Einführung
Die historischen Verkehrswege der Schweiz
Die Wiederbelebung geschichtsträchtiger Wege und Strassen in der Schweiz ist eine grossartige Errungenschaft, die allen Menschen zugutekommt, seien sie Touristinnen, Wanderer, Erholungssuchende oder Geschichtsinteressierte. In den letzten Jahrzehnten ist eine flächendeckende Struktur von Kulturwegen entstanden, ein Netz von zwölf Hauptrouten und potenziell 300 regionalen Routen. Was wohl nicht alle Nutzerinnen und Nutzer dieses Geflechts wissen: es geht zurück auf Forschungsund Dokumentationsarbeiten im Rahmen des IVS, des Inventars historischer Verkehrswege der Schweiz. Nach über zwanzigjährigen Entwicklungsarbeiten setzte der Bundesrat 2010 das IVS als offizielles Bundesinventar nach Art. 5 des Bundesgesetzes über den Natur- und Heimatschutz NHG in Kraft (www.ivs.admin.ch). Es ist bis heute eine weltweit einzigartige Bestandesaufnahme von sichtbaren Zeugen der Verkehrsgeschichte und ergänzt die beiden anderen Bundesinventare, dasjenige der Landschaften und Naturdenkmäler (BLN) und jenes der schützenswerten Ortsbilder (ISOS).
Im Bundesinventar IVS sind Wege und Strassen erfasst, die von nationaler Bedeutung sind und noch sichtbare historische Wegsubstanz aufweisen; diese Wege stehen unter besonderem Schutz. Alle 3750 Wege und Strassenstücke lassen sich mittels des Geoinformationssystems (GIS) auf der einschlägigen Website map.geo.admin.ch entdecken (siehe Abbildung linkerhand; Sucheingabe: IVS National, IVS Regional und Lokal). Auch die zwölf Kulturwege der Schweiz bauen auf dem IVS auf; sie führen durch die topografisch und kulturhistorisch verschieden ausgeprägten Sprachregionen der Schweiz und machen den Reichtum der Mobilitäts- und Kulturgeschichte erst richtig erfahr- und begehbar. Sie sind gleichzeitig Teil von SchweizMobil, dem nationalen Netzwerk für den Langsamverkehr. Jede der Hauptrouten repräsentiert einen zentralen Aspekt der Schweizer Kultur- und Verkehrsge -
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s chichte. Als Beispiele seien die besonders bedeutenden Routen ViaFrancigena, ViaSbrinz und ViaRhenana genannt, welche ganz unterschiedliche Landesgegenden und Geschichtspfade berühren. Der Schweizer Abschnitt der ViaFrancigena folgt einer der wichtigen europäischen Pilgerstrassen, die aus dem mittelalterlichen Frankenreich nach Rom zu den Grabstätten der Apostel Petrus und Paulus führt. Auf der V iaSbrinz begleiten wir, zumindest im Geiste, die Säumer, die den beschwerlichen Weg über die Pässe Brünig, Grimsel und Gries unter die Füsse (und Hufe) nahmen, um den be l iebten Hartkäse Sbrinz auf die norditalienischen Märkte zu bringen. Die ViaRhenana ist einem der prägendsten Wasserwege der Nordschweiz gewidmet. Mit dem Kulturwegführer «ViaRhenana – Wasserweg mit Salzgeschmack», dem ersten Band unserer Buchreihe, kann man die Mühen und Fährnisse des Salz- und Weintransports auf dem Rhein nachvollziehen und einige der schönsten spätmittelalterlichen Stadtkerne und Landstädtchen kennenlernen – erwähnt seien nur Stein am Rhein, Schaffhausen, Eglisau, Laufenburg und Basel.
Ein Saumweg überwindet Sprachgrenzen
Die ViaValtellina wurde anfangs des Jahrtausends im Rahmen des Konzepts «Kulturwege Schweiz» als historischer Verkehrsweg wiederbelebt und in Wert gesetzt. Ähnlich wie die ViaSbrinz und die ViaGottardo bildet sie eine der alpenquerenden Transitrouten ab, die vermutlich schon vor der Römerzeit für Transporte und kulturellen Aus t ausch überregionaler Art genutzt wurden. Das Motto der ViaValtellina – «ein Wein verbindet drei Alpenländer» – enthält einen ganzen Strauss von faszinierenden Anknüpfungspunkten. Erstens: der Wein. Seit Jahrhunderten wird in Graubünden und im Vorarlberg Wein aus dem Veltlin genossen. Vom Mittelalter bis in die Frühe Neuzeit trugen Säumerinnen und Säumer mit ihren Pferden, Maultieren und Eseln den Veltliner Wein über den Berninapass, den Scalettapass und das Schlappiner Joch in den Norden. In umgekehrter Richtung waren es vor
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5 Vielfalt der Sprachen und Verkehrsmittel: Wanderer, Bikerinnen und Zugreisende treffen sich in Romanisch, Deutsch und Italienisch auf der ViaValtellina 30.
a llem die Hufe von Rindern, die die Wege festigten: Rindvieh wurde in grosser Zahl über die Pässe getrieben, Fleisch auf eigenen Beinen für die Schlachtung und den Verzehr in der reichen Lombardei. Welcher Kontrast zu der heut igen Viehverfrachtung und dem LKW-Transport von gefrorenen Schweinehälften!
