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ICH HABE KEINEN TAG BEREUT“
Diplomatisch stark. Die Anwältin hat als Partnerin der Wirtschaftskanzlei Cerha Hampel über viele Jahre ihre Kompetenz in Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht auch der Staatsholding zur Verfügung gestellt, bevor sie am 1. Februar 2022 die Führung übernahm.
EDITH HLAWATI
Die Staranwältin Edith Hlawati hat die Führung der Staatsholding Öbag in äußerst turbulenten Zeiten übernommen. Die wirtschaftlichen Herausforderungen für die Beteiligungsgesellschaften sind noch größer. Das macht die Arbeit spannend und interessant, sagt sie in ihrem ersten großen Interview.
TEXT HEDI SCHNEID FOTOS DIETER BRASCH
In der Energiekrise sind die ÖbagBeteiligungen Verbund AG und OMV AG besonders gefordert. Sonderdividenden und Übergewinnsteuer könnten die Investitionskraft schmälern. Als Aufsichtsrätin sieht Edith Hlawati, die stets mit Charme und Wissen die Fäden aus dem Hintergrund gezogen hat, eine ihrer wichtigsten Aufgaben im Ausgleich zwischen öffentlichem Interesse und dem Kapitalmarkt. Auch in strategischen Fragen hat sie Gewicht. Im Gespräch mit dem Börsianer in der Öbag-Zentrale in der Kolingasse im neunten Wiener Bezirk weist sie auf ein weiteres großes Anliegen hin: die Erhöhung der Frauenquote auch in den Vorständen der Unternehmen.
Sind Sie eine aktive Aufsichtsrätin? - Edith Hlawati: Das hoffe ich doch. Bei den großen börsennotierten Unternehmen sind wir zu zweit im Aufsichtsrat. Einer der beiden Executive Directors der Öbag vertritt die Fachexpertise, ich sitze unter anderem im Nominierungs- und im Vergütungsausschuss und bin in strategische Fragen eingebunden.
Die Erhöhung des Frauenanteils klappt in den Aufsichtsräten schon recht gut, in den Vorständen weniger. Was unternehmen Sie,
um das zu ändern? - Wir haben seit dem Frühjahr 29 Aufsichtsratspositionen verlängert oder neu besetzt, davon waren 55 Prozent Frauen. In den Vorständen geht es leider langsam wegen der oft langen Laufzeit der Mandate. Und wenn ein Vorstand gut funktioniert, wird man nicht eingreifen. Deutschland hat jetzt die Frauenquote im Vorstand im Gesetz, das ist für uns Vorbild auf freiwilliger Basis. Wenn das auf europäischer Ebene kommt, müssen wir es ohnehin umsetzen. Mir ist aber schon wichtig, dass sich die Gesellschaft auch in der Wirtschaft abbildet. Die Dynamik bei diesem Thema wird zunehmen, und das ist gut so.
Sie haben die Führung der Öbag nach heftigen innenpolitischen Verwerfungen, die noch nachwirken, übernommen. Inzwischen prägen Weltpolitik und Energiekrise das Geschehen. Bereuen Sie Ihren Berufs-
schritt? - Ich habe keinen Tag bereut, die Tätigkeit ist sehr spannend und interessant. Ich kenne die Öbag, ich habe als Anwältin fast 30 Jahre für sie gearbeitet. Ich bin daher mit den Unternehmen und ihren Herausforderungen vertraut, ebenso mit den Syndikatspartnern.
In der Staatsholding wechselten häufig die Vorstände, was an sich schon für Unruhe sorgt. Sie sind angetreten, um Stabilität und Transparenz zu schaffen und auf das Beteiligungsmanagement zu fokussieren. Gelingt das? - Es sind andere Zeiten, andere Player, andere Umstände. Es ist gelungen, Ruhe hineinzubringen, was ich auch am Feedback aus den Beteiligungsgesellschaften merke. Jetzt haben wir ein Umfeld, mit dem niemand gerechnet hat. Drei Wochen nach meinem Amtsantritt brach der Ukraine-Krieg aus. Das hat neben dem menschlichen Leid dramatische wirtschaftliche Auswirkungen. Vor allem bei der Energieversorgung. OMV und Verbund sind unmittelbar davon betroffen und haben sehr gut darauf reagiert.
Verbund und OMV sind aber doch die Perlen, wenn man sich die Geschäftsergebnisse an-
Waagschale. Investoren erwarten Sicherheit, sagt Edith Hlawati im Gespräch mit „Börsianer“Redakteurin Hedi Schneid. „Es ist wichtig, dass die Kapitalmarktinteressen nicht zu kurz kommen.“
sieht? - Sie stehen hervorragend da, weil sie strategisch sehr gut aufgestellt sind. Um das zu erhalten, bin ich sehr dafür, die Langfristperspektive beizubehalten und nicht kurzfristig zu reagieren.
