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Advent, Advent
Der Reigen an Adventskonzerten führt wieder zur ultimativen Musik der Weihnachtszeit, zu Bachs Weihnachtsoratorium. Wem alles zu viel ist, kann bei Thomas Gansch eine Schlagertherapie in Anspruch nehmen
VON RAINER LEPUSCHITZ
Die Vorweihnachtszeit läutet der britische Pianist Alexis Ffrench ein, der mit seinem »Classical Soul« die Charts stürmt und Menschen weltweit mit seinem Musizierstil begeistert. Ffrench spannt mit seinen Arrangements einen stilistischen Bogen von Klassik über Filmmusik und Gospel bis zu R’n’B. Unter seinen Werken finden sich einige für die Weihnachtszeit bestimmte, phantasievolle Fassungen von »O Tannenbaum« oder »Stille Nacht« ebenso wie von dem in den USA populären Weihnachtslied »It’s the most wonderful time of the year«, das in den frühen 1960er-Jahren von dem amerikanischen Popsänger Andy Williams populär gemacht wurde. Alexis Ffrench hat übrigens auch eine weich ausschwingende Version der Bach-Choralbearbeitung »Jesu, meine Freude« im Repertoire, die im englischen Sprachraum unter dem Titel »Jesu, Joy of Man’s Desiring« bekannt ist.
Das führt zu Johann Sebastian Bach und in weiterer Folge zum Weihnachtoratorium, dessen Aufführung in diesem Jahr der österreichischen Dirigentin Michi Gaigg, ihrem L’Orfeo Barockorchester und dem Salzburger Chor Collegium Vocale sowie einem erlesenen Vokalsolist:innenkreis anvertraut ist. Die ersten drei der insgesamt sechs Kantaten sind damit in besten Händen; man braucht nur das Presse-Echo einer Deutschlandtournee des Orchesters vor einigen Jahren zu lesen: Die Rede ist da von dem »historisch zarten Klangbild des L’Orfeo Barockorchesters«, das »keine Wünsche offen ließ und wunderbare solistische Farbvaleurs in den Arien und der stimmungsvollen Hirtenmusik«, »dezentes Affetto und ausgefeiltes Continuospiel« zu bieten hätte.
Bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts wurden im deutschsprachigen Raum an Weihnachten drei Festtage gefeiert: Christtag, Stephanitag und am 27. Dezember ein Gedenktag für den Apostel Johannes. Auch in der protestantischen Kirchenordnung galt diese Feiertagsregelung. Der Text der Teile eins bis drei beruht auf dem Evangelium nach Lukas. Sie sind für die drei Weihnachtstage bestimmt und behandeln die Geburt Christi, die Verkündigung durch den Engel an die Hirten und die Anbetung der Hirten bei der Krippe. Johann Sebastian Bach, als Thomaskantor in Leipzig für die Musik der Sonn- und Feiertage in den Hauptkirchen zuständig, beschloss 1734, für die bevorstehende Weihnachts- und Neujahrszeit anstatt der üblichen Kantaten ein Oratorium zusammenzustellen, mit einzelnen Teilen für die sechs Festtage (also nach den Weihnachtstagen auch für den Neujahrstag, den ersten Sonntag nach Neujahr und den Dreikönigstag). 1734/35 wurde das Weihnachtsoratorium in den beiden Leipziger Hauptkirchen, der Nikolai- und der Thomaskirche zum ersten Mal aufgeführt.
Saßen damals die Menschen stundenlang in den ungeheizten Kirchen, wenn an den einzelnen Festtagen der jeweils passende Oratoriumsteil aufgeführt und in der Hauptsache der Gottesdienst zelebriert wurde, so können wir heute im warmen Saal und ohne den liturgischen Anteil die musikalische Erzählung der Weihnachtsgeschichte genießen. Denn aus den einst an die kirchenmusikalische Funktion geknüpften Kantaten sind längst Werke für den Konzertgebrauch geworden, so wie auch die damals streng an die kirchlichen Feiertage gebundenen Aufführungen auf einen vor die eigentliche Weihnachtswoche verlegten Zeitraum ausgeweitet wurden.
Auch Werke der katholischen Kirchenmusik, die zum Fest der Geburt Christi komponiert wurden, finden sich im diesjährigen Weihnachtsreigen. Das Wiener Kammerorchester spielt Arcangelo Corellis am 24. Dezember 1689 im Vatikanischen Palast uraufgeführte Concerto grosso g-moll op. 6/8 »Fatto per la notte di Natale«. Die Company of Music wiederum widmet sich zwei stimmungsvollen Weihnachtskompositionen des französischen Barockmeisters Marc-Antoine Charpentier aus dem »sonnenköniglichen« Zeitalter, dem Schöpfer jenes prachtvollen »Te Deum«, dessen Beginn 1954 zur Eurovisions-Hymne wurde. Einen derartigen Klangprunk darf man von seinen Weihnachtsmusiken »Messe de minuit pour Noël« und »In navitatem Domini Canticum« nicht erwarten – es handelt sich bei ihnen um besinnliche, feierliche Pastoralmusik.
Wer Abenteuer sucht, der mache sich zu den Philharmonic Five auf, um »Time for ADVENTures« zu erleben. Die philharmonischen Streicher Tibor Kováč, Lara Kusztrich, Elmar Landerer und Edison Pashko sowie die Pianistin Adela Liculescu lassen Barock auf Pop oder Walzer auf Christmas Songs treffen. Dazu übertragen sie Musik von Georg Friedrich Händel, Johann Strauß, Fritz Kreisler und Nat King Cole für ihr Quintett.
