Kurzvorschau – Die Trauer-Knigge

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April 1926 – 8 September 2022
IS THE
WE PAY FOR LOVE. Queen Elizabeth II 21
Inhalt Einleitung – Warum und für wen ist dieses Buch? 10 Tränen 14 Anjas Trauer 16 Zitas Trauern 19 A Abschied 25 Advance Care Planning 28 Allein 30 Arbeiten während der Trauer 32 Arroganz in der Trauer 35 Akzeptanz 38 Aufbahrung 41 B Beerdigung 43 Begleitung 46 Beileid 48 Beten 52 Betrauerbarkeit 54 Blumen 57 C Courage 61 D Depression 63 Diagnose 66 Delirium 70
E Einsamkeit 73 Erben 75 Erinnerungen 77 Exit 80 F Familie 85 Feingefühl 88 Friedhof 90 G Geduld 95 Geistige Welt 98 Gelingendes Sterben 99 Geschwister 102 Glauben 106 Gott 109 Grab/Bestattungsart 111 H Hospiz 115 Humor 117 I Intensivstation 119 Infusion 122 J Jahresgedächtnis 125 Jenseits 127 K Kirche 133 Kinder 136 Kondolieren 138 Krankensalbung 142 Krise 144
L Leid und Leiden 147 Leidmahl 150 Leidzirkular 153 Liebe 156 M Medium 159 Mitleid 162 Moral 165 Mut 167 Mythen 170 O Ohnmacht 173 R Recht 197 Religion 199 Rituale 201 S Sarg 205 Schmerz 207 Schuldgefühle 209 Seele 212 P Palliative Care 177 Psychotherapie 180 Pathologie 182 Patientenverfügung 184 Psychoonkologie 186 Q Queen Elizabeth II 189 Quellen der Kraft 191
Seelsorge 215 Spiritualität 218 Sterbefasten 220 Sterben 223 Stigma 227 T Testament 229 Trauer 233 Trauerfeier 236 Trauerjahr 240 Traurigkeit 242 Trauerknopf 244 Trauerschleife 245 Trost 246 V Vergessen 249 Vergleichen 252 Vorsorgeauftrag 253 W Weihrauch 257 Weihwasser 259 Wut 261 Z Zeit 265 Ars moriendi 269 Anjas Leben als Trauerbegleiterin 273 Danksagung Anja 276 Danksagung Zita 278 Literaturverzeichnis 280 Empfehlungen 285

Einleitung

Warum und für wen ist dieses Buch?

Knigge­Regeln gibt es zu allen Themen der Welt. Adolph Franz Friedrich Ludwig Freiherr von Knigge hat den Grundstein für die Regeln im 17. Jahrhundert gelegt. Sein Buch «Über den Umgang mit den Menschen» befasst sich zwar nicht mit einzelnen Regeln, aber doch mit seinem Anliegen: einem respektvollen Umgang mit Menschen. Und gegenwärtig sind Knigge­Regeln oder Umgangsformen oder auch Hausregeln aktueller denn je.

So hat das Bundeshaus der Schweiz seine Regeln, wie man sich wann zu verhalten hat. Die Verantwortlichen passen das Protokoll laufend der Zeit, dem Bundesrat und den Geschehnissen an. Das englische Königshaus hat ebenfalls sein Protokoll. Jede neue Königin, jeder neue König befasst sich mit der Anpassung des Protokolls vor der Krönung. Und wenn ein Gast oder erst recht ein Mitglied der

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königlichen Familie das Protokoll bricht, so ist das in einer der nächsten Schlagzeilen zu lesen. Und wenn ein Kollege das Reglement der Unternehmung nicht einhält, so wird darüber zumindest gerne gesprochen. Unser Trauer­Knigge befasst sich mit Situationen, dem Erleben und den Gefühlen von trauernden

Menschen und ihren Begleiterinnen und Begleitern. Wir leben in einer Zeit, in der wir gerne frei wählen. Damit verbunden ist das Bedürfnis, sich immer und überall so zu verhalten, wie es einen gut dünkt. Im Grundsatz ist das keine schlechte Idee. Wir Autorinnen sind uns nämlich sicher, dass wir so leben sollten, dass es uns gut geht.

