3 minute read

Branford Marsalis Quartet

Next Article
Die Kunst der Fuge

Die Kunst der Fuge

Kaum ein anderer Jazzmusiker ist so zuverlässig unberechenbar wie Branford Marsalis. Mit seinem Quartett ist er seit Jahrzehnten unterwegs, und dennoch geht es in jedem einzelnen Konzert um den Zauber des Augenblicks. Nichts ist unter Kontrolle, postuliert der Saxophonist und fängt jeden Abend fokussiert und auf höchstem Niveau bei Null an.

VON WOLF KAMPMANN

Branford Marsalis ist ein Powerhaus. In seiner Person liefern sich der Bilderstürmer und der respektvolle Bewahrer der Tradition leidenschaftliche Duelle. Marsalis trägt sie in seiner Musik aus. Der Saxophonist und ältere Bruder von Wynton Marsalis ist ein Intellektueller, der seit Jahrzehnten gegen den Intellektualismus im Jazz Sturm läuft. Er liebt die Provokation und provoziert am liebsten die pathologischen Provokateure.

Sein Quartett mit Pianist Joey Calderazzo, Bassist Eric Revis und Drummer Justin Faulkner zählt zu den langlebigsten, stabilsten und am besten eingespielten Formationen der Jazzgeschichte. Geradezu traumwandlerisch gleiten die vier durch John Coltranes »A Love Supreme« und lassen sich sinnlich in Balladen fallen. Die Schallmauer zwischen Vergangenheit und Gegenwart wird dabei oft durchstoßen. »In meinen Gruppen spielen wir immer Songs«, erklärt Marsalis. »Wir brauchen kein Thema. Wenn wir an einem Abend elf Songs spielen, die nichts miteinander zu tun haben, was in der Regel der Fall ist, geht es um nichts anderes als ihre jeweilige Umsetzung. Das Konzept besteht einzig und allein darin, dass die Band den Song authentisch transportiert.«

Der Radar des Saxophonisten reicht weit: Mit seiner Band Buckshot LeFonque gehörte er Anfang der 1990er-Jahre zu den ersten namhaften Jazzmusiker:innen, die sich dem Hip-Hop öffneten, er gastierte bei den improvisationsfreudigen Hippie- Legenden The Grateful Dead, machte sich mit seinem mäandernden Solo in Stings »Englishman In New York« auch bei Pop-Hörern unsterblich und lieferte Soundtracks zu zahlreichen Filmen. Den stärksten Rückhalt findet er aber in seinem Quartett, nach seinen eigenen Worten ist dort nichts unter Kontrolle: »Ich erinnere mich noch genau, wie Joey Calderazzo in die Band kam. Joey fragte, wann die Proben wären, und ich sagte, heute Abend um acht. Das war der Beginn des Konzerts. Er fragte, ob wir nicht proben. Ich sagte, du kannst spielen, was du kannst. Der Gig lief nicht gut für ihn, er war unglücklich und dachte, ich würde ihn rausschmeißen. Aber ich sagte, denkst du ernsthaft, was heute nicht funktioniert hat, hätten wir mit einer Probe vermeiden können? Das Problem vieler Jazzmusiker besteht darin, dass sie auf der Bühne das zuvor Geprobte abrufen. Bei uns passiert so viel, und du musst lernen, auf uns zu reagieren. Es interessiert mich nicht, ob du deine besten Licks spielst. Du musst mit uns im jeweiligen Augenblick spielen, und das können wir nicht proben.«

So lassen sich auch die Erwartungen an ein Konzert des Branford Marsalis Quartetts nicht proben. Es passiert, was passiert, und was das genau sein wird, wissen die Musiker, wenn sie auf der Bühne stehen. Jeder Auftritt dieser faszinierenden Band ist zugleich ihr erster und letzter, und das schon seit Jahrzehnten.

:::::::::::::::::::::::::::::::::::::::

Di, 05/04/22, 19.30 Uhr · Großer Saal

Branford Marsalis Quartet »An evening with Branford Marsalis«

Branford Marsalis: Saxophon, Joey Calderazzo: Klavier, Eric Revis: Kontrabass, Justin Faulkner: Schlagzeug

:::::::::::::::::::::::::::::::::::::::

Karten: konzerthaus.at/konzert/eventid/59236

This article is from: