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FINANZKÖPFE
WIR SUCHEN DICH!
Geschafft! Friedrich Jergitsch bestimmt seit Jahren das goldene Anwaltsranking des „Börsianer“, zum ersten Mal schafft es der Partner der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer auf das oberste Treppchen des goldenen Rankings der besten Finanzköpfe in Österreich.
Ausgezeichnet. Die Amag Austria Metall AG gewann beim diesjährigen Wiener Börse-Preis die Auszeichnung als bestes Midcap-Unternehmen. Finanz- und Vorstandschef Gerald Mayer nahm gemeinsam mit IR-Chef Christoph Gabriel die Auszeichnung entgegen.
In der Politik kann es sehr schnell gehen, dass Spitzenpersonal neu besetzt werden muss. Anlässlich des Rankings der 100 besten Finanzköpfe haben wir uns umgehört, wie es die großen heimischen Unternehmen mit der Nachfolgeplanung halten.
TEXT THOMAS MÜLLER
Irgendwie passt es ja ganz gut zum Jahr 2021, dass es ein Jurist auf dem ersten Platz des Rankings der Finanzköpfe geschafft hat. Zur prominenten Rolle von Justizakten kommen wir noch später. Wirtschaftsanwalt Friedrich Jergitsch (82,56 Punkte), Partner bei Freshfields Bruckhaus Deringer, war schon bisher bei jedem Ranking auf den vordersten Plätzen zu finden, heuer jedoch zum ersten Mal als Spitzenreiter. Er geht davon aus, dass die Zahl der erfassten Fälle von Wirtschaftskriminalität steigen wird, weil das Netz des Wirtschaftsstrafrechts zunehmend enger geknüpft ist: „Das betrifft etwa Formen der strafrechtlichen Untreue und Bilanzdelikte.“
Auf Platz zwei folgt mit Harald Hagenauer (80,53 Punkte) der InvestorRelations-Manager der Österreichischen Post AG und ein langjähriger Erster im Ranking. Mitte Oktober konnte er noch die Jahrestagung des Cercle Investor Relations Austria über die Bühne bringen, deren Vorteile er im ZoomZeitalter nicht missen möchte: „Der physische Kontakt ist unverzichtbar, wenn es um den Aufbau von Vertrauen geht oder um den Austausch kreativer Ideen. Aber natürlich wird einiges nach der Pandemie bleiben: der Verzicht einer Flugreise, wenn zwei Calls nach London auch online gehen.“
Mit einem Satz vom neunten Platz unter die top drei hat sich Johann Strobl (76,47 Punkte), Vorstandsvorsitzender der Raiffeisen Bank International AG (RBI), vorgearbeitet. Er konnte sich unlängst über ein Konzernergebnis in den
© WIENER BÖRSE AG / APA-FOTOSERVICE / HÖRMANDINGER
„Wer Unternehmen neu aufstellt, sucht eher nach externen Kandidaten.“
FLORENS EBLINGER
ersten drei Quartalen von über einer Milliarde Euro freuen, was um 76 Prozent mehr ist als im Vorjahr. 20 bis 50 Prozent davon sollen als Dividende an die Börsianer weitergereicht werden, stellt die RBI in Aussicht.
