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Die Reise (m)einer Jahresarbeit

von Paul Berke

Die Jahresarbeiten der diesjährigen 12. Klasse, meiner Klasse, sind jede für sich ähnlich verschieden wie meine Mitschüler und Mitschülerinnen als Persönlichkeiten. Damit meine ich nicht nur die verschiedenen Themen der Arbeiten, sondern vor allem die unterschiedlichen Arbeitsweisen, wie unterschiedlich Personen an eine solche Arbeit herangehen und welche Intentionen sie verfolgen. Um so erfreulicher war trotz des breiten Spektrums an Themen, alle zusammen in einem Rahmen präsentiert zu wissen. Die Zeit, in der wir an unseren Arbeiten gearbeitet haben, ist wie eine Reise, eben die Reise der Jahresarbeiten.

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Die Reise meiner Jahresarbeit begann zum Ende des 11. Schuljahres. Als den Beginn würde ich die Themenfindung festlegen. Die Reise meiner Arbeit führte durch den Vergleich zweier Schriftsysteme oder, um den Titel meiner Arbeit zu verwenden, durch „Eine Gegenüberstellung des deutschen Schriftsystems mit dem japanischen Schriftsystem“. Mir erscheint es aber bedeutend, anzumerken, dass der Titel erst ganz zum Schluss entstand.

Über die Sommerferien begann ich, mich immer tiefer mit dem Thema auseinanderzusetzten, und der richtige Arbeitsprozess begann. Langsam bildete sich ein Text, welcher zu späteren Zeitpunkten doch noch des Öfteren überarbeitet wurde. Der anfangs erdachte Plan wurde mehrmals verändert und verworfen, aber ich glaube, nur zum Besseren. Über die Weihnachtsferien und nach mehreren Treffen mit meiner Betreuerin Julia Lingl, der ich auch an dieser Stelle nochmals ausdrücklich danken möchte, nahm die Arbeit eine Struktur an, wobei Teile noch nicht einmal geschrieben waren. Mit der Zeit fügte ich diese ein.

Mehrmals war ich in der Hauptbibliothek der Universität Wien, meist für einen Abend oder einen ganzen Tag. Dort fiel mir das Arbeiten leicht, und es herrschte immer eine ruhige und produktive Stimmung, welche mich umso stärker anspornte (kann ich den folgenden Zwölftklässlern und Zwölftklässlerinnen nur empfehlen!).

Zurückblickend ist es nicht leicht zu sagen, wann man das erste Mal für sich gedacht hat, die Arbeit sei mehr oder weniger fertig, es würden nur noch ein oder zwei Kleinigkeiten fehlen. Ein wenig ähnelt es dem Gefühl beim Bergsteigen: Man sieht einen Gipfel kurz vor sich, doch der eigentliche Gipfel liegt weiter dahinter und wird nur von diesem verdeckt. So auch bei der Jahresarbeit, wo zumindest ich immer wieder Kleinigkeiten gefunden habe, die noch gemacht werden mussten und auszubessern waren.

Wie auch einige andere entschied ich mich dazu, meine Arbeit unter der Anleitung von Julia Lingl selbst zu binden. Auch gestaltete ich ein Layout, welches ich extra umsetzte. Insgesamt vier Tage verbrachte ich mit dem Binden, wobei einer als Vorbereitungstag zu werten ist. Insgesamt habe ich fünf Exemplare meiner Arbeit gebunden.

Alle „Ausgaben“ meiner Jahresarbeit haben ihre Reise abschließen können und liegen nun bei mir zuhause – mit einer Ausnahme, denn eine verschwand aus dem Handarbeitsraum, in dem die Bücher gepresst worden waren. Dieses eine Exemplar hat bis jetzt seine Reise noch nicht beendet. ¶

12 Jahre Reisebegleiter

Durch den festlichen Blumenbogen im großen Festsaal haben wir unsere Kinder vor 12 Jahren auf die Reise durch ihre Schulzeit geschickt. Wir durften sie durch all die Jahre begleiten, am Anfang noch an der Hand, bald nur noch aus stetig wachsender Distanz. Sie haben gelernt zu lesen und zu schreiben, zu denken und zu hinterfragen und immer selbständiger zu handeln. Jedes einzelne unserer Kinder hatte bei diesem Weg einen anderen Rhythmus, ein anderes Tempo und eine eigene Art, mit Herausforderungen umzugehen. Neben uns Eltern begleiteten Christine Rumetshofer als Klassenlehrerin und Holger Finke als Tutor diese Klasse durch ruhige wie auch turbulente Gewässer – Reisen ist immer auch Abenteuer!

Die unzähligen gemeinsamen Erlebnisse werden unseren Kindern als Erinnerungen bleiben, und die gemeinsame Reise durch 12 Jahre hat sie zu dem gemacht, was sie sind – als Gemeinschaft und als einzelne Persönlichkeiten.

Nun haben sie ihre Abschlüsse gemacht. Die Jahresarbeiten waren individuelle, beeindruckende Präsentationen unterschiedlichster Themen und Auseinandersetzungen mit diesen. Das letzte Klassenspiel war ein fulminant kraftvolles, die Kunstreise ein würdiger Abschluss (von dem hier im MoMent auch die Bilder des Thementeils zeugen).

Die Schulzeit-Reise ist zu Ende, und dieser Endpunkt definiert einen neuen Anfang: den Anfang der Weiterreise ins Leben.

Die Zeiten, die auf unsere Kinder zukommen, sind keine leichten. Pandemie, Krieg, Klimakrise sind die Eisberge, durch die sie wie auch alle anderen schiffen müssen. Diese Reise wird ganz sicher die anspruchvollste, denn sie wird eine sein, bei der gestaltend, erhaltend und wirkungsvoll von ihnen selbst eingegriffen werden muss. Keine gebuchte Pauschalreise, all inclusive – eher eine, bei der immer wieder überlegt werden muss, ob uns kleinere, bewusst gesetzte Schritte nicht weiterbringen können, als schnelle „große Sprünge“: mit viel Zeit seltener reisen, zu Fuß, mit dem Rad oder dem Zug, statt oft und weit zu fliegen.

Schlau genug sind unsere Kinder nach 12 Jahren Reise. Empathisch genug sind sie auch. Was könnte da noch fehlen?

Als Holger Finke seine Rede zu Beginn der Referate der 12. Klasse hielt, griff er in seine Jackentasche und zauberte von dort eine Karte hervor, welche die Klasse zu Weihnachten von Christine Rumetshofer erhalten hatte. Das Zitat von Sir Karl Popper, das auf dieser Karte zu lesen ist, stellte er ans Ende seiner Rede:

„Friede ist notwendig, Optimismus ist Pflicht“.

Dieses Motto möge unsere Kinder aus der Schule ins Leben begleiten – wie auch der „Spirit“ ihrer beiden Reisebegleiter der vergangenen 12 Jahre, Christine Rumetshofer und Holger Finke! ¶

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