FÜR DESIGN V ERLIEBTE UND GENIES SER
N˚ 2 | S O M M E R 2 0 2 0 | B E R N | F R . 12 . 5 0
Z U S A M M E N H A LT
MINI CENTER BERN AUTO MARTI AG Worbstrasse 75, 3074 Muri bei Bern Tel. 031 748 10 10 automarti.bern.mini.ch
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IMPRESSUM WERD & WEBER VERLAG AG Gwattstrasse 144 3645 Thun / Gwatt Telefon 033 336 55 55 redaktion@mis-magazin.ch mis-magazin.ch Redaktionsteam Annette Weber (Verlagsleitung) Daniela Dambach (Chefredaktorin) Sonja Berger (Art Direction) Fabienne Righetti (Kundenberaterin, Marketing) Maja Halle (Gründerin, Kundenberaterin) Milena Portenier (Druckvorstufe) Alain Diezig (red. Mitarbeit, Lektorat) Anja Rüdin (red. Mitarbeit, Korrektorat) Adrian Aellig (Bildbearbeitung) Werbung und Beratung Fabienne Righetti, Maja Halle Telefon 033 336 55 55 inserate@mis-magazin.ch Die Mediadaten finden Sie auf mis-magazin.ch. Auflage (Nr. 2, Sommer 2020) 50 000 Expl. Erscheinungsweise 4 × jährlich. Die nächste Ausgabe erscheint am 30. September 2020. Foto Fotografinnen und Fotografen gemäss Quellen angabe oder stock.adobe.com Druck Swissprinters AG, Zofingen, swissprinters.ch Abonnements Jahres-Abo: 4 Ausgaben für Fr. 42.– Schnupper-Abo: 2 Ausgaben für Fr. 20.– Bestellung: mis-magazin.ch, abo-service@mis-magazin.ch Nachbestellung Schicken Sie uns Ihre Bestellung mit Adresse und entsprechendem Geldbetrag in einem Kuvert zu. Einzelpreis: Fr. 12.50. Für andere Wünsche kontaktieren Sie uns bitte unter redaktion@mis-magazin.ch. Trotz grösstmöglicher Sorgfalt bei der Recherche kann keine Haftung für Irrtümer oder Fehler übernommen werden. Alle Angaben sind bei Drucklegung gültig, doch behält sich MIS MAGAZIN das Recht auf Änderungen vor. Die angegebenen Preise gelten bis 1. 9. 2020. Für das Copyright der Produktabbildungen sind die anbietenden Geschäfte verantwortlich, ausser es ist explizit anders vereinbart worden. Unterstützt durch Produktplatzierungen. Das Kopieren, Wiederverwerten und Verbreiten der redaktionellen Inhalte und Inserate Dritter ist ohne ausdrückliches Einverständnis untersagt. Verstösse gegen dieses Verbot werden rechtlich verfolgt. Das Urheberrecht liegt bei MIS MAGAZIN.
Liebe Leserin, lieber Leser «Es soll so sein wie zuvor», das habe ich in den letzten Wochen oft gehört. Ich fragte mich dann immer: Soll es das wirklich? Liegt in diesem Ausnahmezustand nicht auch eine Chance, manches nachhaltig zu verändern? Hoffnungsfroh, suche ich die Veränderung, wobei es nicht ein komplett neues Rezept sein muss. Oft wirkt es, dieselben Zutaten in neuem Verhältnis zu vermengen. Mehr Zucker, weniger Mehl. Gründlich durchgeknetet von der Krise und zur Ruhezeit gezwungen, zeigt sich: Der heterogene Teig der Gesellschaft ginge besser auf mit mehr Zusammenhalt und weniger Egoismus. All die entstandenen Kooperationen zugunsten von lokalen Kleinunternehmen, die Hilfsbereitschaft unter Nachbarn und die Fürsorglichkeit innerhalb von Familien, die ich miterlebt habe, waren das Triebmittel, um die zermürbende Situation überhaupt gebacken zu kriegen. Welche unterschiedlichen Strategien die Menschen entwickelten, um die missliche Lage zu meistern, dokumentierten Lisa und Remo Ubezio in ihrem Fotoprojekt «Together at home» (S. 46). Gerade in der örtlichen Trennung lag ein ungeahntes Gefühl der Verbundenheit. Als ich nach drei Monaten meine Mutter erstmals wieder umarmt habe, rührte mich das zu Tränen. Eine Umarmung, das wurde mir bewusst, überzieht das Gemüt wie eine Glasur der Geborgenheit. Dies, weil der Lockdown uns täglich aufs Brot geschmiert hat, worauf wir alles verzichten müssen, was selbstverständlich war. Umso lauter knurrt der Heisshunger nach Unbe schwertheit – darauf, den frischgebackenen Kuchen der Freiheit nicht zaghaft anzubeissen, sondern zu verschlingen. Das Gefühl weltoffener Weiten findet sich näher als gedacht … (S. 68). Stäubt der pelzige Puder der Pandemie allmählich durch das Sieb der wiedererlangten Selbstverständlichkeiten, bleibt im besten Fall eine kostbare Krume hängen: Zusammenhalt. Mehr als zuvor. Tanken Sie mit der lebensbunten Sommerausgabe blätternd Optimismus und lassen Sie sich zu knusprigen Momenten voller Leichtigkeit inspirieren. Herzlich, Daniela Dambach
Aufgrund der Corona-Krise sind Änderungen bei den Veranstaltungen u. Ä. nach Drucklegung möglich. Bitte konsultieren Sie die entsprechenden Webseiten der Veranstalter und des BAG.
Chefredaktorin, daniela.dambach@mis-magazin.ch
Cover Handgezeichnetes Werk des Künstlers Tizian Aellig, Basel.
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INH A LT
KRAFT DER
KOOPERATION Claudia Nabholz wagt das Q uerdenken: Die Ideenwelt der Zürcher Designerin.
20 VERBINDENDE
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LINIENKUNST
Intuitiv erschafft Tizian Aellig aus einer einzigen Linie gefühlsgeladene Gesichter.
GARTEN-
GLÜCK
Vor der Haustür dem Alltag entfliehen – für schöne Momente im kleinen Kreis.
44 FERNWEH
STILLEN IN DER
SCHWEIZ
Karibikblaues Wasser, südländische Sonne und weltoffene Weiten in nächster Nähe.
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INHALT
INH A LT
3 EDITORIAL
Heisshunger auf Unbeschwertheit!
6 – 7 REDAKTION
Darauf freut sich das Team von Herzen.
8 – 13
NEWS & HIGHLIGHTS Von wegen Stillstand! Neuste Designschätze, geschaffen in Ateliers von Thun bis Tessin.
14 – 19 TITELSTORY
20– 37 38 – 41
Besuch bei Tizian Aellig in Basel, der sein Zeichentalent zufällig entdeckte …
MODE & ACCESSOIRES Sommerliche Designs aus lokalen Manufakturen. MEN’S WORLD Modische Farbtupfer, die Optimismus versprühen.
42 – 43 WOHNEN
Wenn schon zuhause, dann stilvoll.
44 – 48 49 – 59 60 – 65 66 – 67
NATUR & GARTEN Die Handschrift des Start-ups «Glowing Grass» GENUSS & GASTRO Gemeinsam geniessen – auswärts oder zuhause mit Gästen. TOOLS & TECHNIK Die neue Lust am eigenen Auto von Hybrid bis Cabrio. FREIZEIT & SPORT Verleiht Corona dem Velofahren Auftrieb?
68 – 75 AUSFLUGSTIPPS
Ausspannen oder Action: Die Heimat neu entdecken.
76 – 79 REPORTAGE
Wie Abenteuerin Maria-Theresia Zwyssig Grenzen verschiebt.
80 – 81
EVENTS & TERMINE Endlich läuft wieder etwas!
82 WETTBEWERBE
Auszeiten zu gewinnen!
Weber + Weber | Jacob Cohen Alberto | Jacques Britt | Gran Sasso Phil Petter evoilà Esther Herr mann Mode Kramgasse 18 | Bern Tel. 031 311 22 00 | www.evoila.ch
mis-magazin.ch | 2 · 2020
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ANNETTE WEBER-HADORN
«Dank meinem treuen Begleiter auf vier Pfoten hatte ich auch während des Lockdowns immer Gesellschaft. Nun aber freue ich mich auf sonnige und gesellige Stunden mit Freunden.»