Bestplatzierte Frau im Ranking ist diesmal „Standard“-Journalistin Renate Graber (Platz 4 / 74,29 Punkte), die Strabag-IR-Managerin Diana Neumüller-Klein (Platz 6 / 69,47 Punkte) überholt hat. Insgesamt hat sich beim Frauenanteil in den Spitzenpositionen nicht viel getan, von den besten 20 sind es gerade einmal sechs. Einzig „Kurier“Journalistin Andrea Hodoschek (66,44 Punkte) hat es auf Platz 17 geschafft. Von allen 100 sind es nur 22 Frauen, die derzeit noch in ihren Positionen tätig sind. Der Chef ist weg
Wie man in einem Unternehmen ganz nach oben kommt, haben wir an dieser Stelle bereits einige Male thematisiert. 2021 bekam diese Frage wieder mehr Brisanz, als diverse Handy-Chats in die Öffentlichkeit gelangten, die inzwischen in die jüngere Zeitgeschichte eingegangen sind. Denn im Frühjahr wunderte man sich über die Nonchalance, mit der 2018 die Spitzenposition in der staatlichen Beteiligungs-Holding Öbag per Whatsapp besetzt wurde. Alleinvorstand Thomas Schmid musste schließlich von seinem Posten zurücktreten, Öbag-Direktorin Christine Catasta übernahm interimistisch Schmids Posten. Am 1. Februar 2022 folgt ihr Edith Hlawati (Platz 88 / 50,24 Punkte) in dieser Position, derzeit Partnerin bei der Rechtsanwaltskanzlei Cerha Hempel und Aufsichtsratsvorsitzende der Telekom Austria AG sowie der Österreichische Post AG. Im Herbst waren es wieder Chats, die von Schmids beschlagnahmten Handy stammen und die sogar bis zur Spitze der Regierung ihre Wellen schlugen. Bundeskanzler Sebastian Kurz musste nach wenigen Tagen „zur Seite treten“, binnen kürzester Zeit musste ein Nachfolger gefunden werden. Neben den strafrechtlichen Ermittlungen gegen Kurz und andere stellte sich dabei auch die Frage: Wie weit darf die gute alte Intrige gehen, um den Chefposten zu bekommen?
Dynamischer Markt
Weitaus ruhiger, planmäßiger und in der Regel ohne Beteiligung der Justiz laufen die Führungswechsel in den großen Un-
Skandal. Ex-Öbag-Chef Thomas Schmid sorgte wegen seiner Chatnachrichten für Wirbel in Österreich und den Ruf nach einer neuen Art der Besetzung von Führungspositionen. Neue Öbag-Chefin wird 2022 Rechtsanwältin Edith Hlawati.
ternehmen außerhalb der Staatssphäre und der Politik ab. Bevor ein neuer CEO vom Aufsichtsrat bestellt und öffentlich präsentiert wird, ist ein längerer Prozess zu erledigen. „Im Idealfall gibt es eine langfristige Planung für Nachbesetzungen. Es braucht einen Zeitrahmen von mindestens zwölf Monaten, damit wir als Berater etwas beitragen können“, schätzt Florens Eblinger, Geschäftsführer von Eblinger und Partner Personalberatung in Wien. „Wir müssen mit der Verfügbarkeit und den Kündigungsfristen von Managern rechnen können.“ Eblinger berät große Konzerne bei der Besetzung der Executive-Ebene, aber auch den mittelständischen Familienbetrieb bei der Nachfolgeplanung. Eine längere Planung über Jahre sei bei den CEOs aber praktisch nicht mehr möglich: „Dass Manager durchgehend bei einem Unternehmen Karriere machen, wie es einmal war, und dann in den Vorstand kommen, ist heutzutage die Ausnahme. Die Unternehmen wollen mehr als früher neben den internen auch externe Kandidaten als Option haben.“ Oft verlaufe die Suche nach Vorständen an der Personalabteilung vorbei, damit keine Unruhe in die Belegschaft kommt, weiß der Berater. Wer am Ende die besseren Karten hat, hänge sehr von den Zielen des Unternehmens ab: „Wenn sich ein Unternehmen neu aufstellen will, dann wird man eher jemanden suchen, der nicht seit 20 Jahren in der bestehenden Struktur arbeitet.“ Da könne es auch sein, dass bewusst nach branchenfremden Kandidaten und Generalisten gesucht wird.
BERND SPALT
„Jene auf der Shortlist mussten sich extensiven Interviews stellen.“
„Da wird man nicht einfach gefragt“
Wie haben das die CEOs nun selbst erlebt? RBI-Chef Johann Strobl war jedenfalls nicht überrascht, als er zum Zug kam, und formuliert es vorsichtig: „In Gesprächen mit Aufsichtsräten bekommt man einen vagen, manchmal vielleicht auch klareren Eindruck, dass einem auch das Potenzial für den Vorstandsvorsitz zugesprochen wird.“ Sowohl für den Vorstand als auch den Aufsichtsrat gelte aber eine Group Succession Management Policy, die den Prozess für Nachfolgemöglichkeiten definiert. „Manchmal ziehen wir Agenturen hinzu, die uns die Perspektive des lokalen Marktes vermitteln und uns helfen, die internen Ressourcen bestmöglich zu nutzen“, sagt Strobl zur Rolle der Headhunter dabei. Einen „klaren Prozess“ bevorzugt auch Bernhard Spalt (66,23 Punkte), seit 2020 Vorstandsvorsitzender der Erste Group Bank AG und mit Platz elf der höchste Einsteiger im Ranking. Nicht zuletzt habe die Aufsicht ausführliche Vorgaben beim Ablauf: „Da wird man als potenzieller Nachfolger nicht einfach gefragt, ob man den Job machen will, sondern, ob man überhaupt für diesen Selektionsprozess zur
© ERSTE GROUP BANK AG Szenenwechsel.Thomas Schaufler hat seinen Job als Retailvorstand der Erste Group Bank AG an den Nagel gehängt und zieht mit Anfang 2022 in den Vorstand der deutschen Commerzbank ein.