In der Trauer gibt es aber Momente, in denen es entlastend sein kann, einen gewissen Rahmen zu haben, in dem man sich bewegen kann. Egal, ob wir in der Rolle des Trauernden oder in der Rolle der Begleiterin stehen: Bei einem Trauerfall gilt es nicht einfach zu tun, was man will – sondern sich da und dort den Gegebenheiten anzupassen und im Sinne des verstorbenen Menschen oder seiner trauernden Angehörigen, Freundinnen und Freunde zu agieren oder zu reagieren. In der Praxis ist vermehrt fest­

zustellen, dass man im Beruf einen Kollegen oder eine Kollegin mit einem Trauerfall wahrnimmt, das Leben aber weiter geht. Oft wird nicht einmal kondoliert. Oder wenn ein Kollege, eine Kollegin

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stirbt, nimmt man das vielleicht sogar mit Trauer zur Kenntnis, das ist aber alles. Und wenn sie mit dem Thema Sterben, Trauer und Tod konfrontiert werden, dann sind viele Menschen verkrampft und haben keine Ahnung, wie zu reagieren ist. Die Trauer um einen Menschen betrifft einerseits jeden Einzelnen als Individuum – wenn ein sehr nahestehender Mensch stirbt, ist das ein persönlicher und unvergleichbarer Schmerz. Trauer hat aber auch einen gesellschaftlichen Charakter. Denn nach dem Tod eines Menschen fehlt auch ein Nachbar, eine Orchesterkollegin oder Kegelfreund und eine Arbeitskollegin. Zu selten wird darüber gesprochen. Zu selten stehen wir zur Trauer, wenn wir selber betroffen sind.

Wir wünschen uns, dass mehr über das Sterben, den Tod und die Trauer gesprochen wird. Wir möchten, dass bewusst und angepasst auf einen Trauerfall das Beileid bekundet wird. Wir hoffen, dass Trauernde wieder vermehrt zu ihrer Trauer stehen können. Darum liegt diesem Büchlein auch eine Trauerschleife bei.

Was wir mit diesem Buch nicht wollen, ist neue Regeln einzuführen, die das Trauern mühsamer machen. Wir möchten Möglichkeiten aufzeigen, wie es auch gehen könnte, und manchmal sind eben gewisse Leitlinien eine Entscheidungshilfe in einer

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Phase des Chaos. Deswegen steht bei den meisten

Kapiteln am Schluss: Was hilft. Was nicht hilft. Was wir wollen ist: Mut machen, zur eigenen Trauer

zu stehen. Mut machen, den andern in der Trauer beizustehen. Mut, sich bewusst mit der Trauer, mit dem Sterben und dem Tod auseinanderzusetzen und so einen ganz eigenen Umgang damit zu finden.

Dazu haben wir dieses mit Sicherheit unvollständige Büchlein geschrieben.

Anja und Zita

PS:

#anjaundzita

#trauerknigge

#howtogrief

#zürchertrauerinstitut

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Tränen

«Man weint um die, durch die man ist, wer man ist.»

Menschen weinen in der Trauer, in Verzweiflung, wenn sie frustriert sind oder sich hilflos fühlen; bei Gefühlen von Ohnmacht, Schmerz oder auch Glück, Wut oder aus Mitgefühl. Auch Stolz oder Sehnsucht bringt Menschen zum Weinen.

Wahrscheinlich entstanden Tränen als Signale der Befriedung des Gegners oder um Bedürfnisse und Verbundenheit anzuzeigen. Man weiss es nicht. Und es gibt erstaunlich wenig Studien zum Thema.

