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ATEMLOS IN PERU ZUGREISE MIT DEM BELMOND ANDEAN EXPLORER

Atemlos

WENN NICHT VON DER HÖHE, SO VON DER LANDSCHAFT

LUXUSZÜGE GIBT ES INZWISCHEN AUF FAST ALLEN KONTINENTEN. EINEN WIE DEN NEUEN BELMOND ANDEAN EXPLORER IN PERU GIBT ES ABER NOCH KEINEN: DIES IST NICHT NUR DER ERSTE LUXUSZUG SÜDAMERIKAS, SONDERN AUCH DER HÖCHSTGELEGENE WELTWEIT.

TEXT UND FOTOS: PETER HUMMEL

Der Name des Zugchefs, der im altehrwürdigen Bahnhof Wanchaq in Cusco persönlich seine Gäste begrüsst, ist eindrücklich: Arnaldo Ponce de León De la Cruz. Und der überreichte Schlüssel mit der Nummernplakette aus Messing ist gediegen; ein Vorgeschmack auf die imposante Kabine, wie sie der europäische Bahnreisende nicht mehr kennt: Doppelbett, zwei Fauteuils, Kommode, Badezimmer mit Dusche, Fenster zu beiden Seiten – Kunststück nimmt sie die halbe Länge unseres Wagens Chilca ein. Eigentlich viel zu schade, dass man hier nur zum Schlafen weilt – der Andean Explorer hält so viele kuschelige Ecken sonst bereit. Warum sich also nicht gleich mal hinfläzen und abschalten. Doch der Welcome-Apéro im Salonwagen Maca ruft. Und danach will der Zug erkundet werden: Speisewagen Llama, Speisewagen Muña, Barwagen Ichu. Alle Waggons sind nach Namen der durchfahrenen Fauna und Flora benannt. Und Letztere kann man sich zuhinterst am genüsslichsten zu Gemüte führen: Da lockt nämlich nach alter kolonialer Tradition das offene Observation Deck. Erstaunlich lieblich, grün und zivilisiert sieht es hier im oberen Urubambatal noch aus: Viel Landwirtschaft, regelmässig Dörfer. Gut, wir befinden uns auch «erst» auf gut 3000 Metern Höhe. Nach dem ersten Mittagessen ein kleiner Verdauungsabstecher nach Raqch’i, der Inkastätte, die noch nicht so überlaufen ist wie etwa Machu Picchu. Weniger eine gebirgige Streckenführung, als vielmehr die kargere Landschaft und die verringerte Geschwindigkeit lassen erahnen, dass es nun richtig bergan geht. Die einsame Passhöhe La Raya auf 4319 m erreichen wir zwar erst in der Dämmerung, aber gerade noch rechtzeitig, um einen Blick auf die zum Greifen nahen Gipfel der verschneiten Cordillera zu erhaschen. Das Kontrastprogramm bietet sich abends in der Stadt Juliaca, wo das Trassee quasi als Strassenbahn mitten durchs Geschäftsviertel führt. Exklusiv dann das Nachtlager in Puno – nicht etwa am tristen Bahnhof, sondern direkt am Pier, wohin seit Jahrzehnten kein Zug mehr gerollt ist. Früher gab es einen regen Güterwagen-Trajektverkehr nach Bolivien. Frühaufsteher bekommen einen unverstellten Blick auf den eindrücklichen Sonnenaufgang am Lago Titicaca. Der berühmte See wird heute auf einem ausführlichen Schiffsausflug erkundet: Zuerst Besuch bei den Uros, den Ureinwohnern, die nach alter Tradition immer noch auf schwimmenden Schilfinseln wohnen, danach Wanderung über die Insel Taquile, berühmt wegen der von Männern hergestellten Strickwaren. Bei der Rückkehr ist in einem der historischen Hafenschuppen in Puno zur Tea Time aufgedeckt. Ein richtig nostalgisches Flair kommt da auf, umso mehr als hier noch das mächtige Dampfschiff SS Ollanta vertäut liegt, das von 1905 an 70 Jahre lang im Liniendienst ebenfalls nach Bolivien verkehrte. Belmond/Perurail planen eine authentische Restauration. Nach der Abfahrt erneut ein Kontrastprogramm mit der Fahrt quer durch den pulsierenden Markt.

2 Die geräumige Junior Double Bed Cabin bietet weit mehr Platz als ein «Schlafwagenabteil». 3 Das offene Observation Deck ist ein Ort zum Geniessen und Entschleunigen. Entspannen, während die atemberaubende Landschaft an einem vorbeizieht – ein tolles Erlebnis.