Verfügung steht.“ Es habe eine Auswahl von internen und externen Kandidatinnen und Kandidaten gegeben, die der Aufsichtsrat zusammengestellt hat. „Jene, die es auf die Shortlist geschafft haben, mussten sich extensiven Interviews stellen“, so Spalt, der seit über 30 Jahren im Unternehmen ist. Bei der Erste Group Bank AG setzt man grundsätzlich auf „eine gesunde Mischung zwischen internem Know-how und externen Impulsen“, wie es aus der Konzernkommunikation heißt. „Wichtig ist uns, dass wir internen Kandidatinnen und Kandidaten klar den Vorzug geben, sofern diese die richtigen Kriterien und Erwartungen erfüllen. Diese Haltung spiegelt sich auch deutlich in der Zusammenstellung des aktuellen Vorstands wider.“
Kein langjähriger, interner Kandidat war Post-Finanzvorstand Walter Oblin (72,22 Punkte), der im Ranking spektakulär von Platz 41 auf den fünften Platz hochgeschossen ist. Nach 14 Jahren als Berater bei McKinsey in Wien und einem kurzen Zwischenspiel in der Technologiebranche in Deutschland hat er 2009 bei der Österreichischen Post AG im Management angefangen. Die Option auf die Position des Finanzvorstands ergab sich 2011 „im Rahmen der Nachfolgeplanung für meinen altersbedingt ausscheidenden Vorgänger“, erinnert er sich. Der Aufsichtsrat orientiere sich bei der Auswahl am gesetzlichen Rahmen, den das Stellenbesetzungsgesetz vorgibt. „Gleich qualifizierten internen Kandidatinnen und Kandidaten würde ich grundsätzlich immer den Vorrang geben, weil sie das Unternehmen kennen und das Unternehmen sie kennt“, ist auch Oblin überzeugt. Wie bei der RBI werden meist externe ExecutiveSearch-Berater beigezogen, um geeignete interne und externe Kandidaten zu finden. „Entscheidung und Verantwortung bleibt natürlich unteilbar beim Aufsichtsrat“, betont Oblin.
Konzernintern von der Donau Versicherung zur Vienna Insurance Group AG (VIG) nachgerückt ist Elisabeth Stadler, seit 2016 die einzige weibliche ATXVorstandschefin (Platz 19 / 64,00). Zuständig für die Vorstandsbestellungen der VIG und die Festlegungen der Mandatslaufzeiten ist ein eigener Ausschuss im Aufsichtsrat. „Es ist daher auch der Vorsitzende dieses Ausschusses, Günter Geyer, betreffend der Funktion als Vorstandsvorsitzende der VIG an mich herangetreten“, sagt Stadler. Die meisten anderen Vorstandsmitglieder haben eine mehrjährige Geschichte im Konzern, ausgenommen Finanzvorständin Liane Hirner (Platz 48 / 55,56 Punkte) und Ex-Finanzminister Hartmut Löger.
Direkt in den Vorstand der Helvetia Versicherung in Österreich ist Thomas Neusiedler (Platz 54 / 54,40 Punkte) 2012 eingezogen. „Der Prozess vom Erstkon-
„Kenne große Unternehmen, wo sich der alte CEO Nachfolger aussucht.“
RENATE GRABER
Traute Runde. Cira-Präsident Harald Hagenauer (Mitte) lud heuer mit Roman Eisenschenk von Kepler Chevreux und Hannes Roither, IR-Chef der Palfinger AG, zum Kapitalmarkttreffen der Cercle Investor Relations.