So viel konnte ich herausbekommen: Beim Weinenden ruft das Weinen einerseits eine Erhöhung der Herzrate hervor, wirkt also anregend. Andererseits wirkt sich das Weinen beruhigend auf die Atmung aus. In einer Untersuchung berichteten die meisten, dass sie sich nach dem Weinen besser fühlten als vorher – vor allem jene, die sozialen Support erfuhren. Ausserdem wirkte das Weinen stärker erleichternd, wenn das Problem, das die Person weinen liess, bereits gelöst war und sie beim Erzählen darüber weinen musste, als wenn das

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Problem noch im Raum stand und sie oder ihn zum Weinen brachte. Wer sich in einer sozialen Situation für sein Weinen schämt oder es peinlich findet, hat auch weniger positive Effekte davon. Je nach dem also, wie das Umfeld reagiert und wie wohl man sich darin fühlt, hat das Weinen einen erleichternden Effekt oder auch nicht.

Dass Weinen den physiologischen und psychischen Druck erleichtert und auch körperliches Wohlbefinden fördert, wird schon lange postuliert, konnte jedoch nicht empirisch nachgewiesen werden. Auch für einen entspannenden Effekt nach stressigen Episoden gibt es keine Evidenz, allerdings auch keine, die diesen Effekt widerlegen würde.

Wie das also genau gemeint ist mit dem Weinen, das wissen wir nicht. Dass wir als Menschen weinen, das wissen wir wohl alle aus eigener Erfahrung. Und auch in der Trauer ist es so, dass viele Menschen häufig weinen. Nicht nur immer aus Trauer, manchmal auch aus Wut oder wegen Schuldgefühlen oder weil man schlicht überfordert ist mit der ganzen Situation.

Wir möchten helfen und ermutigen, in gewissen Situationen weniger Überforderung zu spüren und zur eigenen Trauer und zu den damit verbundenen Gefühlen und auch Tränen zu stehen. Wenn man in der Trauer nicht weinen darf, wann dann?

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Anjas Trauer

Ich hatte drei Fehlgeburten. Das war sehr schlimm. Ja, sehr schlimm. Ich erinnere mich, als der Gynäkologe sagte: «Ich sehe keinen Herzschlag bei der kleinen Maus.» Ich fragte: «Was heisst das?» Dann weiss ich nicht mehr, was er sagte, aber irgendetwas verschwamm. Ich hatte das Gefühl, dass das gar nicht sein kann. Es kann nicht sein, dass dieses klitzekleine Leben einfach aufgehört hatte, in mir zu leben, und ich das nicht merkte.

«Aber normalerweise kommt es doch zu Blutungen?»

«Nein, nicht immer. Missed abortion heisst das, was Ihnen passiert ist.»

Beim zweiten Mal hatte ich eine Blutung. Auch ziemlich früh, nicht weniger abgründig. Das dritte Mal blieb «es» wieder drin, diesmal merkte ich es, was es natürlich nicht besser machte. Ich hatte dann schon Erfahrung, wie das geht mit Kürettage und so. Im Spital wurde ich zum «Fall»: zum «abortus habitualis». Es gab Besuche von interessierten Assistenzärzten, die im Schwarm um den Chefarzt versammelt waren. Eine gewisse Situationskomik war dem Ganzen nicht abzusprechen, trotz meiner

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Trauer. Sechs Stunden nach der Kürettage wollte man mich aufmuntern: «Nächstes Mal, wenn wir uns sehen, dann hat es dann bestimmt geklappt! Sie sind ja noch jung.»

«Aber», sagte ich, «Sie haben es mir doch eben grad entfernt.»

Was hätte die Ärztin darauf antworten sollen? Sie verliess schweigend das Zimmer, das Klemmbrett unter dem Arm.

Im gleichen Spital hatte nicht ganz vierzig Jahre zuvor mein Vater per Telefon dem zuständigen Arzt auf der Intensivstation das Okay zum Abstellen der Herz­Lungen­Maschine geben müssen. Als sein hirntoter Sohn gestorben war, läutete die Kirchenglocke im Dorf einmal und er wusste, dass sein Leben ab jetzt ein anderes sein sollte. Mit 17 sollte man nicht sterben. Der Tod meines Halbbruders hat das Leben nicht nur meines Vaters geprägt, sondern auch das meiner Schwestern und das Leben seiner damaligen Ehefrau. Und so prägte es auch das Leben meiner Mutter, seiner zweiten Frau und meines. Denn Hans fehlte und fehlt. Und der Sinn, dass jemand mit 17 an einem Töffliunfall sterben muss, der erschliesst sich einem auch nicht mit der Zeit. Nur die Akzeptanz wächst – irgendwie.