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1 Übernachtung am Haltepunkt Saracocha – mit Panoramablick auf die Lagunillas-Seen. 4 Ein täglicher Fitness-Stopp: Kleiner Marsch zur Besichtigung der Höhlenmalereien in Sumbay. 5 Eine Küchen- und Servicebrigade nicht nur wie in, sondern auch tatsächlich von einem 5-Sterne-Hotel: dem Monasterio Cusco.

SCHEITELPUNKT AUF FAST 4500 METERN

Für die zweite Nacht ist wiederum ein aussergewöhnlicher Stopover vorgesehen: In Saracocha. Das war zwar mal ein Bahnhof, ist heute aber nur noch eine Ausweichstelle mitten in der Pampa – aber was für eine: Just zwischen zwei Seen, womit ab 5:30 Uhr wiederum ein spektakulärer Sonnenaufgang geboten ist. Ab hier ist der buchstäbliche Höhepunkt der Reise spürbar im Anzug: Kurve um Kurve wird die Steigung erklommen; im Gegensatz zu andern Hochland-Strecken in Südamerika sind allerdings keine Zickzack-Kehren nötig. Nicht einfach die schiere Höhe, sondern die Wucht der Landschaft lassen ein Hochgefühl aufkommen. Auf 4470 Meter ist der Scheitelpunkt erreicht. Damit ist der Belmond Andean Explorer nicht nur der welthöchste Luxuszug, sondern hinter dem Ferrocarril Central von Lima nach Huancayo, dessen Kulminationspunkt auf 4818 liegt, der zweithöchste Zug auf einer traditionellen Bahnlinie. Nur die vor 12 Jahren eröffnete Lhasabahn in Tibet liegt noch etwas höher. Von nun an geht’s nur noch bergab, fast jedenfalls. Schon bald folgt nämlich die imposante Hochebene von Imata. In Sumbay gibt es nochmals einen Stopp für die tägliche Fitness: Besichtigung der 8000 Jahre alten Höhlenmalereien. Das ist zwar nur ein kurzer Spaziergang, doch in der dünnen Luft auf immer noch über 4000 Metern gerät man schnell in Atemnot. Dann wird der dominierende, fast 6000 Meter hohe Vulkan Misti in unzähligen Windungen umfahren. Bis zur Ankunft in Arequipa ist ein Abstieg von 2135 Metern zu bewältigen – dies sind noch 300 Meter mehr als der Höhenunterschied, den die schmalspurige Berninabahn von der Passhöhe bis Tirano bewältigen muss! Der Belmond Andean Explorer ist nach zwei Jahrzehnten der erste Passagierzug, der wieder nach Arequipa fährt. Die «Weisse Stadt», benannt nach dem hellen vulkanischen Gestein, mit dem viele historische Gebäude im Stadtzentrum erbaut sind, ist der ideale Ausgangspunkt für einen Besuch des spektakulären Colca-Canyons, wo die mächtigen Condore so nah wie sonst nirgendwo vorbeisegeln.

FÜNF STERNE AUF RÄDERN

Der Belmond Andean Explorer bietet Gelegenheit, die populäre Touristenroute Cusco – Puno und dazu die Strecke bis Arequipa in bisher ungekanntem Komfort zu bereisen. Der Zug zählt nicht zum nationalen Heritage, weil es das schlicht nicht gibt. Und er ist eigentlich auch nicht besonders alt: Die ursprünglich 21 Waggons wurden Ende der Neunzigerjahre in Australien für den Great South Pacific Express (GSPE) gebaut. Entsprechend nostalgisch-kolonial die Anlehnung dieses ersten Luxuszugs Australiens. Der GSPE verkehrte ab 1999 hauptsächlich auf