MILENA PORTENIER (DRUCKVORSTUFE)
«Wie schön, dass ich wieder meine Liebsten treffen und bekochen darf. Ich freue mich auf schöne Stunden im Garten und auf gute Gespräche – ohne Bildschirm dazwischen.»
«Ich freue mich auf das Shoppen und Schlemmen von Freiburg im Breisgau bis Baden-Baden, gemeinsam mit Familie und Freunden. Auf dem Rückweg am liebsten übers Elsass!»
«Fertig Tristesse und Einsamkeit – Zeit, gute Freunde zu einem feinen Essen mit einem guten Glas Wein einzuladen!»
SONJA BERGER (GRAFIK)
ADRIAN AELLIG (BILDBEARBEITUNG)
ALAIN DIEZIG (LEKTORAT)
ANJA RÜDIN (KORREKTORAT)
«Ein hübsches Bildschirmschoner-Bild ersetzt solche Glücksmomente niemals: Ich freue mich auf echte, sensationelle Ausblicke wie zum Beispiel von der Gelmerhütte aus.» MAJA HALLE (VERKAUF & BERATUNG)
«Ich sehne mich nach der Meeresbrise, die meine Locken kämmt, dem Geräusch der W ellen, die den Felsen abklatschen – und nach der Sonne, die mich sommersprossiger macht.»
«Ich freue mich darauf, den Sommer am Thunersee und in der Schweiz in vollen Zügen und unbeschwert zu geniessen. Wir dürfen in einer wunderbaren Region mit Bergen und Seen leben und arbeiten.»
FABIENNE RIGHETTI (VERKAUF & BERATUNG)
DANIELA DAMBACH (CHEFREDAKTION)
Darauf freut sich das Team von MIS MAGAZIN diesen Sommer, nach Zeiten des Verzichts, von Herzen.
(VERLAGSLEITERIN, INHABERIN)
ENDLICH!
RE DA K T I O N
«Ins Auto steigen, losfahren und pünktlich zum Sonnenaufgang das Meer erreichen – für mich ein unübertreffliches Erlebnis. Für solche Abenteuer bin ich jederzeit zu haben!»
«An einem Sommerabend mit meiner Freibergerstute Amélie durch Feld und Wald zu streifen, ist pures Glück. Endlich kann ich wieder ins Dressur- und Springtraining gehen.»
mis-magazin.ch | 2 · 2020
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NE W S & HI GHL I GH T S
Fr. 84.–
Neuer Showroom: Ein Lob auf die Materialien Brigitte Jakob ist es wichtig, dass Produkte eine eigene Geschichte erzählen. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass sich die Interior-Designs von «Form & Refine» nun mit ihrem Erlesenheitsetikett schmücken: Im neuen Showroom setzt man sich probeweise an Tische aus dänischem Holz, kuschelt sich in Plaids aus bolivia nischer Alpaka-Wolle oder stellt sich vor, wie die hand gemachte Vase aus Portugal auf dem heimischen Sideboard wirkt … Tucra, Gerechtigkeitsgasse 63, Bern.
MIT ANHANG … … sollte angeben, wer mit dieser handgemachten Kette an der Gartenparty erscheint: Mit verschiedenen, bunten Perlen nimmt sie Raum ein! The Stories, Kasimir-PfyfferStrasse 16, Luzern. thestories.ch
Fr. 80.–
Fr. 65.–
Neues Modell: Aus der Hüfte heraus … Mit den neuen Geschirrspülern von «V-Zug» kommt das Ein- oder Ausräumen des Geschirrs einem hüftschwingenden Tänzchen gleich: Die Unterkörbe mit «OptiLift»-Funktion heben sich beim Herausziehen auf Hüfthöhe an. Dank der Touch-Bedienung wählt man das energieeffiziente Programm so schnell wie man die Musik aufdreht – und schon spielt «Adora» ihren besten Hit: Sauberes Geschirr, das die nächsten Gäste anglänzt. Wyser, Waldeggstrasse 30, Liebefeld. wyser.ch
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HAND-
SPIEL … eine Geste, die sicher nicht geahndet wird, denn diese «Regelverstösse» sind gewollt: Sherylin Birth kreiert unvollkommene Ästhetik, indem sie Spuren des handwerklichen Schmiedeprozesses auf dem altehrwürdigen Amboss sichtbar belässt. sherylin.ch
AUSGEREIFTE D ESIGNFRÜCHTCHEN Vitamin-Experten sind sich einig: Die schnitzgrossen Leder accessoires, handgefertigt von Christian Gehrig aus Bern, sind für all jene gesund, die sich nicht in StilSchubladen pressen lassen. cgehrig.ch
Fr. 35.–
«NOOII» HIER? Das fragt der Wasserhahn den Seifenspender, der neuerdings neben ihm steht. Die Hand- und Körperseife, angemischt und abgefüllt in der Manufaktur «nooii» in Kilchberg, pflegt mit Bio-Hagenbuttenöl und ätherischen Ölen. nooiiproducts.com
Fr. 440.– SEHNSUCHT NACH SKYLINES Mit ihrer neusten Kollektion interpretiert die Zürcher Designerin Lisa Lesunja das Reisen in Zeiten von Corona: Die Lieblingsskyline – aus der weiten Welt oder der nahen Heimat – kreiert sie als Arm-, Finger- oder Halsschmuck aus ausgesuchten Materialien. lesunja.ch
NE W S & HI GHL I GH T S Fr. 21.–
Neueröffnung: Haus des Habenwollens
STEINREICH SCHÄUMEN Seifen, so einzigartig wie von wilden Gewässern geformte Steine: Die «SoapRocks», in Sorten wie «orientalischer Alabaster» mit Milch und Honig, entstehen in über 180 Arbeits schritten von Hand aus natürlichen Zutaten. soaprocks.ch
Fr. 145.–
SCHIRMBALLETT Ressourcenschonende Produktion, kurze Transportwege und viel Schatten: Bei den Sonnenschirmen (ø 200 cm), am Zürichsee entworfen von Franziska und Nina Mader, drehen Puristen Pirouetten vor Freude! ateliernima.ch
Sieben Jahre nachdem Julia und Dominic ihren Online-Shop für Erlesenes von Handwerkskünstler innen und Designern aufschalteten, öffneten sie im Mai die Türen zum greifbaren Glück: dem «Maison Clomes». Was man zuvor nur klickend entdeckte, knistert, klimpert und klirrt nun im eigenhändig renovierten Ladenlokal in der Berner Altstadt. Als wollten die Theken den Designschätzen nicht im Geringsten die Show stehlen, halten sie sich neutralweiss zurück. Darauf spriessen sie, die schillernd schönen Schmuckstücke, Textilkreationen und Wohnwunderbarkeiten – man würde glatt umziehen, nur um sie stilechter zu inszenieren … Sollte es einen beim Durchlesen der Immobilien-Inserate blenden, hilft eine handgemachte Sonnenbrille von «Gobi». Käme es zur Übergabe des Schlüssels, würde dieser an einem nachhaltig gefertigten Band von «Yoomee» baumeln. Und würden die Freunde zur Einweihung Blumen mitbringen, man würde sie in Keramikkunstwerke von «Valeria Vasi» einstellen. Ja, das würde man! Das Stöbern regt die Gedanken an für gute Geschichten, die das Leben vielleicht noch bereithält … Maison Clomes, Rathausgasse 8, Bern. clomes.ch
Fr. 399.–
Fr. 180.–
KLAMMERBEMERKUNG Die Kollektion «ERI» ist inspiriert von der Büroklammer, die in Norwegen während des Zweiten Weltkrieges ein Symbol des Widerstandes war. Die Gold- oder Silber-Clips für Kragen, Knopf leiste und Ärmel, handgemacht in Bern, sind ästhetisch und aus sagekräftig zugleich. goldlabor.ch
mis-magazin.ch | 2 · 2020
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NE W S & HI GHL I GH T S
Das Schuldorf im Berner Oberland SEKUNDARSCHULE | 10. SCHULJAHR | SCHWEIZER MATURA | HIGH SCHOOL
Foto: Lauretta Suter
Fr. 39.–
Fr. 249.–
EWIGLICHE BLÜTEZEIT Sonnenlicht, Saisons, Stillstand? Nichts davon kann den Bouquets etwas anhaben! Denn sie sind – was man ihnen nicht ansieht – getrocknet nach traditionellem Verfahren. Und verirren sich zum Beispiel im pinselfeinen Pampasgras mal Staubkörner, pustet man sie einfach mit dem Föhn weg. lafleurdouce.ch
WO GEHT ES ZUR BLOCKPARTY? Dort warten nämlich alle sehnsüchtig auf den Gast, der im Bio-BaumwollKleid des Zürcher Fairtrade-Labels «Komana» anrauscht: «Cleyton» betört mit einem von der Muschel inspirierten Muster, traditionell im Blockdruckverfahren von Hand gestempelt. komana-design.com
Fr. 549.–
TASCHENSPIELEREI Designer Marco Lazzaroni gelingt das Kunststück, mit solidem Handwerk Leder in Taschen mit handge flochtenen Details zu verwandeln. Vorzugaukeln braucht der Tessiner dabei nichts, denn die pflanzlich gegerbten Materialien stammen aus Italien. In zwei Grössen erhältlich. vicuspelle.ch
Learning for a lifetime
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Ecole d’Humanité 6085 Hasliberg Goldern ecole@ecole.ch 033 972 92 92
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NE W S & HI GHL I GH T S
ASSISTENZ IM ALLTAG Einen nicht ganz geheimen, aber guten Dienst erweist das LederSchlüsselband «Moneypenny» allen, die in eiliger Mission unterwegs sind: Es hält nicht nur die Schlüssel zusammen, sondern auch einen Notgroschen bereit. fideadesign.com
NICHTS MEHR
ENTBEHREN …
Endlich wieder über den eigenen Badewannen rand blicken: Mit Verwöhnstunden in gediegener Ambiance holt man nach, w orauf man lange verzichten musste.
