BödeliInfo Oktober 2020

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KOLUMNE

Zurück in die Zukunft Oder wie sich die Geschichte nicht wiederholt

Ernst Meier Hondrich Vor genau 10 Jahren sass ich ebenfalls am Sonntag an meinem Schreibtisch und sinnierte über den Inhalten meiner ersten Kolumne im Bödeli Info. Erinnern Sie sich noch an das Jahr 2010? Als kleine Gedächtnisstütze kann ich Ihnen folgende Ereignisse anbieten: • Explosion der Bohrinsel «Deep-

water Horizon» vor der Küste des US-Bundesstaates Louisiana. Es war die grösste Umweltkatastrophe in den USA.

• Das iPad erblickt das Licht der

Welt

• Die Marsroboter «Spirit» und «Op-

portunity» erkunden den Mars.

• Ende Juli veröffentlicht die Ent-

hüllungsplattform «Wikileaks» das erste Mal geheime US-Militärakten.

Wenn heute die Generation Z (19962012) Wirtschaft und Politik misstraut, dann sind das Ereignisse wie die im Jahre 2010, welche dafür den Boden gelegt haben. Die erste Generation, welche mit Smartphone und iPad aufgewachsen ist, verhält sich anders als vorangegangene Generationen. Teenager bringen ihren grossen Geschwistern, Eltern und Grosseltern digitale Medien und somit auch eine neue Art der Kommunikation näher. Das Lehrer-SchülerVerhältnis hat sich hier umgedreht. Und nicht nur in der digitalen Kommunikation ist die Generation Z Vorreiter. Der amerikanische Autor und Historiker Neil Howe beschreibt sie als konstruktive Arbeiter, die gelernt haben, die Regeln einer Gesellschaft für sich zu nutzen, anstatt um jeden Preis gegen zu rebellieren. Neu ist, dass das Thema Nachhaltigkeit mit dem Aspekt der Generationengerechtigkeit verknüpft wird. Aktuelle Jugendbewegungen machen denn auch sichtbar, was Sorge bereitet. Das Überleben unseres Planten ist in Gefahr, Ökokatastrophen nehmen zu und obwohl die meisten Jugendlichen kulturelle Vielfalt befürworten, bereitet ihnen die ungebremste Zuwanderung Sorgen. Der jugendliche Zeitgeist ist grün und gleichzeitig bewahrend. Attribute wie Loyalität, Hilfsbereitschaft und Toleranz werden geachtet, Sicher-

heit und Geborgenheit sind ein zentrales Anliegen. Die Unübersichtlichkeit der Weltlage und ein auf Dauer gestelltes Krisengeschehen verstärkten den gesellschaftlichen Megatrend zum «Regrounding»– die Sehnsucht nach festem Grund und Orientierung. Die Corona-Krise wirkt natürlich zusätzlich verunsichernd auf uns alle ein. Unser neoliberales Wettbewerbsund Effizienzdenken wird von den heute 14 bis 17-Jährigen äusserst kritisch beurteilt. Für junge Leute geht es heute weniger darum, «das ­eigene Ding» zu machen und um ­jeden Preis erfolgreich zu sein, als vielmehr um Wohlbefinden, Gesundheit, Balance und soziale Einbindung. Leistungs- und Konkurrenzängste sind weitverbreitet. Gute, abgesicherte Lebensverhältnisse sind wichtiger als Status, Erfolg und Aufstieg. Am meisten aber beklagen sich Jugendliche aller Lebenswelten über einen notorischen Zeitmangel. Dies ist der Preis, welchen sie für die «pausenlose» Teilhabe am aktuellen Weltgeschehen bezahlen. Der Umgang mit der digitalen Transformation stellt sogar diejenigen Menschen vor Probleme, welche mit ihr aufwachsen. Die Generation Z macht ohne Sex, Drugs und ganz ohne Rock ‘n Roll

«Die Zukunft belohnt diejenigen, die weitermachen. Ich habe keine Zeit, mich selbst zu bemitleiden. Ich habe keine Zeit, mich zu beschweren. Ich werde weitermachen.» Barack Obama

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