Anästhesie Journal / Journal d'anesthésie 2/2022

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Anästhesie Journal 32 (2) 2022 Fachteil

Neuromodulation – eine Übersicht für die Anästhesiologie Dr. med. Manuel Anton Bobrich

Chronische Schmerzen stellen ein komplexes Krankheitsbild dar, das psychische, physische und soziale Komponenten beinhaltet. Um chronische Schmerzen effizient zu behandeln, sollte jede dieser Komponenten Berücksichtigung in der Therapie finden. Vor allem bei einer Therapieform konnten in den letzten Jahren grosse technologische Fortschritte verzeichnet werden, womit sie ihren Platz im Therapieregime zunehmend behaupten konnte.

Elektrizität hat bereits im Römischen Reich ihren Einzug in die Schmerztherapie gehalten. Zur Therapie von Gichtschmerzen wurden die Patienten in Kontakt mit einem Zitterrochen gebracht. Der ausgelöste Stromschlag konnte mehrere hundert Volt und einige Ampere betragen. Wer diese Behandlung überlebte, berichtete von einer Besserung der Beschwerden. Über die Jahrhunderte hat sich unser Verständnis von der Elektrotherapie zur Behandlung von Schmerzen stetig weiterentwickelt. Aktuell gibt es viele Therapien, die auf elektrischer Stimulation basieren. In der Schmerztherapie sehr häufig angewandte Formen sind die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) und die Neurostimulation (peripher und zentral). Dieser Artikel informiert über die zentrale Neurostimulation auf Rückenmarksebene (Spinal Cord Stimulation, SCS). Grundlage Schmerz Das Schmerzsignal wird über un- oder wenig myelinisierte Nervenfasern in das Hinterhorn des Rückenmarks geleitet und dort auf das 2. Neuron umgeschaltet. Während der Umschaltung wird das ankommende Signal moduliert. Die «natürliche» Modulation besteht vorwiegend

Abbildung 1: Modulation des Schmerzsignals während Um­schal­ tung im Hinterhorn des Rückenmarks und Wirkung der ­ klassischen Neuro­ modulation (nach 10, mit freund­licher Genehmigung der Autoren und des Wiley Verlags) Umschaltung vom ersten auf das zweite Neuron (rot) in Lamina I, IV, V oder VI. Die natürliche Modulation des einkommenden Signals wird sowohl direkt (grün, blau) als auch indirekt via Interneurone (gelb) erreicht. Modulierende Einflüsse sind unter anderem die deszendierende (blau) sowie die Hemmung durch sensible Afferenzen (grün, gelb). Diese Strukturen scheinen einer der Angriffspunkte der hochfrequenten Neuromodulation zu sein.


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