#STUDIE
VARIABLE VERGÜTUNG GESUNKEN
Die Kienbaum-Studie „Board Vergütung im ATX 2021 – Geschäftsjahr 2020“ hat ergeben, dass die Gesamtvergütung der ATX-Vorstände im Jahr 2020 auf das Niveau von 2016 zurückgefallen ist. Einbußen gab es bei der variablen Komponente. Das folgt daraus, dass Ziele teilweise nicht erreicht wurden, einige Vorstandschefs verzichteten wegen der Covid-Pandemie auch auf die Bonusauszahlung. Nachgebessert könnte laut der Studie im Aufsichtsrat werden: Die Vergütung der Aufsichtsratsvorsitzenden in Österreichs börsennotierten Unternehmen liegt mit einer durchschnittlichen Vergütung von 80.000 Euro pro Jahr immer noch weit unter jener der deutschen Kollegen des MDAX-Index mit 150.000 Euro. Wobei das natürlich ein Durchschnitt ist: Friedrich Rödler, langjähriger Aufsichtsratschef der Erste Group Bank AG, erhielt 2020 eine Vergütung von 170.000 Euro, inklusive den Sitzungsgeldern streifte Rödler 214.000 Euro ein.
„Günter Geyer ist an mich herangetreten.“
ELISABETH STADLER
„Würde immer gleich qualifizierten internen Kandidaten Vorrang geben.“
WALTER OBLIN
JOHANN STROBL
takt bis zur Vertragsunterschrift dauerte etwa sechs Monate. Das ist begründet durch notwendige Formalismen im Banken- und Versicherungsbereich wie beispielsweise dem Fit-and-Proper-Test“, sagt Neusiedler, der seit 2020 auch Vorsitzender des Vorstands ist. „Natürlich spielte neben den formalen Rahmenbedingungen wie Vertragslaufzeit und Entschädigung die zwischenmenschliche Basis mit den Gesprächspartnerinnen und -partnern in der Helvetia auch eine Rolle.“ Der rechtliche Rahmen sei in der Schweiz aber ein anderer als in Österreich. Ansonsten unterscheiden sich die Usancen hauptsächlich beim Formalen, berichtet Neusiedler: „Die Schweizer Kollegen leben die sogenannte ‚Swissness‘. Bei uns in Österreich würde man ‚Handschlagqualität‘ dazu sagen.“ CEOs und Politik als Einflüsterer
Ob der formal zuständige Aufsichtsrat hierzulande immer so unabhängig agieren kann, daran hat die langjährige Beobachterin Renate Graber ihre Zweifel, auch wenn sie Verbesserungen bei der Transparenz sieht. „Allerdings kenne ich große Unternehmen, in denen sich der Verdacht aufdrängt, dass sich der alte CEO den Nachfolger aussucht, was nun nicht im Sinne der Erfinder, der Compliance und der Gesetze ist.“ Im bereits angesprochenen staatsnahen Bereich sei man da immer noch sehr locker, die Politik versuche mit „Empfehlungen“ ihren Einfluss geltend zu machen. Ob sich nach den Affären in der Casinos Austria AG und der Öbag da etwas ändern wird: „Ich bin skeptisch.“ Bei der Öbag beteuert man indessen, dass die Bestellung Edith Hlawatis „nach strengen Kriterien“ erfolgt sei. Fünf der mehr als 100 Bewerberinnen und Bewerber seien zu Hearings eingeladen worden. Der Nominierungsausschuss und auch die beigezogene Personalberatung Egon Zehnder hätten sich schließlich für die Wirtschaftsanwältin ausgesprochen. „Eine krasse Fehlentscheidung des Aufsichtsrats“ nannte die Wahl hingegen Andrea Hodoschek in einem Kommentar, in erster Linie deshalb, weil Hlawati keine Industrieerfahrung habe. Die Politik habe sich aber dieses Mal herausgehalten, konstatiert die „Kurier“-Journalistin. Ein nicht unwesentlicher Faktor bei solchen Entscheidungen ist wohl auch die Zusammensetzung des Aufsichtsrats, aber das ist eine andere Geschichte und soll ein anderes Mal erzählt werden. n