der Strecke Sydney-Cairns-Kuranda. Aufgrund des mangelnden Erfolgs wurde der Betrieb 2003 eingestellt. Es sollte 2016 werden, bis eine neue Eignerin, die britische Belmond Group (Nachfolgerin der Orient Express Hotels), einen neuen Plan hatte: Einen Luxuszug in Peru. Das plüschig-historisierende Intérieur im edwardianischen Stil der vorletzten Jahrhundertwende ersetzte die renommierte Innenarchitektin Inge Moore vom Londoner Muza Lab durch ein zeitlos elegantes Mobiliar plus handgewobene landestypische Textilien, welche die Farben und Texturen der Anden reflektieren. Ein paar wenige nostalgische Elemente zeugen noch vom Vorleben in Down Under, etwa das GSPE-Emblem auf dem Fenster der Küchentüre. Belmond hat mit der Erfahrung von 45 internationalen Luxushotels und sechs Luxuszügen natürlich das Know-how, um dieses neue Flaggschiff auf Perus Schienen auch auf dem angestrebten 5-Sterne-Niveau zu betreiben. Da wird etwa vom Hotel Monasterio, Belmonds erstem Haus in Cusco, im Wochenturnus eine 6-köpfige Küchenbrigade delegiert, und die zaubert im schmalen Kochwaggon eine berühmte peruanische Fusionsküche auf die Teller, wie es Limas angesagte Gourmetlokale kaum besser können, seien es Alpaca-Tortellini oder der lilafarbene Maispudding Mazamorra. Vieles kommt aus der Region, etwa Forellen vom ArapaSee oder Gemüse aus dem Valle Sagrado, dem heiligen Tal der Inkas. Selbstverständlich wird alles frisch zubereitet – von den Brötchen bis zu den Desserts. Sternegemäss sind auch die warmen Feuchttücher nach den Ausflügen oder der wärmende Mandelpunsch nach dem frostigen Stopp am Kulminationspunkt. Selbstredend sind alle Getränke inbegriffen, vom Afternoon Tea über rare peruanische Weine bis zu den obligaten Pisco Sours an der Bar. Zu viel Alkohol ist eigentlich nicht zu empfehlen auf dieser Höhe – aber vorbeugend gegen die Höhenkrankheit kann man ja umso mehr Cocatee trinken … Im Salon spielt ein Pianist auf, einen Waggon weiter gibt’s Live-Jazz. Wer’s lieber ruhig mag, kann sich in die Bibliothekecke zurückziehen. Der ganze Zug ist ohne Handyempfang – endlich mal drei Tage entschleunigen! Zum Hotelservice gehört auf dieser Höhenlage natürlich auch die Krankenschwester, die diesmal aber bis auf wenige Sauerstoff-Verabreichungen kaum gefordert ist. Für echte Notfälle wie auch aus Sicherheitsgründen gibt es zudem einen permanenten «Landescort». Und auch die Logistik an sich ist anspruchsvoll: In Cusco muss der Proviant für die ganze Hin- und Rückreise geladen werden. Und damit der Zug stets in der richtigen Einreihung bereit steht (Observation Car zuhinterst) wird von Puno auch mal ein 100 km langer Umweg zum nächsten Gleisdreieck in Caracota vor Juliaca unternommen. Für Zugchef Arnaldo eine Selbstverständlichkeit: «Für einen 5-Sterne-Zug soll kein Aufwand zu gross und eben auch kein Weg zu weit sein!»

INFOS

Der Belmond Andean Explorer legt auf seiner 2½-tägigen Fahrt von Cusco nach Arequipa 688 km zurück. Die Maximalgeschwindigkeit beträgt 48 km/h. Bei voller Besetzung besteht der Zug aus 16 Wagen. Die 8 Passagierschlafwagen führen vier Kategorien: Deluxe Double Bed (2 Kabinen), Junior Double Bed (6), Twin Bed (11) und Bunk Bed (übereinanderliegend, 5). Sie bieten Platz für maximal 48 Passagiere. Rund 30 Kellner, Köche, Musiker, Sicherheitsleute, Techniker, Zimmermädchen und Zugbegleiter sorgen für deren Wohl. Wie es sich für ein rollendes 5-Sterne-Hotel gehört, sorgt ein Spa-Waggon mit drei Behandlungsräumen fürs körperliche Wellbeing. Unbedingt zu empfehlen ist die Fahrtrichtung ab Cusco wie beschrieben, da sie wesentlich mehr Fahrtanteil tagsüber bietet wie die umgekehrte Reise ab Arequipa; sie dauert auch länger und kostet einiges mehr.

ROUTEN UND PREISE

«Peruvian Highlands» (Cusco – Arequipa) ab USD 1440.– p. P. «Andean Plains & Islands of Discovery» (Arequipa – Cusco) ab USD 1225.– p. P. Neben diesen kompletten Routen mit zwei Übernachtungen werden zwei Züge mit einer Übernachtung als «Spirit of the Water» (Cusco – Puno) oder «Spirit of the Andes» (Puno – Cusco) angeboten. Ebenfalls auf dieser klassischen Strecke verkehrt als Tageszug der «Perurail Titicaca» mit Aussichtswagen und Pullman-Speisewagen. Es handelt sich dabei um die bisherige Komposition des «Andean Explorer», die 2017 renoviert wurde.

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