Kurzvorschau – Pestalozzi-Agenda

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FRIEDE N

AGENDA
PESTALOZZI
2023/2024
AGENDA FRIEDEN PESTALOZZI 2023/24
2023/24
PESTALOZZI-SCHÜLERAGENDA

Diese Agenda gehört

Handynummer

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Vorwort

Frieden wird derzeit mehr denn je benötigt. In vielen Ländern auf der ganzen Welt bekämpfen sich Menschen tagtäglich gegenseitig und fügen in blindem Hass nicht nur ihren erklärten Feinden, sondern auch ihrem eigenen Volk unglaublichen Schaden zu.

Kriege sind nichts Neues, und ihre schrecklichen Aus- und Nachwirkungen sehen wir zurzeit täglich in erschütternden Berichten in den Medien und im Fernsehen. Wie nie zuvor hat der Krieg gegen die Ukraine auch in unserem Land die Bereitschaft, in Not geratenen Menschen zu helfen, ja sie bei uns aufzunehmen, wach werden lassen. Auch die Schülerinnen und Schüler sind durch die Nachrichten aufgeschreckt und werden mit den Folgen des Krieges konfrontiert. Etwa dann, wenn Geflüchtete in ihrer Klasse oder zu Hause aufgenommen und zu neuen Freunden werden oder wenn sie an Sammelaktionen für Kriegsopfer teilnehmen.

In solch schweren Zeiten sehnt sich die Menschheit nach Frieden, und dieses Wort bekommt eine ganz neue, aktuelle Bedeutung. Was Frieden ist und sein müsste, hinterfragen Tag für Tag die 366 Tipps im Kalendarium. Aber auch vom Krieg muss natürlich die Rede sein. So schildern im redaktionellen Teil der Agenda junge Menschen, die dem Krieg in der Ukraine oder in Afghanistan entkommen sind, von ihren Erlebnissen. In Reportagen und Hintergrundberichten erfährst Du, wie es sich ausnimmt, in der Schweiz Soldat zu sein, welche Organisationen und Menschen sich für den Frieden einsetzen, wie gewaltfreie Kommunikation funktioniert und nicht zuletzt auch, warum die weisse Taube auf dem Cover dieser Agenda ein Symbol für Frieden ist.

207 Interview mit Gina Vega

213 Infoseite: NATO

216 Interview mit Sultan Mohamad

219 Mahsa Amini – eine Symbolfigur

222 Wer war Martin Luther King?

Inhaltsverzeichnis 8 Stundenplan 12 Meine Adressen 14 Jahresübersicht 20 Kalendarium 178 Schweizer Gesamtbundesrat 2023 180 Sieben Fragen an Barbara Schmid-Federer
Wer war Henry Dunant?
Sinn und Problematik der schweizerischen Neutralität
Infoseite: Friedensnobelpreis
182
183
187
190 Ein Tag im Militär 194 Circle of Young Humanitarians
199 Infoseite: Jugendrotkreuz
200 Interview mit Leonard Rengger
203 Interview mit Jonas Tesfamikel
206 Wer ist Shirin Ebadi?
185 193 197 204
223 Infoseite: Friedenstaube 224 Buchtipps 226 Wer war Nelson Mandela? 227 Interview mit Milad Mohammadi 230 Wer war Desmond Tutu? 231 Infoseite: EU 232 Interview mit Valeria 236 Wer ist Malala Yousafzai? 237 Interview mit Laurenz Rengger 240 Infoseite: Gewaltfreie Kommunikation 242 Wer war Bertha von Suttner? 243 Interview mit Isabel Prinzing 248 Wer war Mahatma Gandhi? 249 Telefonnummern und Adressen 262 Formeln und Masse 268 Römische Zahlen und Morsealphabet 269 Editorial und Sponsoring 270 Impressum 316 Bestelltalon 241 214 223 244

August 2023

September 2023

14 Jahresübersicht
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31
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carandache.com
Schweizer Gesamtbundesrat 2023

Albert Rösti (SVP) Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation

UVEK Seit 2023 im Bundesrat

Karin Keller-Sutter (FDP) Finanzdepartement EFD Seit 2019 im Bundesrat

Guy Parmelin (SVP) Département de l’économie, de la formation et de la recherche DEFR Au Conseil fédéral depuis