Die hohen Gewinne der Energiekonzerne haben Begehrlichkeiten der Politik ausgelöst. Auf europäischer Ebene ist die Abschöpfung von Übergewinnen geplant. Verbund AG und OMV AG schütten auch Sonderdividenden aus, die die Zahlungen der Öbag an den Staat auffetten – im Vorjahr waren es 766 Millionen Euro. Das schmälert doch die Investitionskraft der
Konzerne. - Das eine sind die Sonderdividenden, das andere die Übergewinne, wo noch vieles offen ist. Sollte das extrem ausgelegt werden, was wir alle nicht hoffen, wird sich das sehr wohl auf die Investitionsfähigkeit der Unternehmen auswirken. Allein beim Verbund sind in den nächsten drei Jahren drei Milliarden Euro geplant. Ich verstehe aber auch die Politik: Wenn sie die Bevölkerung unterstützen will, muss das Geld irgendwoher kommen. Hier bietet sich als kapitalmarktverträglichste Variante eine Sonderdividende an. Da partizipiert auch der Staat. Eine Sonderdividende müsste aber von der Übergewinnsteuer abgezogen werden, sonst kassierte der Staat doppelt.
Die neue Strategie der OMV AG ist umstritten. Großaktionär Mubadala scheint darob nicht begeistert. Wie ist Ihre Position?
- Öbag und Mubadala haben zusammen 56 Prozent, das Syndikat wird sehr geschätzt. Die Strategie, die schon beschlossen war, als ich in den Aufsichtsrat kam – die Transformation in Richtung Petrochemie –, hat sehr viel Sinn gemacht. Jetzt spielt die Versorgungssicherheit eine große Rolle. Es stellt sich daher die Frage, ob wir die Strategie nicht an diese Situation anpassen müssen.
Würden Sie für den Fall, dass sich, in welchem Unternehmen auch immer, bei sensiblen Themen keine Lösung abzeichnet, ein
Machtwort sprechen? - Komplexe Sachverhalte können Sie nicht in einer Aufsichtsratssitzung mit einer Weisung an einen weisungsfreien Vorstand lösen. Solchen Themen gehen lange Diskussionen voraus. Die Öbag hat da eine wichtige Rolle – den Ausgleich zwischen dem öffentlichen Interesse und den Aktionären. Es ist ganz wichtig, dass die Kapitalmarktinteressen nicht zu kurz kommen. Auch die Investoren erwarten Sicherheit. Bisher ist der Ausgleich gut gelungen.
Bei der OMV steht der Verkauf der Borealis-Düngemittelsparte an die tschechische Agrofert an, der ursprüngliche Verkauf an die russische Euro Chem wurde ja gestoppt.
Wie ist der Stand der Dinge? - Die Borealis hatte diese Transaktion schon lange auf dem Radar, vor der Krise, weil 80 Prozent der Erzeugung aus Gas kommt. Die Transaktion liegt in Brüssel zur Genehmigung. Linz bleibt ein wichtiger Standort, die Agrofert will als großer europäischer Player investieren und hat eine Standortgarantie abgegeben. Das ist eine gute Lösung.
Bei der Telekom Austria AG läuft Anfang 2024 der Syndikatsvertrag mit Ameri-
ca Movil aus. Ohne ihn verlöre die Öbag
doch massiv an Einfluss? - Ich habe 2014 selbst den Syndikatsvertrag verhandelt, seither ist das Vertrauensverhältnis zu den Entscheidungsträgern gewachsen. Wir wollen natürlich den Syndikatsvertrag verlängern. Wie Sie sagen: Der Vertrag gibt uns mehr Rechte, als wir das als 29-Prozent-Aktionär eigentlich hätten. Das betrifft Vorstandsnominierungen und Aufsichtsratssitze, Vetorechte, die Dividendenpolitik, strategische Entscheidungen.
Wie sieht es mit dem Plan von America Movil aus, die Handymasten auszuglie-
dern und zu verkaufen? - Auch hier sind wir in einer Analysephase. Unser oberstes Ziel ist es, den Einfluss als Eigentümer sicherzustellen, egal wie die gesellschaftsrechtliche Struktur aussieht. Wertsteigerung und Kontrolle ist die Devise. Ich weiß, dass es manche gibt, die keine Veränderung wollen. Allerdings bieten die Towers ein international übliches Geschäftsmodell. Es ist unsere Pflicht als Eigentümer, anzusehen, ob und wie wir das auch für die Telekom nützen können.
Die Casinos Austria AG hat ebenfalls für hohen Wellen gesorgt. Was muss geschehen, dass es dort wieder aufwärts geht?
- Die Casinos sind jetzt in einem ruhigen Fahrwasser. Mit der tschechischen Allwyn (früher Sazka Group) haben wir einen guten Syndikatspartner, auf dessen Strategie wir aufbauen können. Der neue Generaldirektor macht sich über die Positionierung der Casinos viele Gedanken, wie man das Konzept der Casinos, die international einen sehr guten Ruf haben, was Spielerschutz und Marke angeht, weiterentwickeln kann.
Die Finanzmärkte sind extrem volatil, wobei auch die Zinspolitik der Notenbanken eine gewichtige Rolle spielt. Wie schätzen
Sie die weitere Entwicklung ein? - Die Mischung aus Lieferkettenproblemen, hohen Energiepreisen, hoher Inflation, den Spannungen zwischen China und den USA und dem Ukraine-Krieg ist eine Herausforderung. Ich gehe von einer Rezession aus, und die Inflation wird nicht so schnell sinken. Sie wird auch falsch erklärt. Grund sind nicht nur die hohen Energiepreise, sondern die expansive Geldpolitik der Notenbanken. Die Geldmenge in Euro hat sich vervielfacht. Auch die USA, die viel niedrigere Energiepreise haben, haben eine hohe Inflation. Und das Helikoptergeld, das die Regierungen nun ausschütten, befeuert die Inflation zusätzlich, weil die Menschen das Geld in den Konsum stecken. n
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