Die Geschichte der ethnischen und sprachlichen Gemeinschaften entlang der Route ist nicht minder interessant. Schon in vorgeschichtlicher Zeit muss es Beziehungen über die Pässe hinweg gegeben haben, archäologische Funde weisen darauf hin. Im 13. und 14. Jahrhundert siedelten sich Walser in Davos, Klosters, Schlappin und im Montafon an. Dort trafen sie auf eine romanisch sprechende Bevölkerung, Dorf- und Flurnamen zeugen noch heute davon. Die Walser waren tüchtige und findige Bauern; sie setzten ihre
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Zugpferde vor allem im Winter auch als Saumtiere ein. 1496 wurde das Prättigau öster r eichisch, doch 1649 kaufte es sich endgültig los. Auch die Engadiner am Transitweg vom Maloja- zum Reschenpass pflegten intensiven Kontakt zum Süden und zum Tirol. Die Puschlaver hatten seit jeher enge Beziehungen zum Veltlin, mit dem sie ihren alpinlombardischen Dialekt teilen. Sie erwarben nach und nach Weinberge und kelterten ihren Rebensaft sowohl in Tirano als auch im unteren Puschlav. Die wichtigste Gemeinsamkeit in dieser langen Zeit ist neben der Landwirtschaft der Handel, und wo sprachlich unterschiedliche Gruppierungen miteinander im Austausch sind, lassen sich besondere linguistische Erscheinungen beobachten. Die Mehrsprachigkeit in den alpinen Tälern gewinnt eine eigene Dynamik, die sich in vielen Bereichen auswirkt, teils komplizierend – es müssen für die romanischsprachi-
6 «Manar vin in Vuclina»: eine Redensart aus dem Unterengadin (in Vallader), die bedeutet, dass man etwas Sinnloses tut, wenn man Wein ins Veltlin trägt – da ja dort viel «vino» hergestellt wird. Illustration: Pia Valär.
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gen Schulen Lehrmittel in fünf verschiedenen Idiomen entwickelt werden –, teils belebend, wenn zum Beispiel ein Autorinnenteam einen elektronischen Comic «mit viersprachigem Kuhmagen» erschafft, der die rätoromanische Kultur neu erzählt (www.crestomat.ch). Historisch gesehen haben die mündlichen Sprachäusserungen – und damit die Mundarten oder Dialekte – entlang der Säumerroute sicher den Vorrang genossen gegenüber s chriftlichem Austausch, obschon zum Beispiel die Protokolle v ieler Hexenprozesse im Puschlav im regionalen Dialekt, dem Pusc’ciavin, verfasst wurden. Heute arbeiten viele Veltline r innen und Puschlaver im Tourismusgewerbe des reichen Oberengadins, wo sie oft mit Mitarbeitenden aus einem anderen romanischen Sprachbereich zu tun haben, dem portugiesischen nämlich. Auf Baustellen und in Hotelküchen dient dann das Italienische als «lingua franca», als alltägliche Verkehrssprache.
Dialekte, Idiome, Sprachen
Wenn man sich als Autor oder in Diskussionen auf Sprachenfragen einlässt, betritt man – nicht nur in der viersprachigen Schweiz – dünnes Eis. Man kann sich vor der Forderung nach hieb- und stichfesten Definitionen nicht immer mit dem Spruch des Linguisten Max Weinreich aus der Affäre ziehen, eine Sprache sei nichts anderes als ein Dialekt mit einer Armee und einer Flotte (oder in seinem Jiddisch: «A sprakh iz a dialekt mit an armey un flot»). Wenn die in der Schweiz Wohnhaften in den früheren Volkszählungen ihre Hauptsprache angeben mussten, kamen sie oft in die Bredouille: Man dachte im vertrauten «Bärndüütsch» und kreuzte mit mulmigem Gefühl «Deutsch» an. Noch ärger war der Zwiespalt für die Romanischsprachigen, die ja zumeist perfekt bilingual sind und dennoch nur eine Sprache als Hauptsprache nennen konnten. Ganz zu schweigen davon, dass die Idiome wie z. B . das Oberengadinische (Putèr) oder das Unterengadinische
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(Vallader) ohnehin über den einen Leisten des «Romanischen» geschlagen werden. Wenn die Rätoromani nnen – oder zumindest die Sprachsachverständigen –über ihr «Idiom» reden, meinen sie die genormte, schriftliche Varietät ihres Dialekts, die sich in den Texten der Schulbücher niederschlägt. Im Alltag s prechen sie ihren Dialekt, und im Verkehr mit den Behörden des Kantons gilt das Bündnerromanische als Amtssprache – oft ist es das Rumantsch Grischun, eine auf dem Reissbrett geschaffene Schriftsprache. In den letzten fünfzig Jahren hat das Romanische als lokale Hauptsprache einen starken Rückgang erfahren: sein Anteil ist von 88 % auf 65 % gesunken, während die deutschsprachige Bevölkerung einen Anstieg von 9,7 % auf 48 % verzeichnete. Jedoch: wer hier rechnet, kommt auf über 100 % u nd merkt, dass es heute in den Befragungen des Bundesamts für Statistik erlaubt ist, mehr als eine Sprache anzugeben; zur Auswahl stehen auch Pakete aus Hochsprache und Dialekt, z. B. «Italienisch (oder Tessiner/bündneritalienischer Dialekt)», was aber den balanciert Zwei- und Mehrsprachigen noch immer nicht ganz gerecht wird. Da wir entlang der ViaValtellina durch drei Sprach- und ungezählte Dialektregionen wandern, soll der Faden der Mehrs prachigkeit punktuell in Kästchen immer wieder aufgenommen werden. Die Leserin, der Leser darf durchaus merken, dass Ihr Autor in einem früheren Leben Sprachlehrer und Linguist war und immer noch leidenschaftlich am Thema herumdenkt.