Alain Berset (SP) Président de la Confédération

Département de l’intérieur DFI Au Conseil fédéral depuis

2016

Walter Thurnherr (Die Mitte) Bundeskanzler seit 2016

Elisabeth BaumeSchneider (SP) Département de justice et police DFJP Au Conseil fédéral depuis 2023

Ignazio Cassis (FDP) Dipartimento degli affari esteri DFAE Nel Consiglio federale dal 2017

2012

Viola Amherd (Die Mitte) Vizepräsidentin Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport VBS Seit 2019 im Bundesrat

179 Schweizer Gesamtbundesrat 2023

Sieben Fragen an die Präsidentin des Schweize -

rischen Roten Kreuzes (Barbara Schmid-Federer)

Sie waren zuvor Gymnasiallehrerin und Parlamentarierin. Ist mit Ihrer heutigen Tätigkeit für Sie ein Wunschtraum in Erfüllung gegangen?

Ich habe meine Zukunft nach der Politik immer bei einer Organisation gesehen, die sich für die Verletzlichsten unserer Gesellschaft einsetzt. Das SRK ist heute die grösste humanitäre Organisation der Schweiz. Mit meinem Beitrag dazu, geht für mich tatsächlich ein Wunschtraum in Erfüllung.

Auf Ihrer Website ist ein «Baum der Hoffnung» abgebildet. Welche Hoffnungen verbinden Sie mit Ihrer Tätigkeit?

Meine Hoffnung stützt sich auf die unzähligen engagierten Angestellten und Freiwilligen unserer Organisationen. Nach der Invasion der Ukraine beispielsweise konnten wir sofort Hilfe vor Ort und für die Geflüchteten in der Schweiz leisten. Die dazu notwendigen Spenden haben in dieser Zeit Rekordstände erreicht, was die ungebrochene Solidarität der Schweizer Bevölkerung aufzeigt.

Sie sind erst die zweite Frau in diesem Amt. Sehen Sie in Ihrer Arbeit Aspekte, für die eine Frau besonders gute Voraussetzungen hat?

Auch wenn das nicht verallgemeinert werden kann, zeichnen sich Frauen oft durch ein ausgeprägtes Mitgefühl für Schwächere aus und ergreifen Partei für diese. Dieses Mitgefühl bildet wohl die Grundlage für mein Engagement beim SRK und hilft mir, in all meinen Führungsaufgaben den direkten Bezug zu den Hilfsbedürftigen nicht zu verlieren.

180 Sieben Fragen an Barbara Schmid-Federer

Kann das Rote Kreuz, auch wenn es neutral bleiben muss, etwas zur Friedenssicherung beitragen?

Krieg schürt immer negative Emotionen wie Hass und Verzweiflung. Von den Kriegsparteien wird jeweils ein Narrativ von «wir gegen die anderen» propagiert. Indem wir keine Partei ergreifen und bedingungslose Hilfe leisten, möchten wir diesen Emotionen unsere Solidarität und Menschlichkeit entgegenstellen. Viele erfahren dank uns in einem feindseligen Klima Hilfe, mit der sie nicht mehr gerechnet hätten.

Inwiefern unterscheidet sich die Tätigkeit des Schweizerischen Roten Kreuzes von anderen humanitären Hilfsorganisationen?

Das SRK unterstützt Behörden in der Schweiz bei der Erfüllung humanitärer Aufgaben, beispielsweise beim Impfen in der Covidk rise. Unsere Expertise und Meinung als Gründerorganisation ist international immer sehr gefragt. Wir sind zudem stark in der Schweizer Bevölkerung verankert und verfügen über zahlreiche Freiwillige. Das SRK ist Teil der Identität unseres Landes.

Ist das Schweizerische Rote Kreuz auch in und für die Ukraine im Einsatz? In der Schweiz helfen wir den Geflüchteten bei der Integration, der Bewältigung von Alltagsproblemen und der Suche nach Angehörigen. In der Ukraine unterstützen wir die Menschen mit Nothilfe und kümmern uns um die Unterbringung und Versorgung von Vertriebenen sowie um den Aufbau des Fundraisings durch das Ukrainische Rote Kreuz.

Was für Möglichkeiten gibt es für Schülerinnen und Schüler, sich beim Roten Kreuz zu engagieren?

