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Geleitwort von Katharina Meyer, Co-Verlagsleiterin

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WUNDEN STURMNACHT

WUNDEN STURMNACHT

Ein Mensch zwischen den Welten

Es tönt wie ein Abenteuer, wenn Willi Bürgi beschreibt, wie er zu den Schriften von Louis Gut gekommen ist. Auf allen Vieren durch einen schmalen Gang kriechend, gelangt er durch eine Türe hinein in den Dachstock des Turmes im ehemaligen Haus des Dichters, in gespannter Erwartung, was er dort antreffen wird. Er entdeckt einen Schatz –mit Tüchern bedeckte Kartonschachteln voller Schriftstücke, Hefte, Fotos – und nimmt ihn mit sich. Während Jahren widmet sich Willi Bürgi dem Entdeckten, verbringt unzählige Stunden damit, die Schriften zu sichten und sich dabei dem Menschen Louis Gut anzunähern. So findet er auch heraus, dass zu Lebzeiten des Autors nie ein Buch mit seinen Texten veröffentlicht wurde. Uns – wie auch Willi Bürgi – ist es deshalb ein Anliegen, Teile dieses Schatzes der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Im nun vorliegenden Buch erscheinen vor allem Gedichte von Louis Gut, ergänzt mit Tagebucheinträgen und wenigen Briefen sowie Fotos, um das Bild des Dichters abzurunden. Für die Gedichte haben wir uns entschieden, weil sie dem Autor selber sehr am Herzen lagen; unzählige hat er im Laufe der Jahre verfasst, bei den hier publizierten handelt es sich um eine kleine Auswahl daraus.

Die Gedichte von Louis Gut zeugen von einem romantischen Naturverständnis. In den meisten davon geht es um Naturerscheinungen wie Pflanzen, Wald, Landschaften, See, Wind und Wetter, Sonne und Mond usw. Natur ist für ihn der Inbegriff des Lebens (und Sterbens, das zum Leben dazugehört) und durch und durch positiv gewertet. Dies ist vermutlich der romantischen Tradition geschuldet, in der sich Louis Gut als gebildeter Bürgerlicher aus eher wohlhabendem und politisch (im Freisinn) sehr aktivem Hause sieht. Dies im Gegensatz zu den zeitgenössischen Strömungen der Literatur, die die damals vorherrschenden weltpolitischen und gesellschaftlichen grossen Unruhen –Stichwort Weimarer Republik, kommunistische und faschistische Bewegungen, Industrialisierung etc. – widerspiegelten in ihrem experimentellen, innovativen Umgang mit Sprache. So könnte der Unterschied zwischen zerrissen wirkenden expressionistischen oder absur- den dadaistischen Werken und den Naturgedichten des Bauernpoeten Louis Gut grösser kaum sein. Doch diese modernen Literaturströmungen waren Teil einer Avantgarde, während man sich in bürgerlichen Kreisen weiter an Klassik und Romantik orientierte. Louis Guts Gedichte entstammen aber nicht einfach nur einer sprachlichen und thematischen Tradition; vielmehr widerspiegeln sie das innere Erleben des Autors, der immer wieder erwähnt, wie er Ruhe, Zufriedenheit und Trost erlebt, wenn er sich in der Natur aufhält, wie er dort emotionale Geborgenheit findet. Dies kann bei manchen Gedichten dazu führen, dass man den Ton teilweise an Rührseligkeit grenzend empfindet. Andererseits spürt man die Gefühle des Dichters beim Betrachten der Welt da draussen und in sich drinnen beim Lesen seiner Gedichte deutlich nach, dank der von ihm gewählten Worte und Bilder.

Als Bauer stand Louis Gut in täglichem Kontakt mit der konkreten, nicht immer nur idyllischen Natur. Diese kann brutal, rücksichtslos blind wütend, destruktiv sein. Gerade als Landwirt (und in seiner späteren Tätigkeit als Hagelschatzer) hat er diese Seiten der Natur auf jeden Fall auch erlebt. In seinen Gedichten beweist Louis Gut eine genaue Beobachtungsgabe, ein Auge für Details, die sich beispielsweise in Beschreibungen von Pflanzen, Landschaften oder Wetterphänomenen niederschlagen. Diesen scharfen Blick verdankt er den unzähligen Stunden, die er – als Bauer – draussen verbracht hat. So wurde er zum Bauernpoeten. Als Mensch war Louis Gut Teil von verschiedenen Welten: sowohl der bäuerlichen wie der bildungsbürgerlichen Welt. Wie er versucht, diese Welten zu verbinden, wird in seinem Leben und in seinen Texten deutlich.

Neben den Gedichten schreibt er fleissig Tagebücher, in denen er andere Themen als in den Gedichten behandelt. Reflexionen über die Weltlage, politische Analysen, Geschichtliches zur Region, in der er lebt, Reiseberichte, wirtschaftliche Überlegungen und Sorgen, selbst den Verlust seiner Frau verarbeitet er schreibend. Die Briefe, die erhalten sind, sind Teil des Schriftverkehrs mit seiner Frau. Auch hier kann historisch Interessantes erfahren werden, zum Beispiel zum Generalstreik in der Schweiz 1918, anlässlich dessen Gut zum Abschluss des Aktivdienstes einberufen worden war und seiner Frau aus dem Dienst schrieb. Vielleicht werden Tagebücher, Briefe und weitere Schriften künftig einmal weiter ausgewertet werden, denn sie halten noch viel Spannendes über sein Leben, seine Zeit und die damaligen Verhältnisse bereit. Das Material liegt inzwischen jedenfalls im Archiv der Stadt Sursee und steht der Öffentlichkeit zur Verfügung, auch dank der grossen Arbeit, die Willi Bürgi mit diesem Nachlass auf sich genommen hat.

Hinweis zu dieser Edition

Sämtliche Texte von Louis Gut wurden durch den Herausgeber transkribiert, zum grössten Teil ab handschriftlichen Vorlagen. Dabei wurde die damalige Schreibweise beibehalten. Hinweise, weiterführende Informationen und Anmerkungen des Herausgebers sind kursiv gesetzt.

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