Es ist aber letztlich die Topografie der östlichen Schweizer Alpen, welche die ViaValtellina am nachhaltigsten prägt. Wer die ganze Route abwandert, bewältigt über 5000 Höhenmeter und steigt drei Mal auf Pässe von über 2200 m ü . M .; die Beschreibungen der entsprechenden Etappen auf SchweizMobil warten nicht ohne Grund mit der Warnung auf, dass auf hoch gelegenen Abschnitten
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S chneefelder bis in die Sommermonate möglich seien. Eine andere Vorsichtsmassnahme betrifft Herdenschutzgebiete auf den Alpweiden («Halten Sie Distanz zu den Tieren – auch zu Herdenschutzhunden!»). Doch genau diese alpinen Verhältnisse und das Ziel im Süden machen den Reiz unseres Trecks aus. Im Geist und mit den Sinnen vollziehen wir als Wandernde zumindest einen Teil der Anstrengungen und Aufregungen nach, welche die historischen Säumer mit ihren Tieren erlebten, dies in unserer Freizeit und ohne auf Broterwerb und Zeitdruck achten zu müssen. Da es unterwegs abgesehen von zwei Orten (Davos-Dürrboden und San Romerio/Puschlav) genügend Übernachtungsmöglichkeiten in Hotels, Pensionen und Massenlagern gibt, kann auch die Menge des Gepäcks beschränkt werden. Zudem gibt es ein Angebot an Gruppenoder individuellen Weitwanderungen mit Gepäcktransport (siehe Kapitel «Praktische Hinweise» ab S. 174). Die Einteilung in neun Etappen für die ca. 132 k m lange Weitwanderung, die in diesem Buch vorgeschlagen wird, weicht ein wenig von derjenigen auf SchweizMobil ab: die Übernachtung in Schlappin und die überlange Etappe von Davos nach S-chanf (33 k m, 1300 Höhenmeter) können so vermieden werden. Die letzten beiden Teilstrecken im Puschlav können gut zu einer Etappe zusammengefasst werden, wenn man den Talweg wählt. Auch wenn man so San Romerio, das Kirchlein im Himmel, verpasst, nimmt man die Höhepunkte der ViaValtellina mit, also sowohl die drei Pässe, von denen zwei überhaupt nur zu Fuss (oder allenfalls mit dem Mountainbike) begangen werden können, als auch die spannenden und vielfältigen «Susten» (Güterumschlagplätze) bzw. modernen Höhenkur- und Sportorte wie Klosters, Davos und Pontresina sowie die Perle im Südtal, Poschiavo. Natürlich kann man, dem Gedanken des Weinwegs treu bleibend, auch die umgekehrte Richtung von Tirano ins Montafon wählen – dann hat man die heisse Mittagssonne meist im Rücken. Wer es historisch und kollektiv mag, schliesst sich dem Säumerzug an, der jedes Jahr von einem privaten Organisator in Zusammenarbeit mit der Train- und Säumerver-
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einigung Unterwalden angeboten wird (siehe S. 174). Es ist ein ganz besonderes Erlebnis, im Rhythmus der Saumtiere und ihrer (ausgebildeten) Führerinnen und Führer über die mal schmalen, mal komfortabel breiten Wege zu gehen und zu beobachten, allenfalls mitzuhelfen, wenn es um das Füttern und Tränken der Tiere und das Aufbinden der Lasten geht. Auch wenn die Tage manchmal lang wurden, Ihr Autor bereut es nicht, dass er im Sommer 2022 die ViaValtellina im Gleichschritt mit den historisch kostümierten Säumerinnen, Säumern, Kindern und Hunden von Gargellen bis Tirano gewandert ist, vom Wetterglück verfolgt und stets wunderbar verköstigt. Und da der Wein eines der Hauptthemen des Trecks ist, darf auch der regelmässige Umtrunk nicht zu kurz kommen, an dem jeweils der Ruf rundum erklang: Viva ViaValtellina!