In der Schweiz engagieren sich rund 9200 junge Freiwillige in den SRK-Jugendorganisationen. Sie verbringen Zeit mit Asylsuchenden, Menschen mit Behinderungen oder Seniorinnen und Senioren. Bei unseren Rettungsorganisationen können sich Jugendliche zudem in diversen Tätigkeiten ausbilden.

Interview: Hanna Fröhlich; Foto: zvg

181 Sieben Fragen an Barbara Schmid-Federer

er 1901 zusammen mit dem Franzosen Frédéric Passy den erstmals verliehenen Friedensnobelpreis erhielt. Nachdem er am 30. Oktober 1910 in Heiden gestorben war, wurde er auf eigenen Wunsch ohne Trauerfeier auf dem Friedhof Sihlfeld der Stadt Zürich begraben. (li)

Henry Dunant Selten hat ein Buch so eine grosse Wirkung erzielt wie «Eine Erinnerung an Solferino», ein schmales Bändchen, das der Genfer Geschäftsmann Henry Dunant 1862 auf eigene Kosten drucken liess. 1859 war er bei der italienischen Stadt Solferino auf die Verwundeten einer Schlacht zwischen Frankreich und Österreich gestossen und hatte sie notdürftig gepflegt. Sein Bericht verbreitete sich in ganz Europa, und 1863 kam es in Genf zur Gründung des Internationalen Roten Kreuzes und ein Jahr später zur Verabschiedung der Genfer Konvention, die Regeln für den Umgang mit Kriegsgefangenen aufstellte. Der Jurist Gustave Moynier machte Dunant jedoch die Führung der Organisation streitig, und als seine Firma pleite ging und er als Bankrotteur verurteilt wurde, verliess er Genf für immer. Zwar wurde er 1874 in Paris Sekretär einer Gesellschaft für die Verbesserung der Bedingungen der Kriegsgefangenen, aber er verarmte immer mehr und suchte schliesslich im Appenzeller Dorf Heiden Zuflucht, wo er seine Erinnerungen schrieb. Er stand im Briefwechsel mit Bertha von Suttner und kam zur Erkenntnis, dass Frauen für den Weltfrieden wichtiger seien als Männer. Es wusste kaum noch jemand, dass Dunant das Rote Kreuz gegründet hatte, als eine Zürcher Zeitung 1895 daran erinnerte und er eine späte Wiederentdeckung erfuhr, die darin gipfelte, dass

182 Wer war …

Sinn und Problematik der schweizerischen Neutralität

Obwohl der Dreissigjährige Krieg zwischen 1618 und 1648 ein Krieg zwischen Katholiken und Protestanten war, zu denen auch die Schweizer Bevölkerung zählte, erklärte die Tagsatzung 1638 dem deutschen Kaiser, als er die Eidgenossen zum Mitkämpfen aufforderte, «dass sie sich bishero diser Kriegsempörung nichts annehmen noch einmischen wellen, sondern in der Neutralitet jederwilen verbliben, da sie sonst das Vaterland in höchste Gefahr setzen würden». Dieses «Mischt euch nicht in fremde Händel» ist die Haltung, welche die Schweiz seit 1515, als sie im Kampf um das Herzogtum Mailand in Marignano gegen Frankreich eine herbe Niederlage erlitt und ihre Grossmachtträume definitiv begraben musste, eingenommen hat und welche die Schweiz gerade darum, weil sie eng mit den umliegenden Ländern verknüpft, in sich selbst mehrsprachig und zu klein ist, anderen zur Gefahr zu werden, mit Vorteil eingenommen hat und noch immer einnimmt.

Nachdem es unter Napoleon dennoch Kriegsschauplatz geworden war, garantierten die europäischen Mächte 1815 im Zweiten Frieden von Paris dem Staatsgebiet der Schweiz auch von aussen her wieder eine «ewige und unverletzliche Neutralität». Sodass das Land sowohl im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 als auch im Ersten Weltkrieg von 1914 bis 1918 und im Zweiten Weltkrieg von 1939 bis 1945 zwar seine Grenzen besetzte, aber den Kriegsparteien gegenüber militärisch neutral blieb. Unproblematisch war das allerdings nicht, wurde die Einhaltung der Neutralität doch im Ersten Weltkrieg im Land selbst zu einer Zerreissprobe, die der Dichter Carl Spitteler 1914 mit seiner Neutralitätsrede «Unser Schweizer Standpunkt» zu entschärfen vermochte, während sich im Zweiten Weltkrieg in aller Schärfe das Problem zeigte, dass die militärische unter

183 Sinn und Problematik der schweizerischen Neutralität
«Mischt euch nicht in fremde Händel!»

Umständen nur schwer mit der Gesinnungsneutralität zur Deckung zu bringen ist und das Land, um die Unabhängigkeit zu wahren, dem verbrecherischen Hitlerstaat gegenüber damals Konzessionen machte, die, etwa was die Handelspolitik oder die Zurückweisung von Flüchtlingen betrifft, im Nachhinein schwer zu begreifen sind.