SIZILIEN? Gleich dort, neben der Stube! Jedenfalls für all jene, die das Strandtuch «Palermo» (100 × 180 cm) besitzen. Das gute am privaten Balkonstrand ist ja, dass kein Sand korn pikst – man fühlt nichts als flauschiges Feinzwirnfrottee. frotteedimare.ch
Immer gleiche Fliesenquadrate, selbstgemischte Masken aus Zutaten, die eigentlich in einen Kuchen gehören, Haar klammer-Harakiri, beim Versuch etwas wie eine Frisur festzumachen … Alle, die von «Home Spa» nichts mehr hören können, atmen bei «Aerni» auf – und tief durch. Unter dem Dach des denkmalgeschützten, ehemaligen Jugendstilhotels findet man, wonach man sich vom Sofa aus so sehr sehnte: Mode, Genuss und Pflege von Kopf bis Fuss. Ein «Vier in einem»-Konzept, das mit jenen mithalten kann, die man aus New York oder Paris schätzt. Das kommt nicht von ungefähr, denn Geschäftsführer Marc Riedo selbst ist fasziniert von solchen Metropolen – sie sind für ihn «Ausdruck von individueller Kultur und Mentalität». Oft beruflich dort unterwegs, hat er das Beeindruckendste von Barcelona bis Los Angeles nach Bern mitgebracht und zu einer eigenen Welt arrangiert. Im luxuriösen «Day Spa» reist man, wohin man will – vor allem aber zu sich selbst: Mit ayurvedischen Treatments, Kokos-Meersand-Körperpeelings, wohltuenden Spezialbädern und vielem mehr, das die «Reise» verschönert. Und fühlt man sich wohl in seiner seidenglatten Haut, streift man sich in der Boutique gleich noch ein schwingendes Sommerkleid über. Denn den Homeoffice-Look hat man sowas von … sei es drum! Das Spa-Angebot umfasst exklusive Packages für Männer und Frauen, wie z. B. «Total Frau» inkl. Körpermassage «Harmony», Expressgesichtspflege «Face Touch», Haarpflege und Brushing. (2,5 Std. für Fr. 260.–). AERNI «Haar Kleid Bar Spa», Aarbergergasse 60, Bern. aernibern.ch
Sein wacher Geist nimmt alles auf: Beauty-Visionär Marc Riedo steht t äglich selbst mit Kamm und Schere im preis gekrönten Salon, der zwei Coiffeur- Dynastien vereint – und ein Spa, eine Bar und eine Boutique beherbergt.
Fr. 43.–
SCHATTEN GEHÖREN … … unter Bäume oder Sonnenschirme, aber nicht ins Gesicht! Der «Color Control»Primer gleicht Unebenheiten aus und sorgt mit Pflanzenextrakten, Oliven- und Jojobaöl für einen strahlenden Teint. naturaglace.ch Fr. 119.–
mis-magazin.ch | 2 · 2020
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BESTIMMT MACHT DER
REGEN EINEN BOGEN DRUM … Wie auf einer Insel, auf der es keine Unwetter gibt, fühlt man sich auf dem farbenfrohen Sessel … «BARUCH», ein Pop-up-Projekt aus Bern, verbreitet mit Stühlen in limitierter Auflage – in Kolumbien nachhaltig von Einheimischen gefertigt – karibisches Flair von Bern bis Thun. baruch-collection.com
Fr. 350.–
Eventplanung: Nachholen, wonach man sich sehnte Sich wieder begegnen, zusammen geniessen und einmalige Momente teilen – um alles, was es dafür braucht, kümmert sich die Berner Eventagentur von Karin Trüssel-Abplanalp: Sinnvolle Planung, lauschige Location, Catering und Feinheiten, die Firmen- oder Familienanlässe unvergesslich machen. Mit ihrer Erfahrung und ihrem Netzwerk hilft die Eventplanerin auch jenen weiter, die wegen Corona Hochzeiten, Jubiläumsfeiern oder Team-Events absagen mussten. diivent, Gotthelfstrasse 29, Bern. diivent.ch
SORGENFREI! Und sollte doch mal der Kummer nagen, lässt sich das damit besser (er-)tragen: Sommerliche Pouch-Tasche mit «Sans Souci»Print von Leonie Risch aus Liechtenstein, auch in Gelb und Fuchsia erhältlich. leonierisch.com
Fr. 660.–
ADAM TRIFFT UVA … Und es geht für einmal nicht um den Apfel: Unter dem Motto «In Grapes we trust» tüftelten drei Freunde pure Apfelschorle aus, ge presst aus überschüs sigen Trauben der Weinproduktion. Vorbestellung ohne Schlange stehen: adam-uva.ch
Neues aus dem Atelier: So grüssen Ästheten Dank Nina Binkert ist «Schöne Grüsse» mehr als eine floskelhafte Formel: In ihrem Atelier im ehemaligen Grosseltern-Haus, ihrer «Villa Kunterbunt», entwirft sie Karten, Kuverts und weitere Kostbarkeiten, mit de nen man geliebte Menschen herzlich grüsst. Mit Wasserfarbe, Tusche und allerlei gesammelten Mate rialien kreiert die Grafikerin liebevoll Einladungen, die man nicht nur verschickt, sondern als Deko ration aufstellt. Schöne Grüsse, Untergass 12, Eglisau. schönegrüsse.ch
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Fr. 49.–
SCRUNCHIE STATT … … Hatschi! Bindet man sich die Haare mit dem hübschen Seidensatinband zusammen, kitzeln e inen die Haare sicher nicht mehr in der Nase. Mit exklusivem Stoffdesign von Fiona Knecht, genäht in Zürich. fiona-k.ch
Fr. 58.–
NE W S & HI GHL I GH T S
Fr. 85.–
BUNTE BANDBREITE Liebe kennt viele Facetten – mit dem neuen Modell «#Opensummer» setzt der Schweizer Uhrenbrand «Swatch» diesen Sommer ein Zeichen für eine offene Gesellschaft voller Diversität. swatch.com
Jetzt: «Chouf ume Egge!» für mehr Lokalliebe Donat Berger, umtriebiger Gastgeber im Café «Apfelgold», war in den letzten Wochen kribbelig. Ja, auch wegen Corona, aber nicht nur … Er hat in Bern das Projekt «Chouf ume Egge» lanciert, das dazu anspornt, genau das zu tun: In den hiesigen, seelenvollen Geschäften einkaufen. Wie? Auf der Bestellkarte die Vorlieben ankreuzen und bald steht eine Stofftasche vor der Tür, randvoll mit lokalen Lieblingen von K leinunternehmen. Bestellung: donat.berger@apfelgold.ch
Foto: Pia Neuenschwander
Fr. 14.90
DAMIT TOLERANZ FUSS FASST Wer die Bio-Baumwoll-Socken mit dem Motiv der LGBTQ-C ommu nity trägt, kreiert in Kollaboration mit der auf 2021 verschobenen «Zurich Pride», bekennt Farbe – für eine v ielfältige und farbenfrohe Gesellschaft. paarsocks.com
NICHTS ZU VERSTECKEN! Lustvolle Textilschätze – fast zu schade für unter die Hose: In seinem Atelier im Zürcher Oberland entwirft und näht Michael Brugger mutig Buntes für untenrum in Kleinserien – mit Sinn für Form, Muster und Humor. hiddentreasure.ch
UNBEZAHLBAR SIND … … jene Stücke, die von Herzen kommen: Schlüsselanhänger mit Fünfrappenstück, aus dem Katja Fischer von Hand ein Herz ausgesägt hat. Die «Herz-Fünfräppler» der Thurgauer Schmuckdesignerin gibt es auch mit Wunschjahrgang. schmuckstation.ch
Fr. 24.–
Neue Sichtbarkeit für den Meister der Zurückhaltung Die Nachricht verbreitete sich fast so flüsternd, wie seine nonchalente Mode selbst ist: Nachdem er 25 Jahre lang vis à vis des «Bellvue Palace» seiner Passion nachging, zog Javier Reyes mitsamt den Nähmaschinen und dem Schnitttisch an die Gerechtigkeitsgasse 64. Die neusten Masskreationen des Mexikaners schillern hinter dem Schaufenster des Showrooms – luftig, hell und pastellen – als hätte der Designer geahnt, dass Leichtfüssigkeit diesen Sommer gefragter ist denn je. Javier Reyes, Gerechtigkeitsgasse 64, Bern. javierreyes.ch