Manchmal zeigte mir mein Vater Fotos von Hans, die er in seiner Werkbank aufbewahrte. Ich traute

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mich kaum, sie zu berühren. Ich spürte, da geht es um etwas, das ich irgendwie nicht verstehe. Das ist zu gross. Zu traurig. Da wissen nur die Erwachsenen, wie damit umgehen. Mit der Zeit merkte ich: nein, auch die Erwachsenen wissen es nicht.

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Zitas Trauern

Trauer gibt es auch in Mehrzahl. Die Trauer, die Trauern. Darum entschied ich mich für den Titel «Zitas Trauern». Was ich damit meine? Natürlich habe ich viele, für meinen Geschmack viel zu viele, Menschen verloren. Ja, auch durch den Tod. Ich habe aber auch Menschen durch Abschied verloren. Das Lied «Every time we say goodbye I die a little» von Simply Red trifft es optimal für mich. (Es empfiehlt sich, beim Hören die Augen zu schliessen.)

Natürlich ist Abschied normal. Ich hatte einige traurige Abschiede. Da ist meine liebste Freundin, die nach Australien ausgewandert ist. Eine andere liebe Freundin hat sich entschlossen, in Italien zu leben. Dann ein guter Freund, der in Berlin lebt. Ein Bruder von mir, der sich entschieden hat, in Panama zu leben. Geklärt habe ich es nicht, aber aufgrund der noch immer sehr wertvollen Beziehungen zu jedem dieser Menschen gehe ich davon aus, dass sie nicht wegen mir weit weggezogen sind.

Dann kommen die vielen schönen Beziehungen dazu, die sich aus meiner Arbeit ergeben haben. Immer wieder hiess es Abschied nehmen und sich neu orientieren. Wenn sich zum Beispiel ein Mitarbeiter,

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eine Mitarbeiterin verabschiedet, dann macht es mich traurig. Jedes Mal habe ich eine schlaflose Nacht.

Warum ich mit dem Abschied hadere? Weil ich Mensch bin, weil ich Menschen liebe und das ganze Leben lang das Glück habe, auf liebe Menschen zu treffen, die ich verabschieden muss. Vielleicht deshalb setze ich mich für eine richtige Verabschiedung ein. Das muss sein.

Trotzdem habe ich einen inneren Drang, mich selber zu verabschieden und die Welt zu bereisen. Und auf der Reise? Ja, auch da kommt es zu wunderbaren Begegnungen und demzufolge zu Verabschiedungen.

Die erste Verabschiedung durch einen Tod in den eigenen Reihen erlebte ich beim Tod meiner Grossmutter. Ich hatte keine intensive Beziehung zu ihr. Die Trauer meines Vaters aber, die hat mich unendlich traurig gemacht. Sehr gut erinnere ich mich, wie der starke Bauer, den nichts ins Wanken brachte, vor Trauer um seine Mutter weinte. Ich war ein kleines Kind und tief betroffen, dass mein Vater so furchtbar traurig sein muss.

Der erste Tod, der mich sehr getroffen hat, war der Tod meines Vaters. Ich war damals 30 Jahre alt und konnte ihn in den letzten fünf Tagen jede Nacht begleiten. Die ganzen 30 Jahre zuvor habe ich nicht so viel mit meinem Vater gesprochen wie in seinen letzten fünf Nächten. Ich war sehr traurig. Das erste

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LLeid und Leiden

Trauer kann Leiden verursachen. Die einen, darunter

Jorge Bucay, Psychoanalytiker und Autor, unterscheiden das Leid ganz klar vom Schmerz. Der Schmerz, so Bucay, bedeutet, Zugang zu den Gefühlen des Mangels, des Vermissens und der Leere zu haben. Der Schmerz gehe mit der Traurigkeit einher. Er sei normal, sehr unangenehm und dennoch heilsam. Denn nach dieser Traurigkeit und diesem Schmerz kann ein Wandel eintreten und sich etwas verändern.

