEL ZU LÖSEN: Ratefüchse beantworten zuerst die beiden Fragen. Der zweite und vierte Buchstabe des ersten Lösungswortes sowie der zweite und dritte Buchstabe des zweiten Lösungswortes ergeben in der richtigen Reihenfolge die Lösung. Es geht aber auch einfacher: Die grauen Felder im Kreuzworträtsel ergeben in der richtigen Reihenfolge das Lösungswort. Die Gestalt aus der griechischen Mythologie hat viel mit einem Ereignis im September 1939 zu tun.

Man nennt sie den »weiblichen Bebel«. 1908 wird sie als erste Frau in den SPD-Vorstand gewählt Von Lothar Pollähne

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Die Lösung des jüngsten Preisrätsels lautete: ELLE Gesucht wurden außerdem: EPPLER und ULM Jeweils ein Buch gewannen: Klaus Scheibel, 34277 Fuldabrück Edith Renfordt, 57518 Betzdorf Susanne Schaffrath, 98704 Wolfsberg Günter Fieber, 21709 Himmelpforten Günter Trauzettel, 49577 Eggermühlen Harald Friese, 74076 Heilbronn Brigitte Kühl 60433 Frankfurt

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Die richtige Lösung schicken Sie bitte bis zum 20. Januar 2012 per Post an vorwärts, Postfach 322, 10925 Berlin oder per E-Mail an raetsel@vorwaerts.de. Bitte Absender nicht vergessen und ausreichend frankieren! Unter den richtigen Einsendungen verlosen wir zehn Bücher.


42 DAS ALLERLETZTE

YOGA FÜR DREIBEINIGE HUNDE ZWISCHEN PR UND MARKETING Helmut Kohl träumte von den »neuen Mädchen«. Er meinte die neuen Medien. Jetzt haben wir den Salat. Von Martin Kaysh

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ir machen Zeitung für mo…“. Diesen absurden Satzbeginn vergesse ich nie. Er ging noch weiter: „…derne Menschen, für die Informiertsein ein Teil des Lebe...“ Dann brach er ab. Er hing Ende der 80-er Jahre in jeder Lokalredaktion eines großen Zeitungsverlages. Er war das Muster für Überschriften. Man hackte diesen Unsinn zunächst in den Rechner und überschrieb Buchstabe für Buchstabe dann mit der passenden Schlagzeile. Wir machen Zeitung für mo: „Dreibeiniger Hund gesucht“. Klobige Monitore, grüne Schrift, Strahlenbelastung im Fukushima-Bereich. Der waschmaschinengroße Rechner stand auf dem Klo und fiel alle drei Tage aus. Der Verleger freute sich wie Bolle, sein Blatt konnte er dank

moderner Technik jetzt wesentlich billiger produzieren, die alte Setzerkunst schwand und mit ihr schwanden die Arbeitsplätze. Die Gewinne wurden in Lastwagen vom Hof gefahren. Helmut Kohl sprach im Fernsehen von den neuen Mädchen, weil er das Wort Medien nicht so hinkriegte, meinte damit SAT1, den Freundessender von Leo Kirch. Zeitung für moderne Menschen machte indes niemand. Rentner Otto Schibulski war der Musterleser, den hatte zwar trotz intensiver Recherche noch niemand gesehen. Aber er mochte keine Experimente, er drohte mit Kündigung, wenn auf ein und derselben Seite links ein Pro- und rechts ein Kontrakommentar erschien. Die Redakteure ihrerseits drohten mit Kündigung,

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Die Leute abonnieren keine Zeitungen mehr, egal wieviele Kochtöpfe ihnen dafür hinterher geschmissen werden.

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Martin Kaysh

sollte ihre Durchwahlnummer über dem Kommentar erscheinen. Leser Schibulski könnte sie ja von der Arbeit abhalten. Blöderweise passierte zweierlei. Rentner Otto starb überraschend, und die gewinnmaximierende Technik entwickelte sich weiter. Sie verließ die großen Medienhäuser und sorgt heute dafür, dass Schibulskis Enkel alle Informationen gratis im Internet erhalten, zumindest das, was sie für Information halten. Sie abonnieren keine Zeitung mehr, egal wie viele Kochtöpfe ihnen dafür hinterher geschmissen werden. Weshalb manche Verleger aus ihrem Blatt eine gedruckte Ausgabe von QVC machen und munter Yogakurse für dreibeinige Hunde, Volkshosen, -Computer und -Empfänger verhökern. Dass zwischen PR und Marketing doch noch Krisen erklärt und Sauereien aufgedeckt werden, liegt an den altmodischen, gut ausgebildeten Journalisten, die ihren Beruf ernst nehmen. Freiberufler, nicht abgesichert. Bei Bedarf bucht der Verlag sie am Wochenende, für knapp unter hundert Euro pro Tag. ■ Martin Kaysh ist Kabarettist, Alternativkarnevalist („Geierabend“) und Blogger. Er lebt im Ruhrgebiet, freiwillig.

ILLUSTRATION: CHRISTINA BRETSCHNEIDER

vorwärts 12/2011-01/2012


SPD Exklusiv Flusskreuzfahrt

„Holland und das alte Flandern“ 7-tägige Flusskreuzfahrt vom 3. bis 9. Mai 2012 .JU .4 4XJTT $SZTUBM HFIU FT BVG ,BOĂŠMFO 'MĂ TTFO VOE .FFSFT BSNFO EVSDI )PMMBOE VOE #FMHJFO %JF 8BTTFSXFHF WFSCJOEFO CFEFVUFOEF ,VMUVS[FOUSFO EFT .JUUFMBMUFST NJU QVMTJFSFOEFO )BGFOTUĂŠEUFO WPO IFVUF &JO "VTø VH [VN ,FVLFOIPG [VS 5VMQFOCMĂ UF EBSG OJDIU GFIMFO &T HFIU BC CJT "NTUFSEBN OBDI 3PUUFSEBN "OUXFSQFO NJU "VT ø VH OBDI #SĂ TTFM (FOU NJU "VTø VH OBDI #SĂ HHF VOE .JEEFMCVSH Inklusive Vollpension schon ab

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