Armon Planta – Pionier der Verkehrswegforschung
Einer der Pioniere der bodenständigen Erforschung a lter Verkehrswege wurde im kleinen Dorf Susch am östlichen Ende des Flüelapasses geboren. Armon Planta (1917–1986) unterrichtete ein Berufsleben lang an Sekundarschulen in Santa Maria im Val Müstair, Sent und Scuol. Zusammen mit seiner Ehefrau Rosa Maria hatte er vier Kinder. Seine Leidenschaft für die Natur, die Landschaft und die Traditionen der Rumantschia lebte er in seiner Lyrik aus. Planta verwendete sich gegen den «Ausverkauf der Heimat», den grassierenden Oppor t unismus und die Germanisierung der bündnerromanischen Täler. Als er sich 1977 vorzeitig in den Ruhestand versetzen liess, konnte er seiner anderen Passion vertieft nachgehen. Schon in seinen jungen Jahren hatte er sich an archäologischen Ausgrabungen beteiligt. Vor allem die alten Pass- und Transitwege faszinierten ihn. Er entdeckte ein in den Fels gehauenes römisches Strassenstück am Malögin und Fahrspuren auf dem Julier. Ein Nachruf lobt seine fundierte archäologische Praxis und «den Mut, alte Strassen nicht nur im wahren Sinne vom Gestrüpp und Schutt zu reinigen, sondern damit auch überholte Meinungen und Vorstellungen wegzuräumen». Lange Jahre trug Armon Planta als freier Mitarbeiter zur Inventarisation der historischen Verkehrswege der Schweiz (IVS) bei. Sein vierbändiges Werk «Verkehrswege im alten Rätien» wurde von seinem Sohn Tumasch vollendet. Charakteristisch für den Stil des Wegforschers ist sein Kommentar zu zwei Wegvarianten am Berninapass: «Anhand unserer gewissenhaften Begehung im Gelände beider Pass v arianten stellten wir fest, dass beide etwa gleich i ntensiv benutzt wurden trotz der ca. 3 k m längeren e. Variante » (vgl. S. 108–109 in diesem Buch). Am Tag bevor Armon Planta an einer langwierigen Krankheit starb, erhielt er von der Universität Bern die Ehrendoktorwürde für seine Beiträge zur Erforschung der histor ischen Verkehrswege Rätiens.
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Historisches zur Säumerei
Saumwege in den Alpen
Zwischen Nord- und Südeuropa erstrecken sich die Alpen als mächtiges Hindernis für den Warentransport. Jährlich werden allein über die Schweizer Alpenübergänge 35 Millionen Nettotonnen an Gütern transportiert (Angabe für 2020), mehr als doppelt so viel wie zur Zeit der Eröffnung des Strassentunnels durch den Gotthard. Alpenpässe, die niedrigstmöglichen Übergänge und Wasserscheiden des Gebirges, dienten schon seit der Eisenzeit der Mobilität und dem Handel zwischen den Regionen mit ihren unterschiedlichen Ausprägungen. Gotthard, Lukmanier und Chrüzlipass wurden wahrscheinlich früh r egelmässig begangen, während zur Zeit der Römer Julier, Septimer und Malojapass sowie im Westen der Grosse St. Bernhard die wichtigsten Passwege waren.
Die Säumerei, der Warentransport mithilfe von «gebasteten» Saumtieren wie Pferden, Maultieren, Eseln und Ochsen, wurde bereits in der Eisen- und zur Römerzeit betrieben. «Basten», ein frühneuhochdeutsches Wort, leitet sich von italienisch «basto», Packsattel ab. Der gewerbsmässige Transport von Handelswaren ist vom f rühen 14. bis ins 19. Jahrhundert gut belegt. Es handelte sich dabei meist nicht um durchgehende Spedition mit ein und derselben Tierkolonne. Die Reise war in Abschnitte aufgeteilt, von einer «Sust» (Ablage von Transitgütern, aus ital. «sosta») zur anderen, wobei sich die Bauern der Gegend oft zu Genossenschaften (in den Drei Bünden «Porten» genannt) zusammenschlossen; sie waren mit einem oder mehreren ihrer speziell ausgebildeten Saumtiere für die «Teilfuhr» verantwortlich und mussten sich auch um den Unterhalt der Pfade kümmern.