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VIRTUOSER
(VER-) DICHTER Er lässt durch einen Strich den Gedanken springen: Setzt Tizian Aellig den Stift an, weiss er selbst noch nicht, wo die Linie hinführt. Auch von seinem Zeichentalent ahnte der Basler nichts – bis vor knapp zwei Jahren. TEXT DANIELA DAMBACH | FOTO ZVG
Wo die «Trämle»-Schienen ihre Linien brauenbogenförmig über den Stadtboden ziehen, sich die City allmählich in prachtbaulicher Wohnlichkeit eingliedert und sich das grossstädtische Grau in ein Gesprenkel der Gutbürgerlichkeit aufsplittert, reiht sich Gärtchen an Gärtchen. Im Minimum abgegrenzt durch ein hageres Häglein. Durch einen Torbogen und einen Innenhof gelangt man im Zickzackkurs hinein in das alte Fabrikgebäude. «Immer der Nase nach» ist manchmal nicht gleichbedeutend mit «geradeaus». Die Komplexität, mit der sich wangenrote Rosenbüsche die Backsteinmauern emporschnörkeln, steht im krassen Kontrast zur Simplizität, die Tizian Aellig nebenan erschafft. Wie zeichnet man Rosen, ohne Rosen zu zeichnen? Wie den Gesichtsausdruck einer verzückten Beschenkten, mit nur ein paar Linien? Das sind jene Gedankengestrüppe, die Tizian Aellig ausjätet. Dafür greift er nicht zur Motorheckenschere, denn er ist ein Von-Hand-Macher.
Vielgesichtige Gedankenstriche: Tizian Aellig interpretiert intuitiv komplexe Emotionen aus seiner Erinnerung in einfachen Linien.
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2 · 2020 | mis-magazin.ch
T I T EL S TO RY
mis-magazin.ch | 2 · 2020
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AUFWÄNDIGE EINFACHHEIT
«Ich verbringe extrem viel Zeit damit, herauszufinden, wie ich Dinge simpel, aber nicht plump darstelle», hallt seine Stimme durch das hohe, breite Atelier. Wäre nicht gerade «Corona» die Stille dirigierende Chorleiterin, würden Wortfetzen und Satzflicken anderer dazwischen wirren. Die Grafiker und Gestalterinnen, mit denen er die hellen Räumlichkeiten teilt, videotelefonieren in den Homeoffices. «… so viel Zeit, dass ich geradesogut aufwändig detailliert zeichnen könnte», fügt er an. Seine Kunst besteht darin, mit möglichst wenigen Strichen viel auszusagen. Zwischen zwei nichtssagenden Strichen und solchen, die einen Handlungsstrang schildern, liegt ein grübchenschmaler Grat. In der Ecke neben seinem Zeichenpult stehen Bilder am Boden, andere hängen an der Wand. Es sind verschiedene Formate, deren Stil einer Linie folgt, zuverlässig wie Trams den Schienen. Und doch weist er diesen Facettenreichtum auf, der die Gefühlswelt birgt. Gefühle sind es, die der 32-Jährige auf «Geraden» bringt. Regungen, die er einkreist, um zwei, drei Linien damit aufzuladen, ohne sie zu beschweren. Von überall her blicken einen im Atelier «Gesichter» an, wie sie Tizian Aellig schuf. Ernsthaft, entzückt, eher entrückt. Manche sogar, ohne dass sie ein Augenpaar besitzen. Ein Vögelchen tiriliert, als hätte man ihm das Startzeichen dazu gegeben. Ihm kann das, was die Menschen zum Stillstand zwingt und ihre Kummerfalten bis an den Rand der Schutzmasken hinunterzieht, nichts anhaben. Schon gar nicht seiner offenkehligen Gesangeslust, die es vom Glasdach aus in die verharrende Welt hinausschmettert. Vielleicht ist das einer jener «wilden Vögel», wie sie das Gedicht beschreibt, mit dem die Schwester von Tizian Aellig sich ein Postkarten-Set bei ihm bestellte: «Wenn eine glückselige Stimmung über mich kommt und ich barfuss über duftendes Gras gehe, vergessen wilde Vögel manchmal ihre Vorsicht und begleiten mich. Wenn die Landschaft mein Herz erfreut und ich meinen Kragen öffne und still unter fallenden Blüten sitze, versammeln sich langsam die weissen Wolken über mir, ohne ein Wort zu sagen.» (Huancho Daoren, «Zum Anfang zurück»).
«Es fühlte sich befreiend an, daher hielt ich es für richtig und gut.» Tizian Aellig entdeckte sein Zeichentalent zufällig während einer Auszeit.
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2 · 2020 | mis-magazin.ch
(Über-)Lebenskunst: Mit per sonalisierten Postkarten hielt sich der Künstler in der Krise über Wasser.
KREATIV DURCH DIE KRISE
Diese Zeilen galt es, in drei Motiven zu interpretieren. Während des Lockdowns bot er Postkarten-Sets an – zu moderatem Preis, womit er die Zugänglichkeit zur Kunst für alle ermöglichte. Zur Inspiration forderte er die Bestellenden dazu auf, ihm einige Stichworte zu schreiben. «Die klassische Notlösung», erzählt er in schnabelwetzerischem Dialekt, der ihn als «Baselländler» entlarvt, «wie komme ich als Künstler zu etwas Geld während einer gesellschaftlichen, globalen Krise?» In den Bestellungen, die täglich in sein Mailpostfach drängten, standen Notizen wie «Ein Tisch, an dem all meine Liebsten sitzen», «schwarzherzige Zeiten», «Es ist lustig, bis es nicht mehr lustig ist» oder «Ich bin eine Französin, die in England lebt». Mit all diesen zig Anregungen setze er sich auseinander, um deren Essenz in drei, vier Linien zu visualisieren. «Am meisten forderte mich das Stichwort ‹Feuerwerk› heraus», schmunzelt er und kramt mit den Zeigfingern voran in einer Kartonbox voller Karten. «Ich dachte mir, es sei eine schöne Geste, während des Lockdowns etwas Handgefertigtes anzubieten, das die Menschen wiederum per Hand beschreiben und an Freunde oder Bekannte versenden.» Da es sich um kleine Kunstunikate handelt, wagt man es zu bezweifeln, dass irgend jemand sich dazu verstieg, seine kugelschreiberblaue Klaue auf der Kartenrückseite anzulegen und eine feindselig farbige Briefmarke auf das minimalistische Meisterwerk zu kleben … Viel angemessener schiene, die Karten einzurahmen. Von wegen: Einen thematisch vorgegeben Rahmen einzuhalten, sei für ihn schwieriger, als frei zu gestalten: Weil Gängiges neue Darstellungsformen verlangt. Das k lischeehafte Bild, das im Kopf vorgefertigt ist – beispielsweise wie eine Lehrerin aussieht – erdenkt er neu. Er zirkelt die Schnittstelle aus zwischen dem Abstrakten und dem, was die Allgemeinheit w iedererkennt, indem er Informationen v irtuos verdichtet. «Bestellungen mit Vermerken ‹Gesichtsmaske› oder ‹Social Distancing› blieben übrigens aus», stellt er mit einem Lächeln auf den Lippen fest. In die Kreation der Postkarten-Sets gewährte er Einblick, indem er diese mit kurzen Filmchen auf Instagram dokumentierte. «Beim Zeichnen versuche ich mich stets von allen gedanklichen Konzepten zu befreien, die den Prozess einengen oder blockieren.» Schaut man argusäugig und pupillenprall, wie sich auf dem weissen Papierrechteck binnen Wimpernschlägen eine Linie zu einem Kussmund zuspitzt, in das Nasenbein überläuft und sich zum Ohr ringelt, würde man nicht vermuten, dass dieses gelenkige linke Händchen erst vor knapp zwei Jahren erstmals einen Wachstift umfasste.
