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Botschaften eines Geigers
Kaum einmal hat Gidon Kremer in den letzten Jahren das Beethoven- oder Brahms- Konzert gespielt. Ihm geht es um das Vermitteln rarer Kostbarkeiten. Aktuell ist es Mieczysław Weinberg.
VON CHRISTIAN HEINDL
»Unglaublich« ist ein naheliegendes Wort, wenn man die aktuellen Auftritte Kremers mit seinem 75. Geburtstag in Verbindung bringt. Ja, er ist durchaus älter geworden, nur – man hört es nicht, und eigentlich ist sein Alter auch deswegen unerheblich, weil er zu jenen Künstler:innen gehört, die manches Werk heute vielleicht anders spielen als vor dreißig, vierzig Jahren, aber er spielt es nicht speziell »reifer«. Die Reife des Gidon Kremer ist sicher eine innere und tiefe, die sein Spiel prägt. Die Musik, die er spielt, klingt aber immer gewissermaßen »jugendlich«, als ob sie gerade erst im Augenblick entstanden wäre. Geburtshelfer war Kremer ohnedies oft in seinem Leben. Viele Werke hat er aus der Taufe gehoben, darunter viele, die sich bald als Meisterwerke entpuppen sollten und das nicht zuletzt, weil er ihnen von Anfang an die entsprechende Durchschlagskraft verlieh.
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Gidon Kremer
© Angie Kremer
1978 war er zum ersten Mal im Wiener Konzerthaus zu Gast. Seither waren es rund 50 Auftritte, und meiner Erinnerung nach war unter den davon miterlebten keiner, der nicht zum Ereignis und entsprechend bejubelt wurde. Dennoch: Bei all den kleineren und größeren Erlebnissen, die er uns im sogenannten Standardrepertoire bescherte (vieles davon ist zum Glück auf Tonträgern vorhanden; seinen Brahms, seinen Tschaikowsky, seinen Bernstein möchte ich als Referenzaufnahmen nennen), die über das gewissermaßen »Alltägliche« hinauswachsenden Konzerte waren diese, in denen er sich wie ein Botschafter für jene stark machte, denen eine klingende Stimme im internationalen Musiklebens vorerst verwehrt war. Aus der damaligen UdSSR emigriert, blieb er denen treu, deren Werke ihn seit seinen Anfängen dort musikalisch begleitet hatten. Schostakowitsch, Pärt, Schnittke, Gubaidulina sind nur als einige unter den vielen zu nennen. Weitere baltische, (ehemals) sowjetische und andere Komponist:innen des 20. und 21. Jahrhunderts fallen einem ein – sowie immer wieder Mieczysław Weinberg. Seit vielen Jahren und immer öfter und mit großer Überzeugungskraft und dankenswerterweise wirkt Kremer für jenen Komponisten, der dem Genie Schostakowitschs vermutlich am ähnlichsten war. Ein Werk, bei dem das eindrucksvoll zutage tritt, ist das Violinkonzert op. 67 von 1959, mit dem der Geiger dem Publikum und wohl auch sich selbst ein kostbares Geschenk zum Geburtstag bereitet. Es vermittelt die wilde Zerrissenheit eines verfolgten, eines suchenden Menschen neben prächtig aussingender Schönheit und fragwürdigem Triumph – eine ideale Kombination für den Solisten, von der man sich ohne voreilige Übertreibung ein weiteres Kremer-Highlight in Wien erwarten darf.
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23 & 24/04/22
Sa, 19.30 Uhr & So, 11.00 Uhr Großer Saal
Wiener Symphoniker · Gidon Kremer · Ingo Metzmacher
»Gidon Kremer zum 75. Geburtstag«
Gidon Kremer: Geige, Ingo Metzmacher: Dirigent, Barbara Rett: Moderation (24.04.)
Galina Ustwolskaja: Symphonisches Poem Nr. 2
Mieczysław Weinberg: Konzert für Violine und Orchester op. 67
Dmitri Schostakowitsch: Symphonie Nr. 15 A-Dur op. 141 :Karten
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Karten · 23/04/22: konzerthaus.at/konzert/eventid/59255
Karten · 24/04/22: konzerthaus.at/konzert/eventid/59258