Die Organisation und Oberaufsicht über die Bündner Passwege hatten anfangs die Klöster inne – Disentis, Pfäfers oder St. Luzi – und später rätische Herren oder die Bündner Talschaften. Zwischen den Trägern der verschiedenen Saumrouten herrschte oft starke Konkurrenz; fiskalische
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Vergünstigungen und Privilegien sollten den Verkehr auf die eigenen Wege lenken. Die Strecke über den Septimer, die sogenannte Obere Strasse, war über lange Zeit und speziell im 15. und 16. Jahrhundert die kürzeste und günstigste Verbindung für den Transithandel zwischen Venedig und Köln sowie Flandern. Nachdem Mailänder Kaufleute 1386 nach einer Ausweichroute für den Gotthard gesucht hatten, der wegen der Sempacherkriege als unsicher galt, verpflichtete der Bischof von Chur 1387 Jacob von Castelmur zum Bau einer gepflasterten Landstrasse von Tinizong bis Plurs (Piuro, bei Chiavenna), auf der Wagen mit bis zu 2 ½ Saum (ca. 300 kg) verkehren konnten. Dafür wurde Castelmur die Erhebung eines Weggeldes gestattet. Das Strässchen über den Septimerpass scheint allerdings bald wieder zum Saumweg verkommen zu sein, was dem Splügenpass Aufwind verlieh. Der Ausbau der Viamala-Schlucht, des bedeutendsten Hindernisses auf der Alpennordseite, war hier ausschlaggebend. Nicht nur die unmittelbaren Anwohner beteiligten sich daran, sondern auch die Bürger von Rheinwald und des Val San Giacomo.
5 «Grande route au Mont St. Gotthard, non loin de l’Hospice», 1802, von Johannes Moritz Gottfried Jentzsch
Das Hand- und Fusswerk der Säumer
DieSäumer hatten auf ihrer Wegstrecke das Transportmonopol. Sie leisteten ihren Dienst nach einer festen Kehrordnung, der sogenannten Rotation oder Rod, auf Anweisung der Teiler oder Sustmeister. Ein Saumzug, «Stab» genannt, bestand aus zusammengekoppelten Tragtieren, wobei ein Säumer bis zu sieben Pferde oder Maultiere führen konnte. Damit sie den Fortgang nicht durch Grasen aufhielten, wurden ihnen oft Maulkörbe angelegt. Glocken oder Schellen kündigten den Zug schon von weitem an, damit der Gegenverkehr rechtzeitig einen Ausweichplatz aufsuchen konnte. Die oft voluminösen, bis 150 k g schweren Lasten zwangen die Tiere dazu, auf dem äussersten Rand der schmalen Wege zu gehen, damit sie nicht an Felsvorsprüngen oder Ästen hängenblieben. Für viele Bauern bedeutete die Säumerei vor allem im
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6 Trinkpause in Madulain auf der Säumerwanderung 2022
W inter, wenn ihre Tiere nicht auf den Weiden waren, e inen willkommenen Verdienst und auch Abwechslung. Die Arbeit war – bei Wegstrecken von 20 bis maximal 30 k m pro Tag – körperlich hart und anspruchsvoll. So war es zum Beispiel unabdingbar, dass die Packsattel, gepolstert mit Getreidespreu oder Kälberhaaren, geschickt und ausgeglichen aufgebunden und bei steilen Auf- oder Abstiegen justiert wurden. Gegen die Nässe halfen gewachste Tücher, mit denen der «Obsack» und die «Seitsäcke» eingehüllt werden konnten. Manche Säumer konnten auf das Recht der freien Weide pochen und ihre Tiere abends grasen lassen. Andernfalls musste für Heuvorräte entlang der Strecke gesorgt werden, die entsprechende Bezahlung verteuerte den Transport. Wichtig war auch das Trinkwasser für die Tiere. Manche stattlichen Brunnen wurden eigens für sie eingerichtet.
Im Winter, wenn die Pässe tief verschneit waren, kamen die «Ruttner» zum Zug; sie waren von den Porten speziell für ihren mühsamen Auftrag ausgewählt und führten
5 «Säumerschlitten» im Engadin, Anfang 20. Jahrhundert
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Am 18. Januar 1586 brachen zwei Säumer mit ihren Pferden auf dem Malojasee ein, später wurden sie am Septimerpass von einer Schneelawine getötet. Kolorierte Federzeichnung aus einer Handschrift
ganze Mannschaften aus den Tälern an, die mit Ochsen eine passable Wegspur freizumachen versuchten. Die Tiere trampelten nach jedem grösseren Schneefall die weisse Masse nieder, mit einem Balken oder einer Kette wurde der Pfad weiter geebnet. Ein Vorteil der kalten Jahreszeit war, dass man Schlitten einsetzen konnte, die bis zu sechs Mal schwerer beladen werden konnten als einzelne Saumtiere. Manchmal fanden die Ruttner auch geschwächte oder sonst in Not geratene Menschen vor. «Liegen Reisende halb todt oder erfroren unterwegs, so laden sie solche auf Schlitten und führen sie in die Herberg; werden sie von Schneelauenen zugedeckt, so grabt man sie aus», schrieb ein Zeitgenosse.
