4 minute read
Ein Flug in fantastische Welten
Wie Robert Schumann plötzlich begann, sich für das Lied zu begeistern und wie das mit seiner Liebe zu Clara zusammenhängt
VON MARIA BEHRENDT
»Ach Clara, was das für eine Seligkeit ist, für Gesang zu schreiben; die hatte ich lange entbehrt. Wie mir dies alles leicht geworden, kann ich dir nicht sagen, und wie glücklich ich dabei war. Meistens mach ich sie stehend oder gehend, nicht am Klavier. Es ist doch eine ganz andere Musik, die nicht erst durch die Finger getragen wird – viel unmittelbarer und melodiöser.«
So schrieb Robert Schumann 1840 an seine Braut Clara Wieck. Diese plötzliche Liedbegeisterung erstaunt, schließlich hatte sich Schumann zwölf Jahre nicht mit der Gattung Lied befasst und noch im Vorjahr versichert, er habe Gesangskompositionen »nie für eine große Kunst gehalten«. Dies änderte sich in seinem »Liederjahr« 1840, in dem er über 150 Lieder komponierte, darunter den heute berühmten EichendorffLiederkreis op. 39, Frauenliebe und -leben op. 42 und die Dichterliebe op. 48. Wie kam es zu dieser plötzlichen Lied-Begeisterung?
Das Jahr 1840 stellte einen zentralen Wendepunkt in Robert Schumanns Leben dar: Nach einem mehrjährigen Rechtsstreit mit Clara Wiecks Vater erlangte das Paar endlich die lang ersehnte Ehegenehmigung und heiratete am 12. September, einen Tag vor Claras 21. Geburtstag, in Leipzig. In zahlreichen Briefen hatte sich das Paar das gemeinsame Leben ausgemalt, und Musik, allen voran Lieder, spielten dabei eine tragende Rolle. So schrieb Robert 1838 an Clara: »Abends phantasiere ich Dir in der Dämmerung vor und Du wirst dazu manchmal leise singen –und dann fällst Du mir recht selig an das Herz und sagst, so schön hab ich es mir nicht gedacht.«
Die große Bedeutung des Liedes im (erträumten) Ehealltag der Schumanns zeigt sich auch in einer Reihe von musikalischen Geschenken: Am Vorabend der Hochzeit schenkte Robert Clara den Erstdruck seines Liedzyklus »Myrthen«, versehen mit der Widmung »Seiner geliebten Braut«. Programmatisch ist dabei vor allem das Eingangslied »Widmung« auf ein Gedicht Friedrich Rückerts, in dem die geliebte Person als »guter Geist« und »bessres Ich« gepriesen wird, untermalt von einer jubelnden Klavierbegleitung, die im Nachspiel gar den Beginn von Franz Schuberts »Ave Maria« zitiert. Im gleichen Jahr schenkte Clara ihrem Mann zum ersten gemeinsamen Weihnachten die Lieder »Am Strande«, »Ihr Bildnis« und »Volkslied« »… in tiefster Bescheidenheit gewidmet ihrem innigstgeliebten Robert«. Rasch entstand die Idee eines gemeinsamen Liederheftes, das 1841 unter dem Titel »Zwölf Gedichte aus Rückerts Liebesfrühling für Gesang und Pianoforte« erschien, ohne dass dabei die Autorschaft der einzelnen Lieder offengelegt wurde. »Du vervollständigst mich als Componisten, wie ich Dich«, fasste Robert die musikalische Symbiose zusammen.
Auffällig an Schumanns Liedern ist seine intensive und kreative Auseinandersetzung mit den Gedichttexten, die auch seiner eigenen literarischen Tätigkeit als Musikjournalist und Schriftsteller geschuldet ist. So schrieb er in der von ihm gegründeten Neuen Zeitschrift für Musik, es entfalte sich »eine neue deutsche Dichterschule: Rückert und Eichendorff, obwohl schon früher blühend, wurden den Musikern vertrauter, am meisten Uhland und Heine komponiert. So entstand jene kunstvollere und tiefsinnigere Art des Liedes, von der natürlich die Früheren nichts wissen konnten, denn es war nur der neue Dichtergeist, der sich in der Musik spiegelte.«
In seinen Liedern zeigt sich ein facettenreiches Spiel mit Kontrasten, Formen, Textauslassungen und Tonmalerei, etwa in der Eichendorff-Vertonung »Mondnacht«: Hier lässt Schumann durch eine komplexe, federleichte Klavierbegleitung eine sphärische Verträumtheit entstehen. Mit großen musikalischen Bögen wird der Flug einer Seele nachgezeichnet, die ihre Flügel ausbreitet und voller Vertrauen in fantastische Welten entschwebt.
Wie sehr Schumann das Lied als Selbstspiegelung galt, wird auch in seinen späteren Lebensjahren deutlich, die von starken finanziellen Problemen und seiner unerbittlich fortschreitenden psychischen Krankheit überschattet waren. In dem Lied »Meine Rose« gerät das Klavier fast zur Hauptstimme, während die Stimme mehrfach versagt und Phrasen Fragment bleiben. In seinem letzten Liedzyklus, »Gedichte der Königin Maria Stuart« op. 135, lässt Robert Schumann die Grenzen der Gattung verschwimmen – ganz deutlich wird der Einfluss des Oratoriums und des Melodramas. Während die übersprudelnden und verträumten Lieder des »Liederjahres« von großem Vertrauen und Zukunftsglauben zeugen, zeichnen die späten Lieder das Bild einer kranken und desillusionierten Seele.
::::::::::
KONZERTTIPP
14/12/24 Sa, 19.30 Uhr · Mozart-Saal
Liederabend
Christian Gerhaher
Christian Gerhaher Bariton
Gerold Huber Klavier
Robert Schumann
Sechs Gesänge op. 107
Zwölf Gedichte op. 35 »Kerner-Lieder«
Drei Gedichte op. 119
Sechs Gesänge op. 89
Drei Gedichte op. 30
Lieder und Gesänge op. 96
Karten unter:
https://konzerthaus.at/konzert/eventid/61789
12/02/25 Mi, 19.30 Uhr · Mozart-Saal
Liederabend
Patricia Nolz
Patricia Nolz Mezzosopran
Malcolm Martineau Klavier
Robert Schumann
Frauenliebe und -leben op. 42 (1840) sowie Lieder von Richard Strauss, Alexander Zemlinsky und Robert Schuman
Karten unter: https://konzerthaus.at/konzert/eventid/61866