T I T EL S TO RY
«ALLES, WAS IN BESTIMMTER WEISE IM KOPF VERANKERT IST, LÄSST SICH ANDERS INTERPRETIEREN.»
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1 Das Resultat ist nicht absehbar: Setzt der 32-Jährige den Stift an, gleicht das einem Spaziergang mit Ziel, aber der Offenheit, vom Weg abzukommen. 2 Handgezeichnete Unikate: Für die Postkarten-Sets interpretierte er Stichworte der Bestel lenden in seinem Stil.
mis-magazin.ch | 2 · 2020
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T I T EL S TO RY
VOM SCHLOSSER- ZUM ZEICHENHANDWERK Blickt man in diese intuitiv geformten Gesichter von spontankünstlerischem Strich, denkt man: bestimmt sei dieser Tizian Aellig schon als Schüler im Zeichenunterricht herausgestochen wie ein Papagei im Taubenschwarm. Aber ja! Er sei im Malkasten der Frühförderung mariniert worden. Ganz bestimmt! Er sei mit allen Wasserfarben gewaschen, was die Techniken anbelange. Mhm, mhm! Doch weit gefehlt: Wer in Tizian Aelligs Vergangenheit kramt, stösst nicht auf Stifte, STIFTE L AGEN RUM sondern auf Schlosserwerkzeuge. «Eine Vorgeschichte Ein solches «Herzensprojekt» war das eigene Café in einer ehemalimeiner zeichnerischen Entwicklung gibt es nicht – gen Druckerei, zu dem er durch Kontakte kam. «Lass uns etwas Eigemeine Laufbahn als Künstler ist kurz, aber intensiv», nes eröffnen!», lautete der Impuls, dem er nachging. Von der Projekterzählt er. Zu Schulzeiten war ihm das Zeichnen oder eingabe bis zur Innenausstattung setze er alles eigenhändig um. Doch Malen zuwider, weil er für sich nie eine Ausdrucksart auf die Euphorie, die etwas Entstehendes freisetzt, und die herzblutfand, die ihm spannend erschien oder an die er hätte getriebene Dynamik, folgte: der allzu statische Alltag, aus dem er im anknüpfen können. «Ich stellte mir zwar etwas Be- Mai 2018 ausstieg. Sein Geschäftspartner führt das Lokal unter neuem stimmtes vor, bekam es mit meinen technischen Fä- Konzept weiter. Tizian Aellig nahm sich eine Auszeit, nicht zuletzt, higkeiten aber schlicht nicht hin. Das führte zu nichts um sich nicht gleich wieder in ein nächstes Projekt zu stürzen. Und als Frustration», erinnert er sich. eines Tages, während dieser verlängerten Verschnaufpause griff, er Die Hände, die heute selbstverständlich Striche ziehen, zu «Neocolor». Man könnte meinen, solche Malfarben lägen nicht einlöteten, bogen und schweissten früher Metalle: Als ge- fach so zuhause rum. Bei ihm war es so: sie servierten sich ihm als lernter Schlosser fertigte Tizian Aellig Tore, Geländer, Option, die er ausprobierte. «Dies geschah wohl aus einem Bedürfnis Gitter, Tischbeine und dergleichen. «Das Schlossern ist heraus, Erfahrungen auf eine neue Art zu verarbeiten», vermutet er. sicher die stärkste Verbindung, die ich zum Zeichnen Ohne konzentrierten Kopf oder die Absicht von Ästhetik – anders als habe: Auch hierbei geht es darum, Formen zu schaf- damals in der Schule – brachte er kindliche Kritzeleien zu Papier. «Es fen», zieht er Parallelen. «Zeichnen ist für mich Form- fühlte sich befreiend an, daher hielt ich es für richtig und gut.» gebung.» Man könne nicht eins und eins zusammen- Schliesslich bewegte ihn eine Ausstellung dazu, mit Zeichnungen zu zählen, wie er zur Kunst gekommen sei. Vielmehr habe experimentieren, die aus einer einzigen Linie bestehen. Als er damit das, was er bisher erlebt und erfahren habe, zu dieser angefangen hatte, konnte er nicht mehr aufhören. Es fesselte ihn regelKunstform geführt. – Zum Beispiel als Gastgeber: Das recht, einen Zeichenstil gefunden zu haben, der ihm liegt: «Ich denke, Faible, Gäste zu bewirten, habe er seit jeher und einige man hat nicht nur für eine ganz bestimmte Sache Talent. Es ist mehr Jahre nach der Schlosserlehre kam es zum Vorschein ein ausgeprägter Sinn für etwas, der sich verschieden artikuliert.» wie eine liebevoll angerichtete Delikatesse unter einer silbernen Servierglocke. Gemeinsam mit Freunden ver- BEIDHÄNDIG B EGABT anstaltete er Genussabende, fernab von halb aufgetau- Von Beginn weg hat er sich mit dem auseinandergesetzt, was sich zwiten Tiefkühlpizzas und dumpfem Dosenbier. Vielmehr schen Kinn und Haaransatz abzeichnet: «Ich habe ein gutes Gedächtlebte er die Gastfreundschaft, die nichts mit Knigge nis für Gesichter», stellt er fest. Mimik und Gestik, die das Wesen eines konformer Gabelreihung zu tun hat. An langen Tafeln Menschen ausmachen, bleiben in seiner Erinnerung haften. Er zeichtuschelten seine Gäste und turtelten mit Weinen, die er net nichts vor, sondern lässt die Linien so laufen, wie ihn seine Intuizusammen mit Freunden aus Italien importierte. «Wenn tion dazu anleitet. Auf Aufforderung ein Porträt einer bestimmten ich irgendwann …», sinniert er und schmeckt den Satz Person anzufertigen, funktioniere nicht. «Es kann sein, dass ich sponab wie ein Koch das Salz in der Speise, «im Süden – sagen tan, Monate später, jemanden illustriere, den ich mal getroffen habe. wir mal, in der Nähe e ines Strandes – ein Haus hätte, Das Unterbewusstsein entscheidet das sozusagen.» Deshalb sei auch dann müsste ein sehr langer Tisch mitten im Garten die Wiederholbarkeit seiner Werke nicht gegeben. Er versuchte vergebstehen.» Gastgeber sein und Projekte anzetteln, ja, das lich, manches nachzuzeichnen, was ihm besonders gut gefiel. «Zwilsei «sein Ding.» lingspaare» entstehen nur dann, wenn er mit beiden Händen synchron zeichnet. Die linke Hand führe die rechte an, aber wie genau das vor sich gehe, wisse er nicht. «Ich habe herumexperimentiert, blockweise Papier vernichtet und auf einmal ging es.» Was auf kleineren Formaten begann, führte er auf grösseren fort, bis er schliesslich auch Leinwände für ein Fotoshooting mit Designerin Claudia Nabholz (s. Seite 20) gestaltete. Von seiner Tätigkeit als Schlosser rührte die Idee, die Gesichter mit feinem Draht umzusetzen und Skulpturen zu kreieren. «Für mich war es naheliegend, meine beiden Ausdruckformen zu vereinen.» Die dreidimensionale Interpretation seiner Linienkunst mit anderen, massiveren Materialien will er weiterverfolgen. Welches gestalterische Gesicht er seiner Kunst künftig auch immer verleihen mag – Tizian Aellig zieht seine Linie durch. ■
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«ICH EMPFINDE ES NICHT ALS TALENT FÜR EINE EINZIGE SACHE, SONDERN VIELMEHR ALS AUSGEPRÄGTEN SINN, DER SICH VERSCHIEDEN ARTIKULIERT.»