Letztlich ist dies auch der Grund, warum seit dem Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine im Frühjahr 2022 die schweizerische Neutralität nicht einfach mehr fraglos hingenommen, sondern auch im Land selbst heftig diskutiert wird. Entzündet hat sich das vor allem an der – letztlich von der Regierung und dem Parlament positiv beantworteten – Frage, ob die Neutralität es zulasse, dass die Schweiz sich den Sanktionen anschliesse, die gegenüber einem Staat verfügt wurden, der aus imperialistischen Gründen ein friedliches Nachbarland überfällt und darin ganz offenbar Kriegsverbrechen begeht.

So weit absehbar, tangieren diese Überlegungen aber die militärische Neutralität der Schweiz nicht, und es ist nicht anzuneh men, dass das Land einem Militärbündnis wie der NATO beitritt oder gar Kriegspartei wird, obwohl die Solidarität mit dem zu Unrecht angegriffenen Staat Ukraine und seiner Bevölkerung gross ist und auch in der Schweiz viele der Ansicht sind, man müsse über die Aufnahme von Flüchtlingen, das Mittragen von Sanktionen und die klare Distanzierung vom Aggressor hinaus der bedrohten Ukraine auch militärische Unterstützung in ir gendeiner Form gewähren.

Text: Charles Linsmayer; Illustration: Nina Fröhlich

184 Sinn und Problematik der schweizerischen Neutralität

Der russische Maler Valentin Serow verewigte Alfred Nobel im Jahr 1909 in einem Ölgemälde.

Die Geschichte des Friedensnobelpreises

Jedes Jahr am 10. Dezember, dem Todestag Alfred Nobels, wird der Friedensnobelpreis verliehen. Mit der Auszeichnung, die Nobel in seinem Testament gestiftet hatte, wurden weltweit zum ersten Mal die Leistungen der Friedensbewegung gewürdigt. Inspiriert wurde er dabei durch Bertha von Suttner. Er verehrte sie für ihr pazifistisches Engagement, obwohl er sich mit ihr auch jahrzehntelang über den besten Weg zum Weltfrieden gestritten hatte. Er tüftelte an Sprengstoffen, um durch Abschreckung zum Frieden zu gelangen. Sie hingegen forderte die Welt auf, die Waffen niederzulegen. Auch wenn sie verschiedener Meinungen waren, wollte Nobel dennoch das Anliegen der Friedensbewegung fördern und stiftete diesen Preis.

Der erste Friedensnobelpreis wurde 1901 an den Schweizer Henri Dunant vergeben. Und zwar für die Gründung des Roten Kreuzes und die Initiative zum Abschluss der Genfer Konvention.

Im Laufe der Jahre entwickelte sich diese Auszeichnung weltweit zu einer der wichtigsten Prämierungen. Zugleich ist jedoch auch kein Preis so umstritten wie dieser. Denn eine Auszeichnung für einen Widerstandskämpfer ist zugleich auch immer ein Zeichen gegen jene Strukturen, die er bekämpft. Besonders aufgrund dieser gegensätzlichen Interpretationsmöglichkeiten muss das Komitee, das die Auswahl der Preisträger bestimmt, politisch weitestgehend unabhängig sein.

Übrigens ist für die Vergabe des Friedensnobelpreises nicht das schwedische Nobelpreiskomitee zuständig, sondern eine vom norwegischen Parlament gewählte fünfköpfige Kommission. Deshalb wird der Preis anders als die andern Nobelpreise nicht in Stockholm, sondern in Oslo verliehen.

Text: Enrique Heer

Infoseite

Am 13. November 2015 fand in der Halle der Universität Barcelona die 15. Ausgabe des Weltgipfels der Friedensnobelpreisträger statt.

