Fachartikel
A3-Denken statt nur A3-Formalismus Von Dr. David Moser, Geschäftsführender Partner der Wertfabrik AG
Immer öfter werden Lean-Berater von Unternehmen angefragt, um dort bei der Einführung des sog. A3Reports zu unterstützen. Grund dafür ist, dass diese Unternehmen der Meinung sind, Probleme nachhaltiger lösen zu können, indem sie ihren bestehenden Lean-Methodenbaukasten mittels A3-Report ergänzen. Dieser Gedanke ist prinzipiell richtig. Aber: Der A3-Report darf nicht als neues Formular zur Problemlösung «missbraucht» werden. Vielmehr muss die Denkweise, für die er steht, verinnerlicht und gelebt werden.
«A3-Report: Denkanstoss und Arbeitswerkzeug» A3-«Denken» zu leben ist oberstes Gebot, wenn man sich zum Einsatz des A3Reports entschliesst. Wer hierzu nicht bereit ist, kann getrost auf den A3-Report verzichten. Ersatz für den A3-Report kann dann der 8D-Report sein, den viele Unternehmen bereits kennen – und der leider oft als ungeliebtes Pflichtformular bei Kundenreklamationen «im stillen Kämmerlein» durch den Qualitätsverantwortlichen ausgefüllt wird. Ein klassisches Beispiel von «kopieren ohne kapieren». Und sicher nicht im Sinne der Firma Ford, die den 8D-Report ursprünglich entwickelt hat.
Was ist der A3-Report? Der A3-Report stammt ursprünglich von Toyota. Er ist dort aber mehr als nur eine standardisierte Methode zur Problemlösung. Vielmehr kommt er auch für Innovationen zur Anwendung – die ja im Grunde nichts anderes als Problemlösungen sind. Des Weiteren wird er zur Strategieplanung und -umsetzung (Policy Deployment) sowie bei Kaizen-Aktivitäten eingesetzt. Je nach Anforderungsbereich kommen unterschiedliche Formate, die nachfolgend noch gezeigt werden, zum Einsatz. Ob tabellarisch aufgeteilt oder nur ein weisses Blatt im A3-Format ohne Raster, ist völlig nebensächlich. Viel wichtiger nämlich ist das dahinter liegende Denken: Gemeinsam im Team vertieft, breitgefächert und mit Weitsicht eine Problemlösung in Angriff zu nehmen. Der A3-Report ist primär ein Arbeitsinstrument zur aktiven Nutzung. Einmaliges Ausfüllen, Abspeichern und Vergessen ist tabu. Vielmehr sollte er während des Prozesses fortlaufend angepasst, ergänzt, verändert oder sogar gänzlich neu geschrieben werden. Denn dann bildet er gesamthaft das Engagement, die Entdeckungen, das Verständnis und das Vorgehen ab, die das Team während des Prozesses erfahren hat. Und erzählt eine komplette Geschichte. 2. Titel: Feldausfälle Steuerungsgeräte aufgrund von Undichtigkeit
1. Besitzer / Datum:
3. Hintergrund:
7. Ursachenanalyse:
Wiederholte Reklamationen der
D. Moser; 20.06.14; Änderung: 30.06.14
Hauptkunden. Ihre Maschinen bleiben im Feld stehen wegen mit Wasser gefüllten Steuerungsmodulen. Steuerungsmodule machen 15% unseres Umsatzes aus. Grosser Reputationsverlust. Es drohen hohe Reparatur-/Ersatzkosten.
4. Aktueller Zustand: Die beanstandeten Geräte sind nicht dicht. Bei Regen dringt Wasser ein und führt zu Totalausfall. Reparatur nicht möglich, Geräte müssen ersetzt werden. Betroffen bisher: 25 Geräte aus Produktionszeitraum April/Mai 2014. Total: 280 Geräte, ausgeliefert d.h. Fehlerrate mindestens 10%. Produktion führt kein Dichtigkeitstest durch. Geräte werden vor dem Endtest mit Dichtung versehen (wird in Gehäuse eingelegt) und dann mit Deckel zugeschraubt. Keine Beanstandungen an Gehäusen, Deckel oder Dichtungen in der Wareneingangsprüfung im betroffenen Zeitraum.
5. Sofortmassnahmen: Dichtigkeitstest nach dem
PDCA zur Bestimmung der direkten Ursachen: 1. Experiment undefinierte Schraubreihenfolge 2. Experiment "Grat an Deckel entfernen" 3. Experiment "Dichtung falsch einlegen" Direkte Ursache: Grat an Deckel
Warum hat es am Deckel einen Grat? Weil das Werkzeug abgenützt ist. Warum ist das Werkzeug abgenützt? Weil die Werkzeugwartung nicht durchgeführt wurde. Warum wurde die Wartung nicht durchgeführt? Weil das Volumen anstieg und keine Zeit dafür zur Verfügung stand. Grundursachen: Wartungsplan nicht angepasst und Einhaltung wurde nicht überprüft.
8. Gegenmassnahmen:
Endtest einführen. Überprüfen der Lagerbestände Fertigware auf Dichtigkeit.
Werkzeugwartung durchführen Wartungsplan anpassen (nach Stück) Werkzeugwartung in Auditplan
6. Ziel:
9. Follow-up:
Alle ausgelieferten Steuerungsmodule erfüllen ab Juli 2014 die Dichtigkeitsanforderungen nach IP6K9K.