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1 «One Line Drawing»: Der Basler schafft Vereinfachung, bei der die Vertrautheit nicht verloren geht. 2 Kurz, aber intensiv: Wenige Monate, nachdem er erste Werke kreierte, stelle er sie in einer Galerie in Basel aus. 3 Skills zur Skulptur vereint: Der gelernte Schlossers drückt seine Kunst auch dreidimensional aus. tizianaellig.com
Foto: Sarah Crameri
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… HEISST ES
«DIE TAUSENDSASSIN»? Wie bringt Designerin C laudia Nabholz Mode, Kind, Café und Blumen «ins T rockene»? «Mit der Kraft der Kooperation» ist eine der v erschiedenen Antworten.
FOTOGRAFIN LOOKBOOK LAURETTA SUTER | MODE CLAUDIA NABHOLZ MODEL SUJUNG LIM, SCOUT MODEL AGENCY | KUNSTWERKE TIZIAN AELLIG TEXT DANIELA DAMBACH
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Hemdkleid, auch als Mantel tragbar, aus 60 % Tencel-Lyocell und 40 % Leinen (Fr. 290.–), unter fairen Arbeitsbedingungen in einem Familienbetrieb in Thailand produziert.
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«Über meine ganze Terrasse sind Blu men verteilt, ziemlich chaotisch», erzählt Claudia Nabholz. Was für eine verliebt stimmende Vorstellung: ein Blütenmeer vor der eigenen Haustür, in dem die See le nackt badet … Und diese Blüten halten für eine Zeit, ewig wie das Meer: Trocken blumen sind das neuste Business der Badenerin. … Trockenblumen! Wer dabei an die selbst gesammelten Stiele denkt, die man euphorisch in die wuchtigsten Wälzer legte, um sie dusselig zu dörren, diese aber erst Jahre später als Bröck chen längst vergangener Blütezeiten aus den vergilbten Seiten schüttelte, sollte sein Trendwissen entstauben: Die «unverwelk baren» Vasenzierden aus den 80er- und 90er-Jahren erleben derzeit ein ranken reiches Revival. «Nur in der Schweiz war noch niemand darauf gekommen», meint Claudia Nabholz, die jüngst in Paris die zeitlosen Zimmergenossen in jeder ge pflegten Hotel-Lobby und in namhaften Blumenboutiquen erblickte. Deshalb zog sie kurzentschlossen selbst ein Trocken blumengeschäft in der Schweiz auf, in das auch ihre Schwester eingestiegen ist. Statt Stillstand hiess es während des Lockdowns für sie Sträusse binden: Die Heublumen, Nelken oder Gräser, die ein holländischer Familienbetrieb nach al ter Tradition meisterlich «mumifiziert», arrangiert sie zu Bouquets und verschickt
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sie per A-Post. Dass die bunten Beständi gen kein Wasser benötigen und somit pflegeleicht sind, kommt gerade Vielbe schäftigten entgegen, wie Claudia Nab holz selbst eine ist. Denn die Ideenwelt der 39-Jährigen gleicht einem sommer lichen Rapsfeld, aus dem sie sich eine nach der anderen der saftig-leuchtenden Pflanzen pflückt und daraus Projekte presst.
Pulloverkleid aus 60 % Tencel- Lyocell und 40 % Leinen (Fr. 240.–), auch in Gelb, Schwarz und Rot erhältlich. Hose aus Tencel (Fr. 220.–), alles von Claudia Nabholz.
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Claudia Nabholz hat beide Hände voll zu tun. Und hätte sie mehr Hände, sie wüsste auch noch diese zu beschäftigen: Sie ist nicht nur Designerin, sondern auch Mutter, Gastgeberin und seit neuestem Trockenblumenhändlerin.
Als sie sich nach ihrem Studium als Wirtschaftspsychologin in Firmenstruk turen wiederfand, die so festgefahren wa ren wie die Rollen eines ramponierten Bürostuhls, brach sie aus: Sie eröffnete «Frau Meise», ihr Café-Bistro mit Boutique- Ecke. Zwischen dem Einfall, den die Café-Kultur-Aficionada auf einem Ham burg-Trip hatte, und der Vertragsunter zeichnung für das Lokal in Baden lagen nur zwei Wochen. Schliesslich fackelt sie nicht lange, wenn sie etwas fasziniert: «Will ich etwas, mache ich es aus dem Bauch heraus», so die Mutter einer zwei einhalbjährigen Tochter. «Zack, zack!» Schon als Kind langweilte sie sich schnell – am einen Tag wollte sie Didgeridoo spie len, am anderen Tag E-Gitarre – und übermorgen begann sie, Kaktusse zu sammeln. Langer Sweater (Fr. 240.–) und passende Hose aus Tencel (Fr. 220.–). claudianabholz.ch
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Strick-Pullover, gefertigt durch das Frauenprojekt «Knit One Change One» (Fr. 320.–); Denim-Jeans (Fr. 240.–); Bluse (Fr. 310.–) und Cap aus Baumwolle (Fr. 75.–) mit exklu siven Print-Motiven von Tizian Aellig.
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M O D E & AC C E S S O IRE S Pullover, von Frauen in Indien im Rahmen eines Nachhaltigkeits projekts handgestrickt (Fr. 310.–); Hose aus Tencel (Fr. 220.–); Baumwoll-Foulard mit Prints des Basler Künstlers Tizian Aellig (Fr. 60.–).
Als sie vor sieben Jahren damit anfing, Schweizer Design in ihrem Café anzu bieten, erweckte das ihre eigene Kreati onslust. Sie nähte erste Kleidungsstücke selbst und pröbelte abendelang an Schnit ten und Säumen, bis sie ihre Hände vor lauter Nähfüssen nicht mehr spürte. Sie verschlang Fachbücher, besuchte einen Modedesign-Kurs – und nicht zuletzt die serverstrapazierend heisslaufende Such maschine bescherte ihr Heureka-Erleb nisse: «Ich bin eine Googlerin», meint sie. Gefunden hat sie dadurch auch Part leichten Looks grösser wurde, waren die ner, mit denen sie nachhaltige Produkti Nächte zum Nähen zu kurz: Die Kreati onen verwirklicht. Die Bijous, die ihre onen schneidert entweder ein kleines saisonalen Kleiderkollektionen ergän Familienunternehmen in Thailand, mit zen, entstehen in Zusammenarbeit mit dessen Schweizer Gründer sie befreun «Protsaah». Jedes Upcycling-Schmuck det ist, oder das «Nähwerk IDM» in Thun. stück, das die Kunsthandwerker im von Bei den Materialien setzt sie vermehrt auf Instabilität erschütterten Herzen Tibets Leinen oder Tencel, eine Naturfaser aus anfertigen, trägt nachhaltig zu deren Eukalyptus, die aufgrund des geschlos Lebensunterhalt bei. «Je länger, je mehr senen Kreislaufes umweltfreundlich ist. will ich mit meinen Kreationen etwas «Bequem und schön» – so unkompliziert, Positives in Bewegung setzen», begrün wie sie ihre Schnitte beschreibt, hält sie det die Designerin. es auch mit den Grössen: Mäntel, Blusen So auch mit ihren Winteraccessoires, die kleider oder Tops gibt es in «one size», Frauen in Indien im Rahmen der Initia sodass sie je nach Figur anders wirken. tive «Knit One garment Change One life» «Manches können sogar Männer tragen», (kurz: «KOCO») stricken. Dadurch ver findet sie. Die neuste Kooperation ging dienen Frauen nicht nur zum ersten Mal sie mit dem Basler Künstler Tizian Aellig in ihrem Leben ihr eigenes Geld, son ein: Seine minimalistischen Illustratio dern knüpfen Freundschaften unterein nen von Gesichtern kann man nun nicht ander, was sie aus der Isolation befreit. nur auf Papier, sondern auf Blusen, Ta Als die Nachfrage nach ihren luftig- schen oder Caps bewundern.