Aufregende Abenteuer erlebt auch das Mädchen Klara mit einem ihr zu Weihnachten geschenkten Nussknacker. Musik aus diesem traumhaften Ballett darf auf einem weihnachtlichen Gabentisch nicht fehlen. Auch 131 Jahre nach der Uraufführung des Balletts nach einem Märchen von E. T. A. Hoffmann hat Tschaikowskys »Nussknacker« nichts von seiner Ausdruckskraft verloren, die bei Hörer:innen von Kindesalter an immer wieder phantastische Bilder auszulösen vermag. Das Konzentrat der Komposition in Form einer Suite bescheren die Wiener Symphoniker unter der Leitung von Dirigenten-Doyen Christoph Eschenbach der Wiener-Konzerthaus-Weihnachtsfamilie.
Wen es selbst zum weihnachtlichen Musizieren drängt, dem bietet das Wiener Konzerthaus dazu wieder Gelegenheit in einem der beliebten »Sing Along«-Konzerte. Stimmen Sie mit der Wiener Singakademie unter der Leitung von Heinz Ferlesch beliebte Weihnachtslieder an!
Wer die Zeit rund um Weihnachten lieber mit einer guten Portion Humor verbringt, der ist eingeladen, die »Weihnachts-Schlagertherapie« aufsuchen, bei der das Musiktherapeutenteam um den Trompeter Thomas Gansch mithilfe von Hits von Vico Torriani bis Caterina Valente jeglichen vorweihnachtlichen Stress vergessen lässt: »Leise berieselt der Schnee!«
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Do, 07/12/23, 19.30 Uhr · Mozart-Saal
ALEXIS FFRENCH
»Christmas Piano«
Karten: https://konzerthaus.at/konzert/eventid/61133
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Sa, 09/12/23, 17.00 Uhr · Mozart-Saal
Sing Along
»Weihnachten«
Wiener Singakademie
Katharina Hofbauer, Harfe
Karin Hopferwieser, Violoncello
Rafael Neira-Wolf, Gitarre
Mark Royce, Klavier
Simon Schellnegger, Viola
Emanuel Toifl Saxophon, Querflöte
Monika Jeschko Moderation, Konzept
Heinz Ferlesch, Dirigent
Karten: https://konzerthaus.at/konzert/eventid/60717
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So, 10/12/23, 10.30 Uhr · Mozart-Saal
Wiener KammerOrchester · Hossen · Laycock
Mario Hossen, Violine
Mark Laycock, Dirigent
Arcangelo Corelli: Concerto grosso g-moll op. 6/8 »Fatto per la notte di Natale« · Joaquín Rodrigo: Zarabanda lejana y Villancico · Max Richter: Recomposed: Vivaldi, The four seasons
Karten: https://konzerthaus.at/konzert/eventid/60718
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So, 10/12/23, 19.30 Uhr · Mozart-Saal
Company of Music
»Noël«
Rota Fortunae Wien
David Bergmüller, Theorbe
Johannes Hiemetsberger, Leitung
Marc-Antoine Charpentier: Messe de minuit pour Noël H 9 Canticum in navitatem Domini H 393 sowie weitere Werke und Uraufführungen von Werken ausgewählter Komponist:innen (Auftragswerke der Company of Music)
Karten: https://konzerthaus.at/konzert/eventid/60719
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Mo, 11/12/23, 19.30 Uhr · Mozart-Saal
Thomas Gansch
»Leise berieselt der Schnee! Eine Weihnachts-Schlager therapie«
Thomas Gansch, Trompete, Flügelhorn, Gesang, Moderation, Leitung
Leonhard Paul Posaune, Basstrompete, Gesang
Sebastian Fuchsberger, Gesang, Posaune
Michael Hornek, Klavier, Gesang
Ankathie Koi, Gesang, Gasttherapeutin
Karten: https://konzerthaus.at/konzert/eventid/60720
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Mo, 18/12/23, 19.30 Uhr · Mozart-Saal
Philharmonic Five
»Time for ADVENTures«
Tibor Kováč und Lara Kusztrich, Violine
Elmar Landerer, Viola
Edison Pashko, Violoncello
Adela Liculescu, Klavier
Max Bruch: Klavierquintett g-moll · Werke von Georg Friedrich Händel, Johann Strauß, Fritz Kreisler, Nat King Cole u. a. in Bearbeitungen
Karten: https://konzerthaus.at/konzert/eventid/60728
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Mi, 20/12/23, 19.30 Uhr · Großer Saal
»Weihnachtsoratorium«
L’ Orfeo Barockorchester
Collegium Vocale Salzburg
Shira Patchornik, Sopran
Margot Oitzinger, Alt
James Gilchrist, Tenor
Alexander Grassauer, Bassbariton
Michi Gaigg, Leitung
Johann Sebastian Bach: Weihnachtsoratorium BWV 248 (Teile I, II und III)
Karten: https://www.konzerthaus.at/konzert/eventid/60731
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Do, 21/12/23, 19.30 Uhr · Großer Saal
Fr, 22/12/23, 19.30 Uhr · Großer Saal
Weihnachtskonzert
Wiener Symphoniker · Bell · Eschenbach
Joshua Bell, Violine
Christoph Eschenbach, Dirigent
Peter Iljitsch Tschaikowsky: Violinkonzert D-Dur op. 35 Polonaise (Eugen Onegin) · Ballett-Suite op. 71 a (Der Nussknacker)
Karten: https://www.konzerthaus.at/konzert/eventid/60732
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