Das Leiden hingegen, so Bucay, habe etwas Absichtsvolles: Man gibt sich bewusst in den Zustand des Unglücks hinein. Das Leiden lähmt, solidarisiert sich mit der abwesenden Person und will zwar gesehen, aber nicht getröstet werden. Es fragt nach dem Warum und findet keine Antwort.

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Anja (siehe auch Schmerz)

Leiden, so würde ich es ausdrücken, ist, wenn man in den Abgrund stürzt und für eine Weile nicht mehr herausfindet. Das Leiden, so wie es Bucay beschreibt, ähnelt einer depressiven Symptomatik oder kann sich zu einer auswachsen. Es ist wie eine Perpetuierung des Schmerzes, ein Bad im Abgrund.

Für den Schmerz setze ich mich ein. Der soll sein (wenn man ihn so fühlt), denn ich wehre mich dagegen, dass man heute im Sinne der Resilienz und des überschäumenden Optimismus gleich alles wieder «wegmachen» muss, was länger dauert oder nicht passt. Unsere «pathische» Fähigkeit (Dorothee Sölle), also die Fähigkeit, ein gewisses Mass an Leid und Schmerz anzunehmen, ist vielen verloren gegangen. Es wird uns eingeredet, dass wir nur mit dem richtigen «Mindset» bald schon wieder auf Spur kommen, dass «das Glas halb voll» ist und dass man «manifestieren» soll, was man sich wünscht. Für jemanden, dem grad das Schlimmste passiert ist, was er sich je vorgestellt hat, ist das an Zynismus kaum zu überbieten. Und ich denke, dass gerade zu Beginn eines Trauerprozesses diese pathische Fähigkeit – auch vom Umfeld der Trauernden – wichtig und hilfreich ist. Sie gehört auch zum Annehmen des Geschehenen dazu. Die pathische Fähigkeit bedeutet: sich bewusst zu sein, dass wir als Menschen nicht alles machen und

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kontrollieren können und vielleicht für eine Weile den Widerstand gegen die Gefühle der Ohnmacht und des Schmerzes aufzugeben. Denn Widerstand ist zwecklos, er braucht nur noch mehr Energie. Ich habe die Resilienz angesprochen. Das bedeutet: gedeihen trotz widriger Lebensumstände. Die American Psychological Association hat folgende zehn Wege zur Resilienz zusammengetragen. Sie führen nach oder auch während der Zeit des Schmerzes wieder ins Handeln. Trotzdem gilt «grief is shit»:

· Soziale Beziehungen pflegen

· Krisen nicht als unüberwindbar ansehen

· Veränderungen als Teil des Lebens akzeptieren

· Eigene Ziele anstreben

· Aktiv werden

· Belastungen als Gelegenheit zum Wachstum ansehen

· Ein positives Selbstbild pflegen

· Eine breitere Perspektive behalten

· Optimistisch und hoffnungsvoll bleiben

· Für sich sorgen

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Leidmahl Zita

Das Leidmahl wird sehr unterschiedlich benannt, in der Schweiz wohl von Kanton zu Kanton anders. Es handelt sich dabei um das Essen, welches nach der Beerdigung stattfindet. Früher ging man an eine Beerdigung und im Anschluss immer an dieses Leidmahl. Ob man wollte oder nicht, das war nicht die Frage. Vielleicht ist das der Grund, warum sich rund um das Leidmahl verschiedene Geschichten und Gerüchte entwickelt haben. «Während des ganzen Lebens haben sie sich nie um den Verstorbenen gekümmert, aber zum Essen kommt man dann.» Oder: «Sie haben es nicht nötig, zum Essen zu kommen.» Oder: «Aha. Man wird eingeladen und isst und vor allem trinkt doppelt so viel als sonst.» Egal, was man tat, es war wohl nicht das Richtige. Also kein Wunder, dass das Ritual Leidmahl fast ausgestorben ist. Es entwickeln sich aber auch ganz andere und neue Formen, die das Leidmahl würdig ersetzen.

