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Herzog Blaubarts Burg

Ein düsteres Burggemäuer, der berüchtigte Hausherr Blaubart alleine mit seiner neuen Braut. Aber keine Angst: Hier geht es nicht um Leben und Tod – hier geht’s um Liebe.

VON MICHAEL BRAUN

Zu Anfang ist nicht mehr zu sehen als das düstere, höhlenartige Innere eines Burggemäuers; kein Mobiliar, kein Fenster, nur sieben verschlossene Türen. Auch ohne Bühnenbild ist die karge Trostlosigkeit der Szenerie nicht zu überhören. Im leisen Unisono der tiefen Streicher breitet sich eine einfache pentatonische Tonfolge aus, ungerührt von jeder rhythmischen Verlebendigung, gleichzeitig spannungsvoll und stagnierend. All das lässt kaum erahnen, wie bunt dieses Werk Béla Bartóks noch werden wird. Aus den Türen, die Hausherr Blaubart seine frisch vermählte Braut Judith nach und nach öffnen lässt, erleuchtet bald verschiedenfarbiges Licht die dunkle Halle und der Blick wird freigegeben auf Folterkammer, Waffenkammer, Schatzkammer, den Garten, den umgebenden Landbesitz und einen stillen See. Zu diesen Bildern lässt Bartók erfindungsreich ein klangliches Spiegelbild der szenischen Vielfarbigkeit entstehen und sorgt nebenbei dafür, dass eine konzertante Aufführung an Plastizität nichts zu wünschen übrig lässt.

Gerald Finley

Der preisgekrönte kanadische Bassbariton als Bösewicht: Er schlüpft in die Titelrolle von Bartóks Einakter.

Durch die bunte Abwechslung hindurch zieht sich als (blut-)roter Faden die Frage, wie rückhaltlos eine Liebe zwischen zwei Menschen sein und dabei alle Geheimnisse und Rückzugsnischen aufgeben kann. Denn die Figur des Frauenmörders Blaubart, wie er aus der Märchensammlung Charles Perraults (1697) und aus den vielen Varianten dieser Erzählung bekannt ist, gehört nur zur gräuelmärchenhaften Fassade einer Handlung, die durch und durch symbolistisch konstruiert ist und bei allem, was sie uns zeigt, tatsächlich Vorgänge der Psyche meint. Béla Balázs, der 1910 das Theaterstück schrieb, auf dem das Libretto des zwischen 1911 und 1918 mehrfach überarbeiteten Operneinakters weitestgehend basiert, wollte die Burg als Blaubarts Seele verstanden wissen. Deren teils widersprüchlich erscheinende Facetten werden durch die Räume repräsentiert, die hinter den Türen liegen. Judith ist in dieser Lesart keine Person aus Fleisch und Blut, sondern vielmehr die Personifizierung der Liebe eines anderen Menschen, mit der Blaubart sich in seinem Inneren auseinandersetzen muss.

Rinat Shaham

Sie glaubt bis zuletzt an das Gute – die israelische Mezzosopranistin verkörpert die tragische Figur der Judith.

Der Blick, der uns hier auf das Phänomen der Liebe geboten wird, ist notwendigerweise ein einseitiger, und außerdem einer, der bei bekennenden Romantikern kaum Zuspruch ernten wird. Denn in den Räumen, die ihr stets neue Einblicke in Blaubarts Innenleben eröffnen, entdeckt Judith Spuren von Blut – Sinnbild ihrer Zweifel an der Aufrichtigkeit des Bräutigams. Unfähig, ihrer Hingabe gleichwertig zu begegnen, wird er ihren Argwohn nicht zerstreuen können. Zum Schluss muss zwar niemand sterben, Blaubart wird nicht zum Mörder, aber letztlich ist er es, der das Ende der Hoffnung auf ein gemeinsames Glück besiegelt. Die Musik endet so, wie sie begonnen hat (leise, pentatonisch), das Drama scheint bereit zu sein, sich abermals zu wiederholen. Oder ist ein nächstes Mal vorstellbar, bei dem das alles besser gelingen könnte?

Marin Alsop

Die vielfach ausgezeichnete Dirigentin führt ihr Orchester durch Bartóks 1918 uraufgeführte Oper.

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Fr, 29/04/22, 19.30 Uhr · Großer Saal

ORF Radio-Symphonieorchester Wien · Shaham · Finley · Alsop

Rinat Shaham: Judith, Gerald Finley: Herzog Blaubart, Marin Alsop: Dirigentin

Judit Varga: Around a Roundabout (UA) | Kompositionsauftrag des ORF Radio-Symphonieorchesters Wien

Sir James MacMillan: The confession of Isobel Gowdie

Béla Bartók: A kékszakállú herceg vára »Herzog Blaubarts Burg«. Oper in einem Akt op. 11

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Karten: konzerthaus.at/konzert/eventid/59266

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