Foto: Universitate Barcelona

Ein Tag im Militär – Nicolas Heer, Späher

Der Wecker klingelt. Es ist halb sechs in der Früh – Zeit zum Aufstehen. Ein neuer Ausbildungstag beginnt. Nicolas Heer, 24, ist Späher im Schweizer Militär. Eine Aufgabe mit Doppelfunktion. In seiner Funktion dient er dem Militär als Aufklärer und Scharfschütze. Zu den Hauptaufgaben der Späher gehören das Erkunden feindlicher Gebiete und das effiziente Übertragen von Informationen. Zusätzlich werden Späher auch für Einsätze mit dem Scharfschützengewehr ausgebildet.

Der Tagesablauf im Militär ist streng geregelt. Nach dem Aufstehen gibt es ein kurzes Frühstück, danach wird die Ausrüstung für die Tagesausbildung vorbereitet. Meistens werden die Späher nachher in ein Einsatzgebiet gefahren und müssen dann einen Beobachtungsposten bauen. «Diese errichten wir meist im Wald oder hinter einem Felsen, damit wir auf keinen Fall von jemandem entdeckt werden», sagt Heer. Denn die Regel, an welche sich alle Späher halten müssen, lautet: «Ein Späher bewegt sich unsichtbar.»

Regungslos observieren

Aus diesem Grund seien sie während eines Einsatzes auch nur zu viert unterwegs, sagt der 24-Jährige. Wenn der Beobachtungsposten einmal errichtet wurde, beginnt die eigentliche Arbeit der Späher – das unauffällige Beobachten der feindlichen Truppen. «Teils verharren wir mehrere Stunden in diesem Versteck, bis wir eine gegnerische Truppenbewegung beobachten. Dann muss es schnell gehen. Via Funk informieren wir die Einsatzzentrale, die dann dank uns einen taktischen Vorteil erhält und damit den nächsten Angriff planen kann.»

Gemäss Heer trainieren die Späher jeden Tag circa bis 19 Uhr, danach gibt es Abendessen. Im Anschluss würden dann meistens noch Theorieveranstaltungen stattfinden. Schlafenszeit sei in der Regel um 23 Uhr. «Manchmal dauert eine Übung aber auch mehrere Tage, und wir müssen draussen in unserem Beobachtungs -

190 Ein Tag im Militär

posten übernachten. Da der Feind auch in der Nacht angreifen könnte, bekommt man dann jeweils nicht so viel Schlaf.»

Üben für den Ernstfall

Wenn Nicolas Heer vom Feind spricht, dann meint er damit andere Schweizer Soldaten, die extra für die Militärübungen die feindlichen Truppen spielen. Echte Kriegserfahrung hat er nämlich nicht – genauso wenig wie seine Späher-Kollegen.

Die Schweizer Armee hat seit den napoleonischen Kriegen keine Erfahrung mit einem Kriegseinsatz. Jedoch trainiert sie ständig darauf hin. Da es in der Schweiz allerdings kein Berufsmilitär gibt, müssen alle Dienstpflichtigen an einem jährlichen Wiederholungskurs, kurz WK genannt, teilnehmen. Dabei werden wichtige Militärabläufe geübt.

Erst gerade im November 2022 trainierte die Armee ihre Grundbereitschaft mit allen Bodentruppen. Die Militärübung mit dem Namen «Pilum 22» war die grösste ihrer Art seit dem Jahr 1989. Rund 5000 Armeeangehörige waren während acht Tagen beteiligt.

Die Auswirkungen des Ukrainekriegs

Aufgrund des Kriegs zwischen Russland und der Ukraine war auch die Stimmung im WK einiges ernster als sonst. Heer, wie auch der ganzen Armee, wurde Anfang letzten Jahres klar vor Augen geführt, dass ihm auch ein Ernstfall drohen könnte. «Insbesondere, als uns mitgeteilt wurde, dass wir in einem Krieg an die Front müssten, wurde uns nochmals bewusst, dass der WK eben doch nicht nur ein Training ist.» Vor allem in den Ansprachen ihres Kommandanten sei öfters auf die unklare Lage verwiesen worden und darauf, wie schnell auch die Schweiz in eine Ernstsituation geraten könnte.

«Sobald ich mir ausmale, dass die beweglichen Zielscheiben Menschen darstellen sollen, wird mir mulmig.» –

191 Ein Tag im Militär

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