Als Regel gilt nach wie vor: Wenn man an einer Beerdigung ist und zum Leidmahl eingeladen wird, dann soll man dieser Einladung folgen. Es gibt immer Gründe, nicht dabei zu sein. Es gibt

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aber wenige triftige Gründe, um der Verstorbenen, dem Verstorbenen nicht noch einmal die Ehre zu erweisen. Es geht dabei um die Verstorbenen und ihre nahestehenden Menschen.

Nicht vergessen dürfen wir den Sinn eines Leidmahls. Früher war es noch eine Ehrensache, dass man an die Beerdigung eines bekannten und erst recht eines einem nahestehenden Menschen gegangen ist. Auch wenn man keine Lust hatte. Und einige Leserinnen und Leser erinnern sich mit Sicherheit an sehr fröhliche Leidmahle. Ein Leidmahl hilft den Trauernden. Sie haben über einige Stunden die Menschen um sich, welche ihnen und der Verstorbenen, dem Verstorbenen wichtig sind. Zumindest haben sie in deren Leben eine wichtige Rolle gespielt. An einem Leidmahl spricht man über Erinnerungen mit der Verstorbenen, dem Verstorbenen. Deshalb kann es passieren, dass man sich über die vielen schönen Erinnerungen so freut, dass es zu einer sehr schönen Stimmung kommt.

Früher kamen Menschen von Nah und Fern zu einer Beerdigung. Und auch das ist ein Grund für das Leidmahl. Die Trauerfamilie wusste, dass alle Gäste zu verpflegen sind. Ganz früher wurde das Leidmahl im Haus oder in der Wohnung der Verstorbenen durchgeführt. Weil die Familie auch bei der Beerdigung ist, fehlt aber oft die Zeit, um alles

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für ein Leidmahl zu Hause vorzubereiten. Eine gute Alternative ist das Essen in einem Restaurant – gerne auch in einem Restaurant, das für den Verstorbenen eine Bedeutung hatte. Das Leidmahl soll in einem würdigen Rahmen stattfinden. Die Art des Essens bezieht sich auf die Tageszeit. Wenn die Beerdigung am frühen Morgen ist, dann lädt man im Anschluss zu Sandwich oder Kalter Platte oder auch Kaffee, Tee und Gipfeli ein. Meistens findet die Beerdigung am Vormittag statt, sodass zu einem frühen Mittagessen eingeladen wird. Es wird ein Menü für alle ausgewählt und serviert. Gerne auch ein Lieblingsgericht des Verstorbenen.

In unserer Familie hat das Thema Essen ohnehin grosse Bedeutung. Unsere Mutter war eine begnadete Köchin und wir sechs Kinder haben davon im Minimum ein Gen geerbt. So waren die Leidmahle in unserer Familie legendär. Für das Restaurant war das eine echte Herausforderung. So erinnere ich mich an das Leidmahl in Gedenken an unseren Vater: Gemischter Salat – Fleischsuppe mit Backerbsen – Hackbraten, Kartoffelstock und Gemüse – Erdbeeren und Eis. Und natürlich einige Flaschen

Wein. Unsere Verwandtschaft aus Genf hat sich an diesem Tag erst am späten Abend verabschiedet. Es war genau nach dem Gusto von unserem geliebten Papa mit über 100 Gästen.

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Und darum geht es. Egal, ob es eine Party im Wald ist oder ein klassisches Leidmahl im Restaurant. Oder vielleicht auch gar nichts. Entschieden wird das von den trauernden Hinterbliebenen im Zusammenhang mit dem Verstorbenen.

Was helfen kann:

· Ein Restaurant (oder einen anderen Ort) wählen, das den Trauernden und/oder dem Verstorbenen, der Verstorbenen zusagen würde.

· Das Budget klären. Es gibt für jedes Budget eine Lösung.

· Gäste bewusst an das Leidmahl einladen, z. B. nur alle Verwandten, damit die Anzahl übersichtlich bleibt.

· Die Einladung vor der Beerdigung zusenden.

Das Leidzirkular wird zur Verkündigung eines Todesfalls erstellt und per Post an alle versendet, welche man über den Tod eines Menschen informieren

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Leidzirkular Zita

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