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DIE VERWANDLUNG

Nicht immer darf der Arzt nur zum Besten des einzelnen Patienten handeln. Dem Wohl der Allgemeinheit ist er ebenso verpflichtet.

Dieses Dilemma wurde mir jedes Mal bewusst, wenn ich als Kreisarzt zu einer vom Staatsanwalt angeordneten Blutentnahme ins Spital oder auf einen Polizeiposten gerufen wurde. Meist betraf es das «Fahren in angetrunkenem Zustand», im Fachjargon FIAZ. Aber auch das FUD, das «Fahren unter Drogen», nimmt leider zu.

Lässt sich die Person nicht freiwillig Blut abnehmen, muss die Polizei nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft die Handlung gar erzwingen.

Nach Mitternacht hat man mich ins Spital gerufen. Um sicherzugehen, dass es bei allfälligem Widerstand nicht zu Sachschaden kommt, soll die Prozedur nicht im Labor, sondern in einem Nebenraum stattfinden.

Bei Armin A. nützt freundliches Zureden, doch bitte den Arm freizumachen, nichts. Die vorgeschriebenen Tests zur groben Beurteilung der Angetrunkenheit und damit auch zur Fahrfähigkeit verweigert er.

Möglichst unauffällig versuche ich, ihn auf andere Gedanken zu bringen und ihn damit zu einem Gespräch zu bewegen. Die Polizisten haben ihm vermutlich schon klargemacht, dass er sich mit seinem Verhalten nur selbst schadet. Trotzdem quittiert er meine Ablenkungsmanöver mit spöttischem Gelächter.

Ein scheinheiliger Siech sei ich, höhnt er. Ich getraue mich ja überhaupt nur, ihn zu stechen, weil die Schmier in der Nähe sei.

Ja, auch die beiden Polizisten bei der Tür werden zünftig abgeputzt. Müssen sie doch noch Zwang anwenden? Der eine greift bereits nach dem Handy, um sich mit der Staatsanwaltschaft verbinden zu lassen.

Lärm vor dem Untersuchungszimmer. Die Tür wird aufgerissen. Die Polizisten springen zur Seite.

Ein Pfleger der Notfallaufnahme steht unter der Tür – in Feuerwehruniform.

«Das Holzbaudepot brennt … meine Vertretung ist organisiert!»

Und weg ist er.

Dem widerspenstigen Armin bleiben die letzten Silben des beleidigenden Gezänks im Hals stecken. Stimme und Stimmung schlagen radikal um.

«Was? Das Depot brennt? Dort habe ich doch jahrelang gearbeitet … das darf doch nicht wahr sein …!»

Er streift den Hemdsärmel hoch. Streckt mir den Arm hin. Zuckt nicht mit der Wimper. Verzieht keine Miene, während sich das Röhrchen mit seinem Blut füllt.

Reagieren wir unter gewissen Umständen immer noch wie kleine Kinder? Eben noch Geschrei und Lamento. Etwas ganz und gar Unerwartetes tritt ein – und man weiss nicht einmal mehr, was es zu lamentieren gab. So ist auch der Wochenend-Sünder Armin A. wieder in den verantwortungsbewussten Alltagsmenschen Armin Allmen geschlüpft. Feuersbrunst sei Dank.

FAHREN IN ANGETRUNKENEM ZUSTAND – FIAZ

• Laut dem Bundesamt für Strassen ASTRA und dem Büro für Unfallverhütung starben 2016 in der Schweiz 216 Personen bei Verkehrsunfällen.

• Ungefähr die Hälfte aller Unfälle in der Nacht sind auf Alkoholeinfluss zurückzuführen.

• Jeder zehnte Verkehrsunfall mit Verletzungsfolgen und jeder fünfte tödliche Verkehrsunfall ist auf Alkoholeinfluss zurückzuführen.

• Es gibt ungefähr 15 000 Verurteilungen wegen Alkohol am Steuer pro Jahr.

• Im Kanton Bern werden pro Jahr ungefähr 2100 Abklärungen der Fahrfähigkeit wegen Alkoholeinfluss durchgeführt.

• Jeder vierte Arbeitsunfall ist alkoholbedingt

FAHREN UNTER DROGEN – FUD

Seit 1.1.2005 ist das revidierte Strassenverkehrsgesetz in Kraft: Für Cannabis gilt der Grenzwert 0. Wer THC (Tetrahydrocannabinol) im Blut hat, ist fahrunfähig. Im IRM Bern wurde 2003 bereits bei fast der Hälfte der 800 Urinproben von Fahrzeuglenkenden THC nachgewiesen.

(Institut für Rechtsmedizin, Universität Bern, Dr. rer. nat. Werner Bernhard)

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