Es ist nicht erstaunlich, dass das Säumervolk gerne dem Wein und Schnaps zusprach. Die Gasthäuser mit ihren Stallungen entlang der Routen waren Zeugen der oft rauen Sitten. Die Säumerroute vom Veltlin ins Montafon war besonders gut mit Rebensaft ausgestattet, war der Veltliner Wein doch das wichtigste Transportgut vom Süden in den Norden. Eine der Säumerherbergen, das Zuggawaldhaus in St. G allenkirch, besass einen besonders eindrucksvollen Gewölbekeller. Ein anderes Gasthaus zeugt von der Mehrsprachigkeit entlang der Säumerroute: das heute noch bestehende «Weisse Kreuz» in Vergalda trägt auf einem Balken neben der Jahreszahl 1782 die Inschrift «Osteria da Croce Bianca». Hier wurden für das hungrige und durstige Säumervolk Schnaps, Speck, Käse, Brot und Wein aufgetischt. Nicht immer führte die Fütterung zu Eintracht. Streitereien und Händel wurden manchmal mit Fäusten ausgetragen, sicher auch eine Folge der oft prekären Arbeits- und Vertragsverhältnisse. Das fahrende Volk musste oft tagelang auf die nächste Fuhre warten, langweilte sich in den Herbergen und sprach dabei dem Wein zu. Die besonderen Verhältnisse des Saumwegs über Bernina, Scalettapass und das Schlappiner Joch werden in den drei Kapiteln «Höhepunkte der Säumerei» beschrieben.
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Meinrad Juen und die Montafoner Schmuggeltradition
Es gibt nicht sehr viele Säumer, die aus der Anonymität ihrer Gruppenidentität hervortreten und in der Geschichtsschreibung Spuren hinterlassen. Die mündliche Überlieferung fördert vor allem unkonventionelle Lebensläufe an den Tag. Solch einer war dem Meinrad Juen (1868–1949) beschert. Der Mann aus St. G allenkirch im Montafon entwickelte die Säumerei zum eigenen Vorteil weiter, indem er, aufgewachsen als armer Bauernbub, Lasten über die Joche trug, die auf der anderen Seite der Grenze einen schönen Batzen einbrachten. Schon als junger Mann spezialisierte er sich auf den Schmuggel von Waren wie Kaffee und Zigaretten. Während seines Einsatzes im Ersten Weltkrieg erlernte er auch das Schlachten von Ochsen und konnte sich so in den harten Zeiten danach als illegal tätiger Störmetzger über Wasser halten. Nebenbei führte er mit seiner Frau eine Landwirtschaft. Nach deren Verlust und der Trennung der Eheleute widmete sich Meinrad wieder verstärkt dem Schmuggel, den er als kleines Unternehmen betrieb; er beschäftigte Kollegen und Helferinnen, die die Waren auf Bestellung lieferten.
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5 Meinrad Juen (3. v. rechts) mit seiner Frau Ida, Familie und Freunden auf der Alp, 1925
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Gedenkstein für Jura Soyfer vor seinem ehemaligen Wohnhaus in Wien
Sie schleppten Lasten von bis zu 30 Kilogramm auf ihren Rücken und kannten zahlreiche Tricks, um dem Arm des Gesetzes zu entgehen. Um die Zöllner im Schnee auf eine falsche Fährte zu locken, nagelten sie ihre Schuhe verkehrt herum, so dass die Grenzpolizisten glaubten, sie liefen ab- statt aufwärts. Am Schlappiner Joch habe es ein «Gaffiloch» gegeben, eine kleine Höhle, die als Depot für Schmugglerware, eben Kaffee, diente.
Nach dem Einzug der nationalsozialistischen Ideologie in Vorarlberg zeigte sich Meinrad Juen umso motivierter, der herrschenden Macht ein Schnippchen zu schlagen. Er verhalf gegen gutes Geld zahlreichen jüdischen Flüchtlingen über die Grenze in die Schweiz. Dabei nutzte er eine seltsame Verbindung: der nazistische Stadtkommandant von Charkiw in der besetzten Ukraine war ein Schrunser, er stellte zahlungskräftigen Juden Passierscheine für den Besuch angeblicher Verwandter im Montafon aus. Auf der Durchreise in Wien erfuhren sie die Adresse Juens, bei dem sie sich dann meldeten. Als einziger der örtlichen Schlepper erlaubte er ihnen, Gepäck mitzubringen, das er dann von Komplizen nachts über einen der Pässe tragen liess. Das «Gaffiloch» diente dabei wiederum als Depot. Als der Menschenschmuggler dennoch erwischt wurde und zum Arrest in Schruns abgeführt werden sollte, gelang ihm die Flucht, und er tauchte für den Rest der Kriegszeit unter.
Einer, der ohne die Hilfe Juens in höchster Not in die Schweiz flüchten wollte, war der Schriftsteller Jura Soyfer, geboren 1912 ebenfalls in Charkiw. Einige seiner fünf Dramen werden noch heute aufgeführt. Sie machen sich für die Veränderung der Gesellschaft von unten herauf stark. Soyfer versuchte, einen Tag nach dem «Anschluss» Österreichs an Nazi-Deutschland mit den Skiern über die Grenze zu fliehen. In Gargellen wurde er verhaftet. Er starb mit 26 Jahren im KZ Buchenwald an Typhus.
