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ROMANTIK IM ATLANTIK GUERNSEY
ROMANTIK
IM ATLANTIK
Seit kurzem ist Guernsey wieder mit Sonderflügen in zwei Stunden von Zürich aus erreichbar. Ein Grund mehr, die in jeder Hinsicht aussergewöhnliche Insel im Ärmelkanal zu besuchen.
Text: Barbara Blunschi
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GGUERNSEY –FRANZÖSISCH UND ENGLISCH GEPRÄGT, MIT EINER ATEMBERAUBEND SCHÖNEN LANDSCHAFT.
Wenn die Guyernseyaner Lust auf Brot und Spiele haben – oder einen leeren Kühlschrank, dann treffen sie sich am Freitagabend im «The Cock and Bull» oder im Pub des Imperial Hotels. Wie jede Woche findet nämlich ein «Meat- & Fish-Draw» statt. Eigentlich wäre ja bereits der Blick über den Strand der Rocquaine Bucht in Torteval und auf den Atlantik einen Besuch wert, doch statt der Landschaft interessiert die Leute nur eines: die richtige Zahlenkombination! Neugierig mische ich mich unter die Einheimischen und warte gespannt auf den Losverkäufer. Die farbigen Scheine mit einer 4er-Zahlenkombination finden reissenden Absatz. Kein Wunder, denn der Einsatz kostet nur ein Pfund. Genauer ein Guernsey-Pfund, denn auf der Insel bezahlt man mit der eigenen Währung. Die Kanalinseln gehören tatsächlich weder zum Vereinigten Königreich, noch sind sie Teil der Kronkolonien: Ihr Besitzer ist die britische Krone. Die Vogteien Guernsey und Jersey sind der britischen Krone unterstellt. Somit wird auch das britische Pfund dankbar als Zahlungsmittel angenommen. Mit meinen ergatterten Scheinen bin ich auf jeden Fall mit dabei an der Lotto-Veranstaltung. Schon geht das Spektakel los und die Nummern der Glückspilze werden aufgerufen. Glücklich strahlend pilgern sie unter Applaus zum Gabentisch. Der verbiegt sich fast unter den vielen Esswaren. Zur Auswahl stehen farbenprächtige Hummer, Fleischpackungen, Gemüsekartons, billiger Wein und riesige Krebse. Selten habe ich mich so amüsiert und bin gleichzeitig mitten im Inselleben angekommen. Eine andere Alternative ist der Besuch einer Apfelplantage. Beim Start der Besichtigungstour schüttet es wie aus Kübeln. Tropfnass stehe ich mit einer Gruppe auf der
«Rocquette Cider» Farm und versuche mit gespitzten Ohren, der Präsentation zu folgen. Der lokale Dialekt hat so seine Tücken. Doch im Laufe des Nachmittags versteht man sich, auch dank des Apfelweins, immer besser. Über 5000 Bäume stehen im Frühling in der Blüte und auf den vergorenen Apfelsaft warten schon ungeduldig die durstigen Kehlen der Kanalinsel-Bewohner. Ich bin ja eigentlich nicht so der Apfelwein-Typ, aber bei der grosszügigen Degustation entdecke ich doch den einen oder anderen Favoriten. Mit jedem Schluck wird die Stimmung lockerer. Glücklicherweise wird noch lokaler Käse dazu serviert. Das Guernsey-Rind ist weltberühmt für seine geschmackvolle Milch. Der hohe Beta-Carotin-Gehalt bestimmt die goldgelbe Farbe und der Fettgehalt sorgt für einen aussergewöhnlichen Geschmack. Sie leben auf einer nicht nur für Rindviecher paradiesischen Insel mit sattgrünen Feldern. Guernsey ist gerade mal 65 Quadratkilometer gross und liegt mitten im Atlantik zwischen Frankreich und Grossbritannien. Dank des warmen Golfstroms profitiert das Eiland von einem milden Klima. Die bezaubernden Landschaften wechseln sich ständig ab und begeistern Naturliebhaber – ob schroff ins Meer abfallende Klippen oder langgezogene Sandstrände. Mit einer Vielzahl von Sehenswürdigkeiten lockt die Inselhauptstadt St.Peter Port. Erst kürzlich würde das aussergewöhnlich Wohnhaus von Victor Hugo renoviert. Der französische Exzentriker und Autor verbrachte hier ab 1855 15 Jahre im Exil. Im lichtdurchfluteten Atelier vollendete er das Meisterwerkt «Les Misérables». Viel aktueller ist der nach einem internationalen Bestseller verfilmte Roman «The Guernsey Literary and Potato Peel Pie Society» («Deine Juliet»), der letztes Jahr in die Kinos kam. Das historische Drama spielt in den späten 1940er-Jahren, während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg. Jedes Jahr am 9. Mai feiert die Bevölkerung von Guernsey ausgiebig die Befreiung von den Besatzern. Am «Liberation Day» ist ganz Guernsey auf den Beinen und pilgert in die Hauptstadt. Auch ich mische mich unters Publikum, um einen Blick auf die verschiedenen Paraden zu werfen. Musikkapellen, militärische Vehikel und klassische Oldtimerautos ziehen an den Zuschauern vorbei. Viele haben sich in historische Uniformen oder Kostüme gekleidet und Hunderte von Besuchern flanieren entlang des Hafens. Sogar Winston Churchill und seine Lady Churchill sind dabei! Nach all dem Trubel sehne ich mich nach etwas Ruhe und setze am nächsten Tag mit dem Schiff auf die Insel Herm über, die autofrei ist. Also ideal für ausgiebige Spaziergänge entlang der Küste des 2,4 Kilo-
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meter langen und 800 Meter breiten Eilands. Mit etwas Glück entdeckt man an den steil aufragenden Klippen Papageientaucher oder im türkisblauen Wasser Delfine. Ich habe bei meinem Besuch leider Pech gehabt und muss darum unbedingt nochmals hin; zumal mir das Farbenspiel zwischen den hell leuchtenden Stränden und dem Atlantik nicht mehr aus dem Kopf gehen will. Und so ein «Meat Draw» stünde sicher auch wieder auf dem Programm!
www.visitguernsey.com
GEWUSST WO
Der auf die Kanalinseln spezialisierte Reiseveranstalter Rolf Meier Reisen aus Neuhausen bietet jeden Samstag bis 7.9.2019 Sonderflüge von Zürich nach Jersey und von Jersey/ Guernsey nach Zürich mit Blue Islands.
Für attraktive Pauschalangebote:
www.rolfmeierreisen.ch
1 Aussicht von der 800 Jahre alten Burg Castle Cornet auf die Inselhauptstadt St.Peter Port.
2 Alljährlich am 9. Mai wird am Liberation Day die Befreiung von der deutschen Besatzung gefeiert. 3 Während seines Exils lebte Victor Hugo von 1855 bis 1870 in seinem Haus Hauteville.
4 Die Inselbewohner lieben es zu Feiern und man trifft sich an den Wochenenden in den Pubs.