Es klingelt an der Haustür – die nächste Lieferung an Trockenblumen steht vor der Tür. Wenn es nach Claudia Nabholz geht, stammen diese in naher Zukunft nicht nur aus Holland, sondern aus der Schweiz: «Ich könnte mir eine Zusam menarbeit mit hiesigen Bauern vorstel len … », verrät sie die frisch gepflückte Konzeptknospe aus ihrem Ideenacker. Man möchte sie als weiblicher Tausend sassa bezeichnen. Oder gar als «Tausend undeinssassin». ■
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KULTIGE KÜHE ÜBER DEM HOSENSTALL
Er macht den «Chüeligurt» catwalktauglich: Caspar Eberhard schnallt, wie sich Handwerk und Hightech verbinden und bringt die Appenzeller Sennenkultur ins World Wide Web.
Die Kuh ist ein Gürteltier! Um allfällige Widerreden insbesondere im Ausland. «Auf Reisen durch die USA, vorweg auszuschliessen: Ja, Kühe sind Gürteltiere – so Australien und Neuseeland sprachen mich dauernd fern sie sich nach Appenzeller Art domestiziert auf Leute auf meinen Gürtel an», erinnert sich der DigitalLederriemen aufreihen. Von hier – wo vielleicht Alp Designer. Er ergründete die Gurtgeschichte und sein stein und Edelmetall bricht, nur die Liebe zu Bräuchen Gründergen drückte durch wie Zähne der Lochzange sicher nicht – stammen sie: die unverkennbaren Orna durch Lederstreifen: 2012 lancierte er den Online-Shop mente, deren Geschichte über 200 Jahre alt ist – und mit Konfigurator für den Appenzeller Gurt. Den Kult öfters wiedergekäut wurde als Kühe es mit Gras tun. für die Köpermitte gibt es per Klick in über 70 Varianten, Denn: Um das traditionelle Accessoire aus dem Land, was ihm eine Nomination für den diesjährigen «Swiss- wo Schmetterlinge «Flickflauder» und Löwenzahn E-Commerce»-Award einbrachte (Preisverleihung: 15. blüten «Sonnewendlig» heissen, ranken sich Legenden. 9.2020). Vom Zürcher Showroom aus verschickt der 41- «Das Ausschmücken der Ledergerätschaften der sen Jährige Ornamentwerke für «Goofe», Taillenbewusste nischen Haustiere durch ziseliertes Messing» begann und Vierpfoter, die ungeachtet deren Rasse einen auf um das Jahr 1800 (Quelle: «Sennensattlerei», Bundes Sennenhund machen. Er hebt mittlerweile weitere ver amt für Kultur BAK). Aus dieser Zeit stammen die wurzelte Schweizer Schätze ins gegenwärtige Licht, f rühesten im Appenzellerland bekannten Schmuck ohne des Trendigen zu viel zu tun: So gibt es in seinem stücke für Saum und Packpferdegeschirre. Die Prunk Sortiment Zipfelkappen aus Wolle, handgestrickt von verzierungen sind auf das zunehmende Standesbe Appenzeller Bäuerinnen, wie auch eine feminine Neu wusstsein der Bauern und Sennen zurückzuführen: interpretation des «Ohreschuefle»-Trachtenohrschmucks. «Die Appenzeller wollten immer das haben, was ande «Mich reizt es, Traditionelles nicht mit Klassischem, son re auch hatten», mutmasst Sebastian Fässler, Sennen dern mit Unerwartetem zu kombinieren», beschreibt sattler in sechster Generation. Caspar Eberhard. Unerwartet waren auch die Kreati Der Gürtel, auch als «Chüeligurt» bekannt, gehörte nicht onen, die das New Yorker Luxus-Herrenlabel «Bode» zur traditionellen Sennentracht. Wie sich die Beschläge zusammen mit «Appenzeller Gurt» auf den Laufsteg ihren Weg an den Bund bahnten, ist unklar. Geschah brachte: Urchige Goldapplikationen kontrastieren die es wegen einer italienischen Gräfin, die sich einen Gür (ausnahmsweise) schlichten Stoffe von Designerin tel wünschte, der den Halsbändern glich, die Sennen Emily Bode, die dafür bekannt ist, handwerkliche hunde vor Bissen schützten? Oder geht die Idee auf Emil Erinnerungsstücke neuartig zu erwecken. Fässler zurück, der für ein Skilager eine Gurte fertigte und so das Interesse eines Sportgeschäfts weckte? Un umstritten ist: Je mehr kunstvoll beschlagene Motive die Gürtellinie zierten, desto angesehener war man. Einen solchen Gurt – bestückt mit Sennen, Vieh und Sonnen – schnallte sich Caspar Eberhard als 20-Jähri ger täglich um. Sein Vater hatte ihm das bejahrte Stück vermacht, sodass das Leben Lücken in die Ornament 1 reihen riss. Die Schwester schenkte dem St. Galler, der nur drei Kilometer von der Appenzeller Kantonsgrenze entfernt aufgewachsen ist, ein neues Modell. Er fiel auf, wenn unter seinem Shirt-Saum eine Sonne aufblitze,
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3D-Modell: remokast.com
TEXT DANIELA DAMBACH
Foto: at-Aeberhard.ch
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Foto: Cerruti Draime
Foto: Cerruti Draime
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1 Kult zum Konfigurieren: Den Appenzeller Gürtel gibt es mit verschiedensten Verzierungen, appliziert auf nachhaltigem L eder, neu auch von heimischen Hirschen. 2 «Bode» gut gemacht: Teil der Kollektion des Herrenmode-Labels «Bode» aus New York ist der Hausschuh mit Ornamenten für draussen. 3 Schaut immer ein bisschen weiter voraus: Caspar Eberhard, der «Appenzeller Gurt» vor acht Jahren lancierte, findet immer andere Arten, dem Klassiker neue Klangfarben zu verleihen. Vielleicht mit einer eigenen Kollektion? 4 Markiger Auftritt an der Modewoche: Für ihre Kollektion, inspiriert vom Künstler und Appenzeller-Gurt-Träger Benjamin Bloomstein, spannte Emily Bode mit «Appenzeller Gurt» zusammen. 5 In neun Arbeitsschritten zum «Chüeligurt»: Der Sennensattler bringt die Ornamente aus Messing oder Neusilber an, die seine spezifische Handschrift tragen. appenzeller-gurt.com
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Foto: at-Aeberhard.ch
Während solche Kooperationen Spielwiesen eröffnen, auf denen Varianten des Klassikers weiden, bleibt das Handwerk gebunden – und dieses beherrschen nur noch eine Handvoll Berufsleute: der Nachwuchs fehlt. «Ap penzeller Gurt» trägt die Handschrift von Daniel Fuchs: Der Sennensattler in dritter Generation zeichnet, bricht, stanzt, walzt und näht die bestellten Gürtel in seinem «Büdeli», teilweise mit Werkzeugen seiner Vorfahren. Sinniert man von goldglänzenden Sonnen geblendet über Handwerk und High-Fashion, «glöckelt» es bei einem … Käut man Traditionelles derart kunstvoll wie der, dann ist es auf einmal umgekehrt: Auf einmal wol len alle anderen, sogar über die Landesgrenze hinaus, das haben, was Appenzeller schon immer hatten. ■
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WETTFUNKELN DER
EDELSTEN
Zum 25-Jahre-Jubiläum betört «Punctum Aureum» mit einem Roségold-Unikat, in das die Handwerks fertigkeiten dreier Goldschmiedinnen eingeflossen sind. Ein buntes Bouquet an verschieden geschliffenen Turmalinen schmiegt sich um das Handgelenk – scheinbar einer funkelnder als der andere … Punctum Aureum, Münstergasse 30, Bern. punctum-aureum.ch
Fr. 370.– Fr. 89.–
KERMIT, BIST DU DAS? Planscht jemand im Bikini von «Neumühle» im Teich oder Pool und quakt dazu vor L ebenslust, könnte man das glatt meinen! «Sei kein Frosch!» gilt aber punkto Nachhaltigkeit: Eine Schneiderei im Tessin fertigt die Kollektion «Von Alice» aus Garn von rezyklierten Fischernetzen. neumuhle.ch
Fr. 89.–
Fr. 3800.– ENTHEMD! «Wer hatte die geniale Idee, die D etails eines Herrenhemdes mit dem Stil eines Kleides zu verbinden?», fragte sich M ette Jensen und designte ihre Version des Hemdkleides. In einem kleinen Atelier in Italien aus Baumwoll- und Leinenstoff genäht, in dem man sich frei und ungezwungen fühlt … cph, Kramgasse 30, Bern. c-p-h.ch
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ENG UMSCHLUNGEN Als würden sich die zart schimmernden Wellendorff-Kordeln, aus 18 Karat Gold kreiert und seidenweich, umarmen: «SEIDENKNOTEN»- Ohrstecker mit Brillant-W von der Schmuckmanufaktur «Wellendorff», erhältlich bei Zigerli+Iff, Spitalgasse 14, Bern.
