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Orchester: Petr Popelka
Der Prager Dirigent leitet zwei Konzerte der Wiener Symphoniker, denen er ab der Saison 2024/25 vorstehen wird. In einem Interview verrät er, wie es dazu gekommen ist, was er vorhat und dass er es kaum erwarten kann
VON WALTER WEIDRINGER
Petr Popelka – so lautet der neue, höchst klangvolle Name im Wiener Musikleben. Jahrgang 1986, war der gebürtige Prager zehn Jahre lang stellvertretender Solo-Kontrabassist in der Staatskapelle Dresden unter Christian Thielemann, bevor er sich rasch selbst international einen Namen als Dirigent machte. Die Wiener Symphoniker hat er gleichsam im Sturm erobert: mit drei Programmen in nur zwei Jahren von null auf hundert, sprich: zum designierten Chefdirigenten. Nun kehrt er erstmals unter diesen Auspizien ins Wiener Konzerthaus zurück.
»Es war eine wunderbare Überraschung!« Anders könne er es nicht ausdrücken, meint Petr Popelka. Sicher, die Konzerte mit den Wiener Symphonikern seien für ihn von Beginn an etwas Besonderes gewesen: das Debüt als Einspringer im Mai 2021 im Wiener Konzerthaus, noch unter Pandemiebedingungen, mit Piotr Anderszewski als Solist in Beethovens 1. Klavierkonzert sowie den Zwischenspielen aus Richard Strauss’ »Intermezzo«. Ein Jahr später im Musikverein, wieder als Einspringer, Werke von Bruckner und Scelsi sowie Mahlers Erste. Es war laut Popelka eine beglückende Woche mit Proben und Aufführungen, aber: »An die Chefposition hätte ich nicht im Traum gedacht!« Dann jedoch kam das Einspringen bei »Frühling in Wien«, wieder im Wiener Konzerthaus. »Danach hat das Orchester abgestimmt – und siehe da!«, erzählt Popelka.
Dass in einem Orchester Menschen aus vielen Ländern und Kulturen zusammenspielen, sei etwas Wunderbares: »Ich glaube von ganzem Herzen an die Schönheit und das gegenseitig Befruchtende dieser Vielfalt.« Trotzdem seien örtliche Klangideale wichtig. Er habe zum Beispiel auch schon in Deutschland und Skandinavien Walzer dirigiert. »Aber ›Frühlingsstimmen‹ mit den Symphonikern: Wie das klingt, wie das schwingt, das ist auf der ganzen Welt nirgends so selbstverständlich wie in Wien!« Die Pflege der Orchesteridentität kenne er natürlich auch aus der Staatskapelle Dresden. Bei aller Steigerung des internationalen Niveaus: »Wir brauchen diese Traditionsorte, etwa auch die Tschechen mit Janáček, damit wir dieses Wissen und Können nicht verlieren.«
Was das Repertoire anlangt, hat Popelka klare Vorlieben im großen romantischen Repertoire – und wenn er Robert Schumann als einen Herzenskomponisten nennt, dann meint er nicht die Symphonien, sondern Raritäten wie »Das Paradies und die Peri«, die »Szenen aus Goethes Faust« und das Requiem. Dazu kombiniert er Gustav Mahler und Béla Bartók, will Spezialist:innen für die ältere Musik holen, denn die Symphoniker seien dafür gleichfalls prädestiniert – und er will selbst regelmäßig Uraufführungen dirigieren: »Was könnte interessanter sein als Musik zu spielen, die noch nie zuvor jemand gehört hat?« Das sagt ein Musiker, für den das Komponieren unweigerlich dazugehört, der für befreundete Interpret:innen schreibt, zu seiner eigenen Freude und auch fürs seelische Gleichgewicht. Aus dem Komponieren, oder besser aus dem Partiturstudium der Werke vor allem der Gegenwart habe sich bei ihm der Drang zum Dirigieren entwickelt.
Dass man heutzutage um Publikum viel mehr und auch anders werben muss als früher, ist Petr Popelka klar: »Wir müssen auf die Menschen zugehen, auf Kinder, Familien, Jugendliche, ihnen früh die nötige Bildung und starke musikalische Erlebnisse bieten. Dann werden Konzert und Oper wichtig bleiben, da bin ich Optimist.« Überdies sei die Zeit der künstlerischen Tyrannen endgültig vorbei: »Ich glaube weder an das Genie, das sich als Dirigent oder Regisseur alles erlauben darf, noch daran, dass in einer Atmosphäre von Angst und psychischem Druck künstlerische Höchstleistungen möglich wären.« Er habe das auch im Orchester nie erlebt: »Christian Thielemann war zehn Jahre lang mein Chefdirigent in Dresden – da herrschte gegenseitig höchster Respekt. Das ist die Basis für jede fruchtbare künstlerische Zusammenarbeit.«
Mit den Wiener Symphonikern belegt Petr Popelka das Anfang Dezember wieder – mit einem exquisiten Programm: »Rudolf Buchbinder hat am 1. Dezember Geburtstag und hat sich Mozart gewünscht«, verrät er. »Und ich liebe das Es-DurKonzert K 482: Es ist so frisch, so prachtvoll! Außerdem freuen wir uns, Arnold Schönbergs 150. Geburtstag schon etwas vorfeiern zu können: ›Verklärte Nacht‹ ist eines meiner absoluten Lieblingsstücke, da geht mir das Herz auf: mit 25 Jahren so etwas Tiefes schreiben zu können! Wir wissen auch, dass Schönberg Mozart nicht nur sehr geschätzt, sondern ihn auch als einen seiner Lehrer bezeichnet hat. Am Anfang des Konzerts steht César Francks ›Le chasseur maudit‹, das brillante Stück eines großen Komponisten: keine Sekunde Langeweile, famos geschrieben, glänzend instrumentiert. Insgesamt ist es ein Abend der Kontraste, aber Franck war ja auch Wagnerianer – und da kommt man um die Ecke doch zurück zur ›Verklärten Nacht‹. Ich kann es kaum erwarten!«
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Fr, 01/12/23, 19.00 Uhr · Großer Saal
So, 03/12/23, 11.00 Uhr · Großer Saal
Wiener Symphoniker · Buchbinder · Popelka
César Franck: Le chasseur maudit »Der wilde Jäger«. Symphonische Dichtung M 44 (nur am 03/12/23) · Wolfgang Amadeus Mozart: Konzert für Klavier und Orchester Es-Dur K 482 · Arnold Schönberg: Verklärte Nacht op. 4 (Fassung für Streichorchester 1943)
Im Anschluss im Großen Foyer: Konzertausklang mit MoZuluArt & Ambassade-Quartett Wien (nur am 01/12/23)
Karten: https://konzerthaus.at/konzert/eventid/60698
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