Überprüfung, ob andere Werkzeuge ebenfalls nach Stückzahl (und nicht nach Zeit) gewartet werden müssen. Aufhebung des 100% Dichtigkeitstest nach Umsetzung aller Massnahmen und Produktion von 1'000 Geräten ohne Beanstandung. Danach Übergang zu 10% Stichprobentest.
Beispiel A3-Report für Problemlösung
BM-Bau AVOR COO
29.06.14 02.07.14 15.07.14
Fokus: Performance, Abweichung, Ziele
Abt. Diesjähriger Massnahmeplan
Reflexion über die letztjährigen Aktivitäten
Analyse/Rechtfertigung diesjähriger Aktivitäten
Unterschriften:
Follow-up/Ungelöste Themen
Autor:
Version und Datum:
Formular A3-Report für Strategieplanung und –umsetzung
A3-Denkweise A3-Denkweise bedeutet: über die reine Symptombekämpfung hinausgehen und die Grundursache(n) eines Problems angreifen – bewusst und hartnäckig. Wer A3-Denken praktiziert, wendet konsistent PDCA (Plan-Do-Check-Act) an. So identifiziert er Schritt für Schritt die richtigen Massnahmen, um Probleme und Potentiale zu adressieren. Das geschieht am besten in einem interdisziplinär zusammengestellten Team. Die A3Denkweise führt die Aktivitäten des Teams zur Lösung eines gut definierten Problems oder eines identifizierten Potentials. Dadurch wird der Gesamtablauf flexibel.
Lerneffekt: Neues Faktenwissen – und das Umgehen damit Die neuen Fakten, die im Laufe des Prozesses in den PDCA-Zyklen gelernt werden, können die ursprüngliche Zielsetzung verändern, um die aktuellen Bedürfnisse zu erfüllen und nicht die ursprünglich geplanten. Es ist wichtig, sich zu Beginn des Prozesses darüber Gedanken zu machen, wie das Ergebnis gemessen werden soll. Aber die Aktivitäten und Zielwerte entwickeln sich basierend auf dem mit der Zeit grösser werdenden Verständnis des Teams über die Abläufe. Flexibilität beim Entwickeln von Lösungen – aufgrund von während des Prozesses neu gelernten Fakten – ist ein zentrales Prinzip des A3-Denkens.
Anwendung im Projektmanagement Traditionelles Projektmanagement konzentriert sich darauf, die richtigen Dinge auf Anhieb richtig zu tun. Dazu wird oft in der Projektanfangsphase eine detaillierte Work Breakdown Struktur über das ganze Projekt für Budget- und Trackingzwecke erstellt. Anders im Lean Projektmanagement. Auch hier werden zu Beginn Aufgaben geplant. Aber man geht davon aus, dass sich diese im Projektverlauf aufgrund gemachter Entdeckungen ändern. Lean stellt mit PDCA das dazu notwendige Werkzeug zur Verfügung. So erzeugt es einen Mechanismus und eine Flexibilität, die richtigen Dinge zum
richtigen Zeitpunkt zu tun. Das führt zu früher realisierten Projektergebnissen, die zudem besser auf die Kundenbedürfnisse abgestimmt sind. Beispiel Software-Projekte: Oft haben hier Kunden vorgefasste Meinungen, wie die Lösung aussehen soll, zum Beispiel basierend auf vorhandener, gewohnter Software. Es fehlt aber das Verständnis für den Gesamtprozess und die komplexen Zusammenhänge. A3-Denken bedeutet hier, den Kunden nicht zu fragen, was er will, sondern welches Problem er gelöst haben will.
Unterstützung durch Mentoring Die A3-Denkweise wird in Unternehmen, die ihren Wert erkannt haben, gezielt gefördert. Am besten geschieht dies in Form des sog. «Mentoring» mit einem Mentor. Der Mentor führt den Projektverantwortlichen (Mentee) oder das zuständige Team durch den Prozess, indem er in hochfrequent erfolgenden Dialogen Fragen stellt. Der Mentor fokussiert dabei in erster Linie auf Vorgehens-, Denk- und Handlungsweise der/des Verantwortlichen – und weniger auf das Resultat. Er ist erfreulich zu sehen, dass Unternehmen wie die Hilti AG in Schaan oder die Siemens Building Technologies in Zug dies auch im echten Business zunehmend praktizieren.
Literatur und Quellen: John Shook: Managing To Learn – Using the A3 Management Process, Lean Enterprise Institute, Cambridge 2010, ISBN 978-1-934109-20-5 Pascal Dennis: Getting the Right Things Done – A Leader‘s Guide to Planning and Execution, Lean Enterprise Institute, Cambridge 2007, ISBN 0-9763152-6-2 Steven C. Bell, Michael A. Orzen: Lean IT – Enabling and Sustaining Your Lean Transformation, CRC Press 2011, ISBN 978-1-4398-8363-1
Wertfabrik steht für umsetzungsstarke Lean-Berater – Macher mit breiter Industrieerfahrung, praxiserprobt, fundiert ausgebildet und methodisch sattelfest. Wir arbeiten mit durchgehender Methodik und breit abgestützten Ressourcen und garantieren Erfolg in allen Wertschöpfungsbereichen. Optimale und schlanke Prozesse sind unsere Kernkompetenz. Wir entwickeln mit Ihnen Strategien, damit Ihr LeanProjekt zum langanhaltenden Erfolg wird. Weitere Informationen zu Wertfabrik finden Sie unter www.wertfabrik.ch/de
Kontakt Wertfabrik AG, Birchstrasse 2, 8472 Seuzach, Telefon +41 52 335 55 00 Dr. David Moser, Geschäftsführender Partner, david.moser@wertfabrik.ch