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ICH BIN SO FREI! Das Modell «Barbados» vereint leichtes Lammnappaleder mit dem Schnitt der Jeansjacke, dem Kleidungsstück, das für Freiheit und Unabhängigkeit steht. Die taillierte «Lederjeansjacke» ist in Grün, Rosa, Gelb und Jeansblau erhältlich bei Neuenschwander Ledermode, Industriestrasse 4, Oberdiessbach. neuenschwander.ch
Fr. 439.–
Fr. 529.–
SCHÖNHEIT, DIE IN ALLE GLIEDER FÄHRT Das grobgliederige Armband mit Amulett- Anhänger aus 18 Karat Roségold trägt die Handschrift der Zürcher Designerin Réjane Rosenberger, die sich oft von alten Stammeskulturen aus aller Welt inspirieren lässt. Silberschmiede in Nepal fertigen die Schmuckstücke unter fairen Bedingungen von Hand an. rejanerosenberger.com
Fr. 99.–
GERADE GESCHLÜPFT … Und zwar im Kreativnest von Dewa Bertschi: Erstmals ergänzt die Bernerin ihre sonst rein textile Sommerkollektion um Flügges für die Füsse. Die halbhohen Wild leder-Schlüpfer sind in limitierter Anzahl erhältlich bei Bazaar58, Gerechtigkeitsgasse 58, Bern.
Fr. 95.–
BEKÖMMLICHES BAND Ob man sich in eine «grünen Fee» verwandelt, sobald man sich das Band aus glänzendem Seidensatin ins Haar, um das Handgelenk oder den Hals bindet? Aus der Kollektion «Absinth» von der Zürcher Designerin Fiona Knecht. fiona-k.ch
Fr. 39.90 NICHTS LEICHTER ALS DAS! In zweierlei Hinsicht: Das filigrane Armbändchen aus vergoldetem Messing und Glasperlen ist federleicht zu tragen – und es ist einfach, damit Gutes zu tun: Desi gnerin Laura Hoppe lässt den Schmuck ihres Fairtrade-Labels «À la» in Manufakturen in Indien und Indonesien anfertigen und sichert damit das Einkommen der Handwerker und deren Familien. changemaker.ch
Fr. 2400.–
LIEBER BLÜHER ALS SPÄTER … … möchte man sich diesen immergrünen Roségold-Ring mit Chrysoprase-Edelstein und Diamant überstreifen. Das Design der Baslerin Nana Fink heisst zwar «sophistiquée» – anspruchsvoll – gedeiht aber auch an Frauen ohne Floristik-Flair prächtig. nanafink.com
Fr. 349.– … KURZ MAL DIE AUGEN REIBEN Aha! Es ist ein langer Jupe aus 100 % Ripstop-Baumwolle von «Girls of Dust», dem Label aus Antwerpen, das mit s einen Designs schönen Staub aufwirbelt. C abinet Store, Viaduktstrasse 41, B ogen N°23, Zürich. cabinet-store.ch
IN FLANIERLAUNE Einfach losgehen und gucken, wie die Welt sich dreht im Kleid aus Kunstseide von «Herzensangelegenheiten» (Fr. 329.–), kombiniert mit Wollstrickjacke von «Gran Sasso» (Fr. 249.–), italienischer Ledertasche von «Orcani» (Fr. 569.–) und handgemachter Halskette mit grauem Mondstein (Fr. 190.–). evoilà, Kramgasse 18, Bern.
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Steril mit Stil Ein schöner Handrücken kann e ntzücken: Pflege für alle, die anhand ihrer spröden Haut dringenden Handlungsbedarf sehen.
HAND Fr. 12.–
IN HAND Vorsichtig tasten wir uns vor zu dem, was lange selbstverständlich war: Berührungen. An sich berührend, sind die Kreationen der Berner Juwelen designerin Ann Perica. Ihre Schmuckstücke wie Verlobungsringe bestehen aus Diamanten und Edelmetallen, von denen sie weiss, durch wessen Hände sie gegangen sind. annperica.com
NATÜRLICH DESINFIZIERT Die szenige Seifenmanufaktur «Soeder» bietet eine biologisch abbaubare Alternative zu den aggressiven, medizinischen Desinfektions mitteln: Ihr «Natural Hand Sanitizer» desinfiziert mit pflanzlichem Ethanol und pflegt mit Aloe vera sowie ätherischen Kräuterölen. Soeder, Ankerstrasse 124, Zürich.
Fr. 56.– Fr. 15.50
SANDFEIN EINGESEIFT Alles muss weg – das gilt vor allem nach Arbeiten im Garten, der Werkstatt oder der Küche. Hier sorgt «Le Bohémien» für einen angenehmen Abrieb: Die handgefertigte Seife mit zitronigwürziger Duftkomposition enthält feinkörnigen Natursand. Le Savon, Dorfstrasse 29, Aeugst am Albis.
FAUST IM SACK Für einmal eine gute Sache! Der Schlüsselring mit Messingfaust, die in der Gegend um Neapel als Abwehr gegen das Böse gilt, stammt aus der Kollektion der Zürcher Designerin Barbara Koeberle. lelefantino.ch
Fr. 128.–
Fr. 12.50 SAUBER UNTERWEGS Wenn Wasser und Seife ausser Reichweite sind übernimmt das Handreinigungsgel von «Humdakin» den Putzdienst. Die schnell einziehende, reinigende Formel, deren Inhaltsstoffe sich an zwei Händen ab zählen lassen, erfrischt mit Aloe vera. littlecompany.ch
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HINTER DIE OHRLÄPPCHEN S CHREIBEN, … … sollte man sich den N amen «Les Solides»: Einheimische fertigen in Bali Schmucks tücke, unter anderem vergoldete Ohrringe, nach dem D esign der Bernerin Anna Z’Brun von Hand an. lessolides.com
M O D E & AC C E S S O IRE S GELENKE HAND Wer hier bloss einen RecyclingsilberArmreif sieht, dem sei auf die Sprünge geholfen: Es ist Adams Hand, die nach dem Apfel greift … Aus der Kollektion «Paradise Lost» von Isabelle Mayer aus Zürich. isabelle-mayer.com
Fr. 310.–
Fr. 145.–
BEHÄNDE BEHÄNGT Die Berner Goldschmiedin Sarah Küffer hat w ährend des Lockdowns ein Schmuckstück entworfen, das sie an ihre Teenager-Zeit erinnert: Der Handschmuck «Mooi», in Gold oder Silber erhältlich, ist eine zeitgemässe Interpretation des Ethno-Trends der 90er-Jahre. Mit vier Edelstahlsaiten zusammengehalten, rankt sich das filigrane Kettchen um die Hand … goldlabor.ch
Fr. 135.–
Fr. 269.– VERLINKT Nicht etwa virtuell, sondern greifbar: Handgeschmiedeter, vergoldeter Ring von Nicole Kim, inspiriert vom koreanischen Versprechen «Yaksok», bei dem die kleinen Finger ineinandergreifen. hanakim.ch
HAND AUFS HERZ … Stehen die drei strahlend roten Kaltemaille-Herzen für drei Leidenschaften? Oder für drei geliebte Menschen? Beim samtweichen Drehen des «Wellendorff»Rings mit Brillanten, der von hochpräziser Goldschmiedekunst zeugt, lässt es sich spielend darüber sinnieren … Zigerli+Iff, Spitalgasse 14, Bern
Fr. 24 700.–
GEMEINSAM HANDELN «In dieser Zeit müssen wir mehr denn je miteinander verbunden sein», davon ist Selina Peyer überzeugt. Deshalb lancierte die Designerin aus Olten ihr Solidaritätsshirt «Hand in Hand» aus Bio-Baumwolle, mit dessen Kauf man «zwei Fäden mit einer Nadel» strickt: Einerseits unterstützt man lokale H ers teller, anderseits spendet sie 25 Franken an gemeinnützige Organisationen. feelafil.com
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