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Gargellen – Klosters
DasZiel der meisten Saumtransporte aus dem Veltlin war Schruns, der historisch wichtigste Marktort im Montafon. Besonders der Viehmarkt zog regen Betrieb an; er fand zwei Mal jährlich statt und wurde erst 1999 eingestellt. Das Montafoner Braunvieh eignete sich wegen seiner guten Muskulatur und dem nicht allzu hohen G ewicht gut für die Bergbauernregionen mit ihrer Dreistufenwirtschaft. Grosse Kontingente von Rindern wurden im Herbst über das Schlappiner Joch ins Prättigau und über die weiteren Alpenpässe bis nach Norditalien getrieben, wobei die Montafoner von einem alten Recht auf zollfreie Viehausfuhr profitierten. Neben Ochsen und Rindern wurden auch Pferde nach Italien verkauft. Der herbstliche Viehmarkt in Tirano wurde jeweils eine Woche nach demjenigen in Schruns eröffnet, was einen Eindruck davon vermittelt, in welchem Tempo die Tiere und ihre Treiber die beinahe 150 Kilometer lange Strecke bewältigten.
Schruns liegt auf 690 m ü . M ., und hier endet die Bahnstrecke von Bludenz her. Die eigentliche Wanderroute ViaValtellina 30 beginnt in Gargellen. Wer die 15 k m Wegs durch das enger werdende Tal der Ill und entlang ihres Zuflusses Suggadinbach nicht zu Fuss gehen will, kann zumindest im Sommer den Bus No 87 nehmen, der die 700 Höhenmeter leicht überwindet. Gargellen ist ein Luftkurort, dessen 132 Einwohnerinnen und Einwohner ein Mehrfaches an Betten in Hotels, Pensionen und Ferienwohnungen anzubieten haben. Vor allem im Winter ist der schneereiche Talkessel beliebt bei Familien; es gibt hier acht Liftanlagen, und die Pisten reichen bis 2300 m ü . M . Die Gargeller gelten als besonders gastfreundlich, und man sollte nicht erstaunt sein, wenn die Tourismuswerbung jeden und jede mit «Du» anspricht. Im Angebot ist auch ein Kinderwanderweg. Die «Gagla» (Gagla = Kinder im lokalen Dialekt) werden mittels verschiedener Aufg aben zum forschenden Entdecken aufgefordert, zum Beispiel an einem Teich.
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N icht gar so kinderleicht ist demgegenüber die erste Etappe der ViaValtellina. Zwischen dem Montafon und dem Prättigau türmen sich die Gebirge namens Rätikon und Silvretta, zu massiv für einen Strassen- oder Bahnübergang. Wer vom Etappenort Klosters per Auto nach Gargellen gelangen will, fährt gut und gerne 120 k m (über Buchs und Feldkirch) für eine Luftlinie von 12 Kilometern. Das Rätikon im Westen des Gargellentales schwingt sich zum höchsten Gipfel, der Schesaplana, auf beinahe 3000 m hoch; die Silvretta-Gruppe umfasst den Piz Linard (3410 m ) und den Piz Buin (3312 m ). Das Schlappiner Joch, auf das wir auf dieser ersten Etappe zusteuern, ist dabei nur einer von verschiedenen historischen Gebirgspässen zwischen der österreichischen Talschaft und dem Prättigau. In spätmittelalterlichen Beschreibungen werden auch der Vermuntpass ins Engadin und der Plasseggenpass erwähnt.
Es ist nachgewiesen, dass diese Übergänge schon in prähistorischer Zeit benutzt wurden, lange also, bevor man sich Gedanken machte über Landesgrenzen und Zollgesetze. Zur Zeit des römischen Reiches waren das Vorarlberg und das heutige Graubünden Teil derselben Provinz, Rätien. Für die Menschen des Spätmittelalters war entscheidend, zu welchem Grundherrn und zu welcher Berufsgruppe sie gehörten, der Begriff der Nation lag noch weit hinter dem Horizont. Mitte des 14. Jahrhunderts zum Beispiel bezeichnete eine Urkunde die Untertanen des Grafen Albrecht von Werdenberg als Silberer (Arbeiter im Dienst der Silberminen), Hoflút ze santpetern, ffrige, Gotzhus lüt und Walliser (Walser, siehe Kapitel S. 50). Die Gemeinde Ardez im Unterengadin besass Alpweiden im heutigen Vorarlberg (auf der Bielerhöhe), die Rinder wurden über den teilweise vergletscherten Vermuntpass geführt; und zu schliessen aus den Familiennamen muss es auch oft Eheschliessungen über die Gebirgskämme h inweg gegeben haben. Zeitweise ist die Durchlässigkeit der hochgelegenen Übergänge auch an sozio-kulturellen Erscheinungen abzulesen: als es im Prättigau Mitte des 17. Jahrhunderts zu
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Hexenverfolgungen («die groos Häxatöödi») kam, wurde auch im Montafon nach Massnahmen gegen Menschen, die vermeintlich Zauberei praktizierten, gerufen. Das erste Zollamt des Montafon wurde um 1790 in Gargellen eingerichtet, aber erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts entstand die Tendenz zum Zentralstaat mit Einfuhrzöllen und Schmuggelverboten. Für die Grenzkontrollen wurden sogenannte «Kordonjäger» eingesetzt. Zur Zeit der Helvetischen Republik flohen manche Soldaten über die Joche von der Schweiz nach Österreich, um sich dem Wehrdienst zu entziehen. Es war aber die Arbeitsmigration, die wohl zu den meisten Grenzübertritten zwischen dem Montafon und dem Prättigau führte: Heuer, Schindelmacher und Dienstmägde zogen meist vom eher ärmlichen Norden in den Süden auf der Suche nach saisonalen Beschäftigungen.
6 Die Fideliskapelle an der Strasse nach Gargellen erinnert an die grenzübergreifende Geschichte des Montafons und Prättigaus, speziell an die Religionskriege im 17. Jh.
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Der Wanderweg in Richtung Schlappiner Joch folgt von der Seilbahnstation Gargellen – Schafberg aus dem Valzifenzbach durch lockeren Fichtenwald. Die Morgensonne beleckt schon die ersten Gipfel, ihr Name, Ritzenspitzen, zaubert ein Lächeln auf unsere Gesichter. Den Talgrund erreicht sie, wenn man bei einer der alten Alpweiden Halt macht. Hier gehen wir ein Stück weit auf einer asphaltierten Strasse, was heisst, dass die Alpe stets noch bestossen wird – 250 Stück Jungvieh weiden hier jährlich, hauptsächlich von Landwirten der Gemeinde Bludenz. Der Sage nach besuchte bei kaltem Wetter öfter mal ein «Weible» die Küche des Maiensässes Vergalda, um sich die Hände am Herdfeuer zu wärmen. «Tschu! tschu! hüt isch kalt», rief es dann. Nach einer Weile, wenn es sich gewärmt hatte, soll es gesagt haben: «Jetz muass i go di vertälta Schwi trenka» und hastig von dannen gegangen sein. Der
5 Die Brücke über den Valzifenzbach ist solide gebaut.
e igentliche Anstieg auf den Pass beginnt auf 1800 m ü M Im bewährten Bergschritt sind die 400 Höhenmeter gut zu bewältigen. Wer jedoch den Saumtieren zu folgen hat, mag Mühe haben, das recht zackige Tempo der Haflinger und Maultiere einzuhalten. Die Säumer wissen: die Tiere sollten kontinuierlich gehen, Pausen verführen sie nur zum Grasen. Da kommt dem etymologisch Bewanderten wieder der angebliche Ursprung des Namens «Schlappiner Joch» in den Sinn. Schlappin soll sich aus dem Rätoromanischen «stloppin» (schlagen) ableiten. Gemeint sei, dass man das Vieh mit Stöcken angetrieben habe. Der Blick zurück auf das schmale Valzifenztal lässt ein wenig erahnen, wie verästelt und zerfurcht das Vor a rlbergische hier ist. Es ist schwer vorstellbar, dass noch vor zweihundert Jahren nach jedem Herbstmarkt Hunderte von Rindern, Ochsen und Pferden durch das Tal und über das Joch getrieben wurden; der Saumweg muss nach e inem solchen Durchzug ziemlich mitgenommen gewesen sein. Wenige hundert Meter vor dem Scheitelpunkt steht rechterhand immer noch eine Zollhütte. Ob sie auch die k.u.k. Zollwache beherbergte, die im Jahr 1840 ein Gefecht austrug mit heimkehrenden Montafoner Heuarbeitern, die einige kleine Geschenke für Verwandte über die Grenze bringen wollten? Die Grenzwächter machten sich nicht gerade beliebt, das ganze Montafon nahm ihnen übel, dass sie scharf schossen, obwohl der Wert der Waren, die man einzuschmuggeln versuchte, sehr gering war. Wie stets bei einem Joch oder Pass, schlägt das Herz höher ob der Aussicht in zwei Landschaften, zwei Täler, auf den Weg hierher und denjenigen ins Weitere. Wer den langen Abstieg nicht mag, kann in zwei Stunden zur Bergstation der Madrisa-Bahn wandern. Doch dann verpasst er oder sie die schönen Wegschlaufen und den Blick ins hintere Schlappintal und seine Gipfel. Der Chessler, 2836 m , ist mit einem tragischen Ereignis verbunden. Hier stürzte am 12.Juli 1944 ein B17-G-Bomber der amerikanischen Luftwaffe ab, eine so genannte Fliegende Festung. Die vier Besatzungsmitglieder waren auf dem Rückweg von einem Bombenangriff auf München, wo sie einige Treffer abbe -
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